Nov 012010
 

„Ja sind Sie denn verrückt geworden, werter Herr Blogger, Herr Hampel! Berlins Kitas, Berlins Schulen werden systematisch kaputtgespart, der rot-rote Senat vernichtet durch seine Kahlschlagpolitik Bildungschancen für die Kinder. Die Kinder lernen deswegen aus Geldmangel schon gar kein Deutsch mehr, die Schultoiletten sind aus Geldmangel in einem erbärmlichem Zustand, die Kinder bekommen alle deswegen Blasenentzündungen, es gibt keine Sportplätze, überall fehlen aus Geldmangel Turnhallen, ohne eine Halbierung der Klassengrößen bzw. eine zweite Lehrkraft in jeder Klasse werden wir auf keinen grünen Zweig kommen! Berlin braucht doppelt soviele Lehrer, doppelt soviele Erzieherinnen, aber dieser unfähige Senat hat kein Geld dafür! Sie sind verrückt, wenn Sie diese Zusammenhänge leugnen, werter Herr Hampel!

Na, ich kenne diese Melodie – diese Arien kann ich vorwärts und rückwärts singen, da könnt ihr mich um 12 Uhr mittags (also in exakt 21 Minuten) aus dem Büroschlaf wecken.

Strukturdebatten und Finanzdebatten in der Berliner schulpolitischen Debatte sind in der Tat außerordentlich langweilig, außerordentlich einschläfernd. Das Repertoire der Argumente ist sehr beschränkt, die Argumente sind alle mit Pauken und Trompeten orchestriert und klingen einstudiert  – einen kleinen Klavierauszug habe ich hier oben gebracht.

Einen trefflichen Beleg für meine Diagnose, dass Berlins Landespolitik im Wesentlichen eine Ressourcenumverteilungspolitik ist, liefert heute für den wichtigen Bereich Schulpolitik die Berliner Morgenpost auf S. 11:

Vorgezogene Einschulung – Gymnasien müssen noch mehr Schüler aufnehmen – Berlin – Berliner Morgenpost – Berlin
Die Berliner Oberschulen stehen vor einem eklatanten Problem: Sie müssen zum Schuljahr 2011/12 wesentlich mehr Grundschüler aufnehmen als in den Jahren zuvor. Grund dafür ist das vorgezogene Einschulungsalter vor fünf Jahren. 2005 wurden auch Kinder mit fünfeinhalb Jahren eingeschult, was dazu führte, dass fast ein doppelter Jahrgang in die ersten Klassen drängte. Jetzt sind diese Kinder in der sechsten Klasse und stehen vor dem Übergang an die Oberschulen.

Zum Sachstand: Es fehlt in Berlins Schulen an Geld, an Lehrern, an Räumlichkeiten.  Es fällt zuviel Unterricht aus. Es fehlt an den genannten Ressourcen.

Diese  vorhandenen Ressourcen lassen sich nicht vermehren. Nicht mit Geld und nicht mit guten Worten. Vor allem fehlt es an Nachwuchslehrern (auch an Erziehern fehlt es).

Was tun? Meine Antwort: Die vorhandenen Ressourcen müssen effizienter verwendet werden. Die einzige Stellgröße, die dafür möglich ist, ist meiner Meinung nach der Klassenschüssel.

Ich meine: Die gegenwärtigen Klassenfrequenzen müssen vorübergehend quer durch die Schulbank um etwa 5-6 Schüler pro Klasse erhöht werden, dann wird das Geld reichen, dann werden die Lehrer ausreichen, dann werden die Räumlichkeiten ausreichen. Die vorübergehende Erhöhung der Klassenfrequenzen um fünf bis sechs Schüler ist vorerst das einzige Mittel, um den vorhandenen fürchterlichen Verteilungsk(r)ampf, der die Berliner Schulpolitik prägt, friedlich zu beenden.

Ich sehe keinen anderen Weg. Ob nun 22 oder 28 Schüler in einem Raum arbeiten, macht keinen qualitativen Unterschied.  Es gibt meines Wissens keinen wirklich triftigen Beleg für die Behauptung, dass eine Senkung der Klassenfrequenzen zu besseren Lern-Ergebnissen führt.

Ich gebe zu: Schön wären Klassenfrequenzen von etwa 10-12 Schülern in allen Stufen und allen Schularten. Aber die sind nicht finanzierbar, denn dann würde der gesamte Berliner Landeshaushalt ausschließlich für die Bildung draufgehen. Dann müsste man einen großen Teil der sonstigen Ausgaben streichen.

Die fast komplette Streichung der Ausgaben für Bildungsforschung wäre Teil meines Maßnahmenkatalogs. Bei der Bildungsforschung herrscht eine geradezu unfassbare Ressourcenverschwendung.

Wichtig wären auch kleine, bösartige, aber äußerst wohltuende Operationen wie etwa die komplette Streichung aller Sozialleistungen für alle gesunden Personen von 16-40 Jahren. Allein diese Maßnahme würde bei den Schülern Wunder bewirken! Sie hätte einen  Schneballeffekt sondergleichen. Wie ein Schreckensruf würde sich die Kunde verbreiten:

„Wir müssen in den Familien unseren Lebensunterhalt selbst erarbeiten, sobald wir die Schule verlassen! O Jammer! O Graus! Das würde ja bedeuten, dass wir schon mit 16 Jahren Deutsch in Wort und Schrift können müssen! Das würde ja bedeuten, dass wir bereits mit 16 Jahren die vier Grundrechenarten beherrschen müssen! O Jammer! O Graus! Welche Härte!“

Wer bringt den Mut dazu auf?

Die Familien und die Schüler werden diese Zusammenhänge einsehen lernen. Statt ständig nach mehr Geld und „besserer Unterrichtsqualität“ zu greinen und zu jammern, werden sie zusammenrücken – und sie werden sich abstrampeln.

Die Familien werden erkennen, dass sie selber den Hauptteil der Arbeit beim Spracherwerb leisten müssen. „Die Eltern müssen mehr tun.“ So hat es ja auch in aller wünschenswerten Bösartigkeit unser Bezirksbürgermeister Dr. Schulz klipp und klar angesagt. Bravo! Bitte mehr solche klaren Ansagen!

Bitte seid etwas böser zu uns Bürgerinnen und Bürgern, oh Politikerinnen und Politiker!

Die Schüler werden erkennen, dass sie die Toiletten selber sauberhalten müssen, statt sich über imaginäre und echte Blasenentzündungen zu beschweren.

Der Senat wird erkennen, dass er mit Geld und guter Laune den Schülern die Arbeit des Lernens nicht abnehmen kann.

Weniger ist mehr!

 Posted by at 12:41

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