… und wenn der „Euro“ stattdessen „Sterco“ hieße? Würde dies etwas ändern?

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Jul 292015
 

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Recht behaglich wars mir immer zumut, wenn ich nach durchwandertem Tag in Südtirol ein paar Verslein aus dem 4. Akt von Goethes Faust II, ein paar kluge Sentenzen aus dem Wirtschaftsblatt Sole24ore nachmurmelte oder auch ein paar der italienisch- oder deutschsprachigen Fernsehsender aufrief.

Auf RAI 3 sah ich da auch zu bester Sendestunde nach 20.15 Uhr am 25. Juli eine lange Gesprächssendung zum Thema GEIZ – AVARIZIA. Der Geizige, so fanden die kundigen Gesprächspartner mit Flavio Insinna heraus, klebt am Geld, für ihn verkörpert das Geld sein ganzes Selbst, er hält am Gelde fest, er sieht nichts außer dem Geld und verliert darüber alles andere, was werthaltig ist oder sein könnte. Der Paperon de‘ paperoni Walt Disneys, der Onkel Dagobert unserer Kindheit, der Geizige Molières, der Scrooge eines Charles Dickens … sie und viele andere haben über dem Geld den Blick auf den anderen Menschen verloren. Das Geld entzweit sie von allen anderen Menschen – und auch von sich selbst, denn ihre Seele leidet über dem ständigen Nachsinnen und Nachdenken Schaden. Das Geld, so fand man auf RAI 3 heraus, trennt die Menschen untereinander, es trennt aber auch den Menschen von sich selbst. Der pfiffige Italiener nennt deshalb spöttisch und in seinem stets wohllautenden Idiom das Geld von alters her auch „lo sterco del Diavolo“.

„Lasciatemi divertire! Ich will Spaß!“ So hieß die Sendung von RAI TRE. Freunde, amici miei, wir wollen uns mal einen Spaß machen! Zurück zur Nominalismus-Debatte, zu der uns vorgestern Nikolaus von Cusa, der Brixner Bischof einlud!

Die ehrfürchtige Scheu, mit der Europa im Euro seine tiefste Bestimmung, seine unio mystica europea zu finden glaubt – ist sie ein bloßer Flatus vocis, eine Narretei, die letztlich mit dem Namen „Euro“ steht und fällt? Könnte man den Euro nicht auch – angelehnt ans deutsche Wort „Stärke“ – auch einfach „Sterco“ nennen? Würde sich dadurch etwas ändern?

Es wäre passend, gilt der Euro in Italien doch seit längerem weithin als „moneta tedesca“, als starke deutsche Währung, mit der die Deutschen wieder einmal versuchen, ihre Herrschaft über den ganzen Kontinent auszudehnen. So schreibt es erneut Aldo Cazzullo im angesehenen Corriere della sera am 24.07.2015 ganz explizit: „Oggi l’Europa non è l’Europa; è un impero tedesco. Come Roma antica, Berlino ha creato una rete di Paesi satelliti“. Das ist zu Deutsch: „Heute ist Europa nicht Europa; es ist ein deutsches Reich. Wie das antike Rom hat Berlin ein Netz von Satellitenstaaten geschaffen.“ Als Waffe zur Errichtung des deutschen Reiches der Jetztzeit gilt für Cazzullo, aber auch in weiten Teilen der italienischen und der griechischen Öffentlichkeit – der Euro.

So spaßig oder lachhaft das auch klingen mag, es steht immer wieder so in den Gazzetten und Corrieri Italiens und Griechenlands. Gestrickt wird in Italien (und auch in Griechenland) bereits jetzt fleißig am Mythos der „moneta non voluta“, der „nicht gewollten Währung“, so als wäre Italien seinerzeit gezwungen worden, dem Euro mit seinem vertraglich sehr eindeutigen Regelwerk beizutreten.

Es erinnert auf lustige Weise an den Mythos von der „Guerra non voluta“, dem „nicht gewollten Krieg“, so als wäre Italien damals durch das deutsche Reich gezwungen worden, durch die italienische Kriegserklärung an Frankreich und Großbritannien vom 10.06.1940, durch den italienischen Überfall auf Griechenland vom 28.10.1940 in den 2. Weltkrieg einzutreten! War das so? Wurde Italien durch das Deutsche Reich gedrängt oder gezwungen, in den 2. Weltkrieg einzutreten? Nein. Dem ist entschieden zu widersprechen.

