Sep. 132009
 

Eine der besten Reden, die ich in den letzten Wochen lesen konnte, ist die Rede des Kaisers Claudius. Ihm wurde eines Tages im Senat vorgeworfen, er spreche zu vielen Menschen das Bürgerrecht zu.  Aber er weist das zurück: seit jeher habe Roms Größe darin bestanden, ehemalige Nachbarn, ja ehemalige Feinde zu Staatsbürgern zu machen. Dazu gehörten nicht zuletzt seine eigenen Vorfahren und die der meisten Anwesenden! Absolut richtig! Das Imperium romanum hat immerhin mehr als 1000 Jahre gehalten. Stabilität eines staatlichen Gebildes hängt nicht zuletzt davon ab, ob es einen einbeziehenden, für Außenstehende zugänglichen Begriff der Staatsbürgerschaft hat. Die Römer haben das geschafft. Anders die Griechen, deren staatliche Gebilde aus heutiger Sicht sehr empfindlich waren – zu stark eine Bürgerschaft aus verschiedenen Klassen hatten. Die einheitliche Staatsbürgerschaft durch Geburt auf römischem Boden – das war die zukunftsweisende Großtat des 1. Jahrhunderts. Einer der ersten, die davon profitierten, war Saulus aus Tarsos, der spätere Apostel Paulus.

Aber lest selbst. Tacitus berichtet in Annales, 11.24:

Tacitus: Annales XI
His atque talibus haud permotus princeps et statim contra disseruit et vocato senatu ita exorsus est: ‚maiores mei, quorum antiquissimus Clausus origine Sabina simul in civitatem Romanam et in familias patriciorum adscitus est, hortantur uti paribus consiliis in re publica capessenda, transferendo huc quod usquam egregium fuerit. neque enim ignoro Iulios Alba, Coruncanios Camerio, Porcios Tusculo, et ne vetera scrutemur, Etruria Lucaniaque et omni Italia in senatum accitos, postremo ipsam ad Alpis promotam ut non modo singuli viritim, sed terrae, gentes in nomen nostrum coalescerent. tunc solida domi quies et adversos externa floruimus, cum Transpadani in civitatem recepti, cum specie deductarum per orbem terrae legionum additis provincialium validissimis fesso imperio subventum est. num paenitet Balbos ex Hispania nec rninus insignis viros e Gallia Narbonensi transivisse? manent posteri eorum nec amore in hanc patriam nobis concedunt. quid aliud exitio Lacedaemoniis et Atheniensibus fuit, quamquam armis pollerent, nisi quod victos pro alienigenis arcebant? at conditor nostri Romulus tantum sapientia valuit ut plerosque populos eodem die hostis, dein civis habuerit. advenae in nos regnaverunt: libertinorum filiis magistratus mandare non, ut plerique falluntur, repens, sed priori populo factitatum est. at cum Senonibus pugnavimus: scilicet Vulcsi et Aequi numquam adversam nobis aciem instruxere. capti a Gallis sumus: sed et Tuscis obsides dedimus et Samnitium iugum subiimus. ac tamen, si cuncta bella recenseas nullum breviore spatio quam adversus Gallos confectum: continua inde ac fida pax. iam moribus artibus adfinitatibus nostris mixti aurum et opes suas inferant potius quam separati habeant. omnia, patres conscripti, quae nunc vetustissima creduntur, nova fuere: plebeii magistratus post patricios, Latini post plebeios, ceterarum Italiae gentium post Latinos. inveterascet hoc quoque, et quod hodie exemplis tuemur, inter exempla erit.‘

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Apr. 102009
 

Immer wieder lerne ich neue Wörter in meiner Muttersprache. So insbesondere dann, wenn ich mich, eingedenk des herannahenden Osterfestes, der religiösen Überlieferung zuwende. In der Zeitschrift FUGE. Journal für Religion & Moderne, Band 4, 2009, lese ich auf S. 28 folgende Sätze:

Die Bibel ist das meist-erforschte Buch der Welt. Vielleicht ist es auch der „überforschteste“ Gegenstand der Welt.

