Analı babalı büyüsün (4), oder: Welch ein Wunder ist ein neugebornes Kind

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Jul 102018
 

„Welch ein Wunder ist ein neugebornes Kind!“, mit diesem Gedanken verabschiede ich mich heute von Jamal, dem 7 Tage alten Jungen. Jamal, das heißt Schönheit, und schön ist er, wie er da so liegt, umhegt und umsorgt von Mama und Papa. Welches Leben wartet auf ihn, was wird er bringen in seinem Leben? Uns bringt er jedenfalls schon Freude aus seinem Bettchen entgegen. Ich spreche seinen Namen nach, und er scheint darauf zu reagieren, denn ich nehme bei dem schlafenden Kind eine Lidbewegung war.

Obwohl Jamals Eltern aus Libanon und Palästina stammen, bringe ich – für  Jamal unsichtbar, aber doch deutlich hörbar –  meinen türkischen Segenswunsch an: Analı babalı büyüsün, und – wieder ein kleines Wunder! – eine türkische Bekannte, die Zeuge unserer kleinen Begrüßungszeremonie wird, übersetzt meinen türkischen – im Arabischen unbekannten – Spruch in fließendes Deutsch: „Das Kind möge mit Mama und Papa aufwachsen, und das ganze Leben lang mögen Mama und Papa mit dem Kind zusammen sein. Der Wunsch erstreckt sich auf das ganze Leben!“

Im arabischen Sprachraum sagt man eher: Möge Gott dich auf allen deinen Wegen begleiten.

Ein Bild kommt mir dazu in den Sinn. Ich sah es vor ein paar Tagen in der Münchner Alten Pinakothek. Den Besuchern – darunter der hier schreibende – werden seit dem 3. Juli 2018 in den restaurierten Räumen die Augen geöffnet! Gemalt hat dieses Mutter-Kind-Bildnis ein gewisser de’Santi, ein aus Urbino stammender Maler. Es öffnet die Augen für das Wunder des Auf-der-Welt Seins. Morgen der Welt, Welt des Morgens!

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„Hören – spielen – lieben – verehren und – das Maul halten“

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Jun 202018
 


Kaum ein größeres Vergnügen als das Singen und Geigenspielen kenn ich. Vor allem in der Küche meiner Schöneberger Wohnung, weil es da so schön hallt. Woher diese Lust? Ich vermag es nicht zu sagen. Und meist will ich es auch nicht sagen.

Bei einer Feierlichkeit zum 25-jährigen Bestehen des großartigen Einstein Forums Potsdam, dem sich der hier Schreibende seit längerem dankbar verbunden weiß, kam am 15. Juni auf der Terrasse des Caputher Sommerhauses auch die Rede auf Einsteins Verhältnis zur Musik. Musiker der Kammerakademie Potsdam spielten sehr rein Mozarts Streichquartett Nr. 12 in B-Dur, KV 172. Über die Musik Mozarts sagt Einstein: „Mozarts Musik ist so rein und schön, dass ich sie als die innere Schönheit des Universums ansehe.“ Dem kann ich folgen, dem will ich folgen!

Noch besser gefällt mir seine Antwort auf das Ersuchen einer Illustrierten, einen Artikel über Johann Sebastian Bach zu verfassen. Er antwortet unwirsch: „Was ich zu Bach’s Lebenswerk zu sagen habe: Hören, spielen, lieben, verehren – und das Maul halten.“

Also liebte, verehrte, hörte und spielte der Mensch Albert Einstein die Musik eines Mozart, das lebendige Werk eines Johann Sebastian Bach so sehr, dass ihm jede rationale Erklärung dreist, unvollkommen und zu kurz gesprungen erschien? Ich möchte dies glauben! Ich glaube dies in der Tat.