Der teilweise heute immer noch verkündete italienische Mythos von der „guerra non voluta“ hält einer historischen Überprüfung schlechterdings keine Minute lang stand. Italien hat schließlich den Krieg gegen Frankreich, gegen Großbritannien und gegen Griechenland aus eigenem freien Entschluss selbständig begonnen und zunächst auch selbständig geführt und sich auf eigenen Wunsch bereitwillig mit 400.000 Soldaten auch dem deutsch angeführten Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, dem berüchtigten Unternehmen „Barbarossa“ angeschlossen.

Aber wozu sich aufregen? Wir erfahren es handgreiflich: Der absolutgesetzte Euro, vielmehr der absolute Glaube an den Euro entfaltet Tag um Tag seine diabolische Kraft. Das Geld, der Glaube an die Macht des Geldes spaltet europäische Staaten, spaltet europäische Völker, spaltet europäische Menschen entzwei. Das mutwillig begonnene scholastische Gedankenexperiment, den Euro einen Augenblick lang „Sterco“ zu nennen, wühlt leider die gesamten Lasten der Vergangenheit auf unschöne, betrübliche Weise wieder auf. Lo sterco del passato, der ganze Dreck der Vergangenheit kommt wieder hoch. Und das ist alles andere als lustig.

Und beim Krämer am Hafen schallte mir auch bei meinem jüngsten Italienaufenthalt des öfteren ein militärisches „Jawoll!“ entgegen, sobald man mich als Deutschen erkannt hatte. Tja, amici europei, non mi diverto. Das find ich nicht so lustig.

Zitatnachweis:
Aldo Cazzullo: La questione tedesca. Nessun paragone con il passato. Ma non aveva torto l’ambasciatore francese che disse a Ciano: „I tedeschi sono padroni duri. Ve ne accorgerete anche voi“. In: Corriere della sera, 24.07.2015, Beiheft SETTE, Seite 14

Bild:
Eine Abbildung einer Abbildung einer Abbildung des Kaisers auf einer Münze des Kaisers Konstantin (Münze datiert wohl auf 337-350 n. Chr.). Gefunden bei Tiefbauarbeiten auf dem Gebiet des späteren Prichsna, des heutigen Brixen. Fotografiert gestern auf dem archäologischen Lehrpfad in Brixen.

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Was sagt die Eule Europa?

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Jul 272015
 

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Estne una veritas an plures? Gibt es eine oder mehrere Wahrheiten? Auf 2000 Meter Meereshöhe stellte sich mir heute diese Frage. Ich entnehme sie einem Dialog des Nikolaus von Kues, der ja hier unten in Brixen wirkte. In Europa fliegen derzeit allzu viele Wahrheiten durch die Lüfte. Sie wirken eher wie Steinschleudern denn wie Argumente. Als fundamentum inconcussum Europas taugt heute mehr denn je das Geld. Über den Euro streiten sie alle. Timothy Garton Ash wirft Finanzminister Schäuble in der Repubblica von heute vor, der Vorschlag eines vorübergehenden Ausscheidens eines Landes aus dem Euro bedeute weniger Europa. Der Euro, das ist Europa. Weniger Euroländer, weniger Europa!

Was wohl der Kusaner dazu sagen würde? Nominalismus! Nominalismus des Euro, das heißt, weil der Euro Euro heißt, deswegen ist er Europa. Die Schweiz, Polen, Norwegen z. B. wären kein Europa, da sie den Euro nicht haben und nicht wollen.

Ist das logisch? Nein, der Streit um den Mythos Euro nimmt gespenstische Züge an! Ob Jürgen Habermas, der Schäuble vorwarf, er habe in einer Nacht 50 Jahre europäisches Vertrauen zerstört, oder Ash, der die rationalen Erwägungen Schäubles als europafeindlich abtat, all diese weit überschätzten Intellektuellen erliegen dem nominalistischen Trugschluss, der da lautet, der Euro, das ist Europa. Kläglich das Ganze! Der Euro hat Streit und Zwietracht gesät. Viele haben ihre Rationalität in der Anbetung des Geldes abgegeben. Ils ont perdu la raison.