Gut, so sei die Bibel ein Kandidat für den Titel „Am meisten überforschter Gegenstand“. Ich schlage aber einen anderen Kandidaten vor: die Schule.  Was uns zu meinen Erlebnissen vom vergangenen Montag bringt.

Der kommunalpolitische Arbeitskreis der CDU Friedrichshain-Kreuzberg hatte ins Rathaus Kreuzberg eingeladen. Als Redner konnte gewonnen werden Oberschulrat Gerhard Schmid, der in der Schulverwaltung für unseren Bezirk zuständig ist.

Eine kleine Nachforschung im Internet ergibt: Schmid stammt aus meiner Heimatstadt Augsburg, er war damals einer der Wortführer der linken Protestbewegung, er wurde in der Augsburger Allgemeinen neulich sogar als der „Augsburger Rudi Dutschke“ bezeichnet! Er war also einer jener Aufrührer, vor denen meine Eltern mich besorgt warnten! Wir zitieren aus der Augsburger Allgemeinen vom 22.04.2008:

Im Frühjahr 1968 ist Schmid ein bekanntes Gesicht in der überschaubar kleinen linken Szene in Augsburg. Er organisiert die Ostermärsche, hält Vorträge über die Arbeiterbewegung und engagiert sich im Kritischen Seminar, einer Art Volkshochschule für Freidenker. Ein Kurs diskutiert über „Sexualökonomie und Orgasmustheorie“, ein anderer über die „sozialökonomische Struktur Südvietnams“.

Schmid ist so etwas wie der Augsburger APO-Chef. Dazu hat ihn zwar nie jemand gewählt, doch irgendwie, sagt er, habe er „das Ganze zusammengehalten“. Die Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze und den Krieg in Vietnam, die Schulstreiks und Sitzblockaden, die quälend langen Debatten mit Jungsozialisten und Jungdemokraten. „Heuchler und kalte Krieger“ sind sie 1968 für ihn, den Unangepassten. Wenige Wochen nach dem Happening in der Sporthalle schließt die SPD Schmid wegen „groben Verstoßes gegen die Parteigrundsätze“ aus. Heute sagt er: „Wir waren völlig verblendet.“

Was ihn aber heute nicht daran hindert, in der Schulverwaltung als Vertreter der Staatsmacht zu agieren. So sieht also der Marsch durch die Institutionen aus. Die CDU lädt einen Rudi Dutschke zu sich ein – und er stößt auf waches Interesse. So muss es sein!

Was sagt nun die Forschung zum gegenwärtigen Zustand unserer Schulen? Laut Schmid besteht keinerlei Anlass zu einer Strukturdebatte. Es gebe laut neuesten Forschungsergebnissen keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen Schulform und Lernerfolg. Ein hochgradig gegliedertes Schulsystem könne ebensowohl sehr gut als auch weit unterdurchschnittlich abschneiden, wie ein Vergleich zwischen Bayern und Berlin lehre. Die gleiche Variationsbreite herrsche bei Einheitssystemen – hier fällt mir der überlegene Stand der Schulbildung in der früheren Sowjetunion im Vergleich zu den USA ein. Entscheidend sei, fuhr Schmid fort, die Qualität des Unterrichts, nicht die Schulstruktur.

Damit stellte sich Schmid sozusagen von Anfang an windschief zu den verschiedenen Konzepten der Berliner Parteien. Die Parteien bosseln eifrig an Schulreformen und  Strukturdebatten, an Test-Ergebnissen, und üben sich in Unkenrufen. Als Mitglied der Schulverwaltung sieht Schmid hingegen seine Aufgabe eher darin, Erfahrungen  aus dem Schulalltag in Empfehlungen umzumünzen. Die Fachleute aus der Bildungsverwaltung, zu denen Schmid gehört, bereiten sich jetzt bereits darauf vor, die zu erwartenden Vorgaben der Berliner Landespolitik möglichst sinnvoll umzusetzen. Ideologie und Parteienbindung spielt dabei keine Rolle mehr. Das finde ich höchst erfreulich, denn seit meiner eigenen Schulzeit sind die Bildungseinrichtungen ein hart umkämpftes Feld für Weltverbesserer und Abendlandsretter geworden. Diese Streiterei ist ihnen insgesamt nicht gut bekommen.

