„fast alle weiber sind schlampen und asozial“

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März 232011
 

Einen guten Einblick in die Erlebniswelt der Kreuzberger Jugendlichen bietet die folgende Seite:

iShareGossip.com – Share Your Gossip

Diese Seite sollte jeder Pädagoge, jede Polizistin, jeder Imam, jede Sozialarbeiterin mindestens einmal besucht haben.

Ich habe mir einige Zeit genommen, um die Einträge zu mir bekannten Kreuzberger Schulen zu lesen. Das Ergebnis: Es herrscht ein Ton vor, den ich aus Gesprächen Kreuzberger Jugendlichen bestens kenne.

Ein großer Fehler wäre es, „dem Internet“ die Schuld an dieser Verrohung zuzuschreiben. Nein, die Jugendlichen schreiben nur das, was sie auch sagen und denken. Das Internet ist hier – wie ich meine – ein ziemlich getreuliches Abbild der Realität.

Hervorzuheben ist eine hochgradige Sexualisierung, wobei vor allem Mädchen und Frauen routinemäßig entwertet und an den Pranger gestellt werden.  „Schwuchtel, Opfer, Jude, Sau, Bitch …“ das sind die negativen Markierungen, mit denen einzelne Menschen öffentlich dem Gespött preisgegeben werden. Diese Wörter führen sicherlich die Hitliste an.

„Und wenn dich erst mal einer hat, dann hat dich bald die ganze Stadt.“ So hieß es noch in Goethes Faust, und diese Melodie kehrt wieder und wieder in den Einträgen der Klatsch-Seite.

Spannend finde ich auch die weit fortgeschrittene Sprachmischung zwischen Deutsch, Arabisch und Türkisch! Deutsch herrscht vor, aber manche Autoren legen besonderen Wert darauf zu sagen: „Du bist kein richtiger Türke, verwende keine türkischen Wörter.“

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„Bitte alle 7 Strophen noch einmal!“

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März 212011
 

u1_978-3-596-90327-6343324.jpg„Guter Mond, du gehst so stille“ – dieses Lied sang ich gestern in allen 7 Strophen für meinen kleinen Sohn, wie es einst unser eigener Vater auch sang. Nach einem anstrengenden Tag entfaltete das Singen des Liedes eine unglaublich befreiende, lindernde Wirkung. Der Sohn sagte dann: „Jetzt singe das ganze Lied noch einmal!“ Ich traute meinen Ohren nicht.

Ich schüttelte alle Sorgen ab und schlief den erquickenden Schlaf.

Das Buch „Die schönsten Volks- und Wanderlieder“ hatte ich nahezu druckfrisch von meinem Besuch der Buchmesse Leipzig mit nachhause genommen und schon im ICE leise zu singen angefangen.

Die Kinder von heute lernen diese Lieder, die teilweise über mehrere Jahrhunderte weitergegeben worden sind, nicht mehr in der Schule. Ich wiederum kenne keine Lieder, die meine Söhne in der Schule gelernt hätten. Die Lieder im Musikbuch sind mir alle unbekannt. Keines bleibt haften. Rilke stellte im Malte Laurids Brigge fest: „Dass man erzählte, das muss vor meiner Zeit gewesen sein.“ Mir scheint: „Dass man die Kinder singen lehrte, das war vor unserer Zeit.“

Ich denke: Es wäre doch schön, wenn die Kinder in Kita und Schule Lieder sängen –  nebenbei würden sie auch eine gute deutsche Aussprache erlernen. Mir fällt auf, dass die Aussprache des Deutschen sich bei Kindern und Jugendlichen in Berlin schon sehr zu wandeln beginnt. Die Kinder verschlucken immer mehr Laute, die Vokale werden immer farbloser, Quantitäten verschwimmen, oft habe ich das Gefühl, die Berliner Kinder „kriegen die Kiefer nicht mehr auseinander“. Es wird vieles verhuscht und vernuschelt, die Satzmelodie ändert sich. Tausende und abertausende Berliner Kinder verlassen die Schulen jedes Jahr mit rudimentären Deutschkenntnissen. Vielleicht eine Folge dessen, dass fast nicht mehr gesungen wird?

Die schönsten Volks- und Wanderlieder. Texte und Melodien. Herausgegeben von Günter Beck. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, März 2011, 304 Seiten, € 8.-

Fischer Klassik

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„Er freut sich wie ein Schneekönig!“

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März 162011
 

13032011428.jpg „Ich habe mich gefreut wie ein Schneekönig!“, rief ich kürzlich aus, als ich Rückschau auf einen geselligen Abend hielt.

