Sinkt die Fertilität mit höherem sozioökonomischem Status?

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Juli 272025
 

War es schon immer so, dass die Fertilität der Frauen mit steigendem Einkommen und steigendem Wohlstand abnahm? Was sagen unsere alten Märchen dazu? Hören wir doch einmal, was die Brüder Grimm in ihren Kinder- und Hausmärchen dazu sagen! Der Anfang einer von ihnen aufgezeichneten Geschichte lautet:

Es waren einmal zwei Schwestern, die eine hatte keine Kinder und war reich, die andere hatte fünf Kinder und war eine Witwe und war so arm, dass sie nicht mehr Brot genug hatte, sich und ihre Kinder zu sättigen. Da gieng sie in der Not zu ihrer Schwester und sprach „meine Kinder leiden mit mir den größten Hunger, du bist reich, gib mir einen Bissen Brot.“

Wir sehen: Dieses Märchen bringt gleich zu Anfang eine in vielen Geschichten und Mythen vorkommende Konstellation: Geschwister, die ungleich reich sind, von denen das reichere keine Kinder und das ärmere viele Kinder hat. Erstaunlich ist hier, dass dieser Unterschied als solcher zunächst einmal hingenommen wird und die arme kinderreiche Schwester erst in höchster Not sich mit ihrer Bitte an die reiche kinderlose Schwester wendet. Was mag wohl die reichere Schwester nun erwidern? Hören wir es gleich an:

Die steinreiche war auch steinhart, sprach „ich habe selbst nichts in meinem Hause“ und wies die Arme mit bösen Worten fort. Nach einiger Zeit kam der Mann der reichen Schwester heim, und wollte sich ein Stück Brot schneiden, wie er aber den ersten Schnitt in den Laib tat, floss das rote Blut heraus. Als die Frau das sah, erschrak sie und erzählte ihm was geschehen war.

Beachtlich ist hier, dass entgegen der landläufigen Meinung im Mann ein stärkeres Erbarmen gezeigt wird als in der Frau. Ein doch recht auffälliger Gegensatz zu dem Weiblichkeitsideal, an das wir uns bei älteren Texten gewöhnt zu haben scheinen! Es ist der Mann, der hier den entscheidenden Schritt der Barmherzigkeit tut. Und so geht es weiter:

Er eilte hin und wollte helfen, wie er aber in die Stube der Witwe trat, so fand er sie betend; die beiden jüngsten Kinder hatte sie auf den Armen, die drei ältesten lagen da und waren gestorben. Er bot ihr Speise an, aber sie antwortete „nach irdischer Speise verlangen wir nicht mehr; drei hat Gott schon gesättigt, unser Flehen wird er auch erhören.“ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, so taten die beiden Kleinen ihren letzten Atemzug, und darauf brach ihr auch das Herz und sie sank tot nieder.

So endet diese traurige Geschichte ohne Moral, die unter dem Titel Gottes Speise in einigen Auflagen der Grimmschen Märchen enthalten ist, aber heute meist nicht mehr mit abgedruckt wird – vermutlich weil sie dem gängigen Schema des mit einem Happy End endenden Märchens überhaupt nicht entspricht und einen schonungslosen Blick auf charakterliche Deformationen wirft, die offenbar seit Menschengedenken mit allzu großem Reichtum einhergehen.

Die reiche, aber kinderlose Frau ist freilich etwas, was recht häufig im Märchen vorkommt, man denke nur zum Beispiel an Rapunzel, wo die Zauberin in einem schönen weiten Garten, der von einer hohen Mauer umgeben ist, ihre wundertätigen Pflänzlein züchtet – und doch offenkundig unglücklich ist, denn sonst würde sie ja nicht unbarmherzig der armen Nachbarin aus dem Hinterhaus das Kind rauben.

Wir dürfen also festhalten: zumindest in diesem Märchen wird durchaus die auch heute in der Demografie erneut festgehaltene Hypothese ausgesprochen, dass mit steigendem Wohlstand die Zahl der Kinder abnimmt. Sozioökonomischer Status und Fertilität stehen hier, wie die Sozialwissenschaftler sagen, in einer starken negativen Korrelation.

Quellenangabe: 5. „Gottes Speise“, 12. „Rapunzel“ in:  In: Brüder Grimm. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen. Herausgegeben von Heinz Rölleke. Philipp Reclam jun. Stuttgart 2009, S. 805 (Gottes Speise) und S. 84-88 (Rapunzel)

Bild: Die Grabstätte der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Alter St-Matthäus-Friedhof, Berlin-Schöneberg, Aufnahme vom 26. Juli 2025

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„Arm an Hab und Gut, aber reich an Kindern – reich an Hab und Gut, aber arm an Kindern“ – stimmt diese Mutmaßung?

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Juli 252025
 

Der perpetuus motus animi, in welchem laut Cicero das Wesen der Beredsamkeit besteht, hält mich früh und spät am Laufen, Denken und Nachsinnen! Manchmal weiß ich mir bei meinen Hypothesen dabei keinen anderen Rat – ich will die Antwort sofort haben! So auch heute Abend. Und so gab ich nach kurzem Überlegen bei einer bekannten künstlichen Intelligenz meine folgende Frage ein:

„Weltweit sinken die Geburtenraten. Ich vermute, dass sinkende Geburtenraten in einer Gesellschaft mit höherem Wohlstand, also höherem Durchschnitteinkommen korrelieren. In den ärmsten Ländern werden mehr Kinder pro Frau geboren, in den reicheren Ländern mit höherem Wohlstand geht die Fertilität nach unten. Stimmt meine Vermutung?“

Folgende Antwort von ChatGPT (Open AI) kam nach 3 Sekunden:

Deine Vermutung entspricht tatsächlich einem sehr gut belegten Zusammenhang in der Demografie. Was du beschreibst, ist ein zentrales Muster der sogenannten „demografischen Transition“:

1. Allgemeiner Zusammenhang

  • Arme Länder (niedriges Pro-Kopf-Einkommen):
    • Hohe Fertilität (viele Kinder pro Frau)
    • Gründe: Kinderarbeit trägt zum Familieneinkommen bei, geringere Bildung der Frauen, kaum Zugang zu Verhütung, hohe Kindersterblichkeit (mehr Geburten als Absicherung).
  • Reiche Länder (hohes Pro-Kopf-Einkommen):
    • Niedrige Fertilität (oft unter 2,1 Kinder pro Frau)
    • Gründe: Bessere Bildung, Berufstätigkeit der Frauen, Kosten für Kinder steigen, Individualisierung, Zugang zu Verhütung, soziale Absicherung ersetzt die „Rentenfunktion“ der Kinder.

2. Demografischer Übergang

In der Forschung spricht man vom demographischen Übergang:

  1. Phase: Hohe Geburtenrate + hohe Sterblichkeit
  2. Phase: Sterblichkeit sinkt → Bevölkerung wächst schnell
  3. Phase: Geburtenrate sinkt (Wohlstand, Bildung, Verhütung)
  4. Phase: Niedrige Geburtenrate und niedrige Sterblichkeit (Europa, Japan)
  5. Phase (teils): Geburtenrate dauerhaft unter 2,1 → Bevölkerung schrumpft.

3. Datenbeispiele

  • Niger (armes Land): ca. 6,7 Kinder pro Frau
  • Deutschland: ca. 1,5 Kinder pro Frau
  • Japan: ca. 1,3
  • USA: ca. 1,6–1,7

4. Ausnahmen

  • Manche reiche Golfstaaten haben wegen Kultur und Migration etwas höhere Raten.
  • Einige ärmere Länder wie Bangladesch haben schon stark sinkende Raten durch Bildung und Familienplanung.