Ich habe nicht den Eindruck, dass der rot-rote Senat und die drei Oppositionsparteien mit ihren Gegenentwürfen tatsächlich das angesammelte Wissen aus den Schulämtern abrufen. Mein Eindruck bestätigte sich auch an diesem Abend.

Einigkeit schien zu herrschen: Alle Schulformen, alle Schüler müssen in dem gestärkt werden, worin sie gut sind – oder gut sein können. Praktische Begabungen sollen stärker zur Geltung kommen, etwa in dem neuen geplanten P-Zweig. Schmid berichtet anschaulich und überzeugend von Planungen, wonach in den P-Zweigen (den Nachfolgern der jetzigen Hauptschulen), Werkstätten eingerichtet werden sollen, in denen die jungen Leute mit ihrer eigenen Hände Arbeit Erfolg und sogar ein kleines Einkommen erzielen sollen.

Die gesamte zweite Hälfte des Abends und die Aussprache kreisten mehr um die Menschen, die in der Schule aufeinandertreffen. Welche Haltungen sind bei Schülern und Lehrern nötig, damit Schule gelingt? Welche Rolle spielen Fleiß, Konzentrationsfähigkeit, Sprachkenntnisse, Tugenden wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Pflichtgefühl, Höflichkeit?

Recht ketzerisch und spielverderberisch meldete ich mich zu Wort und wagte den Einwand: Wenn Fleiß, Konzentrationsfähigkeit, gute Sprachkenntnisse, Tugenden wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Pflichtgefühl, Höflichkeit zusammenkommen – könnten wir uns dann die gesamte Debatte über Schul- und Unterrichtsformen sparen? Brauchen wir nicht eine andere Grundhaltung? Brauchen wir nicht – mehr als alles andere – einen Mentalitätswandel? Sind die endlosen Berliner Diskussionen um die Bildungspolitik im Grunde Schaukämpfe, die vom eigentlichen Problem ablenken? Ich schlug vor, ganz massiv an die Eltern heranzutreten und sie mit gezielter Mentalitätsbeeinflussung zu einer lernfreundlichen Haltung umzuorientieren. Die Kinder brauchen eine Umgebung, die sie zum Lernen ermuntert. Dazu gehört eine Abrüstung beim exzessiven Medienkonsum, frühe und bevorzugte Befassung mit der deutschen Sprache, Aufbrechen des „Migranten-„Ghettos, Selbstbefreiung aus dem Gestrüpp der Vorurteile. Es regte sich – kein Widerspruch. Ich hege die Vermutung, dass ein Großteil der Versammlung dieser Ansicht zuneigte.

Beim Nachdenken über diesen hochgelungenen Abend fällt mir noch ein Bericht über Michelle Obama ein. Im Gespräch mit französischen und deutschen Schülern, das im ZDF wiedergegeben wurde, erklärte sie vor wenigen Tagen sinngemäß:

„Ich hab mir immer Mühe gegeben, etwas zu lernen. Viele schwarze Mitschüler  haben mich damals schief angekuckt und gesagt: Du redest ja wie eine Weiße! Das hab ich auf mich genommen. Ich war eine Streberin. Das war voll uncool. Ich wollte gut sein in der Schule.“

Und genau diese Haltung brauchen wir auch in Berlin. An der Art der Schule liegt es sicher nicht, wenn Bildungsgänge scheitern. Keiner ist Opfer seiner Herkunft – niemand ist durch seinen Migrationshintergrund daran gehindert, in der Schule und im Leben Erfolg zu haben. Jede und jeder kann es schaffen. Evet, we can.