Nicht alle kennen diese Redewendung: „Ich freue mich wie ein Schneekönig.“ Was steckt dahinter?

Antwort: der Zaunkönig, der Frühsinger! Da der Zaunkönig bereits im Januar zu singen anfängt, wenn die anderen Singvögel noch verzagt und beklommen den Schnabel halten, wird er im Volksmund auch Schneekönig genannt. Sein unermüdliches Tschilpen nehmen die Menschen als Ausdruck großer, unbändiger Freude. Von daher stammt die Redewendung: „Er freut sich wie ein Schneekönig.“

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„Hier kommen eure Njuhs.“ Das hat mich aber sehr erschrocken

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März 052011
 

28022011395.jpg Immer wieder erschrecke ich angesichts der – in meinen Augen auffälligen – Grammatik- und Rechtschreibschnitzer, die – wie mir scheint – beständig an Zahl zunehmen. Auch Karl Kraus hatte vor etwa 100 Jahren diesen Eindruck. Die Deutschen lernen nicht mehr richtig Deutsch!, dieser Seufzer entfährt mir immer wieder. Das sind zwar nur subjektive Empfindungen oder auch Empfindlichkeiten, aber sie lassen sich empirisch durch Längsschnitt-Tests erhärten. Die Vera-Deutschtests etwa zeigen dies wissenschaftlich. Die Lehrer in Berlin werden es vielleicht bestätigen.

Infas&Allensbach! Fragt bitte 1000 Deutschlehrer mit mindestens 10 Jahren Berufserfahrung: „Haben Sie das Gefühl, dass die Kinder durchschnittlich mit immer schlechteren Deutschkenntnissen in die Schule kommen?“ Die Antworten würden mich sehr interessieren!

„Hier kommen eure Njuhs: Nach neuen Untersuchungen verbringen Kinder super viel Zeit am Fernsehen: im Durchschnitt über zweieinhalb Stunden pro Tag.“ So ungefähr vorgestern die Kinder-Nachrichtensendung logo im öffentlich-rechtlichen KIKA. „Eure Njuhs„, „super viel Zeit„? Ich empfinde das nicht als gutes Deutsch. Ich finde, KIKA biedert sich oft mit allerlei Verrenkungen und schiefen Bildern sprachlich an die Kinder (die berühmten Kids) an, statt Vorbilder zu setzen.

„Da hin gehen, wo andere fliehen – das ist Mut.“ Überlebensgroß auf einem Misereor-Plakat auf unserem Schulweg – leider falsch geschrieben, sowohl nach alter wie nach neuer Rechtschreibung.

„Arbeit für Alle“, „Wohlstand für Alle“, „Wir bleiben Alle“, so etwas ist tausendfach zu lesen, selbst bei Liebig-14-Unterstützern! Spannend: Noch Hegel schrieb alle in der Erstauflage seiner Phänomenologie des Geistes von 1806  groß. Aber seit 1900 wird „alle“ klein geschrieben. Das kleingeschriebene „alle“ wurde nie ernsthaft in Frage gestellt.

Ich frage euch alle: Wieso sollen Kinder noch Rechtschreibung und Grammatik lernen, wenn sogar die Großen von Liebig 14 sich nicht daran halten?

Unser heutiges Rätsel kreist aber um den Dauerbrenner aller Deutschlehrer: Erschrocken oder erschreckt? Von Lessings und Goethes Zeiten bis zu meiner Schulzeit galt als eherner Unterschied:

Das Gespenst  erschreckt michdas hat mich erschrecktdas erschreckte mich gestern, als ich es hörte. Transitiver Gebrauch von erschrecken mit Akkusativ-Objekt – schwach gebeugt, also ohne Ablaut!

Umgekehrt der intransitive Gebrauch:

Ich erschrecke angesichts des deutschen Sprachgebrauchs unserer Medienelite.  – Ich bin erschrocken angesichts des schlechten Sprachgebrauchs. Ich erschrak gestern angesichts des Sprachgebrauchs.

Intransitiver Gebrauch von erschrecken verlangte im Hochdeutschen von den Zeiten Lessings und Goethes bis Ende des letzten Jahrtausends die starke Beugung mit Ablaut. Auch Karl Kraus sah dies so. In vielen deutschen Dialekten ist es anders, ebenso auch in vielen regionalen Varianten des Deutschen.

Ja, so war das früher!