Fazit

Es gibt eine starke negative Korrelation zwischen Pro-Kopf-Einkommen und Fertilitätsrate.
Dieser Zusammenhang ist eines der robustesten Ergebnisse der Bevölkerungsforschung.

Weltweit sinken die Geburtenraten – und das ist kein Zufall. In den Statistiken zeigt sich sehr klar ein Zusammenhang zwischen dem Wohlstand einer Gesellschaft und der Zahl der Kinder, die Frauen im Durchschnitt bekommen.

In ärmeren Ländern, wo das durchschnittliche Einkommen niedrig ist, bekommen Frauen oft viele Kinder. Das hat mehrere Gründe: Kinder tragen dort häufig zum Familieneinkommen bei, es gibt weniger Zugang zu Bildung und Verhütungsmitteln, und eine hohe Kindersterblichkeit sorgt dafür, dass Familien mehr Kinder bekommen, um sich abzusichern.

Mit steigendem Wohlstand verändert sich dieses Bild. In reicheren Ländern, wo die Kindersterblichkeit sinkt und der Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Verhütungsmitteln besser wird, entscheiden sich Paare für weniger Kinder. Hinzu kommt, dass Kinder mehr kosten, Frauen häufiger berufstätig sind und soziale Sicherungssysteme die „Absicherungsfunktion“ von Kindern ersetzen.

Diese Entwicklung wird in der Demografie als „demografischer Übergang“ bezeichnet. Historisch durchlaufen Gesellschaften dabei mehrere Phasen: Zunächst gibt es hohe Geburten- und Sterberaten. Dann sinkt die Sterblichkeit, was zu starkem Bevölkerungswachstum führt. Schließlich sinkt auch die Geburtenrate – bis Gesellschaften in einem Gleichgewicht mit niedrigen Geburten- und Sterberaten ankommen. In vielen Industrieländern liegt die Geburtenrate heute sogar unter dem sogenannten Bestandserhaltungsniveau von 2,1 Kindern pro Frau.

Die Zahlen machen das deutlich: In Niger liegt die Geburtenrate bei rund 6,7 Kindern pro Frau. In Deutschland sind es etwa 1,5, in Japan sogar nur 1,3. Die USA liegen bei etwa 1,6 bis 1,7.

Zwar gibt es Ausnahmen – zum Beispiel einige Golfstaaten oder ärmere Länder wie Bangladesch, in denen die Geburtenrate trotz niedrigen Einkommens schon stark zurückgegangen ist –, aber insgesamt gilt: Je höher das Pro-Kopf-Einkommen eines Landes, desto niedriger ist im Durchschnitt die Zahl der Geburten pro Frau.

Dieser negative Zusammenhang zwischen Wohlstand und Geburtenrate gehört zu den am besten belegten Phänomenen der Bevölkerungsforschung.

Beispielwerte der Fertilitätsraten (2023, gerundet):

  • Niger: 6,7 Kinder pro Frau
  • Bangladesch: 2,0
  • Indien: 2,1
  • Brasilien: 1,7
  • Deutschland: 1,5
  • Japan: 1,3
  • USA: 1,7

(Quelle: ChatGPT, OpenAI – Antwort vom 25. Juli 2025)

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MUT. Ein lustiges Ratespiel zu ernsten Themen

 Angst, Armut, Bitte zählen!, Bundestagswahl 2025, Demographie, Grünes Gedankengut, Kinder, Leidmotive, Medizin  Kommentare deaktiviert für MUT. Ein lustiges Ratespiel zu ernsten Themen
Juli 152025
 
  1. Wie viele der Kinder im Alter von einem Jahr weltweit haben mindestens eine Impfung erhalten? A: 59% B: 69% C: 79% D: 89%

2. Welcher Anteil der Menschen weltweit hat Zugang zu Elektrizität? A: 62% B: 72% C: 82% D: 92%

3. Wie hoch ist die durchschnittliche Lebenserwartung – bei Geburt – weltweit? A: 43,5 Jahre B: 53,5 Jahre C: 63,5 Jahre D: 73,5 Jahre

Diese 3 Fragen stellte Hans Rosling zu Beginn seines im Jahr 2018 erschienenen Buches Factfulness. Auch Boris Palmer stellt listigerweise diese Quizfragen am Anfang des 2025 herausgekommenen Buches „Wir machen das jetzt! Über den Mut, neue Wege zu gehen“.

Wir wollen uns jetzt – im Juli 2025 – einmal den Spaß machen, genau diese Fragen noch einmal zu stellen, geben allerdings listigerweise statt 3 nun 4 Antworten vor.

Nun lieber Leser, liebe Leserin, nur Mut, rate auch du richtig! Ich traue es dir zu!

Eine – und nur eine – der vier Antwortmöglichkeiten ist zum jetzigen Zeitpunkt richtig!

Wenn du nicht sicher bist, dann entscheide einfach nach Gefühl! Horche in dich hinein! Was sagt dir dein dumpfes Gefühl?

Oder schau bei der UNICEF nach – oder frage Google – oder spanne eine künstliche Intelligenz deiner Wahl ein!

NUR MUT!

Quellen:
Hans Rosling: Factfulness. Ten Reasons We’re Wrong About The World – And Why Things Are Better Than You Think. Sceptre, 2018

Lisa Federle/Boris Palmer: Wir machen das jetzt! Über den Mut, neue Wege zu gehen. Quadriga, 2025

Globale Impfquote: Mehr als 14 Millionen Kinder ohne Impfschutz | unicef.ch

Bild: Ein sehr mutmachendes Wahlplakat. Aufnahme vom 23.02.2025; Ort: Berlin-Lichterfelde

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Gelassenheit angesichts des Todes

 Ausnahmezustand, Corona, Dante, Demographie, Jesus von Nazareth, Latein, Philosophie, Seuchen, Verdummungen  Kommentare deaktiviert für Gelassenheit angesichts des Todes
Mai 022021
 

„Wen wirst du mir nennen, der der Zeit einen wie auch immer gearteten Wert beimäße, der den Tag wertschätzte, der erkennte, dass er täglich stirbt? Denn wir täuschen uns insofern, als wir den Tod als etwas vor uns Liegendes betrachten. Ist doch ein großer Teil davon bereits vergangen: Alles, was an Lebenszeit hinter uns liegt, hält der Tod schon in seinen Händen. Mach es ruhig so, wie du es mir schreibst, lieber Lucilius, umarme alle Stunden! So wird es geschehen, dass du weniger vom Morgen abhängst, wenn du kühn ins Heute hineinlangst.“

Soweit ein kurzer Abschnitt aus dem ersten Brief Senecas in seinen Epistulae morales. Wir verdanken unserem Dr. Pegasus den Hinweis auf diesen Ratschlag, den er uns am 3. April 2021 nach seiner Astra-Zeneca-Impfung im ehemaligen Flughafen Tegel mit dem spaßigen Motto Per Astra Zeneca ad Senecam überbrachte.

Gelassenheit gegenüber dem Tod, Einsicht in die Nichtplanbarkeit des Sterbens, das ist es, was zweifellos in unserer Gesellschaft fehlt. Dabei haben und halten wir ohne jeden Zweifel einen in der gesamten Menschheitsgeschichte nie dagewesenen Rekord an Langlebigkeit. Nur die allerwenigsten von uns hätten in früheren Zeiten das heutige durchschnittliche Sterbealter von etwa 80 Jahren erreicht. Die Kindersterblichkeit lag in allen Jahrhunderten deutlich höher als heute; als hohes „biblisches Alter“, das zu erreichen schon als besondere Gnade galt, wurden allgemein über die Jahrhunderte 70 Jahre angenommen. Ohne die Segnungen der modernen Medizin läge das Sterbealter weit darunter. Selbst das Durchschnittsalter der aktuell an Covid-19 Verstorbenen liegt mit über 80 Jahren deutlich, nämlich etwa 10 Jahre, über dem, was noch vor 100 Jahren als bestes erreichbares Sterbealter galt.

