Ich fordere Sicherheit, Recht und Ordnung auf Berlins Straßen!

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Okt. 092008
 

04102008002.jpg Ich sah gestern abend den rbb-Abendschau-Bericht über den Angriff eines Radfahrers auf den Busfahrer in der Friedrichstraße.

Gedächtnisprotokoll (sinngemäß):
„Fast jeden Tag kommt es zu Angriffen auf einen BVG-Busfahrer … allein in diesem Jahr sind BVG-Busfahrer schon über hundert Mal angegriffen worden. So auch heute wieder: ein Radfahrer schlug einen Busfahrer mit der Faust auf die Schulter.“

Das war wirklich mathematisch verzerrt – denn wir haben schon über 270 Tage in diesem Jahr gehabt. Kein Wort darüber, dass der Busfahrer den Radfahrer zuvor, mindestens nach Angaben des Radfahrers, gefährlich geschnitten hatte – wie man der Presse entnehmen konnte! Die Kurzschlusshandlung des Radfahrers wurde also mit den in der Tat schrecklichen Pöbeleien und grundlosen Angriffen von Fahrgästen auf Busfahrer gleichgesetzt.

Ich meine: Der Radfahrer hatte keinerlei Berechtigung, den Busfahrer anzugreifen oder auch nur zur Rede zu stellen. Er hat etwas Verwerfliches gemacht, als er den Busfahrer bedrohte. Aber dass es soweit gekommen ist, ist sehr bedauerlich. Leider erlebe ich als passionierter Radfahrer täglich Schimpfereien, Pöbeleien und gehäufte Verstöße gegen die Verkehrsregeln bei meinen lieben Mitradlern (und auch bei so manchem Autofahrer).

Mir selbst ist gestern allerdings etwas Ähnliches passiert: Ich fuhr auf dem Tandem vorschriftsmäßig mit meinem sechsjährigen Sohn um ca. 19.20 Uhr die Wiener Straße Richtung Skalitzer Straße in mäßiger Geschwindigkeit auf dem Radweg entlang. Unser Tandem war vorschriftsmäßig beleuchtet. Neben uns fuhr ein Taxi. Es hatte den Blinker nach rechts gesetzt, um dann in die Lausitzer Straße einzubiegen. Die typische Situation, bei der es oft zu Unfällen kommt. Da ich aber gut sichtbar fuhr, glaubte ich, es reiche aus, wenn ich noch einmal laut und kräftig klingelte. Das tat ich also. Ich läutete hell, laut und deutlich, um den Taxifahrer auf uns aufmerksam zu machen. Wir hatten Vorfahrt. Der Taxifahrer bog ab, ohne sein Tempo zu verringern, genau in meine Fahrstrecke hinein – und zwang mich zu einer Vollbremsung! Gerade noch schaffte ich es, nicht von dem Taxi überfahren zu werden, da ich mit aller Kraft bremste. Wir sind nicht überfahren worden. Beweis: Ich erfülle weiter meine Dienstpflicht als Blog-Verfasser.

Ich schrie: „Ja, könnt ihr denn nicht aufpassen, ihr ….!“Der Taxifahrer hat mich sicher nicht gehört und nicht gesehen. Wahrscheinlich telefonierte er gerade mit seinem Handy. Oder er war bekifft. Oder er war betrunken. Oder er hörte die neue CD von Boyzone mit voller Dröhnung. Egal. Gut, dass wir überlebt haben. Das ist mir eine weitere Warnung. Ich werde ab sofort keinem, keinem Rechtsabbieger mehr trauen.

Und zwei Zeugen habe ich auch: Das waren zwei Feuerwehrleute, die gerade wartend vor der Feuerwache standen. Sie haben alles genau gesehen und gehört. Und sie riefen mir laut zu: „Wie die Behinderten, so fahren die … !“

Einspruch, liebe Feuerwehr! Ich finde es eine diskriminierende Bemerkung über die Behinderten.

Ich würde sagen: „Wie die anderen Autofahrer, so fahren diese Taxifahrer. Traue keinem Rechtsabbieger! Du wirst es noch mal bereuen!“

Wie können wir rasch und effizient auf derartige Vorfälle reagieren?

Zunächst mein erneuter Appell: Lasst uns tätig werden. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, dass das Klima auf Berlins Straßen zwischen Radfahrenden und Kraftfahrern besser, entspannter, freundlicher wird. Es ist möglich!

Polizei, ADFC und ADAC müssen endlich an einem Strang ziehen. Und die Feuerwehr auch. Und der VCD auch. Und die Unfallchirurgen auch … Und die Presse auch … und … und … auch.

Sicherer Straßenverkehr gelingt gemeinsam!

Unser heutiges Foto zeigt den Verfasser dieses Blogs mit seinem zweiten Sohn beim Nachdenken über die großen Rätsel dieser Welt. Still, sicher, im Recht, in Ordnung, der Welt enthoben. Auf Augenhöhe mit allen Busfahrern dieser Welt. Ort: Berlin-Tiergarten

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Okt. 022008
 

„Was ziehe ich bloß an?“ – kopfschüttelnd nehme ich solche Fragen schon ein Leben lang zur Kenntnis, wenn ich mich mit Gefährtinnen zu irgendeinem Theaterbesuch auf den Weg mache. „Mach dir keinen Kopf – zieh das an, was du gerade trägst!“, erwidere ich meist.  Wir Herren haben es da einfach leichter. Jeans und Pullover – oder Anzug mit Krawatte. Fertig, die Sache ist klar.

Wirklich? Nein! Helft mir! Ich leide furchtbar! Mein Rie-sen-pro-blem ist: Ich bewege mich ständig in verschiedenen Lagern – gehöre also weder eindeutig dem bürgerlichen noch dem linksalternativen Block an. Außerdem bin ich migrantisch belastet, da meine Familie nicht rein deutsch ist. Schlimm! Ich bin folglich Angehöriger verschiedenster Stammesgesellschaften, die hier im Berliner Leben schiedlich-friedlich nebeneinander her leben und sich misstrauisch belauern, zum Glück ohne sich die Schädel einzuschlagen.  Das bedeutet unter anderem, dass ich mich bis zu vier Mal pro Tag umziehen muss, wenn ich verschiedene Termine beruflicher, privater, politischer, sportlicher, gesellschaftlicher oder künstlerischer Art wahrnehmen muss. Denn ich versuche stets, mich dem Anlass und dem Ort entsprechend zu kleiden und nicht unangenehm aufzufallen. Meist geht es gut, manchmal geht es ins Auge. So geschah es mir beispielsweise, als ich am 1. Dezember 2007 durchnässt und verspätet in einen Kreisparteitag der CDU stolperte, mit Jeans und Pullover bekleidet. Obendrein schleppte ich als einziger Mappi ein Kleinkind an. Und dann wollte ich auch noch einige Änderungsanträge durch die Abstimmungen bringen! Mit solchen Klamotten! Vor einem Publikum, das vorwiegend – soweit männlichen Geschlechts – in der „Uniform der Gesittung“, als welchen Thomas Mann den Anzug mit Krawatte bezeichnet, angetreten war! So geht es nicht! Nur 11 meiner 17 Anträge wurden angenommen, die anderen fielen durch. Zum Beispiel einer zur konsequenten Stärkung des Fahrradverkehrs.