Heute ist alles anders! Lest hier ein Interview mit einem deutschen Fernsehregisseur:

Interview: „Ich weiß nicht, was mit Merkel los ist“ – Medien – Tagesspiegel
Der türkische Premier Erdogan hat diese Woche gesagt, türkische Kinder in Deutschland bräuchten sich nicht zu assimilieren.

Das hat mich sehr erschrocken. Auch dieser fast schon enthusiastische, fehlgeleitete Applaus, den man im Fernsehen sehen konnte bei seiner Rede in Düsseldorf.

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März 032011
 

Theoder Fontane schreibt in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg:

In leichtem Trabe geht es auf der Chaussee wie auf einer Tenne hin, links Wiesen, Wasser, weidendes Vieh und schwarze Torfpyramiden, rechts die steilen, aber sich buchtenden Hügelwände, deren natürlichen Windungen die Freienwalder Straße folgt. Aber nicht viele befinden sich auf unserem Wagen, denen der Sinn für Landschaft aufgegangen; Erwachsene haben ihn selten, Kinder beinah nie, und die Besatzung unseres Wagens besteht aus lauter Kindern. Sie wenden sich denn auch immer begehrlicher dem näher liegenden Reiz des Bildes, den blauen Pflaumen, zu. In vollen Büscheln hängen sie da, eine verbotene Frucht, aber desto verlockender. »Die schönen Pflaumen«, klingt es von Zeit zu Zeit, und sooft unser Kremser den Bäumen nahe kommt, fahren etliche kleine Hände zum Wagen hinaus und suchen die nächsten Zweige zu haschen. Aber umsonst. Die Bewunderung fängt schon an in Mißstimmung umzuschlagen. Da endlich beschleicht ein menschliches Rühren das Herz des Postillons, und auf jede Gefahr, selbst auf die der Pfändung oder Anzeige, hin links einbiegend, fährt er jetzt mit dem wachsleinenen Baldachin mitten in die Zweige des nächsten Baumes hinein. Ein Meistercoup. Wie aus einem Füllhorn fällt es von Front und Seite her in den offenen Wagen; alles greift zu; der Kleinste aber, ein Blondkopf, der vorne sitzt und die Leine mit halten durfte, als führ er selber, deklamiert jetzt auf den schmunzelnden Postillon ein: »Das ist der Daum, der schüttelt die Pflaum«, und an Landhäusern und Wassermühlen, an Gärten und Fischernetzen vorüber geht es unter endloser Wiederholung des Kinderreims, in den der ganze Chorus einfällt, in das hübsche, aber holprige Freienwalde hinein.

„Das ist der Daum, der schüttelt die Pflaum …“ Fontane erzählt von einer Kutschfahrt  am Fuße des Barnims, wo er Kinder diesen Spruch aufsagen hörte. Kennen die Kinder diesen Spruch heute noch? Er fiel mir ein, als ich Kristina Scharfenberg an der Neuköllner Hermann-Sander-Grundschule Roma-Kinder unterrichten sah, und zwar heute in der Zeitung Morgenpost.

Kinder lernen Deutsch mit allen Sinnen, mit Auge, Hand und Ohr, mit Gefühlen, Bildern, Tönen und Bewegungen!

Berlin wirbt dafür, eine internationale Stadt zu sein – schwirrend von Sprachen, Kneipen, Bars und Werbetafeln. Jetzt ziehen wieder vermehrt Roma-Familien nach Berlin, beantragen politisches Asyl und erhalten früher oder später den ersehnten ständigen Aufenthaltstitel. Hunderte von Roma-Kindern ohne jede Deutschkenntnisse werden in diesem Jahr beschult. Darüber berichtet heute die Morgenpost auf S. 12.

Soll Berlin sich dessen brüsten, „international“ zu sein? Ja. Sollen die Erwachsenen und deren Kinder das Gefühl haben, es komme gar nicht darauf an, Deutsch zu lernen, da Berlin ohnehin international sei? Nein!

Das können wir uns nicht wünschen.  Zwar kann man durchaus als Familie über Generationen hinweg in Berlin ohne Deutsch- und ohne jede Berufskenntnisse prima leben. Aber man versündigt sich dadurch an den Lebenschancen der Kinder. Außerdem kann der Staat das spätestens ab der dritten Generation kaum mehr bezahlen.

Die Kinder brauchen nicht das Gefühl, in einer „internationalen“ Stadt zu sein. Sie brauchen – so meine ich – das Gefühl, dass sie hier ohne gute, ohne sehr gute Deutschkenntnisse nicht weit kommen werden.