• Infografik: 89% der Corona-Toten waren im Alter 70+ | Statista

Es scheint also eine Art natürliche Alterungsgrenze zu geben, jenseits derer ein weiteres Leben oder Überleben nur mithilfe kultureller, also medizinischer Errungenschaften möglich ist. Je älter man ist, desto mehr steigt offensichtlich die Anfälligkeit für schwere Verläufe von Krankheiten, insbesondere von wenig erforschten Krankheiten. Die Corona-Erkrankung bildet darin keine Ausnahme. Sie ist keine Ausnahme. Sie ist in der reichen, wahrhaft vielfältigen Welt der Krankheiten nichts Neuartiges. Sie rechtfertigt nicht das Ausrufen eines dauerhaften allgemeinen Ausnahmezustandes und die allgemeine, dauerhafte Außerkraftsetzung grundlegender Bürgerrechte.

Dies zu akzeptieren, fällt in den Zeiten des die aktuelle Politik beherrschenden Planbarkeitswahns schwer. Und doch haben immer wieder Philosophen wie etwa Seneca oder Lukrez, religiöse Menschen wie etwa Jesus oder Dante sich der Unausweichlichkeit des Todes gestellt, sich produktiv damit auseinandergesetzt.

Für Seneca stellte die Tatsache der Sterblichkeit kein Übel dar; ein Übel ist es in seinen Augen, das Leben in Angst vor dem Tod zu verbringen, der nun eben gerade kein Übel ist, vor dem man sich fürchten müsste. Wer Angst vor dem Tod hat, der versäumt sein Leben.

Für Jesus oder Dante wiederum, die ohne Zweifel Todesangst erlebten und auch davon Zeugnis ablegten, war der Tod kein letztes. Er war zunächst einmal schrecklich, gewiss. Aber er war nicht das Ende aller Dinge. Er war eine Chance, über die Endlichkeit und Sterblichkeit hinauszulangen, hinauszuahnen in etwas, was uns, den Sterblichen verschlossen war.

In den letzten Gesängen seiner Komödie schreitet Dante auf diese eigene Sterbenserfahrung zu, und zuletzt gelingt es ihm, über die Sterblichkeit hinauszulangen und jenes höchste Licht zu sehen, das sich weit über Sterblichkeitsbegriffe hinaushebt —

O somma luce che tanto ti levi
da‘ concetti mortali …

sagt er im 33. Gesang des Paradiso (Vers 67-68).

Ich bemängele an der aktuellen Debatte fehlende Einsicht in die Unverfügbarkeit des Todes, ja in die naturgegebene Sterblichkeit des Menschen überhaupt.

Hier noch die von Dr. Pegasus vorgetragene Seneca-Stelle im lateinischen Original, zitiert nach: Seneca: Ad Lucilium epistulae morales, Epist. 1, Auswahl von Anton Klein. Text. 11./12. Aufl., Münster 1966, S. 47

Quem mihi dabis qui aliquod pretium tempori ponat, qui diem aestimet, qui intellegat se cotidie mori? in hoc enim fallimur, quod mortem prospicimus: magna pars eius iam praeterit; quicquid aetatis retro est, mors tenet. fac ergo, mi Lucili, quod facere te scribis, omnes horas complectere. sic fiet, ut minus ex crastino pendeas, si hodierno manum inieceris.

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Nov. 122015
 

Herrliche, tiefe Gespräche führe ich immer wieder mit Männern aus verschiedenen Ländern in Afrika und Syrien und aus Libanon und aus Jordanien! Zentrale Themen sind in unseren Gesprächen – Familie, Kinder und Religion! Hurra, Kinder, Religion und Familie, drei zentrale Fragen! Und immer wieder höre ich in verschiedenen Variationen folgende zwei Fragen:

„Warum glaubt ihr Deutschen nicht an Gott?“
„Warum habt ihr Deutschen nur so wenige Kinder?“

Ich versuche dann immer, in ganz schlichten, leicht fasslichen Worten zu antworten, so gut ich kann.

Zunächst die zweite Frage, ein Gefährte aus Homs stellte sie mir: „Ich habe sechs Kinder. Und du?“ Ich nannte die Zahl meiner Kinder. Rückfrage: „Warum habt Ihr in Deutschland so wenige Kinder?“

Meine Antwort: „Für uns in Deutschland steht der Einzelne ganz im Mittelpunkt. Das Ich ist der King. Jeder und jede sucht sein größtmögliches Glück, Geld und Gesundheit. Kinder gelten in Deutschland oft als hinderlich. Eins oder zwei kriegt man meist noch mit Müh und Not unter, aber oft fehlt halt einfach in Deutschland das Geld für Kinder. Und der Job geht vor. Für mehr Kinder fehlt uns Deutschen oft das Geld. Und es fehlt oft der sichere Job.“

Meine Antwort stößt auf Zweifel, Staunen, Fassungslosigkeit bei den Menschen aus Homs, aus Lagos, aus Damaskus. Für sie sind Kinder mit das Schönste. „Ohne Kinder ist das Leben nur halb so schön.“ Nicht zuletzt stiften die Blutsbande ein unzerreißbares soziales Netzwerk. Über viele Länder hinweg reicht das Netzwerk. Jeder hilft jedem, das Wohlergehen der gesamten Familie steht im Mittelpunkt, selbst wenn ein Mitglied der Familie oder ein Teil der Familie nach Deutschland ausreist, wird doch stets materiell und auch finanziell die Verbindung in die Heimat gehalten.

Dagegen soll in Deutschland jeder einzelne Mensch ein Höchstmaß an Wohlstand, beruflichem Erfolg, gesellschaftlicher Anerkennung, körperlicher Fitness, politischer Partizipation, politischer Macht und sozialer Gleichstellung und körperlicher Schönheit erzielen. Und Kinder sind dabei in der Tat eher hinderlich. Das gilt insbesondere auch für Frauen. Die deutsche Politik legt sich mächtig in die Ruder, damit keine Frau sich gegen Kinder entscheiden muss, weil das Geld und der sichere Job fehlen. Viele deutsche Kinder wachsen dennoch in Armut auf. Aber der Sozialstaat hilft, so gut er kann. Viele sagen: Deutschland ist nicht kinderfreundlich.

Also Kinderlosigkeit bei den Deutschen aus Geldmangel! Kinderlosigkeit bei den Deutschen wegen des hohen Armutsrisikos in Deutschlands! Staunen, Fassungslosigkeit, Lachen bei den Flüchtlingen.

Was für Länder wie Syrien, Nigeria oder Jordanien das unzerreißbare, grenzüberschreitende Netz der Verwandtschaft, das ist für uns in Deutschland das unzerreißbare Netz des Sozialstaates. Er trägt und hält uns alle. Er ist der gute, der fürsorgliche Leviathan. Er ist der „sterbliche Gott“, wie ihn Thomas Hobbes genannt hat.

 Posted by at 13:23
Sep. 062015
 

Wer trägt Verantwortung für die Bürger eines Staates? Antwort: die Machthaber dieses Staates zunächst einmal; sofern es sich um eine echte Demokratie handelt, tragen die Bürger selbst die Hauptverantwortung.

Immer wieder wird auf ein angebliches Versagen oder auch auf unterstellte Konzeptionslosigkeit  der europäischen Staaten bei der Aufnahme der afrikanischen und orientalischen Flüchtlinge hingewiesen. Dem kann ich mich nicht anschließen. Ich vermisse bitter bei der ganzen Flüchtlingsdebatte den dringend nötigen Hinweis auf die Verantwortung der Machthaber in den jeweiligen Herkunftsstaaten. Afrika und der Nahe Osten hätten eigentlich das Zeug dazu, auf eigenen Beinen zu stehen: es gibt Ressourcen ohne Ende, die Bevölkerung ist jung, lernfähig; kein üppiges Sozialsystem ist durch den Staatshaushalt zu finanzieren. Die Menschen wissen, dass der Staat sich nicht um sie kümmert,  wenn sie alt und krank sind, und dementsprechend sind sie bereit zu arbeiten, zu lernen und füreinander zu sorgen.

