
Heiß, krautig, trocken, insektenschwirrend – der Sommer am Schöneberger Südgelände beschenkt uns mit Hitzewellen und mediterranem Mittagsglast. Dort hinten, da liegt der Bahnhof Südkreuz.
„Die Erdbeeren werden teilweise gar nicht geerntet. Uns fehlen Erntehelfer, uns fehlen Verkäufer. Die Erdbeeren verdorren oder verfaulen auf den Feldern.“ So berichtete es mir gestern eine freundliche Verkäuferin am Südkreuz. Sie arbeitet dort in einer riesigen Erdbeere aus Plastik.
In der Tat: es ist so! Es fehlt hier in Berlin-Brandenburg an landwirtschaftlichen Hilfskräften.
Wie anders war es doch damals nach dem 2. Weltkrieg! Fast alle meine Onkel und Tanten, mein Vater und meine Mutter mussten ran. Viele von ihnen waren Flüchtlinge. Sie hatten alles Hab und Gut ersatzlos verloren, waren aus dem ehemals deutschen Osten vertrieben oder ausgeplündert worden. Die Arbeit als Erntehelfer, Knecht oder Magd bei Bauern war ab Mai 1945 lange Wochen oder Monate die einzige Verdienstmöglichkeit. Außerdem bekam man dadurch Unterkunft und Kost.
Warum werden die über eine Million Zuwanderer – überwiegend junge Menschen aus den wohlhabenderen Schichten der Herkunftsländer (denn andere, die wirklich Armen, können sich den Transit und die Papiere nicht erkaufen) – heute in Deutschland nicht auf die Felder geschickt? Warum trödeln und bummeln sie stattdessen ihre Zeit ab? Warum sendet man sie nicht zur Ernte oder schickt sie auf die Straßen zum Straßenkehren? Sie müssten arbeiten. Stattdessen klagen sie sich in verschiedene Schutz- und Aufenthaltsberechtigungen ein. Irgendwie schaffen es fast alle – und dann fließt das Geld aus dem Automaten.
Harte körperliche Arbeit, die hat die Generation unserer Eltern nach 1945, nach Krieg und Vertreibung einige Monate oder Jahre leisten müssen; ein bequemes Leben ohne Arbeit, aber mit ausreichendem, nicht selbst verdientem Bargeld, wie es die heutigen zuwandernden jungen Männer aus aller Herrn Länder ganz offensichtlich in Deutschland als selbstverständlich erwarten dürfen, gab es damals nicht.
Acht Stunden einfache körperliche Arbeit jeden Tag, ein echter, selbst im Schweiße des Angesichts errungener Verdienst, als Bargeld ausgezahlt, das würde vielleicht Wunder wirken.
„Ach wenn ich doch nur einen Platz hätte!“ Diesen unhörbar leisen Satz oder Seufzer glaubte ich heute Vormittag in Schöneberg von einer älteren Dame zu hören, die soeben in die S-Bahn nach Wannsee eingestiegen war. Mühsam und leicht wackelnd hielt sie sich auf ihrem Gehstock aufrecht. Wir schrieben 28 Grad im Schatten. Alles war verrammelt! Kinder und Erwachsene standen dicht gedrängt vor den Sitzen, die alle belegt waren. Schwitzende Menschen in der S 1! Außerdem versperrte ein quer gestelltes Fahrrad den Zugang zu den wenigen freien Stehplätzen, die es noch gab. „Es tut mir leid“, sagte ich laut, „dass ich Ihnen nicht helfen kann! Es ist kein Sitz frei.“ Da hörte ich eine Stimme mir gegenüber: „Schauen Sie sich um, da wird ein Platz frei!“ Ich drehte mich um, in der Tat: Soeben war ein Sitz frei geworden, und das Fahrrad hatte sich wie von Engelsgebärde gerührt zur Seite gestellt, sodass eine schmale Gasse zu dem mittlerweile freigewordenen Sitz offen stand. Ach wie schön! Die Frau konnte endlich Platz nehmen. Sie war wohl 80. Sie ging wohl zum Arzt, dachte ich, so adrett und ordentlich war sie herausgeputzt. Nun fuhr sie weiter bis Mexikoplatz, wo sie ausstieg. Zum Abschied wandte sie sich noch an mich und sagte: „Wissen Sie, ich habe einen Arzttermin, und ich komme schon von Baumschulenweg!“ „Na, da haben Sie ja eine Odyssee hinter sich!“, erwiderte ich. Und so endete diese kleine Begebenheit. Einige Stationen später, in Nikolaussee, stiegen all die Kinder und Erwachsenen und ich aus. Schon bald danach konnten alle aufatmen: Vor uns lag das Strandbad Wannsee mit all seinen Herrlichkeiten!
In verschiedenen Berliner Bezirken wird derzeit die Frage diskutiert, wie man das Verleihen von Fahrrädern in geordnete Bahnen lenken kann. Es gibt Beschwerden über zu viele wild und regellos abgestellte Mieträder; Diebstahl, Verlust und Beschädigung der Leihräder sind und waren seit je Ärgernisse für Verleihfirmen und Entleiher gleichermaßen.
Hier, auf allen diesen Bildern, sehen wir den Europaplatz in Berlin, aufgenommen in diesen herrlichen Tagen des Mai 2018. Ein Vergleich mit dem Europaplatz in Moskau drängt sich geradezu auf.
Am düsteren, 2005 angelegten Europaplatz Berlin lädt nichts, aber auch gar nichts zum Verweilen ein. Im Gegenteil, die Leuchttafel mit den Bus-Abfahrtzeiten fordert dazu auf, möglichst rasch das Weite zu suchen. Es wird nichts erzählt, es wird nichts vorgestellt, es wird nicht gelacht in Europa! So also stellt sich Deutschlands Hauptstadt Europa vor.
Soeben überfliegen wir die heute russische Oblast Kaliningrad; das Foto hier oben zeigt das Frische Haff mit der Frischen Nehrung, und da wo wir das Airbus-Triebwerk sehen, da lag einst die deutsche Stadt Königsberg, in der Immanuel Kant lebte, lehrte und starb. Nach dem zweiten Weltkrieg (01.09.1939-08.05.1945) wurde die Gegend der Sowjetunion zugesprochen, die deutsche Bevölkerung, soweit sie vor der Sowjetarmee nicht schon geflohen war, wurde enteignet und vertrieben. Die Stadt wurde nach dem langjährigen Staatsoberhaupt der Sowjetunion Michail Iwanowitsch Kalinin in Kaliningrad umbenannt. Die Oblast Kaliningrad wurde – zusammen mit der gesamten östlichen Hälfte des durch den Großen Vaterländischen Krieg (1941-1945) befreiten und befriedeten polnischen Territoriums – von der Sowjetunion vereinnahmt. Auch aus diesen Gebieten wurde die noch ansässige, überwiegend polnische Bevölkerung enteignet und gewaltsam vertrieben.