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Türkinnen und Türken: Bitte aufwachen! Es ist Zeit

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März 032009
 

Ein recht düsteres Bild von den türkischen Vereinigungen und Migrantenverbänden in Deutschland zeichnen die Berliner Politologin Gülden Sahin, die Rechtsanwältin Seyran  Ateş, die Soziologin Necla Kelek, der Ingenieur Sadet Kökcü, der Deutsche-Post-Teamleiter Hüseyin Gül oder der Rechtsanwalt Kaya Köklü. Unter dem wohlklingenden Titel „Herr Gül ist angekommen“ berichtet beispielsweise die FAZ am 06.02.2009:

„Wer als Türke einen Verein gründet, muss erst seine ideologischen Grenzen abstecken. Gehören die Kurden und Aleviten auch zu uns? Dürfen die Religiösen und die Kopftuchgegner alle mitmachen? Manches Bündnis zerbricht schnell an diesen Fragen. Sie scheinen wichtiger zu sein als das Interesse, sich Jobs zuzuschanzen.“

Der Dachverband der türkischen Verbände TBB sendet mir heute folgende Erklärung zu (ich bringe den vollständigen unveränderten Wortlaut):

Internationaler Tag der Muttersprache

Berlin, 20.02.2009

Internationaler Tag der Muttersprache: Integration auch durch Förderung der Muttersprachen der Einwanderer/innen!

In einer gemeinsamen Erklärung haben die Bundesvorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), der Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland (FÖTED) und der Föderation Türkischer Lehrervereine in Deutschland (ATÖF) die Politik aufgefordert, neben der Förderung der deutschen Sprache auch die Muttersprachen der kulturellen Minderheiten zu fördern.

Die türkischen Organisationen erinnerten an die Feststellung der UNESCO, dass „die Muttersprache eine wichtige Rolle für den Integrationsprozess in allen Aspekten des öffentlichen Lebens spielt, besonders aber in der Bildung“.

Die aktuelle Situation in Deutschland sei jedoch zur Zeit -entgegen allen internationalen und nationalen Vereinbarungen- von Verbot der Migrantensprachen auf den Schulhöfen und sukzessive Reduzierung des muttersprachlichen Unterrichts in den Schulen geprägt.

Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages stellt in ihrer Erklärung zum „Internationalen Jahr der Muttersprache“ in den Jahren 2006 und 2007 fest: „Spracherwerb weist auch den Weg für eine erfolgreiche Integration. Dieser gelingt Kindern mit Migrationshintergrund am besten, wenn bei ihnen sowohl der Erwerb der deutschen Sprache, als auch der Muttersprache gefördert wird. Dazu bedarf es einer deutlich verbesserten vorschulischen und schulischen Förderung, in die gleichfalls ihre Familien eingebunden sein müssen. Mehrsprachigkeit wird so zu einer Bereicherung für Kinder und Gesellschaft.“

Auf diese Feststellung werde in der Erklärung 2008 ohne eine nähere Begründung verzichtet. Diese Haltung verstoße eindeutig dem Nationalen Integrationsplan (NIP) und der gemeinsamen Erklärung der Migrantenverbände mit der Kultusminister€konferenz, so die türkischen Organisationen.

Die türkischen Organisationen forderten die Kultusministerkonferenz und die Bildungspolitiker/innen auf Landes- und Bundesebene auf, eine tiefgreifende und radikale Reform des deutschen Erziehungs- und Schulsystems in Gang zu setzen.

Diese Reform müsse die Mehrsprachigkeitskompetenz und den Wert sprachlicher und kultureller Vielfalt im Einwanderungsland Deutschland anerkennen und sie fördern.

 

Berrin Alpbek (FÖTED)
Mete Atay (ATÖF)

Kenan Kolat (TGD)

 

Was sage ich dazu? Die Feststellung, dass die Muttersprache eine Grundlage für den Erwerb der Zweitsprache ist, dürfte stimmen.

 

Aus der Luft gegriffen ist die Behauptung, auf deutschen Schulhöfen würden andere Sprachen durch eine Deutschpflicht zurückgedrängt. Es gibt in Berlin und vielleicht auch anderswo einige wenige Schulen, an denen Schüler, Lehrer und Eltern sich durch Vereinbarung eine freiwillige Deutschpflicht auferlegt haben, um das völlige Auseinanderdriften der Schülerpopulationen zu verhindern. Das hat nichts mit einem Verbot von Migrantensprachen zu tun, sondern mit der Einsicht, dass man ohne Kenntnis und Einübung der Landessprache im Ghetto bleiben wird.

