März 182009
 

In Zeiten allgemeiner Trübsal ermanne ich mich immer wieder, indem ich das Leben in vollen Zügen genieße. Ich freue mich ungescheut des heraufziehenden Frühlings, ertüchtige mich bei Pilates und Body Pump im Fitness-Studio! Und das wichtigste: Ich glaube an meine Kräfte. So erprobte ich mich sogar im sehr seltenen Beruf des Wahrsagers: Ich versuchte am 06.03.2009, den Einfluss von Entscheidungen und von Ereignissen auf die Stimmung im Lande vorherzusagen. Unter dem Titel „Die Wende“ raunte ich dumpf in diesem Blog: „Dieser heutige Tag wird die Unionsparteien erneut 1 Prozentpunkt kosten.“ So schwante mir am 6. März.

In der darauffolgenden Woche, vom 9. bis 13. März, führte Forsa eine repräsentative Befragung bei 2501 Bundesbürgern durch – es war die Woche, in der sich die Zuverlässigkeit meiner Vorhersage erweisen würde … und – zack, staun, bumm! Aber lest selbst in Spiegel online:

Umfrage: Merkels Wirtschaftspolitik verprellt viele Unionsanhänger – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
CDU und CSU verloren laut Forsa im Vergleich zu Vorwoche einen Prozentpunkt und kommen nun auf 33 Prozent. Dies ist der schlechteste Wert seit 2006. Die SPD verliert ebenfalls einen Punkt und kommt auf 24 Prozent.

Es ist also so gekommen, wie ich vorhergesagt habe. Muss ich mich dennoch tadeln? Ja! Denn ich hätte ehrlicherweise voraussagen müssen, dass die SPD ebenfalls Federn lassen würde, da sie an diesem Gewürge und Gezerre um die Opel-Beihilfen beteiligt ist und die Unionsparteien munter vor sich hertreibt, freilich ohne den Ball im gegnerischen Tor zu versenken. Zu Guttenberg, den ich für sehr tüchtig halte, schlägt sich wacker in seiner Schau. Der Beitrag in den ARD-Tagesthemen gestern abend sagte eigentlich alles: Man sah den Minister wehenden Schrittes durch die Straßen Washingtons eilen, so dass der Tross kaum mithalten konnte. Die klare Botschaft der Körpersprache des Ministers war: „Bringen wir’s möglichst schnell hinter uns!“ Und auf eine listige Frage der munteren Moderatorin Miosga wich er glatt vollkommen aus, verweigerte ebenso listig die Antwort, ja er verhaspelte sich sogar, was einem geschliffenen Redner wie zu Guttenberg sonst eigentlich nicht unterläuft. Er litt also ersichtlich unter seinem Kabinettsdisziplin-Skript, das er aufzuführen hatte.

Wie sagen doch die Psychologen: Dein Körper, deine Mimik, deine Sprache lügen nicht.

Meine Botschaft lautet also: Mehr Mut zur Klarheit! Traut euch doch was! Ihr könnt mehr als ihr denkt!

Den Beruf des Wahrsagers werde ich dennoch nicht ergreifen, da ich Arbeit mehr als genug habe und davon auch prächtig lebe in unserem herrlichen heraufziehenden Frühling.

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Abgeworben: Sarrazin geht zur Bundesbank

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Feb. 172009
 

Als Kind wäre dieser Mann fast im Ammersee ertrunken. Niemand kam, um ihn zu retten. Er musste aus eigener Kraft an Land.

Dieses Vertrauen in die eigenen Kräfte war bitter nötig, als Thilo Sarrazin nach Berlin kam. Jetzt geht er. Bürgermeister Wowereit verliert, die Stadt verliert, wir alle verlieren einen Menschen, über den man sich herrlich aufregen konnte. Schade. Denn es war schwer, ihm fachliche Fehler nachzuweisen. Die Süddeutsche bringt heute einen sehr unterhaltsamen Rückblick. Lesen lohnt:

Sarrazin geht zur Bundesbank – Rechnen und abrechnen – Seite 2 – Politik – sueddeutsche.de
Ein Wesen von einem anderen Stern kam daher, ein intellektueller Managertyp, promovierter Volkswirt mit schnellem Rechner im Kopf, fachlich brillant, persönlich aber schwierig.

Sie haben also erst mal das getan, was sie hier immer getan haben und stapelten dem Neuen den Tisch mit Akten zu. Das war ein Symptom, fand er, nicht für den Fleiß der Beamten, sondern für die ganze ineffiziente Verwaltung des Landes. „Aktenvermerke, die so lang und so umständlich waren, dass man sie auch in anderthalb Stunden nicht bewältigen konnte“, sagt Sarrazin.