Schönheit, Liebe, Verehrung, in diesem zeitgebundenen, gleichwohl die Zeit übersteigenden Geschehen der Musik dürfte für ihn eine Wahrheit erscheinen, die jenseits der naturwissenschaftlichen Wahrheit aufragt. Die naturwissenschaftliche Wahrheit mag ihm nur wie ein schwacher Abglanz jener sich ereignenden, nicht wissenschaftlich zu formulierenden Schönheit, jener höheren, mächtigeren Wahrheit der Schönheit erschienen sein. Je länger ich darüber nachdenke, je mehr naturwissenschaftliche und persönliche Texte ich von dem gelinde gesagt sperrigen Mann aus unserem Schwaben lese, desto entschiedener vertrete ich die Überzeugung, dass Einstein nicht vorrangig ein „naturwissenschaftliches Weltbild“ vertrat. Er ließ vielmehr die Musik und die Poesie da einsetzen, wo die Naturwissenschaft nicht weiterkam!

Nicht umsonst zitiert er in seinem Lobpreis Mozarts dem Tone nach und wörtlich seinen so innig verehrten Lieblingsdichter Heinrich Heine:

Du bist wie eine Blume,
So hold und schön und rein;
Ich schau dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.

Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt,
Betend, daß Gott dich erhalte
So rein und schön und hold.

Zitate:
Jürgen Neffe: Einstein. Eine Biographie. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 8. Auflage, Reinbek 2018, S. 337
Heinrich Heine: Sämtliche Gedichte in zeitlicher Folge. Herausgegeben von Klaus Briegleb. Insel Verlag, 7. Auflage, Berlin 2016, S. 195

Bild:
Ein Blick auf den leise wispernden, sozusagen ewig daliegenden Templiner See vor Caputh, beim abendlichen Heimradeln nach dem Sommerfest am 15. Juni 2018

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Glücklich im Schlaubetal: Froschkonzert, Baches Rauschen, Adlerflug

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Mai 252018
 

Eine ungeheure Fülle an Eindrücken für lauschendes Ohr und lugendes Aug, für unbeschuhten Fuß und witternde Nase bot uns die Wanderung durch den sonnenbeschienen Oberlauf der Schlaube am vergangenen Sonntag.  Die Schlaube ist ein geheimnisreicher, weithin unbekannter Fluss, den nur sehr wenige kundige Wanderer dem Namen nach kennen – und noch weniger Menschen zu erreichen wissen. Hier gleich in aller Frühe das Konzert der Frösche im Erlenbruch:

Ein paar Schritte weiter, und silbrig hell sprang uns ein Bächlein entgegen:

Doch damit nicht genug! Hinaufgeschaut, und über dem See an der Kieselwitzer Mühle kreisten zwei Seeadler, auf Beute lauernd, einander folgend im azurenen Himmel, einander umspielend. Dies alles innerhalb weniger Minuten erleben zu dürfen, flößte mir ein ungeheures Glücksgefühl ein, das noch heute anhält, da ich mich dankbar daran erinnere!

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Glücklich im Schlaubetal

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Mai 232018
 

Im Schlaubetal, 20. Mai 2018

[…] „Der abendliche Rundgang um den Wirchensee bezauberte uns. Die Sonne sank als glühender Ball der Götter über die halkyonisch glatte, unergründliche Wasserfläche.“ —

 

„Die Luft war erfüllt von soviel Sanftheit, soviel Wärme, solchem Dämmerschein. Von einem erhöht gelegenen Aussichtspunkt der Jäger genossen wir die unendliche grüne Weite. Überall regte sich huschendes Geraschel, Gezirpe, Vogelschlag erfüllte den Wald. Hier oben, da in den Wiesen, da entspringt glucksend die Schlaube.“ [—]

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Schmerzen lindern, Freude gewinnen, oder: „75% der OPs sind überflüssig“

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Mai 022018
 

Guter Beitrag zum Thema „Orthopädische Operationen“ heute in der BZ auf S. 19! Ein Schmerz-Experte spricht die Wahrheit aus: 75 Prozent aller Operationen, die durchgeführt würden, seien überflüssig. In jedem Fall müsse der Patient die Entscheidung treffen. Ein Arzt, der sage, die OP müsse sein, der liege falsch. Das ist die Meinung des Mediziners Dr. Martin Marianowicz.

Wir fragen: Was tun bei Schmerzen im Bewegungs- und Halteapparat? Mehr noch: Wie lindert oder vermeidet man Knie-, Hüft- und Schulterschmerzen?