 

Die Forderungen der Migrantenverbände TGD, FÖTED und ATÖF, „die Politik“ solle sich nun stärker sich um die Förderung der Muttersprachen der Migranten kümmern, die halte ich allerdings für abwegig. Özür dilerim. Tut mir leid. Ich muss das in dieser Härte sagen. Die türkischen Migrantenverbände sind seit Jahren sehr schnell zur Hand, wenn es darum geht, dem Staat noch mehr Anstrengungen und mehr Geld für die Integration abzuverlangen.

 

Hier bin ich nun aber nach eigener jahrzehntelanger Erfahrung hier in Kreuzberg und anderswo klar und eindeutig entschieden: Die türkischen Eltern stehen in der Pflicht. Ihnen muss man auf die Füße treten. Ruhig auch mehrfach. Die Türken und Araber sind hervorragend in unsere Fürsorge-, Bildungs- und Gesundheitssysteme integriert, soweit dies von ihnen keine Anstrengung erfordert. Sie sind hervorragend untereinander integriert – also die türkischen Familien mit türkischen Familien, die arabischen Familien mit arabischen Familien.

 

Ich halte die Türken für eine der am besten integrierten Bevölkerungsgruppen in Deutschland. Keiner wird allein gelassen, es findet sich immer ein Weg, Hilfe abzurufen, entweder von der Familie oder vom Amt. Die allermeisten Familien sind intakt, die Scheidungsraten sind sehr niedrig, jeder junge Mann erhält durch die funktionierenden sozialen Netzwerke eine Frau aus dem Herkunftsland vermittelt.

 

Sprecht mit migrantischen Ärztinnen und Ärzten, sprecht mit Kita-Leiterinnen, sprecht mit Mitarbeitern des Sozialamtes, sprecht – mit Türkinnen und Türken!

 

Es gibt für die jungen Türkinnen und Türken meist keinen Anlass, durch eigene Arbeit aus diesem doppelt genähten Versorgungssystem Familie + Staat auszubrechen.

 

Das mindeste, was wir jetzt erwarten können, ist, dass die türkischen Eltern ihren Kindern die deutsche Verkehrssprache und die türkische Muttersprache beibringen. An beidem fehlt es. Erheblich.

 

Ich vernehme aber von den türkischen Verbänden keine Signale an die türkischen Eltern: „Ihr seid dran. Ihr müsst mehr tun. Bringt euren Kindern ordentliches Türkisch bei. Bringt euren Kindern ordentliches Deutsch bei. Arbeitet. Tut was für eure Kinder!“

 

Stattdessen wird vom gütigen Obrigkeitsstaat erwartet, dass er sich um alles kümmert.

 

Türkinnen und Türken! Bitte aufwachen! Wir leben in einer Republik, nicht unter dem Sultan. Auch ihr seid der Staat. Ihr gehört zu uns. Gerade die Republik des Atatürk hat in den Jahrzehnten nach der Gründung alles, wirklich alles getan, um die einheitliche Landessprache – auch gewaltsam durch Assimilation – gegen Widerstände der Nicht-Turksprachigen, also etwa der Assyrer, der Armenier und der Kurden durchzusetzen.

 

Man stelle sich vor, wie das aussähe, wenn die Deutschen in den USA, also über Jahrzehnte hinweg die stärkste Migrantengruppe, 30 oder 40 Jahre nach ihrer ersten Einwanderung von den USA verlangt hätten: „Please, teach us German! We are your dearest, your teuerste immigrants!“ Oder wenn die Chinesen in Kalifornien den Uncle Sam anbetteln würden: „Teach us Chinese“.

 

Es ist grotesk!

 

Kein Einwanderungsland kann unbegrenzt Geld und Personen zur Verfügung stellen, um denen, die hier zuwandern, zwei Sprachen von klein auf beizubringen. Aber genau das fordern die türkischen Migrantenverbände. Genau in dieser trügerischen Erwartungshaltung werden die türkischen Eltern eingelullt. Zum Schaden aller.