Zitatnachweis:
Nikolaus von Kues: Der verborgene Gott. Ein Gespräch zwischen einem Heiden und einem Christen. Lateinisch und deutsch. Übertragung und Nachwort von Fritz Stippel. Erich Wewel Verlag, Freiburg im Breisgau, dritte verbesserte Auflage 1952, hier S. 10

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„Das Geld des Dorfes dem Dorfe!“, oder: Die Vereinigten Regionen Europas gelingen nur mit mehr Subsidiarität in der Finanzverfassung!

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Jul 022013
 

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Eine wirklich gute, vorbildliche Regelung für das vielbeschworene Europa der Regionen hat der Nationalstaat Italien für Südtirol geschaffen: Die mehrheitlich deutsche Provinz Südtirol („Obere Etsch“, wie sie auf Italienisch genannt wird) hat hohe Autonomierechte, und dieser Autonomiestatus drückt sich auch in der Finanzverfassung aus: 90% des Steueraufkommens verbleiben in der Provinz. Folge der finanzpolitischen Eigenständigkeit: Südtirol erwirtschaftet deutlich mehr als der Durchschnitt  des italienischen Nationalstaates, und ein Großteil des selbst erwirtschafteten Geldes verbleibt satzungsgemäß in der Provinz. Die Südtiroler haben weitgehende Gewissheit, dass sie nicht irgendwelche Schwerindustriefabriken, die berüchtigten „Kathedralen in der Wüste“  bei Taranto finanzieren, sondern Straßen, Schulen, Krankenhäuser in der eigenen Provinz. Das Geld der Provinz der Provinz! Nur 10% wird an die Zentrale in Rom abgeführt. Die Provinz genießt ein Höchstmaß an finanzpolitischer Eigenverantwortung und schaffte so innerhalb weniger Jahrzehnte, von einem agrarisch bestimmte Armenhaus zu einem reichen Powerhaus der EU zu werden. Der separatistische Gedanke ist gottlob weitgehend verschwunden.

Nicht Separatismus der Regionen („Weg vom Nationalstaat!“), sondern stärkere finanzpolitische Eigenverantwortung für die Regionen und Bundesländer sind der Weg, auf dem die Europäische Union gesunden kann.

Die Bundesländer bzw. die Regionen wie etwa Katalonien oder Schottland brauchen mehr subsidiäre Verantwortung bei der Verwaltung ihrer Mittel! Ich bin von folgender Zielvorstellung überzeugt: Nur ein festgelegter Anteil des Steueraufkommens sollte in der EU an die jeweils nächsthöhere Ebene abgeführt werden. Dahin müssen wir in den nächsten Jahrzehnten mit der EU kommen.

Das Rezept wirkt, denn es hat schon oft in der Weltgeschichte gewirkt. Falsch ist eine Stärkung der zentralwirtschaftlichen Umverteilung von oben herab, wie es derzeit die EU und leider auch die deutsche Bundesregierung durch zahlreiche politische Maßnahmen vertreten. Beispiele für das verkehrte zentralistische Umsteuern liegen auf der Hand: Die Bankenrettungspolitik, die Schuldenmacherei dank der Euro-Rettungsmechanismen, die national- und zentralstaatliche Energiewende, die ständigen Eingriffe der EU-Kommission in Bereiche, die unbedingt der unteren Ebene vorbehalten bleiben sollten: so etwa Saatgutauswahl, Bestimmungen über die öffentliche Daseinsvorsorge, Abgaswerte für PKW usw.

Die EU sollte sich bemühen, die wenigen Kernaufgaben, die ihr sinnvollerweise zukommen, einigermaßen anständig und vertretbar zu bewältigen: vernünftige, abgestimmte Währungs- und Außenpolitik, gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht, Freizügigkeit der Unionsbürger, Niederlassungs- und Gewerbefreiheit, Schutz der Freiheits- und Bürgerrechte. In allen diesen Punkten ist die EU nicht gut genug, mehr noch: sie versagt weithin.

Falsch war es meines Erachtens, eine feste Schuldenbremse in die Verfassungen bzw. ins Grundgesetz zu schreiben. Denn selbstverständlich müssen die Regionen oder Bundesländer vorübergehend auch einmal gesetzliche Schuldenbremsen „reißen“ dürfen, ohne gleich als Verfassungsfeinde dazustehen! Die von oben her durchgesetzte Aufnahme der numerisch festgelegten Schuldenbremse in die Verfassungen war für mich ein Kipp-Erlebnis, das mir die Verkehrtheit des Hauptstroms der heutigen Finanzpolitik vor Augen führte!

