„Ни армии, ни вмешательства, ни вторжения“, oder: Krieg verhindern!

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März 142014
 

2014-03-02 13.02.56

Schlimme Nachrichten höre ich von den Russen und den Ukrainern, mit denen ich privat spreche. Die Zeichen stehen in diesen Tagen auf Krieg zwischen Russland und Ukraine, wobei Russland meinen Eindrücken nach eindeutig die Rolle des Kriegstreibers ausführt. Die Ukrainer rechnen mit dem Schlimmsten. Moskau setzt offenbar alles daran, durch haltlose Greuel-Propaganda und verdecktes Einschleusen von eigenen Soldaten ins Staatsgebiet der Ukraine Fakten zu schaffen. Moskau wärmt dabei die uralte russische Reichsidee wieder auf: Russland als Herrscher, der Zar als „Friedensfürst“ über die umgebenden Völker.  Die ukrainischen Männer melden sich bereits scharenweise freiwillig zur Armee. Das lässt nur einen Schluss zu: Moskau versucht in diesen Tagen die Ukraine zu demütigen und dann durch militärische Aktionen die eigene Macht zu stärken. Ich meine: Klare Stopp-Signale an Moskau, an Putin, wie sie der Westen und insbesondere die Bundesrepubik Deutschland – Bundestag und Bundesregierung – senden, sind richtig. Ein Krieg dient den Menschen nicht. Die Menschen wollen den Krieg nicht, weder die Russen noch die Ukrainer wollen den Krieg.

Die Ukraine ist ein souveräner Staat. Staaten haben ein Recht darauf, die eigenen Probleme selbständig, ohne Gewaltanwendung von außen zu lösen.

Einer meiner russischen  Gesprächspartner fasste seine Einsichten in russischer Sprache so zusammen: „Украина может и должна самостоятельно разобраться со своими внутренними проблемами. Максимум, который может сделать Россия – принять беженцев, переселенцев, … Все! Ни армии, ни вмешательства, ни вторжения.“

Ukraine kann und muss mit seinen internen Problemen selbständig zurechtkommen. Das Maximum, was Russland leisten kann, ist die Aufnahme von Flüchtlingen und Übersiedlern. Mehr nicht! Weder Armee noch Einmischung noch Invasion sind angesagt.

Bild: vor der Russischen Botschaft Unter den Linden, Berlin, 02.03.2014

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Westliche Nebelstocherer, oder: die EU, die Ukraine und Russland

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Feb. 202014
 

Es zerreißt mir schier das Herz. Ein Todesopfer polizeilicher Gewalt hatten wir schon vor Wochen zu beklagen in unserem ukrainischen Bekanntenkreis. Allerdings erfolgte der mörderische Übergriff nicht in Kiew, folglich wird davon auch nichts berichtet in den westlichen Medien.

Es ist selbst für die in Deutschland lebenden Ukrainer und Russen, mit denen ich spreche, fast unmöglich, im ukrainischen Pulverdampf die Orientierung zu bewahren. Die meisten westlichen Beobachter (Journalisten, Politiker, „Experten“) flattern nur wirr durcheinander. Von den EU-Staaten, ja von der EU selbst kommt wenig Zielführendes. Sie kennen sich schlechterdings nicht aus. Sie stochern im Nebel. Falsch wäre es vom „Westen“, hier in diesen bürgerkriegsähnlichen Zuständen eine „Partei“ zu ergreifen und die amtierende Regierung ersetzen zu wollen. WAS KÄME DENN DANACH? Dieselbe Frage warfen wir bereits beim Thema Libyen, beim Thema Syrien auf. Sie stellte sich in 80er Jahren in Afghanistan, später in Iran, später in Irak.

Da passt  uns gut die Stimme Marina Weisbands in den Kreuzberger Kram: eine der wenigen ernstzunehmenden Stimmen aus Deutschland, die in vielerlei Hinsicht den Nagel auf den Kopf trifft. Marina Weisband muss man in Deutschland unbedingt ernstnehmen:

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/585084/Es-tut-mir-weh-nicht-dort-zu-sein

Die EU-Staaten müssen sich in Ermangelung echter Einsichten in die tatsächliche Lage meines Erachtens für folgendes aussprechen:

1) Für das Rechtsstaatsprinzip. Staatlichkeit bedeutet Rechtlichkeit. An einem Zerfall staatlicher Zustände in Ukraine kann niemand ein Interesse haben.
2) Für die Legitimität der jeweils amtierenden, gewählten Regierung. Dies fällt schwer, aber es ist so. Staaten müssen einander als souveräne Gebilde anerkennen.
3) Gegen Gewalt. Verzicht der Demonstrierenden auf Waffen und auf Gewalt.
4) Für die Freiheit des Wortes. Gewaltfreie Dialogforen schaffen.
5) Recht und Ordnung als Grundlagen des Zusammenlebens anerkennen.
6) Demokratie beruht auf Spielregeln (Gesetzen). Diese Spielregeln müssen für alle gelten. Der Staat hat das Recht, sie durchzusetzen. Politiker müssen sich in Wahlen um ein Mandat bewerben.
7) Frieden für alle, Recht für alle, Freiheit für alle – das sind die obersten Zielpunkte politischen Handelns, nicht Macht, Einfluss, Wohlstand.

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Kriegsgründe erkennen – Kriegsgründe benennen: des Rätsels Lösung

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Apr. 112013
 

Vor drei Tagen fragten wir nach einem unbekannten deutschsprachigen Autor, der durch eine Äußerung hervorgetreten war, die wir nicht umhin kamen rassistisch zu nennen. Wir vermuten: Träte dieser Autor heute etwa in der Humboldt-Universität auf, begäbe er sich heutigentags etwa zum lockeren Plausch in das berühmte Gasthaus Hasir bei uns in der Adalbertstraße, würde er sich etwa in eine der beliebten Talkshows wagen, er würde keine 2 Minuten auf seinem Platz bleiben dürfen. Er würde sofort niedergebrüllt oder rausgeworfen, und zwar unter anderem wegen folgenden Satzes:

„Schon heute vermehren sich unkultivierte Rassen und zurückgebliebene Schichten der Bevölkerung stärker als hochkultivierte.“

Der Name des leibhaftigen Gottseibeiuns: Sigmund Freud.

Sigmund Freud, der bekanntlich vor den Nazis aus Wien floh, würde heute in London nicht mehr aufgenommen.

Zitat:

Sigmund Freud: Warum Krieg?, in: Sigmund Freud: Werkausgabe in zwei Bänden. Band 2: Anwendungen der Psychoanalyse. Herausgegeben und mit Kommentaren versehen von Anna Freud und Ilse Grubrich-Simitis. S. Fischer Verlag, Frankfurt 1978, S. 483-493, hier S. 492

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Apr. 112013
 

2013-04-07 11.17.27

Bitte etwas mehr Differenzierung! Wir Polen/Deutsche/Russen/Juden  sind oder waren nicht alle so, wie ihr denkt … !“ So kann man es immer wieder bei geschichtlichen Debatten hören.

Gestern schlugen Studentinnen (?) und Studenten (?) der Humboldt-Universität bei einer grandios-simplifikatorischen Niederbrüllaktion gegen den Bundesverteidigungsminister vor, man solle einfach Deutschland abschaffen, dann würde auch der Krieg abgeschafft. „Nie wieder Krieg, nie wieder Deutschland!“ verkündeten sie grölend und plärrend, aber auch durch ein deutlich sichtbares Laken (Leichentuch?) gegen Deutschland. Hier kommt das entsprechende Video mit der zitierten Aufschrift:

http://www.youtube.com/watch?v=R65c3s0UjaQ

Könnte man also durch die von den Studierenden beabsichtigte Selbstauflösung Deutschlands zugleich den Krieg weltweit abschaffen? „So einfach ist es nicht!“

„Bitte etwas mehr Differenzierung!“ Tja, wer wollte dem widersprechen! Mehr Differenzierung tut immer gut. Aber daneben gilt es doch auch, das große Ganze in den Grundlinien zutreffend, einigermaßen vollständig zu zeichnen. Wir brauchen auch das holzschnittartige Geschichtsbild!

Ein einigermaßen zureichendes, holzschnittartiges Gesamtbild der europäischen Entwicklungen, wie es etwa in „Unsere Mütter, unsere Väter“ versucht wird,  ist aber ohne Einbeziehung der auf militärische Expansion zielenden Politik der Sowjetunion und auch Polens in den Jahren 1920-1941 nicht möglich.