Es gibt meines Erachtens keine Ausrede mehr, keine Entschuldigung für das verheerende Chaos, das die Machthaber in den afrikanischen und den vorderasiatischen Staaten angerichtet haben; so verheerend ist das Chaos, dass ihnen die Menschen davonlaufen. Sie fliehen aus ihren eigenen Ländern. Dafür trägt nicht Europa, am allerwenigsten die Europäische Union die Schuld.

Beim Lesen der Bücher von Rafik Schami findet der Germanist Kurt Rothmann für hundert Jahre syrischer Geschichte die folgenden treffenden Worte, die, stellvertretend für andere Länder, hier ungefähr aneinandergereiht sein mögen – die meisten Syrer würden sie ohne Bedenken unterschreiben:

„Lächerlich eitle, gesichtslose politische Machthaber, die Putschisten, Diktatoren sowie deren Generäle und Geheimdienstler“ schaffen in der Bevölkerung ein Klima der Angst „voller Zwietracht, Dünkel, Demütigungen, Intrigen, Verrat, Hass, Blutfehden, Folter und Mord“.  Es fehlt an Rechtsstaatlichkeit, an Freiheit, an Friedenswillen bei den Mächtigen.

Falsch wäre es, so meine ich, angesichts der anschwellenden Migrationsströme den Regierungen Afrikas oder des Nahen Ostens noch mehr Geld zur Verfügung zu stellen oder vielmehr in den Rachen zu werfen, sei es in Gestalt von noch mehr „Entwicklungshilfe“, noch mehr Militärhilfe, noch mehr Flüchtlingshilfe, „Rückkehrhilfe“  oder auch „Klimaschutz-Hilfe“ oder irgendetwas sonstiges. Diese mehr oder minder phantasievoll bezeichneten Formen der Hilfe führen absehbar nur zur weiteren Selbstbereicherung der Machthaber.

Auch die jüngste militärische Einmischung westlicher Staaten wie der USA, Frankreichs und Großbritanniens hat offensichtlich nichts Gutes gebracht. Im Gegenteil, sie hat die Lage verschlimmert.

Nein, bad governance, verheerend schlechte Regierungsführung, Unterdrückung und Ausplünderung des eigenen Volkes, darin meine ich nach zahllosen Gesprächen mit Flüchtlingen und Kennern jener Länder die Hauptursache des aktuellen Flüchtlingselends zu erkennen. Ich meine: die afrikanischen Staaten und die Länder des Nahen und Mittleren Ostens müssen im wesentlichen endlich selbst zurechtkommen; sie müssen die Verantwortung für ihre Bevölkerung endlich ernst nehmen.

Erfolgreiche Staaten Asiens wie etwa Südkorea, die selbst noch vor 50 Jahren relativ arme Entwicklungsländer waren, sind dafür ein Vorbild.

Zitate:
Kurt Rothmann: Kleine Geschichte der deutschen Literatur. 20., durchgesehene und erweiterte Auflage, Philipp Reclam jun. Stuttgart 2014, S. 520-521

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Sep. 022015
 

Als ich kürzlich mit einem Zug voller Flüchtlinge von Italien nach Deutschland reiste, sprach ich nicht nur mit den Flüchtlingen, sondern auch mit mitreisenden EU-Bürgern. Die Flüchtlinge – den Anweisungen gemäß ohne Papiere unterwegs – waren offensichtlich gut eingestellt und gut vernetzt, sie wissen, was sie in Germany zu sagen und zu erzählen haben. Die EU-Bürger bekannten sich alle hilfsbereit, anständig und respektvoll gegenüber den Flüchtlingen. „Aber das monatelange Rumsitzen schadet ihnen!“, so die einhellige Meinung des gesamten Abteils.

Ein deutscher Mitreisender erzählte von einem riesigen Flüchtlingslager in einem Staat des Nahen Ostens (wohl Libanon), das ein EU-Bürger – ein Bekannter des Reisegefährten – im Auftrag der UNO leite. Dieser Chef des Lagers habe etwas sehr Sinnvolles eingeführt, nämlich: Arbeit für alle, Arbeitspflicht für alle. Alle Bewohner des Lagers müssen oder sollen zumindest einer geregelten Beschäftigung nachgehen, z.B. dem Bau eines Wassergrabens, der Reinigung der Straßen und Plätze, der Müllbeseitigung, dem Garten- und Feldbau. Die Lagerverwaltung zahlt für jede Arbeitsstunde einen geringen Lohn, der dann  in den Läden ausgegeben werden kann.

Die Arbeitspflicht für alle Flüchtlinge hat sich als wohltuend erwiesen. Sie ist der Renner! Die Trübsal des Wartens hat ein Ende, Arbeit und Arbeitslohn schaffen Selbstwertgefühl, „wir können etwas“, dieses Gefühl trägt die Menschen. Die Kriminalität, eine fast unvermeidliche Begleiterscheinung jeder längeren Lagerexistenz, ging sehr deutlich zurück.

Ich bin überzeugt: Die Flüchtlinge in Deutschland sollen und müssten eigentlich auch in Deutschland dazu angehalten werden, von Tag 1 an zu arbeiten, zu lernen, zu ackern und sich zu plagen. Und wenn es nur Deutschlernen ist. Sie sollten von Anfang Pflichten für ihr Wohl und für das Gemeinwohl übernehmen. So kommt auch Struktur in den Alltag rein.

Zur Zeit werden sie wirklich in eine quälende Warteschleife hineingedrängt. Sie wissen zwar, dass praktisch niemand aus Deutschland abgeschoben wird, dass also eigentlich jeder, der hier in Deutschland eingetroffen ist, auch dauerhaft hier bleiben wird. Aber der Wartestatus, bis es endlich so weit ist, hat etwas Zermürbendes. Besser ist es, den erwachsenen Flüchtlingen, all den jungen, meist arbeitsfähigen, meist wohlgenährten Männern, die ja die übergroße Mehrheit der Flüchtlinge stellen, gleich zu sagen: Ihr seid freie Menschen. Hier lebt ihr in Sicherheit. Wir wissen, dass ihr uns irgendwas erzählen werdet. Eure phantasievollen Geschichten interessieren uns nicht allzu sehr. Sucht euch eine Arbeit, verdient euch den Lebensunterhalt selber. Lernt mindestens Deutsch. Arbeitet. Tut was.

 

 Posted by at 20:57
Aug. 062014
 

2014-05-01 08.43.28

Familienpolitik beginnt bereits vor der Geburt eines Kindes. Die Reproduktionsmedizin leistet viel. Aber sie ist teuer. Die Erfüllung des Kinderwunsches darf keine Kostenfrage sein.“ Diese Aussage stammt von Manuela Schwesig, der amtierenden Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zitiert hier nach der Süddeutschen Zeitung, Magazin, Nummer 10, 7. März 2014, S. 40.

Wir dürfen das so verstehen: am Geld darf der Kinderwunsch nicht scheitern. Moderne Familienpolitik erfüllt den Frauen den Kinderwunsch, koste es, was es wolle, denn die moderne Politik wird den Frauen genug Geld geben, damit sie sich ihren Wunsch nach einem Kind erfüllen können.