 

Oh ihr meine lieben Türken, fragt nicht immer: „Was kann der deutsche Staat noch alles für uns arme benachteiligte Migrantinnen und Migranten tun, damit wir endlich in Deutschland glücklich werden?“

 

Fragt doch mal: „Was können wir für uns tun, damit wir endlich – nach drei oder vier Generationen – in diesem Land ankommen und glücklich werden?“

 

Der Ball liegt bei euch im Feld. Ihr könnt euer Schicksal in die eigene Hand nehmen.

 

Ich bin sicher: Ihr schafft das!

 

Das ständige Jammern, das ständige Betteln beim Staat entmündigt euch! Es nervt.

Hepimiz insaniz!

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„Achten Sie auf die richtige Betonung!“

 Gute Grundschulen, Kinder, Sprachenvielfalt, Vorbildlichkeit, Willkommenskultur  Kommentare deaktiviert für „Achten Sie auf die richtige Betonung!“
Jan. 232009
 

„So, jetzt weißt du endlich, wie eine türkische Mutti sich beim Elternabend in einer Berliner Grundschule fühlt!“ flüsterte ich mir zu, als ich gestern den Elternabend unserer russisch-deutschen Grundschule besuchte. Man kommt zwar mit, aber man traut sich nicht, selber was in der Fremdsprache zu sagen. So ging es mir gestern. Es war aber eher ein „Eltern-Nachmittag“. Egal, jedenfalls fand die erste Hälfte auf Deutsch, die andere auf Russisch statt. Ich war der einzige, der nicht fließend wie ein Muttersprachler Russisch spricht. Und ich fragte meinen Nachbarn: „Was heißt eigentlich  udarenie?“ – „Betonung! Haben Sie einen Stock, um die richtige Betonung zu vermitteln?“ Die Lehrerin sagt: „Die Kinder haben oft Schwierigkeiten mit der Betonung. Achten Sie auf die richtige Betonung!“ Wir Eltern sind aufgefordert, auf die sprachliche Entwicklung unserer zweisprachigen Kinder noch mehr zu achten, mit ihnen noch mehr zu üben. Fließendes Lesen in beiden Sprachen müssen die Kinder demnächst beherrschen.  Dabei sollen wir Eltern auch mitarbeiten. Elterliche Unterstützung wird erwartet und eingefordert.

Da die anderen Eltern alle aus dem russischen Schulwesen kommen, konnte ich wunderbar meine Vergleiche anstellen! Was ist anders in Berlins Grundschulen im Vergleich zu Russland, zur Sowjetunion? Durch Gespräche mit verschiedenen russischen Eltern finde ich immer wieder folgendes heraus:

Erstens: Das Leistungsniveau in den russischen bzw. sowjetischen Grundschulen ist oder war wesentlich höher als in den heutigen Berliner Grundschulen. „In Berlin lernen die Kinder fast nichts!“, so höre ich immer wieder. Das haben ja auch die internationalen Tests bestätigt. Hallo, Berliner CDU: Ehe man wieder leichtfertig auf die „sozialistische Einheitsschule“ schimpft, sollte man dies zur Kenntnis nehmen.

Zweitens: Die Eltern wurden oder werden in der russischen bzw. sowjetischen Einheitsschule weit stärker in die Pflicht genommen. Wenn die Kinder nicht mindestens den Durchschnitt der Klassenleistung erreichen, werden die Eltern aufgefordert, selber mit dem Kind zu üben. Bezahlte Nachhilfe ist unüblich. Die Eltern müssen mit dem Schüler arbeiten, wenn das Kind aus welchen Gründen auch immer den Anschluss nicht halten kann.

Drittens: Das Experiment der jahrgangsübergreifenden Eingangsstufe „SAPH“, wie es jetzt in Berlins Grundschulen ausgerollt wird, stößt bei uns Eltern auf einhellige Ablehnung. „Das haben sich irgendwelche praxisfernen Theoretiker ausgedacht, die Personal einsparen wollen! Und uns fragt keiner!“ So der Tenor der Meinungen. Wir haben bereits im vergangenen Jahr bei der Senatsverwaltung dagegen protestiert, dass SAPH ohne Rücksprache mit uns Eltern und gegen unseren einstimmig erklärten Willen in unserer Schule eingeführt wird. Übrigens: Bei diesem Brief kamen mir endlich meine leicht überdurchschnittlichen Deutsch-Kenntnisse zugute, denn ich habe ihn formuliert – und alle Eltern in der Klasse haben ihn unterschrieben.