Und so fällt mir an dieser wie auch an zahlreichen anderen Debatten immer wieder auf, dass das gesamte Schicksal Ostpolens in den Jahren 1919-1941 von den Nichtpolen, darunter offenbar auch vom ZDF, nahezu vollständig vergessen oder schlicht ignoriert wird. Hier, im damaligen Ostpolen bzw. der heutigen Ukraine wurde beispielsweise 1920 ein erbitterter Krieg zwischen Polen und der Sowjetunion ausgefochten, dessen Folgen sich weit in die 40er Jahre hineinschleppten. Polen gewann damals den bis heute historisch nicht völlig aufgearbeiteten Krieg und konnte ganz erhebliche Gebietsgewinne verbuchen.

Im September 1939 wiederum überfiel im Gegenzug die Sowjetunion mit ihren Truppen Polen von Osten her und besetzte die Osthälfte des gemeinsam mit Deutschland unterworfenen Landes. Damit trägt die Sowjetunion ab 1939 eine maßgebliche Beteiligung an der Entstehung der Verkettung all jener militärischen Konflikte, die später, etwa ab August 1941, in grober, holzschnittartiger  Vereinfachung als „2. Weltkrieg“ zu bezeichnen ist.

Erstaunlicherweise sind die Russen sogar heute teilweise immer noch der irrigen Meinung, für sie habe der 2. Weltkrieg erst im August 1941 begonnen. So war es aber nicht. Die Russen waren von Anfang an, ab September 1939  Teilhaber und Spießgesellen  der deutschen Beutezüge. Die Armeen des Deutschen Reiches und der Sowjetunion feierten denn auch ihren gemeinsam errungenen raschen Sieg über Polen am 22.09.1939 in einer großen gemeinsamen Parade in Brest-Litowsk. Deutschland und Russland blieben bis August 1941 enge militärische Partner und Verbündete gegen die Polen, die Briten und die Franzosen. Sowjets und Deutsche standen einander im Ausmaß des gegen die Polen, Juden, Ukrainer und Weißrussen verübten Terrors und der Vernichtung wohl kaum nach.

Ähnlich den Deutschen begingen die Sowjets, also die „Russen“, wie sie damals genannt wurden, schwerste Massenverbrechen: Massenerschießungen, Verschleppungen, Massendeportationen, Ausplünderung von Hab und Gut auf dem eroberten Territorium. Diese gut dokumentierten, aber während der Herrschaft des Kommunismus verleugneten Tatsachen sind bis heute  leider außerhalb Polens und außerhalb der Zunft der Osteuropahistoriker fast unbekannt. Auch in den Massenmedien – etwa bei Filmemachern – scheinen sie überwiegend nicht geläufig zu sein. Ein zureichendes Gesamtbild der europäischen Entwicklungen ist aber ohne Einbeziehung der auf militärische Expansion zielenden Politik Polens und der Sowjetunion in den Jahren 1920-1939 nicht möglich.

via „Unsere Mütter, unsere Väter“: ZDF reagiert auf Polen-Kritik mit neuer Doku – Medien – Tagesspiegel.

Bild: Blick entlang der Topographie des Terrors auf die Wilhelmstraße während des Halbmarathons am vergangenen Sonntag

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Die Botschaft des Ibrahim und des Isâ

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März 172013
 

Aleppo 25122010151

Isâ ben Butrus, so hieß in arabischer Sprache der Stifter und Besitzer des glanzvollen “Aleppo-Zimmers” im Pergamon-Museum zu Berlin. Fünf Mal entdecken wir Maria mit Jesus, zwei Mal den heiligen Georg. Das Opfer Abrahams, oder Ibrahims, wie er auf arabisch heißt, wird ebenso dargestellt wie das letzte Abendmahl Jesu. Isâ ben Butrus war Christ, er gehörte zur blühenden Gemeinde im damals osmanisch beherrschten, heute syrischen Aleppo. Das Zimmer ist eindeutig auf 1009-1012 islamischer Zeitrechnung datiert, also auf 1600-1603 nach Chr.

Aleppo! Haleb! Chalybon!

Eine der ältesten Städte der Menschheit, tausendfach besungen und erwähnt, deren Geschichte sich anhand all der Stücke im Pergamonmuseum als ununterbrochener Faden nacherzähen lässt.

Und heute stellen wir die Frage:

Waffenlieferungen nach Syrien – ja oder nein?

Gerade in diesen Tagen taucht die Frage auf, ob europäische Staaten, etwa Frankreich, das Vereinigte Königreich oder die Bundesrepublik Deutschland Waffen an oppositionelle Kräfte in Syrien liefern sollten.

