Un monde plus vaste: Großseggenried, Schlaubetal

 Aus unserem Leben, Eigene Gedichte, Unverhoffte Begegnung, Wanderungen  Kommentare deaktiviert für Un monde plus vaste: Großseggenried, Schlaubetal
Aug. 172015
 

Großseggenried20150815_100554

 

 

 

 

 

Ostkreuz, bloß Umsteigen und weg, irgendwie sehr … ostig.
Kräne ragen, Bagger rasten,
Baustelle halt. Was erwartest du?

Erkner, heute Abfahrt Jacobsthal
auf Gleis 1 statt auf Gleis 2.
Ja, warum sagt das denn keiner!

Weisheit des Schwarms
einfach so in den Wind geschlagen –
dann laufts halt den andern nach!
Hach so ein Schreck! Herzpochen,
Schweißausbruch, wegen so was!

Belohnung lasest du beim Nachbarn im RE 1 mit:
un couple est un monde autonome,
un monde autonome et clos
qui se déplace au milieu d’un monde plus vaste (S. 132)
(Geflüstert): „Kuck doch mal: Soumission, Houellebecq,
Der ist schon weiter als ich!“ Scham wegen Lesefaulheit? I wo!

Im Talgrund der Schlaube,
die letzte Aufwallung des Sommers, erwandert.
Erlenbruchwälder: wohlige Verschattung
am Beginn der Wanderung.

Hier schau: Weidegebüsch durchsetzt den Talgrund!
Da graste noch vor vierzig Jahren das Viehzeug.

Viehzeug fehlt heut! Unweigerlich dann die Durchnässung!
Aufschossen die Seggen dann!
Die Steifsegge, die Sumpfsegge, die Ufersegge, die Rispensegge,
mit einem Wort: ein richtiges Großseggenried!
Breitblättrig hingestreut wuchert’s hervor, das Knabenkraut,
da, da und da, verkrautete Wege!

Ja, schau nur hin:
5,3 Kilometer zur Ragower Mühle;
aber waren es nicht vor 500 Metern
5,4 Kilometer?

Logische Folge: Verunsicherung, aufkommender Durst.
Lichtere Wälder. Kiefernforst, klar: Hitzespeicher!
Erdursten, wieder das Herzpochen,
oder schon Vorhofflimmern?
Schritt um Schritt hin
zum Baumlabyrinth für Rollstuhlfahrer.

 

Foto:
Großseggenried im Schlaubetalgrund, Aufnahme vom 15.08.2015
Zitat:
Michel Houellebecq: Soumission. Flammarion, Paris 2015, S. 132

 Posted by at 17:53

Wir aber sind frei, mögen sie auch ihr geliebtes Geld hätscheln und hedgen!

 Antike, Eigene Gedichte, Faust, Philosophie, Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für Wir aber sind frei, mögen sie auch ihr geliebtes Geld hätscheln und hedgen!
Okt. 132014
 

Schafe 20141004_182733

 

 

 

 

 

 

Mögen sie doch ihr geliebtes Geld hätscheln und hedgen!

Gutes, erquickendes Losschütteln der Sorgen ums Geld, das ich am Wochenende feierte! Das „Lied vom unfruchtbaren Weinberg“ aus dem Buch Jesaja wies mir den Weg!  Jesaja erkannte, dass Recht und Gerechtigkeit, dass Barmherzigkeit und Vergebung, dass Freiheit und Wahrheit über dem Willen der Fürsten und Mächtigen thronen. Das wahre Wort ist wichtiger als das Geld, das freie Wort zählt mehr als die Währung.

„Das Geld, das geliebte Geld ist stärker als Recht und Gerechtigkeit, die Währung ist wichtiger als das gegebene Wort!“

So sprechen die Heuchler und Krämerseelen.
Sie haben das gute C ihres Namens in ein € verwandelt.
Auf dem € singen sie, auf das € schwören sie,
wie sie sich früher auf das C beriefen. So sprachen sie:

„Jeder, der angreift das hohe, das zweigestrichene €,
ist eine Schande für unsere Heimat. Eine Schande für Deutschland!
Ihn treffe der Bannfluch.
Denn das € ist heilig. Mit dem schändlichen Zweifler
setzen wir uns an keinen Tisch.  Alles dürft ihr bezweifeln,
am zweigestrichenen €, das aus dem tiefen C hervorging,
dürft ihr nicht zweifeln. Von dieser Frucht dürft ihr nicht nicht essen!
Esst – oder ihr werdet gestopft! Ein Greuel sind uns all jene,
die das Geld nicht zum obersten Wert erklären.
Scheitert das zweigestrichene €, so scheitert der Kontinent.“

Also verehrten sie das Geld, das Geld ward ihnen zum Maß aller Dinge.
Ihm unterjochten sie alle Völker. Eine eiserne Hecke umschlang den Weinberg,
gefangen waren die Menschen im Weinberg wie irrende Schafe.
Was half ihnen all das Jammern und Zagen, das Pochen und Feilen am zweigestrichenen €?