Ich meine dazu – hoffentlich im Einklang mit der BZ und Dr. Martin Marianowicz – Folgendes:

Das Wichtigste ist eine gesunde Lebensweise. Diese schließt folgendes ein:

1) Tägliche körperliche Bewegung in maßvoller Stärke auch bei Schmerzen! Öfters wiederholte, bewusst ausgeführte Bewegungen scheinen mir dafür am besten geeignet, z.B. zügiges Wandern in freier Luft bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit über mindestens 1 Stunde, Kanupaddeln einen Nachmittag lang, Radfahren einen Vormittag lang, Schwimmen für 30 Minuten. Garten- und Feldarbeit gelenk- und rückenschonend ausführen!

2) Gesunde, abwechslungsreiche, selbst zubereitete und genußvolle Ernährung, mit hohem Anteil an Gemüse der Saison, Salat, Vollkornbrot und Obst!

3) Ausreichende Kleidung an Rumpf, Füßen und Kopf, die insbesondere nasse und kalte Füße, einen unterkühlten Rumpf sowie allzu viel Luftzug und übermäßige Sonneneinstrahlung am Kopf verhindert!

4) Kein Rauchen! Wenig oder auch ruhig gar kein Alkohol oder sonstige Drogen!

5) In der warmen Jahreszeit häufiges längeres Barfußgehen auf nachgiebigem Untergrund!

6) Ausreichende, ungestörte, ablenkungsfreie Nachtruhe in einem abgedunkelten Zimmer; keinerlei Medienkonsum während der Nachtruhe!

7) Singen in Gemeinschaft oder allein hilft bei fast allem – es löst den seelischen Schmerz, hilft zu besserem Atmen, verbessert die Sprechfertigkeit in allen Sprachen, und es steigert den Glauben an das Gute im Menschenleben.

Wer diese sieben guten Ratschläge, dieses mein ganzheitliches Anti-Schmerz-Programm ein ganzes Erwachsenen-Leben lang weitestgehend befolgt, der braucht sich – so glaube ich – in 75% der Fälle heute keine BZ zu kaufen und hat 1 Euro gespart. Und er spart in 75% der Fälle Behandlungskosten von rund 3000 Euro pro Gelenk.

Quelle:
Was hilft, wenn Knie, Hüfte und Schulter schmerzen? Schmerz-Experte hat einen neuen Heilungsansatz bei Arthrose. In: BZ. Zeitung des Jahres. 2. Mai 2018, S. 19

Buchempfehlung:
Arthrose selbst heilen: Das ganzheitliche Anti-Schmerz-Programm von Dr. Martin Marianowicz und Dr. Willibald Walter, Verlag GU, 2017

Bild:
Genussvolles, ausdauerndes, bewusst geführtes, schmerzfreies Kanupaddeln im Spreewald gestern, zwischen Lehde und Lübbenau! Freude einen ganzen Tag lang!

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Sattes Blau, zartes Grün, kaltes Bad

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Apr 292018
 

Wir haben heute einen herrlichen Ausflug mit Wanderung zum Liepnitzsee bei Wandlitz unternommen, wo ich in das immerhin 12 Grad warme Seewasser eintauchte und 20 Sekunden schwamm! Überall schmückte sich der Wald mit zartem Grün; der Himmel bestach uns am Vormittag mit sattem, tiefem, dunklem Blau, wie man es sonst nur ganz selten im Hochgebirge sieht!

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Edinburgh, die Schöne Europas – vom Arthur’s Seat bestaunt

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Apr 212018
 

Gelb gesprenkelt bieten sich die Flanken des mächtigen Arthur’s Seat unseren Augen dar: es ist der Stechginster, der hier vor den immer noch kahlen Laubbäumen seine üppig schäumenden Blüten austreibt. 251 m ragt der mächtige, vor 350 Millionen Jahren aus Vulkanschlecke erstarrte massige Doppelgipfel über Edinburgh empor. Die Hauptstadt Schottlands zieht europäische Reisende von überallher an! Ich höre während des unschweren, nur 40 Minuten dauernden Aufstieges Italiener, Russen, Spanier, Schweizer, Franzosen in ihren jeweiligen Sprachen miteinander sprechen. Die Italiener versichern einander: „Lì sopra, ci sono pure gli scalini!“ – „Per fortuna!“, werfe ich ein. Gelächter allenthalben! Dieser 251 m hohe Gipfel sollte doch auch von Ungeübten an diesem sonnigen Vormittag des 14. April 2018 wirklich zu bezwingen sein! Und siehe da: Schon nach wenigen Minuten haben wir die von den Italienern angekündigten Stufen erreicht. Von oben winkt unsere erste Gipfelstürmerin herab. „Vittoria, mio core, non lagrimar più!“