Fazit allgemein: Wir Eltern und alle Lehrer sind bereit, alles zu tun, damit unsere Kinder was Gescheites lernen. Berlins Grundschulen haben ein niedriges Leistungsniveau. Fazit persönlich: Mit meinen jetzigen Deutsch-Kenntnissen komme ich fast überall in Berlin zurecht, an meinem Russisch werde ich weiter arbeiten. Es macht Spaß. Versprochen!

Unser heutiges Foto zeigt den Schuhschrank und die selbstgemalte Visitenkarte unserer Klasse. Wir Eltern sind stolz darauf, was unsere Kinder können!

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Jan. 062009
 

Eine Kunst, die weitgehend verlorengegangen ist, konnte ich letzte Woche ausgiebig in der Tretjakow-Galerie bestaunen: die Portraitmalerei. Niemand behauptet, dass die gemalten Portraits realistische Abbilder der Dargestellten wären – viel besser! Sie zeigen die Personen so, wie sie der Maler sah, oder wie sie sich selbst zu sehen wünschten, oder wie andere, etwa die Auftraggeber sie sahen. Umgekehrt sollten diese Bildnisse auf die Wahrnehmung der Zeitgenossen zurückwirken. Besonders fesselnd fand ich das Dostojewski-Bildnis von Perow – und das hier zu sehende Portrait Katharinas II. von Fedor Rokotov.

Rokotov zeigt die Zarin auf eine Art, wie sie für Herrscherbildnisse der damaligen Zeit eher ungewöhnlich war: nicht erhaben, statuarisch, wuchtig-gedrängt, nicht in starrer Herrscherpose, sondern als nach außen gewandte, buchstäblich auf Augenhöhe wirkende, klug anweisende Gebieterin. Das Bild strahlt Weltzugewandtheit, ja sogar Sympathie aus. War Katharina II. so? Vermutlich werden mindestens die Polen einhellig sagen: „So war sie nicht, sie hat unser Land bedenkenlos drei Mal aufteilen lassen! Sie war eine Machtpolitikerin, die Allianzen zu ihrem eigenen Vorteil schmiedete.“

Dem ist zu erwidern: Solche Portraits zeigen Machthaber in einer unlösbaren Verquickung zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen Schein und Sein.

Und heute? Heute liefern die Fotografen ähnlich kalkulierte, auf Wirkung berechnete Portraits. Aus tausenden von möglichen Bildnissen wählen Auftraggeber und Dargestellte die wenigen Aufnahmen aus, in denen sie sich am vorteilhaftesten dargestellt glauben. Dabei bleibt nichts dem Zufall überlassen.

Und dies bringt mich zu meinem heutigen Buchtipp! Ich empfehle den neuen Fotoband über Wladimir Putin den Kommunikationsabteilungen aller Politiker. Ich fand das Buch in einem der Moskauer Buchläden, die ich in müßigen Stunden durchstreifte.

Der ehemalige Staatspräsident wird hier ebenfalls „auf Augenhöhe“ abgelichtet. Das Buch ist damit Lichtjahre entfernt von dem distanzierten, auf Würde und Respekt ausgerichteten Stil der Herrscherportraits früherer Jahrzehnte. Klickt auf das Foto, um es genauer zu betrachten.

Wir sehen Putin mal versonnen, mal lächelnd, mal entschlossen, – doch stets in gewinnender Haltung dargestellt.

Auch die Bildtitel und die gesamte Aufmachung haben es in sich: Die Macher haben den Band nämlich wie eine Art privates Fotoalbum angelegt, mit eingelegten Zwischenrahmen, die auf die Fortsetzung und Aufdeckung des ganzen Fotos neugierig machen sollen. Auch haben sie nicht versäumt, kleine, gleichsam hingetuschte Kommentare einzufügen, so wie es Privatmenschen gerne in ihren Familienalben machen. Die Wirkungsabsicht ist klar: „Schaut her, mit mir kann man reden, ich höre zu, ich habe Humor!“

Besonders beachtlich: dieses Doppelportrait mit der deutschen Kanzlerin.