„Vorlagen, die zu 80 Prozent gar nicht auf meiner Ebene zu entscheiden waren.“ Eine „verdeckte Sachbearbeiterherrschaft“ hat er vorgefunden, bei der Beamte nur den Dienstweg abzeichneten und die Verantwortung dann zügig nach oben weiterreichten.

Als die Aktentürme seine Schultern erreichten, bestellte er einen Referatsleiter ein. Damals ging es um die Frage, ob Berlin den sozialen Wohnungsbau weiter fördern sollte, dort versickerten viele Millionen. Es erschien ein Beamter, Ende fünfzig, in nicht eben eleganter Kleidung.

Er hatte einen Stapel von Papieren mitgebracht, überall klebten gelbe Merkzettel, und so ähnlich strukturiert war wohl auch der mündliche Vortrag. „Da wurde ich etwas lauter.“ Fünf Seiten wollte Sarrazin, mehr nicht, mit allen relevanten Zahlen. Er hat den Papierstapel auf den Tisch geklatscht, und weil er „irgendwie schief“ stand, rieselte ein Zettelregen auf den Boden. Sarrazin kichert jetzt vergnügt. „Der hat das Haus verlassen und sich dauerkrank gemeldet.“

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Dez. 032008
 

Die politischen Kräfte können bisher kein überzeugendes Konzept zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise vorlegen. Noch herrscht Beratungsbedarf. Am ehesten vermag noch zu überzeugen, wenn die öffentliche Hand in die Infrastruktur investiert – oder die Einkommensteuer senkt.

Doch halt – da fällt mir ein:

An Berliner Grundschulen fehlt Geld für regelmäßige Reinigung. In unserer Grundschule wird nur in den Ferien eine Grundreinigung gewährleistet. Dieses Blog berichtete bereits über einen ähnlichen Fall im Wedding am 22.02.2008. Während der Unterrichszeiten findet keine regelmäßige Reinigung statt. Die Fenster sind trübe. Die Kinder finden kein sauberes Lernumfeld vor. Kauft Wischmopps und Putzlumpen, bezahlt Putzmänner und Putzfrauen statt Rettungsschirme  für Bänkerinnen und Bänker!

Es fehlt bisher noch Geld für gut ausgestattete Turnhallen. In Berlin sind viele von ihnen sanierungsbedürftig. Gute Sportanlagen sind wichtiger als öffentlich finanzierte Breitbandanschlüsse. Verschafft dem mittelständischen Bauhandwerk frische Aufträge!

In Musikschulen sind die Wartelisten voll. Kinder brauchen mehr Sport, Kinder brauchen mehr gute Musik. Richtet Musikschulen her, stellt Musiklehrer ein, für Geige, für die orientalische Ut, für Pauken und Trompeten!

Die Autoindustrie schrumpft, die Zahl der PKW schrumpft in Berlin, man sollte nicht endlos weiter in Straßen für Autos investieren, sondern in Radverkehrsanlagen, in Fahrradbügel, damit die Leute mehr Fahrrad fahren und ihre Stahlrösser danach auch wiederfinden. Legt Radverkehrsstreifen an, montiert Fahrradabstellbügel!

Mein Wunsch an die Haushälter: Legt das Geld so an, dass es nachhaltig einen Effekt zeitigt. Investiert nicht in verpuffende Effekte, schiebt so an, dass unsere Enkel auch noch etwas davon haben.  Investiert in frühkindliche Bildung, in Schulbildung  und – Überraschung! – in musische und sportliche Bildung, in Klimaschutz, in CO2-senkende Gebäudesanierung. Umsteuern ist angesagt, nicht bloß ein Anschieben. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben.

Rezessionsgefahr: Was der Wirtschaft wirklich hilft – und was nicht – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft
Bauinvestitionen

SPD wie Union diskutieren Pläne zur Sanierung öffentlicher Gebäude, weil damit Arbeitsplätze im Handwerk gesichert werden könnten. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) spricht sich zudem für den Neubau von Kraftwerken und den Ausbau der Breitbandverkabelung aus.

