Jul 052010
 

Nachdenken über eine Mutige.  Ihr nachdenken, ihrem Tod nachdenken. Das Gefühl, es im nachhinein irgendwie verstehen zu können, dass sie gegangen ist. In allem spürbar: dieses Unverstellte, Ungeschützte, diese Bedingungslose an ihr. Ihre Fähigkeit, das auszusprechen, worüber andere nur hinwegglitten. Ihr Wille, aus dem Rollenprofil herauszutreten. „Es ist als Richter nicht Ihre Aufgabe, die Gesellschaft besserzumachen. Sie haben das Recht anzuwenden.“ Dieser Anspruch – jeder Erstsemester lernt ihn. Er genügte ihr offenbar nicht. Sie sah auf die Menschen, die vor ihr standen. Diese Qual, von früh bis spät nicht ernstgenommen zu werden von denen, über die das Gesetz dir Macht verlieh.

„Als Strafrichter wird es dir irgendwann langweilig. Du wirst von früh bis spät angelogen. Am Anfang glaubst du, du könntest was bessern oder bekehren. Und irgendwann arrangierst du dich. Du lässt deine Fälle im Gericht und gehst nachhause.“

Wir haben es nur mit der negativen Auslese zu tun.“ Da hätte man ansetzen können. Dieses Starren aufs Negative, das auch nach Feierabend noch weiterging. Wo waren Sieg und Siegesbeweise aus dem von ihr vertretnen Reich? Den Beweis. Ein hehres Wort. Den gab es nicht. Wo bleibt das Positive? Ja. Wo blieb sie – die positive Auslese.

Diese Mühsal der Integration, der Inklusion.  Die wenigen, die wirklich sich einlassen auf das Du – ob nun im Gerichtssaal, ob im Gefängnis, ob in der Schule, ob in der Elternarbeit – die werden immer wieder hart an die Grenze der endgültigen Erschöpfung geführt. Die könnten mit den Fäusten antrommeln gegen bequemes Schweigen, gegen Hartherzigkeit und lockere Parolen, die nichts ändern. Also – nehmen wir das Ganze als Spiel.

Nein. Kein Spiel. Zähe, wiederholte, unablässige Arbeit am Du. Ein Knochenjob, hinter dem niemals dauernde Zufriedenheit erscheint. Bei allem Gerede entsteht der Eindruck eines schalltoten Raums. Betäubend.

Und so – das Einsteigen ins Auto. Das Fahren. Das Anhalten. Das Abwürgen des Motors. Die Suche. Irre Kinderverse im Ohr. Suche die Buche. Und dann steht sie da. Einladend.

Der ganze Rest  ist leichter als befürchtet.

 Posted by at 23:00

Sorry, the comment form is closed at this time.