Ironie der Geschichte: Genau auf den Tag ein Jahr später, am 1. Dezember 2008, wird die Bundes-CDU auf dem Bundesparteitag einen Antrag des Bundespräsidiums zum Thema „Bewahrung der Schöpfung“ beraten. Und eine der wichtigen Aussagen darin wird genau das verlangen, womit ich am 01.12.2007 so kläglich-grandios gescheitert war: die konsequente Stärkung des Fahrradverkehrs. Ich bin schon gespannt! Bitte, Präsidiumsmitglieder: Nicht in Jeans und Pullover den Antrag vertreten! Kleidet euch stammesgemäß! Tragt die Uniform der Gesittung!

Gestern war wieder so ein Tag, der mich ins Schwitzen brachte. Mittags musste ich zur Kostümprobe für einen historischen Film, bei dem ich in einer Nebenrolle gebraucht werde. Gefragt war staatsmännische Kleidung vom Ende der 80er Jahre. Die hatte ich – außer einem passenden Gürtel, einer passenden Krawatte im Stil der 80er. Aber meine Hugo-Boss-Schuhe aus dem Jahre 2006 sind zeitlos. Abgehakt, Klamotten ok.

Abends dann – hoch in den dritten Stock der Deutschen Bank. Adresse: Unter den Linden. Eine gute Gesellschaft hat sich versammelt. Thema der Konversation: Berlins CDU – Krise und Neubeginn in einer dysfunktionalen Organisation. Man steht in lockeren Gesprächen um weißgedeckte Tische herum, die Stimmung ist gut. Ich schüttle viele Hände, stelle mich artig bei Leuten vor, die ich bisher nur aus der Zeitung kannte. Ich verteile zwei Exemplare der Radzeit. Und sogar eine Mutter mit Kleinkind ist erschienen. Großartig, die weiß, wie ich mich damals gefühlt habe! Gleich als dritter Debattenredner ergreife ich das Mikrophon und sage: „Eine solche dysfunktionale Organisation muss sich als beständig lernende, im beständigen Wandel zeigen. Dabei sind gute Prozesse wichtiger als konkrete Resultate, als vorschnelle Festlegung auf konkrete Persönlichkeiten. Diese Organisation darf kein geschlossenes System sein. Sie muss sich nach außen öffnen. Sie muss klar nach außen das Signal senden: Wir hören zu, wir stehen mitten in der Öffentlichkeit.“ So – oder so ähnlich – rede ich. Na immerhin, das Mikrophon reicht man mir danach wieder. Deswegen heißt es ja: „Das Wort ergreifen“ – es müsste eher heißen: „Das Mikrophon ergreifen.“ Wer das Mikrophon hat, hat die Macht. Das gilt in jeder Veranstaltung.

So weit, so gut. Alles erledigt, im dunklen Anzug mit Krawatte. Aber es gab auch Abweichler – Männer, die sich dem Dresskode entzogen, mit Jeans und offenem Hemd erschienen waren. Auch gut so!

Dann weiter zur ADFC-Vorstandssitzung. Und hier ist man mit dunklem Anzug einfach deplatziert. Sollte man meinen. Die Herren tragen Pullover, Jeans und Schuhe, die erkennbar nicht von Hugo Boss sind. Die Damen – sind sportlich-elegant gekleidet. Was kann ich da machen? Nichts – ich nehme nur die Krawatte ab. Und dann gibt es lange anregende Gespräche. Über wichtige Sachthemen wird gesprochen, manchmal streitig, manchmal im Konsens. Über Sicherheit im Straßenverkehr, über andere Themen. So muss es sein! Es ist Zeichen einer guten Organisation, dass Meinungsverschiedenheiten offen und freundschaftlich ausgetragen werden. Alle Gremiensitzungen des ADFC sind öffentlich, es sei denn, es geht um Personalien oder einige wenige vertrauliche Themen. Gut so!

Alle politischen Parteien könnten sich ein Beispiel am ADFC nehmen. Es ist eine gesunde Organisation. Ruhm und Macht kann man dort nicht erlangen. Aber wenn man dort mitarbeitet, hat man das Gefühl: Die tun was! Und dabei kriegen sie nicht einmal Geld. Die kennen sich aus. Denen geht es um die Sache. Ich selber bin übrigens erst seit Dezember 2007 beim ADFC dabei. Wär ich doch mal früher eingetreten!

So beschließe ich denn den Tag in dem Gefühl, beim ADFC an der richtigen Stelle zu sein. Egal ob in Anzug oder Jeans. Die akzeptieren mich so wie ich bin. Und deswegen fühle ich mich bei denen wohl. Ich schwinge mich frohgemut auf das Rad und fahre zurück vom Wedding nachhause. In mein heimatliches Stammesgebiet, in das nette Dorf Kreuzberg.

Dann lese ich noch mal die Lokalzeitungen mit den neuesten Rauchsignalen verschiedener Stämme. Hier eines dieser zahlosen widersprüchlichen Trommelsignale über einen anstehenden Machtwechsel in einer Stammesorganisation. Da wird ein neuer Häuptling gesucht. Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger, ihr alle, die ihr die Straße liebt und auf ihr lebt! Meldet euch auf folgende Stellenausschreibung:

taz.de – Kommentar: Wechsel an der Berliner CDU-Spitze: Wenig Hoffnung auf Veränderung

All das fehlt der Berliner Union. Hier gibt es eben keinen charismatischen unverbrauchten Hoffnungsträger auf Abruf. Es gibt keinen Seehofer, der schon vor einem Jahr an die Spitze wollte und bis jetzt nur darauf wartete, dass die anderen es nicht packen. Es gibt bis jetzt keinen, der nicht nur krittelt, sondern nach der Macht greift, wenn sie wie jetzt auf der Straße liegt.

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Sep. 222008
 

Schon zwei Wochen lang besuchen wir nun die Grundschule am Brandenburger Tor – eine staatliche Europaschule, mit den beiden Unterrichtssprachen Deutsch und Russisch. Was für ein Stolz! Jeden Tag die Auseinandersetzung: „Wer darf ihn bringen? Wer darf ihn holen?“  Ich genieße es, die Klassenzimmerluft zu schnuppern. Kinder zu haben, bedeutet für mich, dass ich Tag um Tag wieder eintauchen kann in das beglückende Gefühl, wieder von vorne anzufangen.

Unser Weg führt durch die Wilhelmstraße – vorbei am Finanzministerium. Im Stadtbezirk Mitte nutzen wir den vorbildlich ausgebauten Radstreifen. Im Stadtteil Kreuzberg hingegen ist es ein arger Kampf um jeden Zentimeter. Die Wilhelmstraße ist hier noch nicht für den Fahrradverkehr hergerichtet. Hier gibt es nur eins: Kind auf den Bürgersteig, Vater zwängt sich auf der einen Fahrspur neben parkenden Autos an der SPD-Zentrale vorbei. Die hinter mir blockierten Autos nehmen meist Rücksicht, nur selten zwängt mich ein überholender PKW direkt an die parkenden Autos ran. Aber es bleibt eine häufig unübersichtliche Lage. Oft nehmen wir auch das Tandem. Am ersten Tag kam ein Papi gleich mit dem BMW Z3 mitten auf das Schulgelände gefahren. Man zeigt, was man hat! So sind wir Männer. Da möchte ich nicht nachstehen. Auch ich habe einen auffallenden Zweisitzer – eben das herrliche stählerne Raleigh-Tandem aus dem Vereinigten Königreich. Es ist nur etwa 30 Jahre alt. Kein Alter für einen Oldtimer!