Das sagen die Experten

Gegen Investitionen hat keiner der Wirtschaftsforscher etwas einzuwenden. Das Problem ist jedoch, dass die seit Jahren schrumpfende Bauwirtschaft den Ansturm kaum bewältigen kann, sollte zum großen Bauboom geblasen werden – schließlich hat sie ihre Kapazitäten jahrelang ab- und nicht aufgebaut. Das lässt sich nicht so schnell ändern. „Letztendlich würde das Programm dann lediglich die Preise nach oben treiben“, sagt IfW-Konjunkturexperte Meier. Zudem dauert es seiner Meinung nach viel zu lange, bis das Programm überhaupt wirken würde – schließlich müssen die Bauaufträge erst ausgeschrieben und vergeben werden.

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Juli 242008
 

24072008029.jpg Nachdenklich geworden, versuche ich so den Inhalt der großen Rede Barack Obamas an der Berliner Siegessäule für mich zusammenzufasssen: „Wir stehen alle gemeinsam in der Verantwortung.“ Ich spreche ein paar Amerikaner an: „Was meint ihr?“ Ihre Antwort: „Na, so viel Besonderes hat er nicht gesagt. Er sprach mehr zu uns Amerikanern zuhause als zu euch in Europa!“ Ich widerspreche entschieden! Er hat nichts vollkommen Neues gesagt – aber dies war auch gar nicht zu erwarten. Viel wichtiger war die Wirkung seiner Rede. Eine gute Rede reißt mit, stiftet Gemeinschaft, lässt die Menschen fühlen: Das, was er da sagt, das hätte ich auch gerne gesagt, das schweißt uns zusammen.

Und das ist Barack Obama gelungen. Und deswegen hat sich jede Minute gelohnt, die ich mir die Beine in den Bauch gestanden habe.

Schon ehe er den Mund auftat, hatte er die Herzen gewonnen. Das war so deutlich spürbar! Seine Art zu gehen, seine Art zu lächeln, seine Art, Kontakt aufzunehmen mit den Massen, das ist eine Gabe, die zum großen Redner unbedingt dazugehört. Er hat sie!

Dann fing er an:

I come to Berlin as so many of my countrymen have come before. Tonight, I speak to you not as a candidate for President, but as a citizen – a proud citizen of the United States, and a fellow citizen of the world.

I know that I don’t look like the Americans who’ve previously spoken in this great city. The journey that led me here is improbable. My mother was born in the heartland of America, but my father grew up herding goats in Kenya. His father – my grandfather – was a cook, a domestic servant to the British.

Und damit hatte er erneut gewonnen. Eine leichte humoristische Wendung – ein klares Bekenntnis zu seinen Wurzeln. So fängt fast jede gute amerikanische Rede an. Nur wir Deutschen tun uns damit schwer, mit dieser Kunst, sich auf elegante Art in die Herzen der Zuhörer zu schleichen! Dabei ist es so leicht!

Es folgte ein messerscharfes Bekenntnis zur deutsch-amerikanischen Luftbrücke, zum unbeugsamen Freiheitswillen der Berliner während der Blockade durch die Kommunisten im Jahr 1948:

And on the twenty-fourth of June, 1948, the Communists chose to blockade the western part of the city. They cut off food and supplies to more than two million Germans in an effort to extinguish the last flame of freedom in Berlin. The size of our forces was no match for the much larger Soviet Army. And yet retreat would have allowed Communism to march across Europe. Where the last war had ended, another World War could have easily begun. All that stood in the way was Berlin.

And that’s when the airlift began – when the largest and most unlikely rescue in history brought food and hope to the people of this city.

The odds were stacked against success. In the winter, a heavy fog filled the sky above, and many planes were forced to turn back without dropping off the needed supplies. The streets where we stand were filled with hungry families who had no comfort from the cold.

But in the darkest hours, the people of Berlin kept the flame of hope burning. The people of Berlin refused to give up. And on one fall day, hundreds of thousands of Berliners came here, to the Tiergarten, and heard the city’s mayor implore the world not to give up on freedom. „There is only one possibility,“ he said. „For us to stand together united until this battle is won…The people of Berlin have spoken. We have done our duty, and we will keep on doing our duty. People of the world: now do your duty…People of the world, look at Berlin!“

Diese Zitate aus der Rede Ernst Reuters, des sozialdemokratischen West-Berliner Oberbürgermeisters aus dem Munde eines US-Präsidentschaftsbewerbers – nun, in der Tat nichts Neues, aber die Leidenschaft, mit der Obama sich auf den Freiheitswillen der Berliner berief, das klare Bekenntnis zur Tempelhofer Luftbrücke, das war etwas, was ich so ausführlich nicht erwartet hatte! Der eindeutige Antikommunismus ist weiterhin ein Grundstock beider großen amerikanischen Volksparteien, darüber täuschen sich die Deutschen nur allzu leicht hinweg. Und für Amerikaner ist es meist unverständlich, dass in Deutschland zwei große „sozialdemokratische“ Parteien – die SPD und die CDU – einander so unerbittlich den Schneid abzukaufen versuchen!