Oben angelangt,genießen wir den herrlichen Ausblick auf die Silhouette der Stadt. Hier im Vordergrund unten rechts der Ortsteil Holyrood mit dem Holyrood-Palast, den Überresten der Abtei Holyrood und dem neuen schottischen Parlamentsgebäude. Weit hinten, jenseits der Stadt mit ihren fast 500.000 Einwohnern, in der Mitte des Horizonts, locken die Pentland Hills. Der strahlende Sonnenschein, in dem der Stechginster uns gelb anlachte, hat sich mittlerweile hinter einigen Wolkenschleiern verborgen.

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Wanderers Glück auf dem Caerketton

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Apr 202018
 


Sieh Dich um, Wanderer auf dem Caerketton! Du gehst den Saumpfad auf Berges Grat entlang, der breit genug ist, dass Dir nicht schwindelt. Zur Linken geht es hinunter nach Swanston, dort wo das weiße Cottage hinter noch unbelaubten Bäumen schimmert. Und zur Rechten? Nach rechts, da führt der Weg weiter nach Allermuir. Aber Deine kleine Schar und Du, ihr haltet die Spur; der Wind weht euch von beiden Seiten zu, ihr steht darüber, ihr haltet das Gleichgewicht. Nichts kann euch umkippen, der Widerstand des Windes ist eine Wohltat, ihr haltet die Nase in den Wind. Ihr seid stark, ihr seid unbeirrbar und unschlagbar. Ihr seid – der Clan im Hochland!

Bild: Auf dem Pfad vom Caerkatton Hill Richtung Lothianburn in den schottischen Pentland Hills. Aufnahme des Verfassers vom 16.04.2018

Diese Wanderung wird in diesem schönen Wanderführer beschrieben:
Susan Falconer: Walking in the Pentland Hills. 30 walks in Edinburgh’s local hills. A walker’s guide. Second edition 2016. Cicerone, Milnthorpe. Hierin: Walk 2: In Stevenson’s footsteps, S. 27-30

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Gleitendes Glück auf den Urkräften des Eises

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Mrz 042018
 


Der Schlachtensee bietet eine weite glatte Eisfläche. Sehr früh setzen wir die Kufen ins Eis. Da es nicht geschneit hat, gleiten wir mühelos dahin. Nur lang hingezogene Risse beweisen, welche Urkräfte am Werk sind: das Eis arbeitet unaufhörlich, es atmet mit jedem Zentelgrad. Immer wieder entlädt sich die Spannung in lautem Knallen: Peitschenhiebe des sich dehnenden Eisschildes.

Der Saum der Wälder umkränzt den See. Er wird noch da sein, wenn das Eis längst geschmolzen ist. Doch heute halten wir es fest, das gleitende Glück.

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BIO COMPANY. Gesang im Wald der Lebenden!

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Jan 302018
 

Trübe Gedanken werden weggewischt durch die strahlende Schönheit des Gesanges. Der Gesang im Hochmeistersaal beseligt mich. Das Schubert-Album für eine Singstimme mit Pianofortebegleitung, kritisch revidirt von Max Friedlaender, das brauch ich nur aufzuschlagen und daraus zu singen und ich merke: Ja. Das ist meine Welt. Das ist unsere Welt. Da bin ich in Gesellschaft des Lebens. Und: Immanuel Kant, Werkausgabe Band VI, herausgegeben von Wilhelm Weischedel in der Akademie-Ausgabe. Meine Nachtlektüre. Jede Zeile Kants unterhält mich, erhellt mich, verleiht mir die Zuversicht: Überall sind Leute, mit denen man vernünftig reden kann.