Unser Bild zeigt einen Eindruck vom ersten Schultag, mit Burattino, der russischen Variante des Pinocchio.

Übrigens: In der neuen Radzeit, Nr. 3/2008, erzählt Jörg Asmussen, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, warum er sehr gerne mit dem Rad zu seinem Dienstort fährt. Auch hohe Bundesbeamte, Minister, Abteilungsleiter können in Berlin Rad fahren. Und sie tun es, denn Berlin ist Fahrradstadt. Ich fahre oft morgens auf der Wilhelmstraße am Bundesfinanzministerium vorbei und besorge mir dann bei meinem neuen russischen Zeitungshändler an der Ecke des Ministeriums druckfrische Ware, plaudere auch ein paar Worte und kriege meist noch ein Bonbon mit nachhause. So fängt der Tag gut an! Meine innige Freude!

Das Heft kann ich nur wärmstens empfehlen – es weist Wege in ein besseres Miteinander, mehr Sicherheit, ein besseres, gesünderes Stadtklima auf. Sarah Stark, die ADFC-Landesvorsitzende, unterzieht den letzten Verkehrssicherheitsbericht des Senats einer eingehenden Würdigung. Und Sybil Henning-Wagener berichtet amüsant und auf den Punkt gebracht über das „Gehzeug“ des Wiener Verkehrswissenschaftlers Knoflacher. Sehr unterhaltsam zu lesen. Neugierig geworden?

Hier könnt ihr die Radzeit 03/2008 downloaden:

radzeit-3-2008-72dpi.pdf application/pdf-Objekt

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Rumpf-Identitäten, abbruchbereit

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Sep. 202008
 

Am Nachmittag strampelte ich mit meinen beiden Söhnen auf der ADFC-Kreisfahrt mit. Wir schwammen achtbar mit, mein sechsjähriger Wanja hielt wacker durch, steuerte sein Rad sicher durch den Schwarm. Wie hätte ein Giorgio Agamben sich gefreut über die Weisheit des Schwarms – jenes fast traumwandlerische Geschick, mit dem eine Menge sich selbst regelt und Zusammenstöße vermeidet. Der Gegenentwurf zum automobilen Imperium!

Kurz nach der Schönhauser Allee schwanden die Kräfte. Wir stiegen aus und pirschten uns auf einer Abkürzung zurück zum Brandenburger Tor. Am beeindruckendsten war für mich das kahle Gerippe des Palasts der Republik: Das also bleibt übrig, wenn Schichten einer steingewordenen Identität abgetragen werden: Treppenhäuser, die ins Nichts führen. Es kam mir wie ein Sinnbild jener Institutionen vor, die sich selbst überlebt haben und es erst nach und nach merken: schaurig-schöne, morsche Stümpfe, in den Abendhimmel gebohrt. Ein Stillleben des politischen Geschehens der letzten Wochen.

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Asphalt kann mehr, oder: Auch ich lerne ständig hinzu

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Sep. 102008
 

Mir gefallen Menschen, die klar und deutlich sagen: Da lag ich daneben, ich habe mich geirrt. Und so einer möchte ich auch sein. Es gibt zwei Beiträge in diesem Blog, die geradezu einen Sturm an Reaktionen ausgelöst haben. Der erste betraf Judith Bonesky und Obama. Hatten sie was miteinander im Fitnessstudio? Ist Obama ein Gott oder doch ein Mensch, da er ja „danach“ nicht schwitzt? Dies war die Fragestellung am 28.07.2008. An diesem Tag hatte ich 1696 Seitenaufrufe – absoluter Rekord in der Geschichte dieses Blogs!

Der zweite Sturm wurde durch den Beitrag „Pflaster raus, Asphalt rein?“ vom 28.08.2008 ausgelöst. Leser schalteten sich ein, einige private Mails ereichten mich, in denen mir überzeugende Argumente gegen meine pflastersteinfreundliche Position vorgetragen wurden. Ich könnte auch sagen: Mir wurde der Kopf gewaschen. Und jetzt kommt’s: ich habe mich geirrt. Und ich habe meine Ansicht geändert. Ich muss den meisten Argumenten meiner Kritiker recht geben. Ich fasse die wichtigsten zusammen:

1) Wenn man den Fahrradverkehr erhöhen will, muss man auch den Fahrkomfort erhöhen. Der Belag auf ausgewiesenen Fahrradrouten muss ein angenehmes, sicheres Fahren ermöglichen. Nur dann werden mehr Autofahrer zum Umsteigen bereit sein. Kopfsteinpflaster ist hierfür ungeeignet. Insbesondere für ältere Menschen, Kinder, Behinderte stellt es ein Sicherheitsrisiko dar, gerade bei Nässe, Glätte und Dunkelheit.

2)  Im Fahrbereich brauchen die Radfahrer eine glatte ebene Oberfläche. Dies kann eine Fahrgasse sein oder ein Streifen von nur 1,60 m. Im sonstigen Straßenquerschnitt kann der Pflasterbelag bleiben. Der Einbau eines asphaltierten Radstreifens in eine Kopfsteinpflasterstrasse kostet jedoch offenbar ebenso viel wie die vollständige Asphaltierung.

3) Ästhetische Erwägungen sind sehr relativ. Sie hängen von höchst wandelbaren Vorstellungen des Menschen über seine Umgebung ab. Die Industrie bietet heute eine Fülle an Asphaltbelägen in den unterschiedlichsten Beschaffenheiten an. Dieser Asphalt bietet bei rechter Auswahl durchaus eine warme, gleichsam organische Anmutung. Stellvertretend für vieles sei hier aus derWebsite Asphalt+Bitumen-Beratung zitiert:

In verschiedenen Projekten hat Asphalt bewiesen, dass er diesen Anforderungen gerecht wird. Außerdem kann er durch unterschiedliche Asphaltsorten, verschiedene Mischgutzusammensetzungen, farbige Gesteine und Pigmente sowie verschiedene Verfahren der Oberflächenbehandlung an die Umgebung angepasst werden: Mal sieht er den ungebundenen Decken typischer Parkwege ähnlich, mal greift er die prägende Farbe der Umgebung auf, beispielsweise die Farbe des Sandes wie im Ostseebad Heringsdorf auf Usedom. Dank der Vielfalt in der Farbgebung fügt er sich in verschiedene natürliche Umgebungen ein und kann, wie im Neuland-Park in Leverkusen, als dezent rot-braunes Band mit der Landschaft verschmelzen. In Parks und naturnahen Landschaften ermöglicht wasserdurchlässiger Asphalt zudem, dass die Niederschläge nicht in der Kanalisation versickern, sondern den Pflanzen zur Verfügung stehen.

4) Historisch gesehen sind Pflastersteine keineswegs überall Standard. Zu allen Zeiten gab es eine breite Fülle an Straßenbeschaffenheiten, vom Knüppelpfad der Steinzeit über gestampften Lehm, Schotter, Pflaster, Teer … kaum je präsentierten sich Straßen einheitlich. Stadtbilder wandeln sich. Entscheidend ist, dass man Zweckbestimmung und gestalterische Qualitätsansprüche zusammenbringt. Denkmalschutz heißt nicht Konservieren, sondern Weiterentwickeln, sodass alte Substanz für heutige Nutzer erlebbar bleibt.