Ein zentrales Heils- und Glücksversprechen der heutigen Fachpolitiker (hier beispielhaft der Bundesfamilienministerin) ist es, dass jeder Wunsch, auch der sehnlichste Wunsch so manchen Paares – der nach einem Kind – erfüllt werden kann.  Die wohltätige Politik durchdringt von vor der Zeugung an alle Lebensbereiche, der Bürger braucht gewissermaßen nur seine Ansprüche anzumelden und die Hand hinzuhalten. „Ach, wenn wir nur ein Kind hätten“, seufzte die Königin bei den Gebrüdern Grimm noch. Heute dagegen ist dieser Märchenwunsch Wahrheit geworden, denn wir haben ja die Familienpolitik und die Reproduktionsmedizin – und Geld in Hülle und Fülle.

„Sicherheit und ein stabiler Euro. So will ich Europa.“ Mit diesen und verwandten Wahlsprüchen errang die derzeit am erfolgreichsten beworbene Partei, die CDU, einen großartigen Wahlsieg. Betrachte das Bild genau: Du siehst eine junge, selbständige Frau, die voller Tatkraft aus dem Innenraum der Wohnung hinaus ins Berufsleben tritt. Das  Kind hockt wie ein Attribut auf der Hüfte der Frau, hindert sie nicht, erringt aber auch nicht die Aufmerksamkeit der Frau. Die Frau und das Kind wissen sich in Sicherheit. Der stabile Euro sichert den Rahmen. Europa ist sicher, denn der Euro ist stabil. Statt der veralteten Familie früheren Typs, bestehend aus Vater, Mutter, Kindern,  spannt die moderne Politik das zentrale Heils- und Sicherheitsversprechen auf: Europa und der Euro sorgen für euch alle. Der Euro, Europa, die Politik sichern Frieden, Wohlstand, Sorglosigkeit.

Auch hier, bei der äußerst erfolgreichen CDU, trifft die Politik sehr weitreichende, bis ins Privateste hineinreichende Versprechungen. Der Mensch braucht sich kaum mehr anzustrengen, die Politik sichert durch das Geld, durch den Euro, Stabilität und Sicherheit im Leben von Frau und Kind. Das männliche Element der früheren Ikonographie, der Mann, der Familienvater wurde ersetzt durch den Euro. Der Euro ist das Wichtigste, die Währung sichert Einheit und Geborgenheit.

Die Politik – ob nun Familienpolitik oder Finanzpolitik im Zeichen des Euro – hat die interpersonellen Bezüge, das tägliche mühselige Ringen um Einkommen, um Zusammenhalt der Familie, das harte Arbeiten von Weib und Mann für den Lebensunterhalt und die Erziehung der Kinder, wie es jahrtausendelang den Alltag der Familien prägte, ersetzt. Man muss nur das Kreuzchen an der richtigen Stelle machen.

Die Politik und ihre Reklame verspricht die Erfüllung jedes Kinderwunsches, jedes kindlichen Wunsches. Der Euro sichert im Zeichen  des „Ich will es so“ Stabilität, Frieden und Geborgenheit für alle. Ohne Sorge – sei ohne Sorge, wie es in Ingeborg Bachmanns Gedicht „Reklame“ so schön heißt.

Merke auf: Zwei subtile Botschaften, die die Politik Tag um Tag auf uns unmündige Bürger niedergehen lässt. Wir brauchen diesen Botschaften nur zu vertrauen. Ohne Sorge – sei ohne Sorge.

Bild: “Sicherheit und ein stabiler Euro. So will ich Europa.” Wahlplakat in Eisenach am Fuße der Wartburg, aufgenommen am 1. Mai 2014.

 Posted by at 19:13
Juli 082013
 

2013-04-24 19.37.39 „Alter Mann, alter Mann, du bist ein alter Opa, und wir hassen dich!“ So sprangen einem alten Mann heute in einem Kreuzberger Hinterhof drei Kinder hinterdrein und äfften ihn kläffend mit Fratzen.  Wie sie auf den Spruch kamen, weiß er nicht. Vielleicht weil er bedächtigen Schrittes das Fahrrad schob, statt jugendlichen Schwunges zwischen den Kindern hindurchzubrausen wie alle anderen Radfahrer?

Der alte Mann wandte sich den Kindern zu: „Ja, ich bin alt, sehr alt. Hasst ihr denn alte Männer?“ Er bekam keine Antwort. „Wie alt möchtet ihr denn werden?“ Schweigen im Walde bei den Kindern! Damit konnten sie nicht rechnen.

Da wandte der alte Mann sich den Kindern zu und fing an eine Geschichte zu erzählen,  die er vor einiger Zeit auf freiem Felde unter dem uralten Standbild des  Herkules in Cassel im Vorübergehn gehört hatte. So ging sie:

Als Gott die Tier und Menschen erschaffen hatte, wies er einem jeden seine Lebenszeit zu. Dem Esel gab er 30 Jahre. Da beschwerte sich der Esel: „Ach, der strenge Müller vergilt mir meine Dienste schlecht. Er lässt mich schwere Maltersäcke schleppen, und wenn die krummen Beine nicht mehr mittun, jagt er mich davon. Erlass mir einen Teil!“ Da nahm Gott dem Esel gnädig 18 Jahre weg. Und deshalb werden Esel 12 Jahre alt.

Dem Hund wies er auch 30 Jahre zu, doch der Hund beschwerte sich: „Tag und Nacht soll ich dem Menschen wachen und Räuber verjagen, aber wenn ich nicht mehr bellen kann, wirft er mit Steinen nach mir. Schenke mir einen Teil der Jahre.“ Da erließ Gott dem Hund 12 Jahre,und deswegen sterben Hunde spätestens mit 18.

Dem Affen bot Gott auch dreißig an. Da beschwerte der sich und sagte: „Die Menschen setzen mir grundlos zu. Drück dich gegen eine Gitterstange, schneide ihnen Fratzen ohne Ende, sie werden dir die Ursache der ständigen Demütigungen des Affenvolkes nicht nennen. Es gibt keinen Ausweg. Ich verlange keine Freiheit von dir. Aber ich habe eine Bitte: Erlass mir einen Teil dieser Leidensjahre!“ Da schenkte Gott dem Affen gnädig zehn Jahre.

„Und wie viele Jahre möchtest du leben?“, fragte Gott den Menschen. „Reichen dir 30 Jahre?“ „Bei weitem nicht!“ erwiderte der Mensch. „Mit 30 stehe ich voll im Saft, habe Haus und Hof, Kind und Korn in der Scheuer, dann möchte ich das Leben genießen bis an ein seliges Ende! Gib mir mehr!“

„So sei es“, erwiderte Gott. „Also sollst du nach deinen 30 ersten Jahren, die du in Saus und Braus verleben darfst,  18 weitere Jahre ackern und rackern für Haus und Hof, für Kind und Korn. Danach darfst du die 12 Hundejahre erleben, in denen du mit Zähnen und Klauen verteidigst, was andere dir wegnehmen wollen. Und zum Schluss, wenn deine Geisteskraft nachlässt, wirst du zehn Jahre des Affen erleben, in denen jüngere Menschen und Kinder sich an deinen lächerlichen Ticks, an deinen Aussetzern und Fehlleistungen ergetzen können.“

Und so, liebe Kinder, geschah es, dass dem Menschen 70 Jahre beschieden sind, wenn es hochkommt.

Und nun frage ich euch: Wie alt seid ihr eigentlich – und wie alt möchtet ihr werden?

„Ich bin 5 Jahre alt und möchte 150 Jahre alt werden“, sagte das erste Kind ohne zu zögern.

„Ich bin 4. Und ich möchte 1000 Jahre alt werden“, sagte das zweite nach einigem Nachdenken.

„Und du? Wie alt bist du?“, fragte der alte Mann das kleinste Kind.