Seitwärts des Überdachs Schatten vor der Rentenversicherung am Fehrbelliner Platz zieht dich an. Ich kehre ein bei der BIO COMPANY: in der Gesellschaft des Lebens.
In den Regalen an den Tischen in der BIO COMPANY liegen Bücher. Ich greife mir einen Band von Ernst Wiechert heraus: Der Totenwald, in einer sorgfältig verarbeiteten Ausgabe des Aufbau-Verlages, erschienen noch zu DDR-Zeiten. Mich berühren die klaren, schmerzhaften Beobachtungen, die er als Häftling im KZ Buchenwald angefertigt hat. Wichtigkeit des Körpers, Unhintergehbarkeit des leiblichen Daseins!

Essen, Trinken, Plaudern, Lauschen. Das ist es! Den Toten schulde ich nichts. Sie sind hinübergegangen. Dem Leben sind wir verpflichtet. Den Lebenden bin ich verpflichtet. „I vivi sono più esigenti“, die Lebenden verlangen mehr von uns. Also bitte. Primo Levi hat recht. Wählt das Leben!

Ich bitte um Leben.

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Neue Zeiten im Gorki-Park

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Jan 192018
 


Moskau verändert sich! Neu angelegte Radwege führen an der Moskwa entlang, bunte Kinder nutzen sie mit ihren Einrädern. Der Gorki-Park lädt zum Flanieren ein. Bei milden 2 Grad plus erschließen wir uns den neugestalteten städtischen Raum. Alles wirkt jetzt offener, einladender, bunter, als ich es in Erinnerung hatte.

Abends drehen wir einige Runden auf unseren Schlittschuhen. Ruhiges Sich-Treibenlassen auf Kufen, es gibt keine Aggressionen, keine Rempler, keine traurigen Gesichter. Alles winkt, alles lächelt. Im Hintergrund ertönt Soulmusik in englischer Sprache. Zuletzt entdecken wir eine Dönerbude, bei der wir Halt machen. Der Chef des Dönerladens stammt aus Berlin und betreibt hier diesen Imbiss. Es schmeckt uns gut.

Bild: Eislaufen im Gorki-Park Moskau, 05.01.2018

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«Не ведали, где мы есть — на небе или на земле». Von der Überzeugunsgkraft des Schönen

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Jan 072018
 

In der altrussischen Nestorchronik wird erzählt, dass Fürst Wladimir von der Kiewer Rus im Jahr 986 zur Einigung seiner noch ungefestigten Herrschaft für seine slawischen Heiden den passenden Glauben aussuchen ließ. In recht moderner Weise veranstaltete er einen öffentlichen Wettbewerb der Glaubenslehrer; er organisierte Übungen zum „Glauben auf Probe“. Wolgabulgarische Muslime, griechische Philosophen, chasarische Juden, römische und byzantinische Christen wurden zum zweistufigen Bieterverfahren eingeladen.

In der ersten Runde, bei der eine Probepredigt je eines Predigers verlangt wurde, setzte sich kein Bewerber durch. Deshalb war die zweite Runde unerlässlich. Hierzu wurden Fachkommissionen in die jeweiligen Verbreitungsgebiete der Religionen geschickt und um gutachterliche Berichte gebeten. Die Expertise fiel eindeutig aus: Das Alkoholverbot und eine gutachterlich konstatierte Freudlosigkeit brachten das Aus für den Islam. Mangel an Schönheit war das Argument gegen den römisch-katholischen Ritus. Auch das Judentum konnte in der chasarischen Spielart nicht überzeugen. Nur der Gottesdienst in Konstantinopel versetzte die Kommissionmitglieder in Entzücken. Voller Begeisterung erzählten sie:

«Не ведали, где мы есть — на небе или на земле». Wir wissen nicht, waren wir im Himmel oder auf der Erde, denn auf der Erde gibt es so etwas nicht zu sehen und keine solche Schönheit, und wir wissen nicht, wie wir davon erzählen können; wir wissen nur, dass Gott dort beim Menschen verweilt.“

Und so kam es, dass Fürst Wladimir den christlichen Glauben 988 durch die Taufe in byzantinischer Spielart annahm, alle slawischen Götzen in den Fluss werfen ließ und allen Untertanen die Taufe befahl. Bis zum heutigen Tag wird die Gründung der russisch-orthodoxen Kirche auf diese sagenumwobenen Ereignisse zurückgeführt.