5)  Was die Umweltbelastung angeht, so macht sie nur einen winzigen Bruchteil der Menge aus, die beim Straßenbau für den PKW-Verkehr erzeugt wird. Und die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe des Teers, die in der Tat krebserregend sind, gehören dem modernen Asphalt seit 30 Jahren nicht mehr an. Wir zitieren erneut aus der „Asphalt+Bitumen-Beratung“:

Noch heute wird in der Umgangssprache eine Straße zumeist geteert, wenn sie einen neuen Asphaltbelag erhält. Doch Teer ist im Asphalt seit rund 30 Jahren nicht mehr enthalten. Da der aus Holz, Braun- oder Steinkohle gewonnene Teer gesundheitsschädliche polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe enthält, ist sein Einsatz im öffentlichen Straßen- und Wegebau in Westdeutschland seit den 70er Jahren verboten, in den ostdeutschen Bundesländern seit 1990. Doch bereits viel früher hat Bitumen den gesundheitsschädlichen Teer als Bindemittel abgelöst, so dass Straßenbeläge aus Asphalt heute teerfrei und durch und durch natürlich sind.

6)  Es gibt einige in der öffentlichen Verwaltung anerkannte Regelwerke des Radwegebaus, hinter die man nicht zurückfallen sollte, namentlich:

ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen), die neue RASt 06 (Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen), Technische Regelwerke der FGSV, in Berlin die revidierte Ausführungsverordnung (AV) Geh- und Radwege oder die  Regelpläne der Zentralen Verkehrslenkung Berlin (VLB).

7) Kopfsteinpflaster stellt keinen Wert an sich dar. In vielen Fällen ist es einfach der zum damaligen Zeitpunkt gewählte Straßenbelag ohne jeden Eigenwert. Straßenbeläge müssen periodisch erneuert werden. So eben auch Pflaster.

Ich hoffe, ich habe die wichtigsten Argumente meiner Kritiker gerafft, aber doch korrekt wiedergegeben. Ich danke euch für eure zahlreichen Klarstellungen und Anregungen.

In der Rückschau fällt mir noch ein: In meiner Vaterstadt Augsburg erlebte ich als Jugendlicher eine heftige öffentliche Debatte mit, als die erste Fußgängerzone eingerichtet wurde. Der vorhandene Asphalt wurde damals mit heiligem Ernst zurückgebaut und durch den historisch geweihten Pflasterbelag ersetzt. Riesige Klopper, wuchtige Granitklötze breiteten sich aus! Es erhob sich ein Sturm der Entrüstung – bei der Damenwelt! „Wir kommen nicht voran, unser Absätze verhaken sich in den Fugen, wir stürzen, wir brechen uns die Knochen!“ Ich ergriff damals die Partei der historischen Pflastersteine. Heute sähe ich das anders. Frauenfreundlicher.

Und bitte versteht auch: Ich bin wirklich durch die Umweltbewegung der 80-er Jahre entscheidend mitgeprägt worden. Und Asphalt hatte einen furchtbar schlechten Ruf – erinnert ihr euch nicht an den Kampf gegen die zunehmende Oberflächenversiegelung? Wie erscholl es damals doch? „Jeden Tag verschwindet in Deutschland eine Fläche so groß wie ein Fußballfeld, wird verbaut und zerstört durch undurchdringlichen Asphalt …!“ Da war absehbar, dass irgendwann gar nichts mehr von Deutschland übrigbliebe!

Aber auch hier gilt es umzudenken: Es gibt mittlerweile einen wasserdurchlässigen Asphalt. Und es gibt Asphalt, der bei niedrigen Temperaturen hergestellt wird, wodurch entscheidend weniger Schadstoffe in die Umgebungsluft geraten als beim Heißauftrag.

Also – genug des Widerrufs. Lasst uns alle gemeinsam an den besten möglichen Lösungen arbeiten. Für den Radverkehr. Für ein bewusst gestaltetes  Stadtbild. Für die Umwelt. Für die Gesundheit.

Und lasst uns die Denkmalschützer, Stadtplaner und Bauingenieure mitnehmen, indem wir ihre Sprache vernehmen und uns in ihre Gedanken hineinversetzen.

 Posted by at 22:21
Sep. 092008
 

Der rbb schob sich gestern in meiner Zuschauergunst ein kräftiges Stück nach vorne: Erst sah ich in der Abendschau einige geradezu lehrbuchreife Beispiele für misslingende Kommunikation, für Zwist, Hader und Zank. Männer streiten gerade miteinander. Das Ganze gleicht einem Floß, an dem mehrere Außenbordmotore angebracht sind, die alle auf Hochtouren drehen, der eine stärker, der andere schwächer. Das Floß dreht sich deshalb im Kreis, schlingert durch reißende Stromschnellen hindurch talab, bis es nicht mehr tiefer geht. Stämme lösen sich ab, das ganze Gefüge bricht auseinander. Immer wieder springt einer der Steuerleute auf und ruft: „Ich habe eine Idee! Da geht’s lang.“ Andere fallen ihm in den Arm und rufen: „Nein, hier geht es lang, so sind wir immer schon seit Jahrzehnten gefahren!“ Wobei ich allerdings dafür, für derartige fortgesetzte Unruhe,  nie und nimmer das Wort Gurkentruppe verwenden würde, wie das der Herr Martin Lindner tat. Eine sehr volkstümliche maliziöse Wendung.

Um 22.05 schaute ich dann folgenden Film an:

Pedaltreten hat Konjunktur
Fahrradstadt Berlin – Dokumentation von Reinhard Schneider

Ich meine: Diese Sendung sollte man unbedingt auf DVD oder als Video breit unters Volk streuen! Dieser Film „Pedaltreten hat Konjunktur“ verdient aus meiner Sicht höchstes Lob!

Keine dröge Berieselung mit „Ach-wie-toll-ist Fahrradfahren“, sondern eine pfiffig zusammengestellte Panorama-Schau auf das riesige Potenzial, das derzeit im Fahrradverkehr steckt.

Die Zunahme der Radnutzung wurde als freudiges Ereignis begrüßt. Radfahren ist angesagt, hierzu wurden einige treffende Aussagen von engagierten Radfahrenden eingespielt.

Technisches, Technikgeschichtliches und innovativ nach vorne Weisendes waren in schöner Harmonie aufeinander abgestimmt.

Konkrete Problem der Radverkehrsführung an bestimmten Stellen und Probleme der Fahrradtechnik wurden unter den Scheinwerfer genommen, unter anderem durch Aussagen von Sarah Stark und David Greve.

Besonders gefallen hat mir, dass wirklich auch ein konzeptueller Rahmen gesteckt wurde: Wie entwickeln sich Städte? Was wollen wir? Welches Leitbild haben wir für den Verkehr?

Die Mitarbeiter der Senatsverwaltung fand ich ebenfalls sehr überzeugend:
klare Aussagen zu Problemen und Lösungen, Sinn für Zusammenhänge, Fähigkeit, verwaltungstechnische Einzelheiten allgemeinverständlich darzustellen, darüber hinaus der Blick auf andere europäische Großstädte.