Das Geld des Dorfes dem Dorfe!“ So formulierte einst Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der hochverdiente Gründervater der deutschen Selbsthilfe- und Sparkassengenossenschaften diesen Grundsatz der finanzpolitischen Eigenverantwortung. Während die Europäische Union seit Jahren im wesentlichen nur noch über zentrale Umverteilungsmechanismen streitet und zu diesem Zweck sogar numerische Schuldengrenzen in die Verfassungen der Nationalstaaten hineinschreibt, liefern die wirtschaftlich erfolgreichen Regionen der EU, etwa Südtirol, Bayern oder Baden-Württemberg eine Art Blaupause dafür, wie die EU vielleicht trotz des unseligen derzeitigen Euro-Regimes noch einen Weg zur finanzpolitischen Vernunft finden kann – unter Beibehaltung des Euros!

Wie sagte Johannes? „Denkt um und tut Buße!“ Wie kann der Euro gerettet werden? Antwort: Durch Umdenken, durch Umsteuern, durch „Buße“, also durch das Eingeständnis eigener Fehler und die Zusage, „es in Zukunft besser zu machen“. Dabei gilt die Grundeinsicht: Die Subsidiarität in der Finanzverfassung – nicht die „immer engere Union“ –  ist der Kerngedanke einer Währungsunion, die vielleicht noch eine Chance auf längeren Zusammenhalt wahren will.

Dabei hilft es nicht, ganze Kübel von Verachtung über irische Banker auszuschütten. Die irischen Banker haben 7 Mrd. Bedarf angemeldet und 40 Mrd. Euro erhalten. Die irischen Banker haben also ebenso wie die griechischen Reeder und Politiker das gemacht, wozu das herrschende Euro-Regime sie angestiftet hat: Möglichst viel von den riesigen Umverteilungssummen der EU in die eigene Tasche bzw. die Taschen der eigenen Klientel  zu wirtschaften. Das ist de facto das Grundprinzip der EU-Finanzpolitik.

Den irischen Bankern, die im Suff  buchstäblich „gesungen“ und die Wahrheit ausgeplaudert haben, sollte nicht unsere Verachtung, sondern unsere Dankbarkeit für die schonungslose Offenlegung der EU-Ausplünderungsmechanismen gebühren. Ein irischer Banker bittet uns Deutsche als guter Ire (irischer Katholik?)  für sein eigenes Fehlverhalten um Verzeihung. Wir Deutsche sollen ihm die Verzeihung gewähren und ihn preisen und ihn ermuntern, noch mehr zu singen, noch mehr Wahrheiten zu verraten.

Das Geld des Dorfes dem Dorfe! Das Geld der Region der Region! Das Geld des Bundeslandes dem Bundesland!

Nur ein festgelegter Anteil des Steueraufkommens jedes einzelnen Bundeslandes sollte an die übergeordnete Ebene abgeführt werden müssen. Bayern sollte also einen ebenso hohen Prozentsatz des selbst erwirtschafteten Steueraufkommens an den Bund zahlen wie Berlin oder Sachsen. Ich bin sicher: In zwei oder drei Jahrzehnten wäre die Finanzverfassung der Bundesrepublik wieder im Lot. Gleiches gilt für die EU: Die Bundesrepublik Deutschland sollte einen ebenso hohen Anteil des selbst erwirtschafteten Steueraufkommens an die höhere Ebene zahlen wie Griechenland, Frankreich oder Irland. Das muss meines Erachtens die Zielvorstellung sein.

Innerhalb weniger Jahrzehnte wird die EU dann gesunden. Sie wird dann ein Vorbild für andere sein können. Die EU  wird sich dann gegenüber China und den USA als gleichstark behaupten können. Daran gebricht es uns derzeit noch in erheblichem Maße!

Bild: ein uralter babyfarbener Opel Kadett in Berlin-Kreuzberg, gesehen gestern  – Zeugnis der Gründer- und Aufbruchsjahre der Bundesrepublik!

 Posted by at 14:16