Dieser Weinberg verfiel dennoch, im Süden des Weinbergs verdorrten die Böden,
im Norden des Weinbergs blähten sich Hoffahrt und Stolz. Geiz und Habsucht,
Zank und Hader verkehrten die einen gegen die andern,
wandten das Herz des Südens gegen das Herz des Nordens.

„Il attendait le droit et voici l’iniquité, la justice et voici les cris.“

Statt Gerechtigkeit – Schlechtigkeit, statt Barmherzigkeit
herrschte  Schmächtigkeit im Weinberg!

Bitter wurde der Wein, sauer wurden die Trauben,
von denen sich die Trinker betranken.
Den Trinkern und den Töchtern und Söhnen der Trinker
wurden die Zähne stumpf.

Da ertönte die Stimme – und von denen, die sie hörten, wußte später  niemand mehr,
ob sie von innen oder von oben kam:

„And now I will tell you
What I will do to my vinyard:
I will remove its hedge —“

Das ist zu Deutsch: Ich werde die Hecke des Weinbergs einreißen,
den Schafen werde ich die Freiheit zurückgeben,
sie sollen sich tummeln auf grüner Au!

Und wieder ertönte die Stimme:

„Ich sag‘ es euch: ein Kerl, der auf den € spekuliert,
Ist wie ein Tier, auf dürrer Heide
Von einem bösen Geist im Kreis herum geführt;
Und rings umher liegt schöne grüne Weide.“

Auf, ihr Kerls, hängt euer Herz nicht länger ans Geld, ringsherum ist grüne Weide.
Lasst euch nicht einzwängen, lasst euch nicht hätscheln, lasst euch nicht hedgen!

Atmet frei! Sprengt eure Fesseln!

Geht! Atmet! Dehnt euch, streckt euch.

Ihr könnt! Glaubt! Ihr seid frei!

 

Quellen Europas:
Le chant de la vigne, in: Le livre d’Isaïe. In: La Bible de Jérusalem. Les éditions du cerf, Paris 1998, Seite 1234, hier: Kapitel 5, Vers 7
The Book of Isaiah, in: The Holy Bible. Revised Standard Version. CollinsBible, Stonehill Green 1952, Seite 603, hier Kapitel 5 Vers 5
Johann Wolfgang Goethe. Faust. Texte. Herausgegeben von Albrecht Schöne. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt 1999, S. 80, hier: Vers 1830

 Posted by at 22:58

„Sieh die Gänse, die Fänge …“

 Eigene Gedichte, Wanderungen  Kommentare deaktiviert für „Sieh die Gänse, die Fänge …“
Aug. 082014
 

Am 20. Juli des genannten Jahrs unternahm Gottfried Benner, der am Mehringdamm 38 – also hier in Kreuzberg – seine Hautarztpraxis hat, eine Radtour durch das Märkische Land. Benner, der eine Aversion gegen den Klassizismus Schinkels hat, wählte dennoch Müncheberg als Ausgangspunkt der Fahrt: „Hat man die Müncheberger Marienkirche mit dem wuchtigen, viel zu großen, nach Entwürfen von Schinkel gebauten  Turm einmal hinter sich, fühlt man sich endlich frei von Schinkel“, erklärte der Hautarzt, dessen Spezialgebiet die Psoriase ist. „Drehst du dich um, erkennst du, dass Schinkel im Grunde gar nicht an der Funktion der Gebäude interessiert war – er wollte nur richtig groß, richtig wichtig in die Landschaft hinein zeichnen. Er war ein mittelprächtiger Zeichner, deshalb hat er so viele Zeichnungen hinterlassen“, führte Benner aus, während wir hinter ihm herkeuchten. Benner, der 55 Jahre alte Arzt, der ein Leben lang stets dem Rotwein und den Zigarren zugesprochen hatte, erwies sich zu unserer Überraschung als unbezwinglicher Tourenradler. Wir, die wir doch im Schnitt 10 bis 15 Jahre jünger waren, hatten Mühe, ihm hinterherzustrampeln.

Hart an einem wogenden Sonnenblumenfeld – wir hatten 5 km von Müncheberg schon hinter uns gebracht – hielten wir an, um zu verschnaufen und die Richtigkeit der Analyse Dr. Benners zu prüfen. Als wir uns gerade umgewandt hatten, um den wie eine Landmarke in den Himmel ragenden Turm der Marienkirche zu suchen, da hörten wir plötzlich ein Pfeifen und Rufen über unseren Köpfen: eine Schar wilder Gänse hielt auf uns zu. Die Gänse flogen in Formation in weitem Bogen, drehten dann bei, schienen eine Zeitlang über uns zu schweben und verschwanden dann Richtung Neuhardenberg. Benner war sichtlich angerührt vom Flug der Vögel: „Das ist ein Zeichen, das ist eine Himmelsmarke!“, rief er sibyllinisch aus.  Wider alle Erwartung unterließ er für den gesamten restlichen Tag seine polemischen Spitzen gegen den – wie er zu sagen pflegte – „grotesk überbewerteten Karl Friedrich Schinkel, der einem Watteau nie und nimmer das Wasser reichen konnte“.