Herausragend und mir aus der Seele gesprochen: Die Kommunikation, das „Einander-Anschauen“ als Schlüssel zu gutem, partnerschaftlichem Verhalten im Straßenverkehr.

Also: ich zumindest war begeistert.

Unser Foto zeigt die Grimmstraße in Kreuzberg: Hier wurde auf vorbildliche Weise das arg rüttelnde Kopfsteinpflaster für Fahrradfahrer durch das Aufbringen einer bituminösen Decke entschärft. Vorbildlich, Klasse, mehr davon bitte!

 Posted by at 16:21

Sicheres Miteinander im Straßenverkehr schaffen – es ist möglich!

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Juli 262008
 

Der ADFC in München läuft uns den Rang ab: Sie haben es auf die Titelseite des München-Teils in der Süddeutschen Zeitung geschafft. Mein herzlicher Glückwunsch geht an die Kolleginnen und Kollegen in meiner Geburtsstadt München!

Fahrradunfälle in München – Radwege bringen keine Sicherheit – München – sueddeutsche.de

Der Anlass ist ein trauriger, wie ihr sicher lesen könnt. Wieder wurden zwei Radfahrer durch abbiegende LKW getötet. Die Radler „waren im Recht“, wie man so unschön sagt. Es nützte ihnen nichts. Richtig ist gleichfalls die Schlussfolgerung des ADFC: Radwege, die von der Straße abgesetzt sind und neben den Gehwegen entlanglaufen, sind nicht sicherer als auf der Straße markierte Radfahrstreifen. Die SZ schreibt:

Auf den abgetrennten Radwegen kämen die Radler für viele Autofahrer „plötzlich aus dem Nichts“. Farbig markierte Radwege auf der Straße, wie beispielsweise am Oberanger, hält Ströhle vom ADFC „für eine gute Geschichte“. Da hätten die Radler eine reservierte Fläche und blieben gleichzeitig im Gesichtsfeld der Autofahrer. Das „Trennungsdenken“, dass jeder Verkehrsteilnehmer seine separate Spur für sich habe, „das funktioniert in der Stadt nicht“, meint Hubert Ströhle. In den Niederlanden oder auch in der Stadt Münster gebe es großflächige Räume, wo langsamer gefahren werden müsse und wo Straßenbahnen, Autos und Radler ein sicheres Miteinander gefunden hätten.

Und: Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um das Radfahren sicherer zu machen:

Erwiesen sei aber auch, dass ab einem Fahrradanteil von mehr als 20 Prozent im gesamten Straßenverkehr die Unfallzahlen sinken. „Da ist der Radler Teil des normalen Verkehrs.“ In München schaffen die Radfahrer gerade einmal zehn Prozent, die Stadt will die Zahl auf 15 Prozent steigern. „Aber da braucht es eine gute Fahrradinfrastruktur, Abstellmöglichkeiten, Imagekampagnen“, zählt der ADFC-Mann auf. Die Stadt sei neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen, meint Ströhle, aber letztendlich sei alles „eine Frage des Geldes“.

Dabei sind die Radfahrer in München ebensowenig Unschuldslämmer wie wir hier in Berlin:

In Zeiten steigender Spritpreise wird die Zahl der Radfahrer weiter wachsen. Für die Polizei, wie Notka sagt, gibt es da in den Sommermonaten viel zu tun. „Massenhaft Verstöße“ registrieren seine Leute. Hauptsächlich Rotlichtsünder, Radler die in der falschen Richtung unterwegs sind oder durch die Fußgängerzone fahren. Allein von Januar bis Mai 2008 beanstandete die Polizei 1699 Rotlichtverstöße. „Und das Tempo“, räumt Radl-Sprecher Hubert Ströhle ein, berge ein immenses Gefahrenpotential. „Viele Radfahrer sind einfach zu schnell.“

1265 Radfahrer waren in den ersten sechs Monaten des Jahres 2008 im Bereich des Polizeipräsidiums München in Unfälle verwickelt – 58,4 Prozent von ihnen schuldhaft. Bis zum gestrigen Tag ließen fünf Radfahrer ihr Leben.

Wie sagte doch Obama vorgestern: Now is the moment. The task is never easy.

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Gut abgehangene Argumente bei Anne Will

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Juli 222008
 

Sattelt die Fahrräder! Unter diesem Motto diskutierten bestens bekannte Studiogäste bei Anne Will am vergangenen Sonntag darüber, ob das Auto ein Auslaufmodell sei. Franz Alt, Bärbel Höhn, Christine Haderthauer, Waldemar Hartmann und Matthias Wissmann tauschten auf freundlich-nette Art ihre Argumente aus. Bekannte Gesichter, bekannte Frontlinien! Herr Wissmann beschwor dessenungeachtet seine Mitstreiter zwei Mal, die alten Gräben „hier Auto, hier Fahrrad“ zu überwinden und beschwerte sich:

„Heute Abend sind wir in Adlershof. Nach Adlershof mit dem öffentlichen Verkehr oder mit dem Fahrrad zu kommen, ist praktisch unmöglich.“ (Dieser Satz wurde abgetippt von jemandem, der in weniger als 20 Minuten mit der S-Bahn nach Adlershof gekommen ist.)

Frau Haderthauer kämpfte wacker für die Wiedereinführung der Pendlerpauschale:

„Die Kanzlerin hat immer gesagt, dass sie die Neuregelung der Pendlerpauschale abhängig machen wird von der Entscheidung des Verfassungsgerichts. Es war nicht zu erwarten, dass sie da umsteuert. Das hindert uns nicht daran zu sagen, was wir richtig fänden.“

Franz Alt malte die „Autodiktatur“ an die Wand:

„Das Auto ist, so wie es heute läuft, unsozial. 5000 Tote durch den Autoverkehr im letzten Jahr, 430.000 Verletzte, davon Zehntausende verkrüppelt ein Leben lang – wir haben ein absolut irrationales Verhältnis zum Auto.“

Allerdings fährt er selbst eines, und zwar kein billiges, nämlich den Prius.

Die Sendung kann man sich gut noch einmal in der ARD-Videothek zu Gemüte führen. Noch besser: das zugehörige Blog. Heftig kritisiert wird von den Zuschauern die Gästeauswahl. Die Gäste seien zu bekannt, wird im Blog gesagt, sie hätten irgendwie unvermeidlich gewirkt und seien teilweise überhaupt nicht in erkennbarer Weise für das Thema qualifiziert gewesen. Das ist aber nicht nett, was die Zuschauer da sagen. Alle Studiogäste haben sich doch so redlich bemüht. Stellvertretend für viele der kritischen Einträge sei hier zitiert der Eintrag Nr. 197 von Blogger „Radfahrer“. Zunächst bemängelt er das Missverhältnis zwischen „bewegter Masse“ und Passagier, das unökonomisch sei. Er fährt fort:

„Und dennoch ist das gesamte Verkehrssystem auf das Auto zugeschnitten. Radfahrer und Fußgänger sind mittlerweile nur noch ein lästiges Übel, obwohl ihnen sowieso nur eine lächerliche Restfläche für ihre ökologisch vorbildliche Art der Fortbewegung zugestanden wird. Und das, obwohl es wohl alles andere als ökonomisch ist, sich mit dem 10-20 fachen seines eigenen Körpergewichts in der Stadt fortzubewegen und dabei den knapp zehnfachen Flächenverbrauch eines Fahrrades zu beanspruchen. Und zwar nicht nur wenn man fährt, sondern auch, wenn man das Auto parkt. So kommt es, dass unsere Innenstädte zu riesigen Autoparkplätzen verkommen, in denen Eltern sich nicht mehr trauen, ihre Kinder zu Fuß zur Schule laufen zu lassen (und wer das nicht lernt, wird auch später nicht laufen oder radeln!), weil sie es für die Kleinen für viel zu unübersichtlich und gefährlich halten. 
Alle nicht-motorisierten Menschen werden in ein von Autofahrern für Autofahrer gemachtes Verkehrssystem gezwungen und damit in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt. Das Geschrei ist groß, wenn tatsächlich mal ein paar Parkplätze wegfallen oder eine Straße verengt wird.“

Mir gefiel am besten Waldemar „Waldi“ Hartmann. Er gab sich überhaupt keine Mühe, seine Auto-Passion zu verstecken und meinte treuherzig, seine 350 PS seien vor allem deshalb gut, weil er mit einem Druck auf das Gaspedal bestimmten Gefahrensituationen entkommen könne. Er täuschte auch keine Fachkunde vor. Solche Ehrlichkeit kommt gut an.

Die Masse der Golf-Fahrer war im Studio nicht vertreten – also all jene, die mit der Familie am Sonntag ins Grüne hinaus wollen. Es war vertreten: die traute Einschalt-Elite. Das Übliche.

Eine kleine Anregung, – keine Kritik! – muss ich aber bei aller Begeisterung für diese Veranstaltung, die alle vorgefassten Urteile bestätigte, doch anbringen: Neben dem Auto-Lobbyisten Wissmann, der erprobten grünen Breitband-Politikerin Höhn, der neuen CSU-„Allzweckwaffe“ Haderthauer, dem unbequemen Mahner Franz Alt fehlte wieder einmal – die Fahrradlobby.

Es saß keine einzige Fachfrau für den Fahrradverkehr im Studio! Dabei gibt es doch Fachverbände wie den ADFC etwa, die seit Jahrzehnten konkrete Forderungen erheben und längst aus den Grabenkämpfen der Vergangenheit herausgeklettert sind. Wo war etwa Sarah Stark, die Berliner ADFC-Landesvorsitzende? Sie wäre umweltfreundlicher als alle die anderen angereist! Diese Fahrrad-Lobbyverbände haben ein enormes Fachwissen angesammelt. Es gibt auch bei ihnen hübsche, fernsehtaugliche weibliche Gesichter. Sie sind jung, jünger als der Durchschnitt der Studiogäste. Zu jung für die Öffentlich-Rechtlichen? Und diese Frauen und Männer bringen obendrein auch noch besondere Kenntnisse mit, sie könnten die Diskussion über die sattsam bekannten Argumente hinausführen. Sind sie deswegen schon disqualifiziert als Studiogäste? Sollen denn immer nur die „Urväter“ und die TV-Zelebritäten untereinander diskutieren? Zollt man so dem demographischen Wandel Tribut? Die Mischung aus alt und jung macht’s doch!

Liebe Anne Will! Bitte ignorieren Sie nicht die jungen Fachleute – mindestens nicht bei Sendungen, die sich den Anschein geben, eine Lanze fürs Fahrrad brechen zu wollen.

DasErste.de – [Anne Will] – Sendung vom 20. Juli 2008 um 21.45 Uhr

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Friedrichshain-Kreuzberg belegt Platz 1 bis 3 …

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Juli 172008
 

… in der Statistik der gefährlichsten Kreuzungen Berlins. Der BZ kommt heute das Verdienst zu, die Liste der 100 gefährlichsten Kreuzungen abzudrucken, aufgeschlüsselt nach Unfall- und Verletztenzahlen. Auch die Unfallkosten werden bis auf den Euro genau ausgewiesen. Der flächenmäßig besonders kleine Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg führt diese Liste auf den Plätzen 1 bis 3 unangefochten an. Und unter den 12 unsichersten Knotenpunkten Berlins liegt immerhin ein sattes Drittel in unserem Bezirk.

Die 3 gefährlichsten Kreuzungen Berlins sind: Admiralstraße/Kottbusser Straße, Frankfurter Tor/Frankfurter Allee, Bevernstraße/Oberbaumstraße. Unfallkosten allein an diesen drei Stellen 2005-2007: 1515 Unfälle an diesen drei Kreuzungen kosteten 11.064.537 Euro – über 11 Millionen Euro!

Auch der gestern veröffentlichte Verkehrssicherheitsbericht 2008 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bietet keinen Anlass zur Entwarnung. Im Gegenteil: Die Zahl der Unfälle ist um 3,6% auf 124.919 gestiegen. In wünschenswerter Deutlichkeit liefert der Report eine Aufschlüsselung nach Unfallarten, Unfallbeteiligten, Schwer- und Leichtverletzten und Unfallverursachern.

Ergebnis: besonders gefährdet sind weiterhin Fußgänger und Radfahrer. Der Anteil der Radfahrer an den Schwerverletzten ist noch einmal auf nunmehr 27% gestiegen.

Als die beiden maßgeblichen Unfallursachen werden auf S. 10 wörtlich angegeben

bei Radfahrern „Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr“ und „Benutzen falscher Fahrbahnteile“ (häufig betrifft Letzteres das Befahren von Radwegen in falscher Richtung oder von nicht für Radfahrer frei gegebenen Gehwegen)

Auch dieser Befund ist nicht neu: Nicht im „Längsverkehr“, also nicht dann, wenn die Radfahrer ordnungsgemäß auf den Straßen oder den Radwegen fahren, sondern beim „Einfädeln“ und Abbiegen sowie auch beim Befahren von Gehwegen und Radwegen in falscher Richtung geraten Radfahrer in statistisch besonders relevante Gefährdungslagen. Hauptursachen: mangelnde Sichtbeziehung zwischen KFZ und Radfahrer, Unachtsamkeit, Falschfahren.

Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Die steigenden Unfallzahlen und die vielen Verletzten dürfen niemanden ruhen lassen. Der Verkehrssicherheitsbericht fordert eine stärkere Bündelung und eine Erhöhung der Anstrengungen. Auf S. 17 nennt er dazu 4 Schwerpunkte der Maßnahmen:

Mobilitäts- und Verkehrserziehung im (Vor-)Schulbereich, Aktionstage/-wochen, „Events“, Medien

Diese vier Handlungsfelder überlappen einander teilweise. Ich meine: Alle Akteure sind aufgerufen, Hand in Hand zu arbeiten. Mein Motto: Sicherer Straßenverkehr gelingt gemeinsam.
Am Schluss des Berichts ist die Berliner Charta für die Verkehrssicherheit abgedruckt. Ein vorbildliches Dokument, das der Umsetzung harrt! Es wird getragen von einem breiten Bündnis. Dazu zählen neben Berliner Behörden auch namhafte freie Träger, wie etwa der ACE, ADAC, BUND, FUSS e.V., BVG, Verkehrsclub Deutschland (VCD).

Sicherer Straßenverkehr gelingt gemeinsam.