„Ich bin so“ – das Kind hielt ihm zwei Finger entgegen. „Du bist also zwei?“ „Ja, er ist zwei“, bestätigte der 5-Jährige.

„Und wie alt möchtest du werden?“ „So alt!“ Wieder zeigte uns das Kind die zwei Finger. Das Kind war offenbar in diesem Augenblick glücklich!

Der alte Mann und die Kinder kamen überein, dass gerade das zweijährige Kind schon „so gut wie ein dreijähriges“ spricht, läuft und zuhört, und  lobten es dafür. Und sie verabschiedeten sich im besten Einvernehmen. Die Macht des guten gelingenden Wortes hatte sie zu einer Erzählgemeinde zusammengeführt, und man sieht, dasz „die Weisheit auf der Gasse noch nicht ganz untergegangen ist“.

Bild: Das uralte Standbild des Herkules zu Cassel-Wilhelmshöhe. Aufnahme vom 24. April 2013

Zitatnachweis für: man sieht, dasz „die Weisheit auf der Gasse noch nicht ganz untergegangen ist“: Vorrede der Brüder Grimm vom 17. September 1840. Zitiert nach: „Vorrede“, in: Brüder Grimm. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen. Herausgegeben von Heinz Rölleke. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2009, S. 15 bis 27, hier S. 26

 

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Juni 072013
 

Die steuerliche Gleichstellung der homosexuellen Partnerschaften mit der Mann-Frau-Ehe ist nur konsequent. Sie war überfällig. Sie entspricht dem gesellschaftlichen Megatrend. Das Recht zur assistierten Kindererzeugung, das Recht zur Kindererziehung und das Recht zur Kinderadoption unabhängig von biologischer Elternschaft, also auch ohne Einschränkung für homosexuelle Eltern werden in nicht ferner Zukunft folgen müssen.

Dies ist eine in Teilen wenigstens durchaus neuartige Entwicklung. Denn Homosexualität gab es zwar immer und wird es immer geben. Im alten Griechenland wurde sie sogar kulturell höher geschätzt als die fortpflanzungsgerichtete, kulturell „niedrigere“ Krethi-und-Plethi-Heterosexualität. Auch die Ablösung der Kindererzeugung und Kinderzucht von der späteren, der  gesellschaftlich anerkannten  Elternschaft wurde gelegentlich praktiziert – so etwa im alten Kriegerstaat Sparta, in der Knabenlese der Orientalen, beim Homunculus in Goethes Faust II,  im Lebensborn der Nazis, in Zwangsadoptionen der Kinder australischer Aborigines, bei denen noch im 20. Jahrhundert den biologischen Eltern ihre Kinder im Namen eines übergeordneten Interesses geraubt wurden.

 Jahrtausendelang galt aber  über die gesamte bekannte Menschheitsgeschichte die Ehe zwischen Mann und Frau – funktional gesehen – im wesentlichen als die überragende, die tragende und die grundlegende Einrichtung zum Zeugen, Hegen und Pflegen der später einmal arbeitsfähigen Kinder, zum Pflegen und Versorgen der greisen, nicht mehr arbeitsfähigen Eltern und der Älteren.

Diese als absolut unersetzlich erkannte Grundfunktion der Ehe zwischen Mann und Frau sowie des in die Ehe hineingebetteten, biologisch begründeten Eltern-Kind-Bandes wurde jahrtausendelang in Religionen und Mythen, in Dichtung und Poesie, in Recht und Gesetz besungen, verklärt, ausgeschmückt, gepriesen und geheiligt.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stellte eingedenk der schlimmen Erfahrungen der berüchtigen 12 nationalsozialistischen Jahre, in denen die Rasse und die Macht der Nation alles, die Familie nichts galt, noch einmal ausdrücklich Ehe und Familie unter seinen besonderen Schutz.

Die Familie, gesehen als biologisch begründete Abstammungsgemeinschaft, war nach allgemeiner Überzeugung die Keimzelle und das Fundament der Gesellschaften. Wenn die Frauen das Austragen, Gebären und Stillen der Neugeborenen in ausreichender Anzahl verweigerten oder wenn aus anderen Gründen nicht mehr genug Kinder geboren und ernährt werden konnten, schrumpften die Gesellschaften oder „Völker“, wie man früher sagte, und starben schließlich weg.

Heute gilt die Ehe dagegen – funktional gesehen – als Band der Gefühle, ferner als Institut gegenseitiger Absicherung zwischen erwachsenen, gleichberechtigten, arbeitsfähigen Menschen. Ihr Zweck und ihr Sinn wird im wesentlichen auf Liebe zwischen Erwachsenen begründet, weshalb sie seit etwa 200 Jahren ja gern auch als „Liebesbund“ bezeichnet wird. Kinder gelten als nicht mehr notwendiges Beiwerk der Partnerschaft der Erwachsenen und des Sozialstaates, ein Beiwerk, das nach eigenem Willen der Erwachsenen, nach eigenen Bedürfnissen der Erwachsenen kommen darf oder auch ohne Umschweife verhindert wird.

Der Zusammenhang zwischen verantwortlicher Sexualität, Ehe, Kindererziehung,  Altenpflege und Fortbestand der Gesellschaft ist somit endgültig entkoppelt.

Jetzt übernimmt der Staat durch seine vermeintlich selbsttragenden Sozial-, Wirtschafts-  und Versorgungssysteme die gesamte Letztverantwortung dafür.  Der Staat sorgt für alle. Die Politik versorgt alle. Staat und Politik, Bundesverfassungsgericht und fast alle Parteien  erteilen nunmehr folgerichtig allen Formen der Sexualität, allen Formen der Partnerschaft zwischen Menschen gleichermaßen und gezwungenermaßen ihren Segen, fördern alle Formen der auf Dauer angelegten Partnerschaft erwachsener Menschen gleichermaßen.  Ein grundlegender Unterschied in der Natur des Mannes und der Frau wird auch rechtlich nicht mehr anerkannt. Geschlechterrollen gelten als ausschließlich kulturell bedingt. Ein echtes Interesse am Fortbestehen der Gesellschaft darf sich nicht mehr artikulieren.

Die deutsche Gesellschaft schrumpft infolge dieses grundlegenden Wertewandels.  Kinder kommen irgendwie nicht mehr so recht zur Welt.  Während in früheren Jahrtausenden die Kinder als Segen der Älteren galten, müssen heute die Kinder regelrecht ihren Eltern dankbar sein, dass sie zur Welt kommen durften, denn etwa 100.000 Abtreibungen finden  in Deutschland bei etwa 600.000-700.000 Lebendgeburten pro Jahr statt.

Es gilt heute als weithin anerkanntes, unumstößliches Gesetz: Kinder kommen  nach den Wünschen und den Bedürfnissen der Erwachsenen zur Welt. Die Erwachsenen entscheiden nach ihrer jeweiligen Interessenlage oder auch nach der volkswirtschaftlichen Gesamtlage, ob ein Kind erwünscht oder unerwünscht ist, ob frau oder man es sich leisten kann oder nicht. Die materielle Interessenlage der erwachsenen, gesunden und arbeitsfähigen Menschen und die Volkswirtschaft stehen eindeutig im Vordergrund. Durch finanzielle Anreize meint der Staat die Kinderzahl erhöhen zu können.

Die Themen Altern, Pflegebedürftigkeit, Demenz, Alterseinsamkeit werden hartnäckig  abgeschoben. Am schlimmsten ist darunter übrigens bereits heute die Vereinsamung der pflegebedürftigen Alten. Gegenüber der Alterseinsamkeit ist die vielbeschworene Altersarmut ein Klacks, ein Kinderspiel sozusagen!

