Apr 172009
 

Ein im besten Sinne bescheidener, mir höchst sympathischer Philosoph ist Ludwig Wittgenstein. „Die Philosophie lässt alles, wie es ist.“ „Ein philosophisches Problem hat die Form: Ich kenne mich nicht aus.“

Wie oft würde ich in politische Diskussionen gerne diese Sätze werfen: „Die Politik läßt zunächst einmal alles, wie es ist.“ „Ein politisches Problem hat die Form: Wir kennen uns nicht aus.“

Was meine ich damit? Die aktuelle Debatte über die Hamburger und Berliner Schulpolitik  mag als Beispiel dienen: Während einige Parteien einer größeren Vereinheitlichung das Wort reden, einer Abschaffung  des gestaffelten und gegliederten Schulwesens, reden andere Parteien einer Neustrukturierung von Hauptschule und Realschule unter Beibehaltung des Gymnasiums das Wort. In jedem Falle aber wollen die Parteien etwas machen. „Wir müssen die Strukturen ändern. So kann es nicht weitergehen.“ Keine Partei behauptet zutreffend von sich: „Wir kennen uns nicht aus. Und deshalb lassen wir alles, wie es ist.“

Was schlage ich vor? Ich persönlich nutze jede Gelegenheit, um mit Lehrern, Fachleuten aus der Bildungsverwaltung, mit Eltern und Schülern ins Gespräch zu kommen – oder ihnen zuzuhören. Nicht die großen Programmatiker, die meinungsbildenden Politiker sind es, nach denen ich mich richte, sondern die mittlere Ebene, die Fachebene. Mein Ergebnis: Wie so oft, läuft die öffentlich-erregte Debatte windschief zu den Erkenntnissen der „mittleren Ebenen“ – also der tausenden und abertausenden an Schulleitern, Schulräten und Elternsprechern, die den besten Einblick haben.

Ihnen ist es nach meinen Eindrücken recht egal, in welcher Schulform sie sich bewegen – solange das Klima stimmt, solange sinnvolles Lernen möglich ist, besteht kein Anlass, „die Welt zu verändern“. Und wenn kein sinnvolles Lernen möglich ist – dann liegt der Grund dafür nicht in der gegenwärtigen Verfasstheit unseres Bildungswesens. Die Parteien hingegen suchen sich häufig durch programmatische Aussagen ein Profil zu geben. Durch Reformvorschläge – und ebenso durch den Widerstand gegen Reformvorschläge und das Vorlegen eigener Reformvorschläge – erzeugen sie den Anschein, die Welt erklären und verändern zu können. Ein kurzer Ausschnitt aus der guten taz mag dies beleuchten:

Politologe Greven über Schwarz-Grün: „Frieden zu Lasten der SPD“ – taz.de
Ist die Schulpolitik ein weiteres Thema, von dem die GAL profitiert und das der CDU zu schaffen macht?

Erstaunlicherweise ja. Die GAL mit ihrer bildungspolitischen Programmatik in Richtung Einheitsschule, hat eine Wählerbasis, in der die Anhänger des Gymnasiums weit verbreitet sind. Das müsste für sie eigentlich ein Problem sein. Aber hier kann die Konfliktphase noch kommen. Die Dezentralisierung der Umsetzung über die Schulkonferenzen, ist eine geschickte Verlagerung des Konfliktniveaus von der Senatsebene auf eine dezentrale Ebene, doch die Probleme der Umsetzung der schulpolitischen Reformen werden wieder in die Fraktionen und den Senat zurückgespült werden. Hier gibt es nach wie vor eine konfliktträchtige Situation in den regierenden Parteien und zwischen ihnen.

Ich meine: Solange die Gründe für das Scheitern von Bildungskarrieren so eindeutig außerhalb des Schulwesens zu suchen sind – sollte man an den äußeren Strukturen der Schulen wenig ändern. Dies gilt natürlich vor allem für die fälschlich als Kinder mit Migrationshintergrund bezeichneten Schüler.

Die Politik lasse zunächst einmal alles, wie es ist. Das klingt resignativ, ist es aber nicht. Resignieren wird man, wenn sich die Lage an den Schulen trotz all des Bosselns und Werkelns nicht verbessert. Verbessern lässt sich die Lage, indem man die Lage der einzelnen Kinder in den Familien verbessert, nicht durch noch mehr Geld, sondern durch Aufklärung, durch Patenschaften und Partnerschaften, nötigenfalls aber auch durch Druck und Zwang.

 Posted by at 10:55

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