Um etwas Erfreuliches zu zeigen: Das Foto zeigt unser Tandem, mit dem ich meinen Sohn täglich zur Kita bringe. Sicher. Gelassen. Fröhlich.

Das sind die 100 gefährlichsten Kreuzungen Berlins – BZ-Berlin.de

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Sicherheit für Radfahrer erhöhen – Kultur der Aufmerksamkeit schaffen!

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Juli 162008
 

Ein schlimmer Unfall ereignete sich am 14.07.2008 in Kreuzberg. Die Lenkerin eines Reisebusses übersah beim Abbiegen vom Tempelhofer Ufer nach rechts in die Möckernstraße die geradeaus fahrende Mountainbikerin Adriana S. Unsere besten Genesungswünsche müssen der lebensgefährlich verletzten Radlerin Adriana S. gelten, aber auch der Busfahrerin, die einen Schock erlitt und zusammenbrach. Die BZ druckte ein Foto von der Unfallstelle ab:

http://www.morgenpost.de/berlin/polizeibericht/article699354/Busfahrerin_fahrt_Radlerin_um_und_verletzt_sie_schwer.html

http://www.bz-berlin.de/BZ/berlin/2008/07/15/busfahrerin-ueberfahrt-radfahrerin/busfahrerin-ueberfahrt-radfahrerin.html

Laut BZ-Bericht haben sich erste Zeugen gemeldet, die angeben, die Radfahrerin sei auf dem Gehweg gefahren. Das Foto von der Unfallstelle in der BZ zeigt, dass der Bus vermutlich schon recht weit in die Möckernstraße eingebogen war, ehe er die Radlerin überfuhr. Ich halte es deshalb für wahrscheinlich, dass Adriana S. wie die Mehrheit der Radfahrer an dieser Stelle auf dem Gehweg fuhr und danach überrollt wurde.

Den genauen Unfallhergang kenne ich nicht. Da ich aber nur 100 Meter von der Unfallstelle entfernt wohne, kenne ich diese sehr gut. Ich fahre sie mehrmals wöchentlich mit dem Rad, gelegentlich auch mit dem Auto. An den beiden Straßen, dem Tempelhofer Ufer wie auch der Möckernstraße, gibt es für den rechtsabbiegenden Radverkehr keine Radverkehrsanlage, allerdings beginnt an der Möckernstraße in Gegenrichtung (Richtung Norden) ein dort einseitig angelegter baulicher Radweg. Für den Autofahrer ist diese Stelle sehr schwer im Auge zu behalten, da jederzeit in beiden Richtungen Radfahrer vom Gehweg auf die Fahrbahn kommen können. Einige Radfahrer – wie ich selbst – fahren auch vorschriftsmäßig auf der Fahrbahn, was die Situation zusätzlich verkompliziert.

Zulässige Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle: 50 km/h. Die Autofahrer fahren dort am Tempelhofer Ufer durchschnittlich etwa 70-80 km/h, manche auch noch schneller. Der Mindestabstand gegenüber den Radfahrern beim Überholen wird grundsätzlich nicht eingehalten. Ich habe dies durch das wirklich hundertfache Befahren per Rad und per Auto festgestellt und kann alle Interessierten nur auffordern, selbst einmal diese Strecke entlangzufahren. Die PKW fahren am Tempelhofer Ufer in einer Art, die den gesamten Radverkehr fast naturgesetzlich auf die Gehwege verdrängt.

Gehwegradler sind für LKW-Fahrer und PKW-Fahrer weit schwerer zu erkennen als Radler auf der Fahrbahn. Das Radeln auf den Gehwegen führt häufiger zu Zusammenstößen als das Fahren auf der Straße, gerade und vor allem beim Abbiegen, also dann, wenn ein Gehwegradler wieder auf die Straße rollt. Sehen und Gesehenwerden – dies gilt auch für den Radverkehr als eisernes Gebot.

Ich habe immer wieder festgestellt, dass die Mehrheit der Radfahrer an diesem Abschnitt auf dem Gehweg fährt, und zwar auf beiden Seiten des Tempelhofer Ufers in beiden Richtungen.

Wie kann man solche Unfälle verhindern? Die Forderungen sollte meines Erachtens lauten:

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) muss auf der Straße „Tempelhofer Ufer“ gegenüber den Autofahrern durch polizeiliche Kontrollen durchgesetzt werden. Die Autofahrer müssen erstens dahin gebracht werden, die Höchstgeschwindigkeit nicht dauernd zu überschreiten. Sie müssen zweitens veranlasst werden, den Radfahrern durch genügenden seitlichen Sicherheitsabstand ein ungefährdetes Vorwärtskommen zu ermöglichen.

Für den Radverkehr muss drittens am Tempelhofer Ufer eine Lösung geschaffen werden, die es verhindert, dass die Mehrheit der Radfahrer auf den Gehweg abgedrängt wird. Die Verkehrsflüsse müssen so gelenkt werden, dass es den Radfahrern möglich wird, die StVO einzuhalten, ohne sich selbst zu gefährden. Hierzu sollten die Interessenverbände, wie etwa der ADFC, gehört werden.

Viertens: Wir brauchen eine neue Achtsamkeit. Ständiges Aufmerken, Vorsicht und Bedachtsamkeit, diese Haltungen müssen buchstäblich gepredigt, eingeimpft, eingeübt und bestärkt werden. Denn:

Sicherer Straßenverkehr gelingt gemeinsam.

Heute kommentierte übrigens auch BZ-Chefreporter Schupelius diesen Unfall.

Schupelius-Kolumne – BZ-Berlin.de
Er erhebt Forderungen, wie sie laut dem heutigen Tagesspiegel auch die grüne Verkehrsexpertin Claudia Hämmerlin geäußert hat, nämlich eine grundsätzliche Anhaltepflicht beim Abbiegen. Schupelius schreibt heute:

„Ob jung oder alt, schnell oder langsam, Radfahrer haben gegen die abbiegenden Ungetüme keine Chance, weil die Fahrer sie nicht sehen. Und weil Radfahrer immer wieder auf genau diese Weise schwer verletzt werden oder ums Leben kommen, verstehe ich nicht, warum niemand auf Abhilfe sinnt. Wenn alle speziellen Spiegel an Lastern und Bussen nichts helfen, dann muss meiner Ansicht nach eine eiserne Regel her. Dann müssen Lkw- und Busfahrer verpflichtet werden, immer anzuhalten, bevor sie abbiegen. Wenn der Laster oder Bus erst einmal steht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er einen Radler unter sich zermalmt, ungleich kleiner, als wenn er mit Schwung um die Ecke fährt. Wir müssen jetzt handeln, bevor der nächste Radfahrer unter die Räder gerät.“

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Nummernschilder für Fahrräder? (2)

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Juli 142008
 

Im Kreuzberger „Nachbar-Blog“ Rad-Spannerei entspinnt sich eine Diskussion über den Beitrag von BZ-Chefreporter Schupelius (dieses Blog berichtete am 10.07.2008). Bemerkenswert ist folgende Zahl, die Blogger siggi beisteuert:

Das statistische Bundesamt vermeldet bei Radfahrern 3,9% Fahrerflüchtige, bei KFZ-Fahrern sind’s 5,6%.

Das Blog Rad-Spannerei empfehle ich allen, die sich für Fahrradbelange in unserem Bezirk einsetzen, aber auch zur Situation in Berlin überhaupt gibt es reichlich Anregungen.