Im Moment beobachte ich ganz im Gegenteil eine sehr starke Verfestigung von klaren Volksgruppen, von festumrissenen nationalen Minderheiten! Wir werden zunehmend zum Vielvölkerstaat wie etwa Österreich-Ungarn bis 1918, die Tschechoslowakei bis 1991, die Russische Föderation heute – mit all den enttäuschten Segnungen und Verheißungen, die diese multinationalen Gebilde mit sich trugen oder tragen.

Der entscheidende Hebel für die Verwandlung des Nationalstaates in einen Nationalitätenstaat Deutschland à la Österreich-Ungarn ist – unser hochgelobtes, heißbegehrtes deutsches Sozialsystem, verbunden mit dem mangelnden Druck, die Landessprache Deutsch zu erlernen. Wozu sollte man Deutsch lernen, wenn Berlin erklärtermaßen so international ist und man ohne Deutschkenntnisse wunderbar über die Runden kommt?

Die Türken wurden ja vor wenigen Tagen wieder einmal leidenschaftlich durch ihren Präsidenten bestärkt, vor allem Türken zu sein. Sie sollen eine willige Enklave des ewigen Türkentums im Ausland bilden. Die Roma sollen also vor allem Roma sein, die Russen vor allem Russen. Es wird schon! Keine Bange. Wir werden immer internationaler! Die Pflaumen hängen zum Greifen nahe vor aller Augen.

Diese bleiche, werblich angepriesene Internationalität hat zur Beliebigkeit geführt, zu  schwersten sprachlichen Defiziten bei Zehntausenden von Kindern und Jugendlichen dieser Stadt, zu unabsehbaren psychischen und sozialen Folgekosten, zum kulturellen Nirwana.

Es wäre gut, wenn alle Kinder bereits recht früh mindestens einfache Kinderreime oder Kinderlieder deutscher Sprache wie etwa „Das ist der Daumen …“ lernten. Das geschieht viel zu wenig nach meinen Beobachtungen. Das Ergebnis ist dann ein fast unverständliches Deutsch – und für Zehntausende die Aussicht, niemals einen bezahlten Beruf erreichen zu können.

mobil.morgenpost.de

Quellen:

Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Zweiter Teil. Das Oderland. Barnim-Lebus. Freienwalde. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1997, hier: S. 50-51

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Feb. 232011
 

„Allzu deutlich wurde, dass kein Lager ein Rezept gegen die Langzeitarbeitslosigkeit, Deutschlands größtem Sozialproblem, im Angebot hat.“

So steht es heute in der WELT auf S. 3. Ist dies richtig gutes Deutsch? Überlege selbst!

Ich stimme der WELT darin zu, dass kein Lager ein Rezept gegen die Langzeitarbeitslosigkeit, Deutschlands größtes Sozialproblem, im Angebot hat.

Wichtig scheint mir, von Anfang an bei den jungen Menschen eine klare Erwartung zu formulieren und durchzusetzen: „Wir erwarten, dass du alle Anstrengungen unternimmst, um nach Ende der Ausbildung für deinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Du kannst es schaffen, und wir vertrauen dir, dass du es schaffst.“

Die Eltern, die Schule, die Gesellschaft müssen also die bisherige Litanei der „Unterstützung“, der „Dekompensation von Benachteiligungen“ durch eine Ermunterung und Ermutigung zur Freiheit ersetzen.

 Posted by at 11:22
Feb. 142011
 

Kleiner Nachtrag: Der Stimmzettel des gestrigen Volksentscheides enthielt tatsächlich 2 offenkundige Rechtschreibfehler.  Allerdings wäre die Schreibung „offen legen“ von 1991-2006 möglich gewesen. Lächerlich, dass man sich noch in der Wahlkabine Gedanken über die deutsche Rechtschreib-Reformunfähigkeit machen musste! Wie viele der Nein-Stimmen sind wohl durch die Rechtschreibfehler verursacht worden, etwa im Sinne: „Die können ja nicht mal richtig Deutsch schreiben!“? Ich glaube: keine. Denn mittlerweile kennt sich niemand mehr so recht mit der deutschen Rechtschreibung aus.

Was tut’s. Der Volksentscheid ist ein Erfolg. Darin drückt sich vor allem ein gewaltiges Misstrauen des Volkes gegenüber den Berliner Landesregierungen, einschließlich des amtierenden rot-roten Senats aus. Für ihn, aber nicht nur für ihn, ist es eine Klatsche. Ich werte es als eine Klatsche für die Berliner Landesregierungen der vergangenen Jahrzehnte.