Die nachstehende Analyse dieser Frage habe ich als einfacher Staatsbürger Deutschlands ausschließlich aufgrund meiner Gespräche mit politisch nicht aktiven Bürgern Syriens sowie verschiedener anderer Staaten des Nahen Ostens und aufgrund des Studiums offen zugänglicher Quellen erstellt und übernehme dafür persönlich die Verantwortung.

1)      Wie in den Nachbarstaaten Irak, Jordanien und Libanon auch verlaufen die Kämpfe in Syrien zwischen unterschiedlichen, verwandtschaftlich, ethnisch und religiös gebundenen Netzen. Es geht allem Anschein nach, so meine ich zu verstehen, in Syrien im Wesentlichen um einen Machtkampf, nicht um einen Kampf für mehr Menschenrechte oder mehr Demokratie. Eine politisch aktive Zivilgesellschaft mit politischen Debatten, mit erkennbaren, einander entgegengesetzten  politischen Grundwerten wie in Israel oder der Türkei existiert in Syrien nicht.

2)      Im Gegensatz zu allem, was man vermuten möchte, bot das herrschende syrische Regime die Möglichkeit eines vergleichsweise liberalen Wirtschaftens, einer vergleichsweise freiheitlichen moderaten Lebensführung, solange der absolute Machtanspruch der syrischen Baath-Partei, der durch wirtschaftliche Gratifikationen und durch die in allen arabischen Staaten flächendeckend vertretene Geheimpolizei durchgesetzt wurde, unangetastet blieb. Ideologisch-religiös  sind die alawitischen Eliten Syriens eher liberal, teilweise offen säkular eingestellt. Die Religion wird als Privatsache angesehen, der wachsende Machtanspruch des politischen Islams wird als Bedrohung empfunden.

3)      Islamistische Gruppen sahen im Gefolge des sogenannten „Arabischen Frühlings“ offenbar auch die Chance gekommen, das ihnen nicht wohlgesonnene Baath-Regime zu stürzen.  Sie haben es anscheinend darauf angelegt, das herrschende Regime zu destabilisieren und durch gezielte, auch gewaltsame Einzelaktionen die ebenso entschlossene, erwartbar brutale Unterdrückung durch den syrischen Machtapparat herauszufordern.

4)      Die Uhr des jetzigen Machthabers scheint abzulaufen.  Der Unterdrückungsapparat hat zu viele Gegenreaktionen der Opposition herausgefordert. Die Spaltungslinien des Bürgerkriegs verlaufen entlang der Grenzen der Verbände der religiös-politischen Denominationen.

5)      Die gesamte politische Landschaft  in Syrien ist im Wesentlichen durch Macht- und Verteilungskämpfe geprägt. Es gibt keine Parteienlandschaft in unserem Sinne, sondern nur Lager, diverse Führungspersönlichkeiten, Clans und Verbände.

6)      Keine der oppositionellen Gruppen in Syrien kann mit Fug und Recht beanspruchen, für mehr Bürgerrechte, mehr Demokratie oder mehr Menschenrechte zu kämpfen. Die oppositionellen Gruppen wollen vielmehr das jetzige Regime stürzen, um anschließend selbst einen möglichst großen Teil der Macht zu erringen.

7)      Gemäßigte Nachfolgeregimes sind in Syrien nicht zu erkennen.

8)      Kein europäischer Staat kann wissen, auf welches Pferd er setzen sollte. Es gibt keine plausible Antwort auf die Frage: Was oder besser wer kommt nach dem Sturz des jetzigen Machthabers?

9)      Von Waffenlieferungen in das Land Syrien rate ich deshalb jetzt und auch weiterhin nachdrücklich ab. Die EU-Staaten sollten sich meines Erachtens nicht in die militärische Auseinandersetzung einmischen.

10)   Sinnvoll ist es, wenn die deutsche Außenpolitik und die  – leider nicht vorhandene  –  EU-Außenpolitik sich konfliktmäßigend und mitfühlend mit den Opfern äußert, das Ende der Waffengewalt fordert, einen friedlichen Übergang befürwortet, die uralte Kulturlandschaft Syriens preist, die furchtbaren Zerstörungen in der Altstadt Aleppos beklagt.