Bestürzend: ein schwerer Abbiege-Unfall gestern früh am Tempelhofer Ufer. Leider einer der häufigsten Unfallabläufe, vielleicht sogar der häufigste Typ schwerer Unfälle überhaupt: Beim Abbiegen übersieht ein Fahrzeuglenker den geradeaus fahrenden Radfahrer. Für beide Beteiligten ein Albtraum. Ich wünsche den Opfern rasche Genesung!

Nummernschilder für Fahrräder? » Rad-Spannerei

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Nummernschilder für Radfahrer?

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Juli 102008
 

Das Image von uns Radlern war eigentlich in der Berliner Presse nicht so schlecht. Ich konnte in den letzten Monaten kaum negative Berichterstattung über das Fehlverhalten der Radler feststellen.

Heute aber erschien in der BZ eine Glosse aus der Feder des aktiven Radfahrers und Chefredakteurs Schupelius “Mein gerechter Zorn”.

Lest hier die Glosse in der BZ von heute:

„Am 29. Juni wurde Günter J. (78) auf einem Gehweg in Weißensee von einem Mountainbike-Radler umgefahren. „Na, Opa, jeht’s wieder? sagte der Radfahrer und verschwand. Günter J. liegt mit einem Blutgerinsel im Gehirn immer noch im Krankenhaus. Es scheint, als würden immer mehr Fußgänger in Berlin Opfer brutaler Radfahrer. Die Statistik besagt, dass 2003 etwa 8 Prozent aller Fußgänger-Unfälle von Radfahrern verursacht wurden und dass es 2007 bereits 10 Prozent waren. Das ist auf den ersten Blick keine dramatische Steigerung. Sehr häufig werden Fußgänger von Radfahrern aber auf dem Gehweg angefahren. Und das schafft ein Gefühl der Bedrohung, zumal sogar in einem aktuellen internen Polizeibericht davon die Rede ist, das Rad-Rambos, wenn sie gestellt werden, „mit totalem Unverständnis und sehr emotional“ reagieren würden. Man könnte auch klarer sagen, dass sie brutal reagieren. Viele Leser berichten mir regelmäßig darüber. Eine Leserin schlug vor, für Fahrräder deshalb eine Kennzeichen-Pflicht einzuführen, damit man sie, wie Autofahrer, anzeigen kann. In der Schweiz gibt es eine solche „Velo-Vignette“, dort muss man sein Fahrrad haftpflichtversichern. Ich fände es bedauerlich, wenn unsere Fahrräder auf diese Weise mit Kennzeichen erfasst würden. Was für eine Bürokratie, was für ein Aufwand, was für eine Überwachung! Wenn damit aber gewaltbereite Radfahrer gebändigt werden können, weil sie Angst vor einer Strafverfolgung haben müssen, dann bin ich schweren Herzens dafür, dass wir die Velo-Vignette einführen, aus dem ganz einfachen Grunde, dass ich als Fußgänger in Sicherheit leben will.“

Schupelius-Kolumne – BZ-Berlin.de

Schupelius ist laut eigenem öffentlichem Bekunden selber Radfahrer, man kann ihm wahrlich keine Hetze gegen die Radler unterstellen. Gleichwohl zieht er die Plakettenpflicht für Radler in Erwägung.

Ich meine: Wir brauchen keine Plakette, sondern eine klare, präzise Kampagne mit einigen wenigen Themen, in positiv-fröhlicher Grundstimmung. Kein „Schwarzes-Peter-Weiterschieben“. Erst einmal vor der eigenen Tür kehren. Lust auf Fahrradfahren machen, positives Image des Radverkehrs herstellen. Regeltreue als selbstverständlich darstellen. Für partnerschaftliches Miteinander werben. Aktuellen Radverkehrs-Rückenwind nutzen! Am besten in Abstimmung mit der Polizei, dem ADAC, den Schulen und – den „größten Zeitungen Berlins“!

Sicherer Straßenverkehr gelingt gemeinsam.


 

 Posted by at 11:02
Juni 262008
 

Mit meiner ADFC-Stadtteilgruppe unternahm ich am 21. Juni 2008 eine halbtägige Rundfahrt durch den Bezirksteil Friedrichshain.

Die Route führte von dem bunten Band der East Side Gallery längs dem äußerst suggestiven Osthafengelände zum verträumten Ortskern von Alt-Stralau. Ich konnte es nicht lassen, ich musste ein Bad in der Stralauer Bucht nehmen, am Übergang, da wo Schlick und Schlamm aus Jahrzehnten industrieller Fertigung sich mit dem anflutenden Spreewasser vermengen! Beim Herausklettern aus dem schlickgetränkten Gestade riss ich mir das Knie blutig – meine Taufe mit Stralauer Spreewasser! Das war die Stelle:

Tom, danke für die Fotoverwendungsrechte! „Wohnen am Wasser“, dieses Motto der neuen Bürgerlichkeit stand im Kontrast zu einer Demonstration unter dem kämpferischen Motto „Wir bleiben“ in der Nähe des Boxhagener Platzes. Sogar einen echten Bundestagsabgeordneten könnt ihr auf diesem Bild entdecken!


Die Karl-Marx-Allee wiederum verweist auf die Verflechtung von Architektur und Politik – eine echte Absage an die nur funktionale Moderne. Erfahrbar wurde: Die moderne, vorsorgende Kommunalpolitik entfaltet sich im 19. Jahrhundert im ehemaligen Arbeiterviertel Friedrichshain – etwa durch den Märchenbrunnen. Der ist Volksbelustigung pur!

Einen nachdenklichen Schlusspunkt setzte schließlich der Friedhof der Märzgefallenen im Volkspark. „Wissen wir eigentlich, was damals geschah?“, fragte eine Teilnehmerin. Ich finde: Die ganze Anlage mit den Gräbern der Aufständischen vom 18./19. März 1848 ist unserer modernen deutschen Demokratie unwürdig! Sie zählen zu den Ahnen unseres Grundgesetzes, sie forderten das, was erst 70 Jahre später Wirklichkeit wurde: eine parlamentarische Demokratie ohne feudales Oberhaupt! Sie haben Besseres verdient, als missachtet in irgendeinem Winkel hinzudämmern, zumal dies kein Mahnmal ist, sondern eine echte Gräberstätte. Sie bedarf einer sorgfältigen Pflege und Betreuung.

Ein Teilnehmer fasste so zusammen: „Vieles war neu für mich, manches war unbeschreiblich suggestiv, manches war einfach schön hässlich – aber alles immer lohnend, immer verlockend! Friedrichshain, das ist ja eine kleine Welt für sich. Hab ich so nicht gewusst. Danke für die hervorragende Vorbereitung und kundige Führung!“ Ich meine: Um mit der Realität einer Großstadt ins Gespräch zu kommen, gibt es kein besseres Mittel als eine Fahrradtour! Auf Dörfern oder im Gebirge sollte man zu Fuß wandern, aber unsere Berliner Bezirke sind zu groß, als dass man sie zu Fuß einigermaßen umfassend an einem halben Tag erwandern könnte. Fährt man aber mit dem Auto oder dem Bus, kriegt man einfach nichts mit und man kommt mit den Leuten nie und nimmer ins Gespräch.

 Posted by at 18:03