Mal sehen, was jetzt alles zutage kommt! Der Blogger ist gespannt. Die taz hat schon mal mitten in der Nacht vorgelegt, als sie enthüllte, dass der Senator Harald Wolf sich für weit höhere Wasserpreise ausgesprochen hatte. Sebastian Heiser berichtete nämlich in der Online-Ausgabe der tageszeitung, der Linken-Politiker habe weit höhere Wasserpreise durchsetzen wollen als schließlich vereinbart worden seien.

Na, wenn die Grünen einen hohen Benzinpreis wollen, dann dürfen die Linken aber auch einen hohen Wasserpreis fordern. Nur sagen sollte man es.

Aus ökologischer Sicht ist Wasser immer noch wahnsinnig billig. 1000 Liter allerbestes Trinkwasser für unter 20 Euro! Davon können die Araber und Sudanesen nur träumen!

Mir fällt dazu einer meiner Lieblingsreporter ein, nämlich Herodot. Er schrieb: „Was ihnen zu tun verboten ist, dürfen sie auch nicht aussprechen. Das Entehrendste ist bei ihnen das Lügen. An zweiter Stelle steht das Schuldenmachen, dies aus vielen Gründen, namentlich aber, weil ihrer Meinung nach ein Schuldner notwendig in die Lage kommt zu lügen.“ Historien I, 138.

korrekturen.de | Wortliste: offenlegen / offen legen

Herodot: Historien. Deutsche Gesamtausgabe. Alfred Kröner Verlag, 4. Auflage, Stuttgart 1971, S. 69

 Posted by at 11:13
Feb. 132011
 

Dieser Kreuzberger Blogger hat soeben abgestimmt!  Genauestens las er sich die Fragestellung noch einmal durch. Und wieder einmal gewahrte er, ein wie schwierig Ding die deutsche Rechtschreibung doch ist. Entscheidet selbst – geht bei den Wasserverträgen alles mit rechten Dingen zu?

Berliner Wassertisch
Alle bestehenden und künftigen Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe sind mit Ausnahme personenspezifischer Daten vorbehaltlos offen zu legen. Sie bedürfen einer eingehenden öffentlichen Prüfung und Aussprache unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen und der Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin.

Sie sind unwirksam, wenn sie nicht im Sinne dieses Gesetzes abgeschlossen und
offen gelegt werden
.

Die Abstimmungsfrage lautet:
Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu? (Ja/Nein)

Die Abstimmungsfrage lautet: Halten Sie diese Schreibungen offen zu legen und offen gelegt für richtig?

Ich meine: Nein, sie sind nicht richtig. Nach § 34 (2.2)  der amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung muss das Partizip offengelegt und der Infinitiv offenlegen oder offenzulegen zusammengeschrieben werden. Es handelt sich nämlich um eine Zusammensetzung von Verb und Adjektiv, bei der der adjektivische Bestandteil eine neue, idiomatisierte Bedeutung bildet. Das amtliche Wörterverzeichnis führt demgemäß offenlegen als zusammenzuschreibendes Verb an.

Vergleichen wir folgende Schreibungen:

a) Die Wasserrohre können je nach Beschaffenheit des Untergrundes in Einhausung oder offen gelegt werden.

b) Die Wasserrohre können je nach Beschaffenheit des Untergrundes offengelegt werden, wenn Zweifel an ihrer Dichtheit bestehen.

c) Die Wasserrohre können je nach Beschaffenheit des Untergrundes offen gelegt werden, wenn Zweifel an ihrer Dichtheit bestehen.

a), b), und c) sind richtig geschrieben, denn dies ist ein resultatives Prädikativ; es kann zusammen oder getrennt geschrieben werden.

d) Die Wasserverträge müssen je nach Ausgang der Abstimmung offengelegt werden.

e) Allerdings sind sie im Haupttext bereits offengelegt.

f) Der Vertrag liegt aufgeblättert sichtbar auf dem Schreibtisch. Er ist also offen gelegt.

Der neueste Duden, 25. Aufl., 2009, schreibt ebenfalls offenlegen vor, während Wahrig Wörterbuch der deutschen Rechtschreibung von 2005 sowohl Zusammen- als auch Getrenntschreibung zuließ.

Gestimmt habe ich heute übrigens mit Nein.