Weg mit diesen trüben Gedanken!  Das gegenwärtige materielle, finanzielle und vor allem das politische Wohlergehen der gesunden, erwachsenen, arbeitsfähigen und wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger, die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des 4-jährigen Planungshorizontes steht ganz vorne! Dem dienen die Politiker. Das verlangen die Wählerinnen und Wähler. An das, was in 20 oder 30 Jahren mit der Gesellschaft geschehen mag, denkt kaum jemand.

Das Motto scheint zu lauten: „Gib, o güt’ger Staat, uns Erwachsenen Deinen Segen zu allem, was wir tun und lassen wollen – und schenke uns dein Geld!“

 

 

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Ist es gerecht, dass Ingas Baby die Mutter nur kurz am Abend bewusst erlebt?

 Demographie, Donna moderna, Familie, Frau und Mann, Kinder, Konservativ, Kultur oder Natur?, Mären, Mutterschaft, Natur, Pflege, Platon  Kommentare deaktiviert für Ist es gerecht, dass Ingas Baby die Mutter nur kurz am Abend bewusst erlebt?
Mai 282013
 

2013-05-23 15.42.29

„Ist es gerecht, dass Inga schlechtere Karrierechancen hat, weil sie Mutter ist? Nein“

So die nachdenklich stimmende Mahnung der INS – Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft -, die mich vor drei Tagen im Berliner Hauptbahnhof zum Innehalten aufforderte.

„Von dem Kind in Ingas Kinderwagen sprechen wir nicht?“, frug ich fragenden Blicks eine zufällige Passantin, die ebenfalls staunend stehenblieb.

Wir fragen tiefer: Ist es gerecht, dass Frauen Mütter werden? Ist es gerecht, dass Frauen schlechtere Karrierechancen haben, weil sie Mütter werden bzw. bis zum Alter von etwa 45 Jahren stets die Gefahr droht, dass sie Mütter werden könnten?

Es gibt höchst erfolgreiche weibliche Politiker, allerdings weniger als  männliche. Wir haben in der paganen Antike Cleopatra, in der Bibel die Königin von Saba, in der Neuzeit Margret Thatcher und Indira Gandhi gehabt.

Frauen sind in der Politik und in der Machtausübung und auch in Straßennamen sogar in Friedrichshain-Kreuzberg (und weltweit) deutlich unterrepräsentiert. Woran liegt das? Ich meine, es liegt daran, dass Frauen in allen Kulturen und allen Gesellschaften, auch in der unsrigen, eben doch anders sind als wir Männer. Vor allem liegt es am unleugbaren naturgegebenen Grundbestand des Mensch-Seins: Wir werden alle von Müttern geboren, nur Frauen – nicht Männer – können Mütter werden, mit all den unleugbaren und unvermeidbaren Einschränkungen, die das für Karriere und Beruf mit sich bringt.

Die allermeisten Frauen streben folglich auch nicht so sehr nach Glanz und Gloria, nach Scheinen und Gelten wie wir Männer. Für die meisten Frauen ist es eben doch das Schönste, Leben, Glück und Freude zu verspüren dadurch, dass sie Leben, Glück und Freude weitergeben, etwa als Mütter. Für die meisten Frauen ist von Anfang an – im Gegensatz zu den meisten Männern – eindeutig ein glückliches Familienleben wichtiger als eine Karriere.

Wenn hingegen den Frauen das Mutterwerden und überhaupt Mütterlichkeit als eine Art Unfall, als schreiende Ungerechtigkeit auf dem Weg zum vollkommenen Glück, also zur völligen hälftigen Machtteilung und Gleichheit mit den Männern ausgemalt wird, dann löst sich eine Gesellschaft auf und verspielt die eigene Zukunft. In genau dieser Gefahr stehen wir in Deutschland.

Wir Männer hingegen streben von unserer biologischen Natur aus und durch kulturell verankerte  Tiefenprägungen eher hinaus ins feindliche Leben, wir raffen und schaffen, wie es Friedrich Schiller in seinem Lied von der Glocke völlig zutreffend erkannt hat.

Schauen wir uns doch uns Männer an: Macht, Machtsicherung und Machterweiterung im Außenbereich sind wichtige Themen im Leben fast jedes Mannes, und zwar auf andere Art als für die Frauen.  Unsere vornehmste Aufgabe als Männer ist es meiner Überzeugung nach grundsätzlich, den Frauen und Kindern einen gesicherten Raum zu schaffen, in dem sie friedlich blühen und gedeihen können.  Der gesicherte Raum ist grundsätzlich die Familie. Für den Staatsmann ist es die Gesellschaft als ganze.

Das ist weltweit zu allen Zeiten in allen erfolgreichen Gesellschaften so, nur in Teilen Westeuropas und insbesondere Deutschlands versucht man zur Zeit davor die Augen zu verschließen, etwa indem man Frauen den Wahn einredet, sie müssten unbedingt ebenso erfolgreich im Beruf, ebenso mächtig in der Politik werden, ebenso viele Straßennamen erhalten wie wir Männer.  Alles andere sei doch furchtbar ungerecht. Ein verhängnisvoller Irrtum, der zur Aushöhlung der Familie beiträgt und einer der Auslöser für den demographischen Niedergang unserer Gesellschaften  ist. Bereits heute haben wir viel zu wenige Familien mit Kindern, in denen die Kinder gehegt und in denen die Alten und Kranken gepflegt werden.  Der Pflegenotstand, also der akute Mangel an Pflegepersonal in allen Altenheimen und in der Altenbetreuung ist in Deutschland bereits heute Realität. Zu glauben, dass man mit aus dem Ausland geholten professionellen Pflegekräften oder durch die Versendung der Alten von Europa nach Indonesien dem Mangel an Pflegekräften Abhilfe schaffen könnte, geht völlig an den Wünschen und Bedürfnissen unserer Alten vorbei.

Zu glauben, dass der Staat oder das staatliche Sozialsystem das Mutterwerden, die Kindererziehung, die Krankenfürsorge und die Altenpflege nach und nach immer stärker oder gar vollständig direkt in eine eigene Regie übernehmen können, ist ein törichter Wahn, dem bereits die antike Kriegergesellschaft Spartas und der Philosoph Platon im 4. Jahrhundert vor Chr. erlegen ist.

Kindererziehung, Pflege der Kranken und Pflege der Alten war immer und wird immer in allen erfolgreichen Gesellschaften eine vorrangige Aufgabe der Familien bleiben. Gelingendes Muttersein ist und bleibt eine Aufgabe der Frauen, Vaterwerden und Vatersein eine lebenslang zu erlernende Aufgabe der Männer.

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Sep. 092012
 

Altersarmut – ein großes Thema, das derzeit wieder die Gemüter in Wallung bringt! Werden die Renten reichen?  Die Alten sollen doch in 30 Jahren ihr eigenes Einkommen haben, es kann doch nicht sein, dass sie dann zum Sozialamt gehen oder – schlimmer noch –  von ihren Kindern Unterhalt erbetteln müssen!

Erstaunlich, dass niemand darüber nachdenkt, wie es die Menschheit bisher, also jenseits und vor der Einführung der staatlichen Rentenversicherung  geschafft hat, die Alten, nicht Arbeitsfähigen zu pflegen und ihnen einen würdigen Lebensabend zu verschaffen. In den alten Büchern wird das Thema jedoch immer wieder besprochen.

Kindesdank und Undank  – eine wunderbare Erzählung Johann Peter Hebels fällt mir dazu ein. Ich las sie kürzlich im Sommerurlaub in Berchtesgaden, im Heimatort meiner alten und gebrechlichen Mutter. So beginnt sie:

Man findet gar oft, wenn man ein wenig aufmerksam ist, dass Menschen im Alter von ihren Kindern wieder ebenso behandelt werden, wie sie einst ihre alten und kraftlosen Eltern behandelt haben. Es geht auch begreiflich zu. Die Kinder lernen’s von den Eltern; sie sehen’s und hören’s nicht anders und folgen dem Beispiel. So wird es auf die natürlichsten und sichersten Wege wahr, was gesagt wird und geschrieben ist, dass der Eltern Segen und Fluch auf den Kindern ruhe und sie nicht verfehle.