Natürlich ist Obama nach europäischen Maßstäben ein in der Wolle gefärbter Konservativer, ein Mann, der auf universelle Werte wie Liebe zur Herkunft, zum jeweiligen Vaterland, auf Freiheit, Verantwortung, Gemeinschaft setzt. Dennoch sollte auch Europa, das sich gerne auf erworbene Ansprüche, auf acquis communautaire, Mindestlöhne, Pendlerpauschalen und andere Segnungen des gütigen Sozialstaates beruft und darauf ausruht, einen Mann wie Obama als Partner mit vollem Herzen willkommen heißen!

Den Hauptteil seiner Rede widmete Obama den vor uns liegenden Aufgaben: Eindämmung des Klimawandels, Bekämpfung der Armut, Zusammenstehen gegen Terrorismus, Brückenbauen zwischen den Religionen, Fürsorge für die Armen und Vergessenen:

This is the moment when we must come together to save this planet. Let us resolve that we will not leave our children a world where the oceans rise and famine spreads and terrible storms devastate our lands. Let us resolve that all nations – including my own – will act with the same seriousness of purpose as has your nation, and reduce the carbon we send into our atmosphere. This is the moment to give our children back their future. This is the moment to stand as one.

And this is the moment when we must give hope to those left behind in a globalized world.

Zum Schluss noch ein Liebesbekenntis an Amerika:

But I also know how much I love America. I know that for more than two centuries, we have strived – at great cost and great sacrifice – to form a more perfect union; to seek, with other nations, a more hopeful world.

Da ist es ein fünftes Mal in dieser doch nur halbstündigen Rede – das Wort „Opfer“. Welcher deutsche Politiker traut sich heute noch, so wie Obama von Opfer zu sprechen, – von Liebe zum eigenen Land, von Hingabe, von Dienen, von Verantwortung? Es sind nur wenige. So viel Verzagtheit, so viel Mutlosigkeit in deutschen Reden!

Obama kann uns wahrlich eines Besseren belehren. Deshalb bin ich dankbar, dass er gekommen ist. Ich sehe ihn in einer langen Tradition amerikanischer Präsidentenreden, beginnend mit der großen Gettysburg Address von Abraham Lincoln: Schlichte Worte, mit Leidenschaft und Überzeugung vorgetragen, kein Honigseim um das Maul des Volkes, sondern ein klarer Aufruf zur Verantwortung, zur gemeinsamen Tat, gespeist aus dem Bewusstsein der vergangenen Kämpfe.

Wir brauchen mehr solche Politiker. Es muss und wird sie auch in Europa geben, eines nicht allzufernen Tages. Es war ein großer Tag, eine große Rede, die man auch noch in Jahren nachlesen sollte, ein Schritt nach vorne zu einer besseren Welt!

Die Leute spürten das. Sie drängten sich nach Schluss der Rede noch an die Absperrungen, um einen „Saum seines Mantels zu erhaschen“, wie es im Evangelium heißt. Und hier – Freunde – scheiden sich die Geister. So weit würde ich nicht gehen. Eine fast kultartige Verehrung für einen Politiker – das ist in meinen Augen … too much of a good thing! So please … give me a break!

Full script of Obama’s speech – CNN.com

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Ich kämpfte den guten Kampf

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Nov. 182007
 

Im Fitnessstudio ist um 10 Uhr vormittags Bodypump angesagt. Trainerin Caro versteht es, uns in Schwung zu bringen. Beim ersten Trizeps-Lied fordert sie uns auf, recht viel Gewicht aufzulegen. Sie selbst hat 12 Kilo drauf. Ich packe 16 Kilo drauf. „Das schaffst du nie!“ warnt ein Turnfreund. „Das wollen wir sehen“, denke ich. Ich halte zwar durch, schaffe alle Wiederholungen. Aber bei den nächsten Trizeps-Liedern halte ich nicht durch – habe mich vorzeitig ausgepowert. Egal. Caro sagt: „Stellt eure eigenen Profile zusammen, solange der Bewegungsablauf stimmt, könnt ihr mit den Gewichten experimentieren!“

Worüber ich froh bin: Ich habe alle gegrüßt, wenn ich einen Raum betrat, habe mich im Kurs bedankt, habe ein paar Takte geplaudert und habe Tschüß gesagt, als ich die Männerumkleide verließ.

 Posted by at 15:08