In dieser legendenhaften Überlieferung, in der merkwürdigerweise die griechischen Philosophen recht sang- und klanglos ausscheiden, tritt etwas von der ungeheuerlichen Vitalität, aber auch dem kultisch-ekstatischen Grundzug des Christentums ans Tageslicht: die Fähigkeit, alle Sinne anzusprechen und in stärksten, ja berauschend, ja bestechend schönen Erlebnissen das kritische Kommissionsmitglied buchstäblich aus den Angeln zu heben, zu überwältigen und einzunehmen.

Das gilt auch heute. Vor allem die überwältigende Stärke und Schönheit des Gesanges trat ansatzweise beim heutigen Weihnachtsfest der orthodoxen Christenheit erneut hervor. Ich feiere es dieses Jahr in Moskau.

Leider kamen wir in der vergangenen Nacht in die Moskauer Erlöserkathedrale trotz langen Anstehens nicht hinein, da kein Platz mehr in dieser Kirche war. „Die Kirche ist wegen Überfüllung geschlossen.“ So die knappe Ansage der Milizionäre. Man sieht erneut: Der orthodoxe Glaube fasst in Russland Jahr um Jahr stärker Wurzeln, so sehr sich die Kommunisten auch 70 Jahre bemühten, ihn zusammen mit anderen Religionen wie ein Unkraut aus der Erde zu vertilgen.

Und so hörte ich subliminal am heutigen Tag etwas von der rauschhaften, ekstatischen Freude nachklingen, die sicherlich heute Nacht auch in den mehrstündigen Gesängen der Priester, Kantoren und Chöre zu erleben war. Ich ahnte sie nur, diese Gesänge, ich summte sie, ich hörte sie nachschwingen.

Wir schließen mit dem russischen Weihnachtsgruß: С Рождеством!

Bild:
Weihnachtliche Straßenszene in Moskau, Puschkin-Platz, aufgenommen gestern

Lesehinweis:
Zur näheren Bekanntschaft mit den angesprochenen Ereignissen sei hier besonders empfohlen:

Wikipedia-Einträge zur Christianisierung Russlands:
https://ru.wikipedia.org/wiki/Крещение_Руси (russisch)
https://de.wikipedia.org/wiki/Christianisierung_der_Rus

„Испытание веp – Die Christianisierung Russlands“, in: Russland in kleinen Geschichten. Erzählt von Natalija Nossowa. Übersetzt von Gisela und Michael Wachinger. Illustriert von Frieda Wiegand. dtv München, 14. Aufl. 2015, S. 34-37

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Blüht, ihr Rosen rot und weiß!

 Freude, Schöneberg  Kommentare deaktiviert für Blüht, ihr Rosen rot und weiß!
Jan 012018
 

Zwei Rosen fand ich heut am Straßenrand, die eine weiß, die andre rot. Achtlos weggeworfen, lagen sie neben dem ganzen Gemülle aus Böllermüll, Raketensprengköpfen, ausgebrannten Pappkartuschen. Kahle Stümpfe grinsten mich an, den Löchern ausgefallener Zähne ähnelten sie.

Wollt ihr mitkommen?, fragte ich die Rosen rot und weiß. Sie sprachen fein: Sollen wir zum Welken auf die Straße geworfen sein? Nein! Mensch, nimm uns mit!

Ich hob sie auf, trug sie nachhause, schnitt sie an und setzte sie in eine Vase. Damit ging ich auf den Balkon, und siehe: Da waren über Nacht zwei Margeriten frisch aufgeblüht. Die lachten mich an und riefen den Rosen zu: Willkommen bei uns, Schwestern!

Dies war heute mein kleines Neujahrswunder.

Die Rosen rot und weiß schenken länger Freude als die Böller laut und schwarz.

Die Margeriten blühen dann auf, wenn Du es nicht mehr erwartest.

Blühe, du neues Jahr, im Zeichen der Rosen rot und weiß. Lacht uns an, Margeriten, zeigt uns den Weg in ein frohes, zuversichtliches Jahr 2018!

 Posted by at 23:12