Da die Wasserverträge bereits offengelegt sind, brauchen sie nicht noch einmal offengelegt zu werden. So scheint es mir richtig. Fragen?

 Posted by at 18:49
Feb. 052011
 

Durch ein bedauerliches Versehen veröffentlichte dieses Blog vor zwei Tagen eine irrige Fassung eines Abschnittes des Qualtinger-Liedes „Der Halbwilde“.

Höchst vorsorglich stellen wir fest, dass der Ausdruck „Der Halbwilde“ nicht als rassistisch oder diskriminierend gegenüber den Motarradfahrerinnen und Motorradfahrern  zu verstehen ist. Ebenso wenig vertreten wir – höchst vorsorglich – die Ansicht, dass Fahrradfahrerinnen beiderlei Geschlechts die besseren Menschen gegenüber den Motorradfahrern beiderlei Geschlechts seien.

Eine genaue Nachprüfung auf You toube ergab, dass der richtige Wortlaut des Liedes „Der Halbwilde“ der folgende ist:

I hab zwar kei ahnung wo i hinfahr
aber dafür bin i gschwinder durt

YouTube – Helmut Qualtinger – Der Halbwilde

 Posted by at 16:29

Wir bleiben Alle! Arbeit für Alle! Ist das richtig?

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Jan. 292011
 

Merkwürdig – kaum jemand scheint noch mit der deutschen rechtschreibung bescheid zu wissen! Das ist das ergebnis der heillosen reformversuche der letzten jahrzehnte, die insgesamt eine zersetzende wirkung auf das regelbewusstsein ausgeübt haben und weiter ausüben.

„Wir bleiben Alle!“ Sollen sie doch. Aber seit vielen jahrzehnten, und zwar spätestens seit der ortografischen neuregelung des jahres 1901, schreibt man alle stets klein. Hier ein beliebiger Beleg – wir zitieren aus der versammlung einiger frührentner aus Fredrikshain-Kreuzberg, die es ablehnen, die angebotenen ersatz-ruhesitze in einem außenbezirk zu besiedeln.

„Junge bäume versetzt man nicht“, sagen die jungrentner. Störrische junge!

Wir bleiben Alle! « Wir bleiben Alle!

 Posted by at 09:26
Jan. 272011
 

Merkwürdig: genau derselbe Mann, der sich 1946 in Köln zu Gefühlen tiefster Scham bekannte, spricht wenige Sätze weiter davon, jetzt wieder stolz zu sein:

„Aber jetzt, jetzt bin ich wieder stolz darauf, ein Deutscher zu sein. Ich bin so stolz darauf, wie ich es nie zuvor, auch nicht vor 1933 und nicht vor 1914 gewesen bin. Ich bin stolz auf den Starkmut, mit dem das deutsche Volk sein Schicksal erträgt, stolz darauf, wie jeder einzelne duldet und nicht verzweifelt, wie er versucht, nicht unterzugehen, sich und die Seinigen aus diesem Elend hinüberzuretten in eine bessere Zukunft.“

Die Scham des Mannes in Köln bezog sich auf das Vergangene. Scham befällt den Menschen angesichts des Bösen, dessen Zeuge er wird, angesichts des Bösen, das er nicht verhindern kann oder des Bösen, das er selbst getan hat.

Stolz ist demgegenüber das Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten. Stolz kann sich aus der Erinnerung an das Gute nähren, das auch gewesen ist. Stolz in diesem guten Sinne kann eine enorm beflügelnde, zum Guten anstiftende Macht sein.  Stolz im guten Sinne kann sich aus Scham speisen, kann Zeichen der Einsicht in Verfehlungen, kann Zeichen der Umkehr sein. Bewusstsein des Guten, das in der Geschichte auch gewesen ist, halte ich für unverzichtbar. Wenn man die eigene Vorgeschichte nur unter dem Vorzeichen des Bösen sieht, wird man keine Kraft zur Bewältigung der Zukunft haben.

Die Vorfahren der heutigen US-Amerikaner haben Millionen Menschen der ersten Nationen vertrieben, bekämpft, umgebracht. Im Deutschen nennen wir diese Millionen Vertriebenen, Bekämpften, Umgebrachten, diese Menschen der ersten Nationen weiterhin Indianer.