Wir merkten: es brütete etwas in Gottfried Benner. Benner war in sich gekehrt. Er heckte etwas aus. Und nach der Mittagspause, die wir unter einer Buche im Schlosspark Neuhardenberg verbrachten – eine Wassermelone konnte unseren Durst nicht stillen – kam Benner mit einem Blatt, vollgekritzelt mit Versen zu uns, und ehe wir uns wieder auf die Sättel schwangen, trug er uns das folgende Gedicht ohne jedes Stocken und fehlerfrei vor:

Sieh die Gänse, die Fänge
Lichts und Ahnung vom Meer,
Welche lauten Gesänge
Treiben sie kreischend her!

Du auch, die lautlos berufen
Und spät ins Gesicht mir gelacht,
Folg mit Augen den Rufen
Meerwärts ans Ende der Nacht.

Wenn S-Bahn-Ringe und Pforten
Durchschritten du hast ohne Scheu
Siehst neue Götterkohorten
Du und bleibst dir doch treu.

Am Fuß der Fürstenthrone
Entziffre die Schrift und die Wand,
Schüttle dein Haar mit der Krone
Gieße den Wein in die Hand

Der Nonnen, wie immer sie hießen,
Die Lehm und Tränen gemischt,
Alles rinnt im Verfließen,
Die Spuren im Kalk sind verwischt.

Stotternd besingst du die Mühlen,
Vom rautigen Wege ein Stück,
Gib weiten Raum den Gefühlen,
Vom Meer ruf die Gänse zurück.

Bild 1: Landschaft bei Müncheberg. Am linken Bildrand: die Marienkirche. Aufnahme vom 20. Juli 2014, 08.59 Uhr

Das hier zitierte Gedicht Gottfried Benns Sieh die Sterne, die Fänge findet sich in abgewandelter, auf die Hälfte gekürzter Form in folgendem Buch: Karl Otto Conrady (Hrsg.): Das große deutsche Gedichtbuch, Athenäum Verlag, Kronberg/Ts. 1977, S. 757

 Posted by at 22:18

Park am Gleisdreieck – die große Versöhnung

 Eigene Gedichte, Gleisdreieck, Parkidyllen, Versöhnung  Kommentare deaktiviert für Park am Gleisdreieck – die große Versöhnung
Sep. 022011
 

Seit 29 Jahren kenne und besuche ich immer wieder das Gelände am Gleisdreieck. Ursprünglich noch als Autobahn geplant, fiel das verkrautete riesige Areal in einen Misch- und Dämmerzustand. Ölige schwere Erde stieg in die Nüstern. Verschattete Schuppen träumten mit gähnenden Fensterlöchern vor sich hin. Kleinjungenhaft strolchten wir über die 14 Brücken über die Yorckstraßen. An der Hornstraße wohnte ich ab 1983.

Heute konnte ich es nicht erwarten, den neu freigegebenen Park zu besichtigen. Ach was, besichtigen! Ich nahm ihn mit Dutzenden andern in Besitz, erahnte die Weite, ließ mich dahintreiben, dahinziehen, von Busch zu Busch. O roh behauene Bänke, o sandig getönte Wege, o Gleise, die stumpf im Kraut enden, o Rosenduft zwischen letzten Terpentinaromen.

Eine grandiose Anlage, die zu erschließen mir pures Glück bereitet hat. Ein begeisterndes, begehbares Geschenk, das Bürgerwille und großzügige Zahlungen der Investoren ermöglicht haben. Eine überwältigende Versöhnung von Naturschutz und Politik, von Mensch und Technik, von Land und Stadt!

Park am Gleisdreieck 02 09 2011 – YouTube

 Posted by at 23:36

blogs schweigen

 Eigene Gedichte  Kommentare deaktiviert für blogs schweigen
Aug. 072010
 

bis 16. August no blog. Blogger hockt, kuckt&kocht bei moskau. Poka!

 Posted by at 07:46

Umschlag

 Eigene Gedichte  Kommentare deaktiviert für Umschlag
Juni 052008
 

In Schöneweide. Spät abends
treten die Streckenarbeiter über die Gleise.
In Richtung Baumschulenweg
versinkt die große Stadt glutrot. Und
einen kurzen Augenblick weißt du nicht,
in welche Richtung du einsteigen sollst.
Es war nur ein Augenblick. Dann
steigst du ein. Nichts ist geschehen,
aber wieder bist du ein anderer geworden.

 Posted by at 22:10