Man hat darüber unter andern zwei Erzählungen, von denen die erste Nachahmung und die zweite grosse Beherzigung verdient.

Ein Fürst traf auf einem Spazierritt einen fleissigen und frohen Landmann an dem Ackergeschäft an und liess sich mit ihm in ein Gespräch ein. Nach einigen Fragen erfuhr er, dass der Acker nicht sein Eigentum sei, sondern dass er als Tagelöhner täglich um 15 Kreuzer arbeite …

Daneben stellen wir das Märchen der Gebrüder Grimm Der alte Großvater und der Enkel, welches also anhebt:

Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floß ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen mußte sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen und noch dazu nicht einmal satt; da sah er betrübt nach dem Tisch und die Augen wurden ihm naß …

Die Abhängigkeit der Alten von der mittleren, der arbeitenden Generation ist uraltes kulturelles Erbe, die Sorge der leiblichen Kinder für ihre Eltern im Alter ist ein sittliches Grundgebot, das beispielsweise die jüdische, die christliche und die muslimische Religion nahezu wortgleich verkünden: siehe etwa 5. Buch Mose 5,15; Markusevangelium 10,19; Koran Sure 17, 23.

Sie kommen überein: Du sollst nicht Pfui sagen, wenn deine Eltern alt und gebrechlich sind! Ehre Vater und Mutter!

Auch in unserer Rechtsordnung besteht – noch – die Unterhaltspflicht der Kinder „in aufsteigender Linie“ gegenüber den Eltern.

Dass zuerst und zuletzt der Staat, also die Politik, das Wohlergehen der Alten besorgen müsse, ist eine ganz neue Erscheinung. Aufstockerrente, Zuschussrente, private Zusatzrentenversicherungspflicht und und und. Die ganze Debatte um die Altersarmut kreist derzeit ausschließlich um die Menschen, als wären sie später einmal alle vereinsamte, hoffnungslos alleinstehende, kinderlose Alte.

Der Sozialstaat wappnet sich, damit jeder Mensch auch im Alter einen individuell durchsetzbaren direkten Anspruch auf Schutz vor Altersarmut hat. Als schlimmstes Übel wird die Abhängigkeit der Eltern von ihren Kindern als Schreckgespenst an die Wand gemalt.

Keiner denkt auch nur im entferntesten daran, dass jahrtausendelang Kinder und wieder Kinder und Enkelkinder die beste soziale Sicherheit gegen Armut und Einsamkeit im Alter darstellten, dass die Kinder ihre Eltern irgendwann mittragen und mitziehen und miternähren müssen.

Ich meine aber, auch die deutsche Gesellschaft wird sich auf diese uralte Einsicht zurückbesinnen müssen.

Erst seit etwa 20 oder 30 Jahren denkt offenbar die Mehrheit der Menschen in Deutschland, dass der Lebensstandard der Alten im wesentlichen durch die Sozialversicherung und durch den Staat gesichert werden müsse.

Weder in Schule noch in der Gesellschaft wird den Kindern die Pflege und Fürsorge für die eigenen Eltern gelehrt. Die Familie als primärer Träger der sozialen Sicherheit wird systematisch in Politik und Gesellschaft ausgeblendet.

Ich finde dies bedenklich. Hier droht etwas zutiefst Menschliches verlorenzugehen: die Einsicht in das fundamentale Abhängigsein des Menschen in Fleisch und Blut von anderen Menschen in Fleisch und Blut in jeder Lebensphase, vor allem in Kindheit und Alter, nämlich:

Am Ende hängen wir doch ab
Von denen die wir machten.

Nur Hatice Akyün hat – mit einem ironischen Erschauern – die Vorstellung beschrieben, sie müsse noch mehr Kinder haben, um im Alter glücklich zu sein. Doch dann wird die Vorstellung sogleich wieder verworfen. Sie schreibt:

Aber von dem Modell sind wir weit entfernt. Da bleibt mir als Alternative wohl nur die türkische Variante. Es müssen dringend ein paar neue Kinder her, die mich im Alter versorgen. Oder wie mein Vater sagen würde: „Testi kirilsa da kulpu elde kalir“ – Wenn der Tonkrug zerbricht, bleibt einem immer noch der Griff in der Hand.

Fazit: Dass die Eltern sich auf ihre Kinder verlassen müssen, ist eine Vorstellung, die nicht mehr in unsere Zeit passt. Der Staat soll alle Bürger gegen alle denkbaren existenziellen Risiken lückenlos absichern, jetzt und auch noch in drei Jahrzehnten.

Ich finde dies höchst bedenklich.

 Posted by at 23:01
Juni 102012
 

Antwort: In uns Männern steckt tatsächlich ein höheres Gewaltpotential als in den Frauen. Nur durch die Erziehung, durch ständige Einhegung, Höherentwicklung, Belehrung, Bestrafung und Grenzensetzung lernen wir Männer mit unseren Leidenschaften umzugehen.

In meinen Kreuzberger Bekanntenkreisen herrscht – gerade unter Türken – die Meinung vor, dass die Geschichte des Orhan S. durchaus als repräsentativ für eine hohe Zahl an jungen Männern in Kreuzberg gelten kann. An eine klinische Erkrankung glaubt hier eigentlich kaum jemand.

Männer wie Orhan S.  haben nie echte Grenzen erfahren. Mit der deutschen Schule, mit dem deutschen Sozialamt kann man ja wirklich nach Belieben Schlitten fahren. Das ist hier nun wirklich allgemein bekannt. Die Bundesrepublik Deutschland  – insbesondere der deutsche Sozialstaat mit seinen leicht zu knackenden Geldkoffern – ist in den Augen vieler junger Männer ein leicht zu eroberndes Objekt der Ausbeutung, so wie Frauen ein leicht zu eroberndes Objekt der Ausbeutung sind.

Die Deutschen selbst zucken aus Angst zurück, zumal sie in immer mehr Vierteln in die Minderheit geraten sind und noch weiter in die Minderheit geraten. Man rechne nur einmal die Kinderzahlen nach und man wird erkennen, dass schon in wenigen Jahrzehnten viele deutsche Innenstädte nicht mehr wiederzuerkennen sein werden.

Einschüchterungen, Drohungen, grenzenloses Anspruchsdenken der jungen türkischen, arabischen und kurdischen Paschas gegenüber allen Frauen – Müttern, Ehefrauen, Schwestern, Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen, Polizistinnen – diese Grundhaltung wird mir immer wieder berichtet, ich sehe sie selbst immer wieder. Sie scheint allerdings auch stark kulturell bedingt zu sein, sie scheint bei jungen Deutschen weniger oft aufzutreten als bei jungen Türken und Arabern.

Nicht zufällig sind gerade in der schweren Gewaltkriminalität – Raub, Totschlag, Mord – die in Deutschland lebenden jungen Türken, Kurden und Araber viel stärker repräsentiert als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht.

Die schlecht oder gar nicht ausgebildeten jungen Männer, die über Generationen hinweg vom Sozialamt leben, mehrere Frauen ausbeuten, keine Aussicht erarbeiten, mit legaler Arbeit für ihre Familien zu sorgen, sind in der Tat eine tickende demographische Zeitbombe für Deutschland und Europa.

Gut dass es einzelne gibt, die diese Zusammenhänge durchschauen und etwas tun!

http://www.welt.de/politik/deutschland/article106484123/Orhan-S-und-Maenner-als-tickende-Zeitbomben.html

 Posted by at 22:46