Kein US-Amerikaner, der bei Sinnen ist, leugnet das Böse, das geschehen ist, leugnet das blutige Morden. Aber das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika als ganzes ist nicht verstrickt und befangen in diesen Gefühlen der Scham ob all des Unrechts, das den Indianern, den Sklaven, den Schwarzen angetan worden ist. Die USA haben sich ihre Zuversicht, ihren Willen die Zukunft zu gestalten, bewahrt. Deshalb sind sie so erfolgreich.

Die allermeisten US-Amerikaner sind stolz darauf,  Amerikaner zu sein. Ich habe dies immer wieder verspürt bei meinen Reisen. Dieser Nationalstolz ist weit entfernt davon, die Schrecken der Vergangenheit zu leugnen. Er bezieht seine Kraft aus dem Zutrauen in die eigene Gestaltungsmacht. Dieser Stolz ist nichts anderes als das Bekenntnis zur eigenen Verantwortung – in exakt dem Sinne, den Konrad Adenauer 1946 ausdrückte.

Der Präsident der USA hat es gestern im Rückblick auf seine Ansprache zur Lage der Nation unvergleichlich knapp und treffend so ausgedrückt:

„Tonight I addressed the American people on the future we face together. Though at times it may seem uncertain, it is a future that is ours to decide, ours to define, and ours to win.
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Was ist richtiges Deutsch? Zur Frage der Kasus-Kongruenz bei Appositionen

 Deutschstunde, Leitkulturen  Kommentare deaktiviert für Was ist richtiges Deutsch? Zur Frage der Kasus-Kongruenz bei Appositionen
Jan. 262011
 

Meldung 1:

Rückzug von einer allzu engen Bühne – Nachrichten Print – WELT AM SONNTAG – Politik – WELT ONLINE
Laut “Leipziger Volkszeitung” kritisierte Rentsch Müller schriftlich dafür, “das öffentliche Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht als selbstständiges Verfassungsorgan in erheblichem Maße zu beschädigen”.

Meldung 2 aus der Süddeutschen Zeitung, Seite 1:

Darin heißt es, die “große Akzeptanz” des Bundesverfassungsgerichts entspringe auch der Tatsache, dass die Richter dort “grundsätzlich nicht aus der ersten Reihe der aktiven Politik stammen”. Werde diese Praxis nun geändert, könne dies dazu führen, das öffentliche Vertrauen in das Karlsruher Gericht “als selbstständigem Verfassungsgericht erheblich zu beschädigen”.

Meldung 1 verwendet den Akkusativ, Meldung 2 den Dativ. Was ist richtig?

Antwort: Meldung 1 ist grammatisch richtig, Meldung 2 ist grammatisch falsch. Warum? Als selbständiges Verfassungsgericht ist Apposition, eine  erläuternde Beifügung, die sich im Kasus in aller Regel nach dem Bezugswort richten muss. Die Nominalgruppe Vertrauen in das Karlsruher Gericht verwendet den Akkusativ, folglich muss auch die Apposition „als selbständiges Verfassungsgericht“ im Akkusativ stehen.

Auffällig bleibt gleichwohl, dass viele Sprechende und Schreibende bei Appositionen oft den Dativ statt eines anderen Kasus verwenden. Sie weichen auf den Dativ aus, obwohl Genitiv oder Akkusativ grammatisch richtig wären. Hierfür ein weiteres beliebiges Beispiel aus der jüngsten Lektüre. Über die Stadt Domažlice (dt. Taus) lasen wir am Sonntag in einem Buch über die Geschichte Tschechiens:

„Das im 13. Jahrhundert gegründete Domažlice an der Straße von Prag nach Regensburg war einst die westlichste Stadt im Königreich Böhmen. Jahrhundertelang war es zudem das Zentrum der Choden, einem slawischen Volksstamm mit eigener Mundart und eigenen Bräuchen.“

Was sagen die Schulmeister zu dem Phänomen? Die in meiner Handbibliothek befindliche sechste Auflage der Duden-Grammatik äußert sich so: „Nicht selten wird die Apposition – vor allem nach Präpositionalgruppen – fälschlich in den Dativ gesetzt, obwohl das Bezugswort in einem anderen Kasus steht.“ Die neueste Duden-Grammatik (8. Auflage), welche ich bei einem kurzen Besuch der Buchhandlung am Potsdamer Platz zu Rate zog, hält sich etwas vornehmer zurück. Sie nennt diese ausweichende Dativ-Verwendung bei Appositionen nicht mehr falsch, sondern ungrammatisch.