Der Text lautet übrigens: „Angela Merkel gefällt es, etwas AUF RUSSISCH zu erklären. Nur manchmal noch – mithilfe von Gesten.“ Ein klares Signal geht von diesem Foto aus: Lasst uns miteinander reden – wenn es sein muss, auch mit Händen und Füßen.

 Posted by at 23:11

In Rufweite

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Juli 242008
 

24072008008.jpg stehe jetzt 25 m vor der rednertribüne! Das halbrund vor den mediengerüsten ist gut gefüllt. Ein agent steht auf der bühne, 2 polizisten vor der siegessäule.

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Glückwunsch Ira!

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Jan. 082008
 

2112_14067_nbh_potapenko_190.jpg Zufällig entdecke ich auf der Homepage des Nachbarschaftsheims Schöneberg einen Bericht über Ira, die in der Kita am Kleistpark verschiedene Theateraufführungen gemacht hat. Glückwunsch, Ira! Wir sind stolz auf Dich!

Zitate:

Die Opernsängerin Irina Potapenko, Mutter eines Kindes in der Kita Am Kleistpark, hat dort vieles angestoßen. Gemeinsam mit dem Team initiierte sie das Projekt „Der kleine Amadeus“. Mittlerweile gibt es eine feste Kooperation mit der Musikschule des Bezirks, eine Musikpädagogin arbeitet in der Kita. Die aus Moskau stammende Alt-Sängerin musiziert in ihrer Freizeit ebenfalls weiter mit den Kindern.

Frau Potapenko, gerade haben Sie mit Kitakindern Mozarts Zauberflöte aufgeführt. Wie geht das mit Vierjährigen?
Wir haben mit acht Kindern und sechs Puppen gespielt, alles hat gut geklappt. Wir werden das wiederholen. Die Kinder, die mitgemacht haben, waren begeistert. Alle anderen haben gebannt zugehört. Dass sie klassische Musik kennenlernen, ist so wichtig! Es sollte sogar eine Selbstverständlichkeit sein. Dafür engagiere ich mich.

Das hört sich energisch an. Reißen Sie immer viele Menschen mit?
Ich muss zugeben, als mein Sohn im Jahr 2005 in die Kita kam, habe ich mich sofort eingemischt. „Wo ist das Klavier?“, war meine erste Frage. Es gab keins. Dann wurde es angeschafft, das hat etwas in Gang gesetzt. Gemeinsam mit meinem Mann Johannes Hampel, der Geige spielt, habe ich Konzerte auf den Fluren der Kita gegeben. Das war im Mozartjahr 2006. Jetzt folgte als weiterer Höhepunkt die Zauberflöte.

Sie haben auch die Figuren gebastelt?
So fing es an. Die Königin der Nacht habe ich aus Pappmaschee gemacht, dann konnte ich nicht mehr aufhören. Als ich die Puppen hatte, habe ich die Oper auf 40 Minuten Länge gekürzt. Die Arie der Pamina singt eine befreundete Sopranistin, die Orchesterbegleitung kommt von der CD. Ein Kita-Vater ist Tonmeister, er hat alles zusammengeschnitten. Alle Kinder sind wieder voll dabei, sie singen, malen, dekorieren. Auch die, die zu Hause mit Kultur oder Musik womöglich gar nichts zu tun haben. Genauso die Kinder, die zum Beispiel sprachliche Probleme haben. Die Sprache der Musik versteht jeder.

Weil sie die Seele wirklich öffnet, so wie Mozart es meint?
Kinder lügen in diesem Alter nicht, ihre Reaktion ist direkt und ehrlich. Wenn die Botschaft dieser Musik nicht ankäme, würde man es ihnen sofort anmerken. Aber sie kam bisher noch jedes Mal an, also habe ich immer weitergemacht. So machen wir mit der Kita auf uns aufmerksam. Für Eltern und Erwachsene aus der Nachbarschaft werden wir die Zauberflöte noch einmal aufführen. Das Haus soll ein Familienzentrum werden. Das unterstütze ich sehr

 Posted by at 00:59