Ich persönlich bin – wie so oft – ein Anhänger der alten Schule. Ich halte die genannten Beispiele des Ausweichens in der Süddeutschen Zeitung und dem Buch über Tschechien für „grammatisch falsch“ und meine, es wäre für uns alle besser, die Apposition hier im Kasus an das Bezugswort anzugleichen.

Ich vertrete die Auffassung, dass nur folgende Fassungen richtig sind:

 „Jahrhundertelang war es zudem das Zentrum der Choden, eines slawischen Volksstamms mit eigener Mundart und eigenen Bräuchen.“

„Das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht als selbständiges Gericht wird beschädigt.“

Aber der Mensch ist frei, wie gerade das Bundesverfassungsgericht immer wieder bekräftigt hat. Keiner kann gezwungen werden, richtiges Deutsch zu schreiben!

Ob sie nun von den Choden, den Schlesiern, den Kurden, den Tscherkessen oder den Sueben abstammen: Der Blogger setzt volles Vertrauen in die deutsche Sprache als kraftvoll sich weiterentwickelndes Leitmedium der Verständigung zwischen allen in Deutschland lebenden Menschen gleich welchen ethnischen Hintergrundes.

Belege:

DUDEN. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. 6. Auflage, Dudenverlag Mannheim, 1998, S. 744

Markus Mauritz: Tschechien. Verlag Friedrich Pustet Regensburg, Südosteuropa-Gesellschaft München 2002, S. 249

 Posted by at 19:24

Fragen mit gelben Haaren, Lederkutte und mit Dativ

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Jan. 242011
 

16082010011.jpg „Doktor, ich muss dir was fragen!“ Eine typische Frage, so berichtet es Jeannette Klemmt, die Tierärztin, die sich in Friedrichshain um die Hunde von Wohnungslosen kümmert. Löblich – ein Herz für Tiere UND Menschen! Und genauso gut finde ich, dass Jeannette Klemmt sich Verdienste um gepflegte deutsche Sprache erwirbt, wie der tip  am 28.12.2010 berichtet:

 Als ein junger Hundehalter mit gelben Haaren und Lederkutte ungelenk zu einer Frage ansetzt, unterbricht ihn die Ärztin: „Ich will DICH etwas fragen, nicht DIR. AKKUSATIV!“

Warum Akkusativ?  Nun, die deutschen Verben (etwa fragen, unterbrechen, antworten) fordern bestimmte Satzbaupläne, fragen beispielsweise verlangt oder „regiert“ den Akkusativ, antworten verlangt den Dativ. Beispiele:

Der junge Hundehalter mit gelben Haaren und Lederkutte fragt die Ärztin.
Die Ärztin fragt den jungen Hundehalter mit gelben Haaren und Lederkutte. AKKUSATIV!

ABER:
Der junge Hundehalter mit gelben Haaren und Lederkutte antwortet der Ärztin.
Die Ärztin antwortet dem jungen Hundehalter mit gelben Haaren und Lederkutte.
DATIV!

Alles ganz einfach, oder?

Hier kommt aber eine schwere Nuss für alle Freunde der deutschen Grammatik. Erneut geht es um das haarige Problem: Dativ oder Akkusativ?

Frage: Sind die folgenden beiden Pressemeldungen in richtigem, in gutem Deutsch abgefasst? Sie unterscheiden sich im Gebrauch von Akkusativ und Dativ! Welche Zeitung schreibt besseres Deutsch?

Meldung 1 aus der heutigen WELT:

Rückzug von einer allzu engen Bühne – Nachrichten Print – WELT AM SONNTAG – Politik – WELT ONLINE
Laut „Leipziger Volkszeitung“ kritisierte Rentsch Müller schriftlich dafür, „das öffentliche Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht als selbstständiges Verfassungsorgan in erheblichem Maße zu beschädigen“.

Meldung 2 aus der heutigen Süddeutschen Zeitung, Seite 1:

Darin heißt es, die „große Akzeptanz“ des Bundesverfassungsgerichts entspringe auch der Tatsache, dass die Richter dort „grundsätzlich nicht aus der ersten Reihe der aktiven Politik stammen“. Werde diese Praxis nun geändert, könne dies dazu führen, das öffentliche Vertrauen in das Karlsruher Gericht „als selbstständigem Verfassungsgericht erheblich zu beschädigen“.

Meldung 1 verwendet den Akkusativ, Meldung 2 den Dativ. Was ist richtig? Beide? Keine? Die WELT? Die Süddeutsche Zeitung?

Auflösung des grammatischen Rätsels folgt übermorgen in diesem Blog!

 Posted by at 13:29