11)   Grundsätzlich aber stehen die am Bürgerkrieg beteiligten syrischen militärischen Kräfte – sowohl die der Regierung wie die der gewalttätigen Opposition – in der humanitären und völkerrechtlichen Pflicht, alle Zivilisten, alle unbeteiligten Menschen der Zivilbevölkerung zu verschonen und ihnen die nötige Versorgung zukommen zu lassen. Insoweit mögen Hilfsangebote europäischer Staaten willkommen sein, sie dürfen aber nicht daran hindern, die Verantwortung der Bürgerkriegsparteien für die eigene Bevölkerung wieder und wieder zu betonen.

12)   Deutschland sollte ebenso wenig wie andere EU-Staaten Partei in der militärischen Auseinandersetzung werden, die – wie bereits festgestellt – um Macht, Ressourcenverteilung und die religiöse, zunehmend islamistische, mutmaßlich nicht mehr zu verhindernde Neuausrichtung des Landes kreist.

13)   Kluge deutsche oder irgendwann hoffentlich entstehende europäische Außenpolitik muss die Machtverhältnisse und die Machtinteressen analysieren und bereits jetzt auf das schauen, was in 3 oder 5 Jahren entstehen wird. Sie darf es sich jetzt mit keiner der später obsiegenden Parteien verderben.

14) Europa sollte also – so meine ich – nach Syrien keine Waffen, sondern die Botschaft des Isâ, wie er im Qur’an (oder des Jesus, wie er auf Griechisch heißt) senden:

Wer das Schwert zückt, wird durch das Schwert umkommen. Tut Gutes denen, die euch hassen.

Der Gott Ibrahims und Mohammeds will nicht, dass Menschenblut fließt.

Foto: Das Aleppo-Zimmer im Pergamon-Museum zu Berlin. Aufnahme vom 25.12.201o

 

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Halleluja! Richard Wagner ist ja doch kein Antisemit הללויה

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März 112013
 

2013-03-06 07.51.40

Zu den beeindruckendsten Erfahrungen meiner Jugendzeit – zugleich Ausweis meiner Geduld  und Leidensfähigkeit – gehörte das mehrmalige Anhören von Richard Wagners Tannhäuser und seines Parsifal im Stadttheater der Vaterstadt Bert Brechts. Mir unvergesslich, da ich weit und breit keinen Gefährten hatte, der dazu bereit gewesen wäre! Auch in Berlin hörte ich vor wenigen Jahren eine der letzten Aufführungen unter dem Dirigat Daniel Barenboims.

In letzter Zeit habe ich mir angewöhnt, Wagner nur noch lesend, summend  und klimpernd aus den Klavierauszügen heraus zu erleben – ich spare dadurch viel Zeit und auch Geld für die teuren Operntickets. Gestern wiederum begnügte ich mich mit dem Anhören einiger Szenen von der CD sowie dem Lesen des Textbuches des Wagnerschen Tannhäuser.

Wir erinnern uns an das, was nachher, nach dem Tannhäuser, geschah: Planmäßig hatte Wagner den Ring des Nibelungen, diesen Versuch, eine Art germanische Ersatzmythologie zu schaffen, ins Scheitern hinein geführt. Der Versuch der germanischen Götter, mithilfe des SCHWERTES und des GELDES eine Art deutschsprachiges Weltenreich zu schaffen, war im Weltenbrand, in der Weltenlohe, im restlosen Untergang aller Beteiligten geendet.

Jeder Wagner-Anhänger kannte und kennt diese Botschaft: der mörderische Kult der nackten Gewalt, der Kult des gemeinsamen Blutes, der raffgierige Kult des schnöden Goldes führt in die Selbstzerstörung. Diese Botschaft ist so eindeutig wie nur irgendetwas in Richard Wagners gesamtem Schaffen enthalten, dass man schon mit Blindheit geschlagen sein muss, sie zu übersehen und zu überhören: „ZURÜCK vom RING!“ Das letzte Wort im Ring des Nibelungen! Schon aus diesem Grunde müssen wir Deutsche unbedingt das Schaffen Richard Wagners pflegen und hegen. Zurück zum Ring!

Eine sehr sinnvolle antirassistische Antifa-Aktivität im Anti-Gewalt-Training wäre es, Richard Wagners Opern im Unterricht der allgemeinbildenden weiterführenden Schulen wieder einzuführen – nachdem Pippi Ephraimstochter Langstrumpfs Taka-Tuka-Botschaft weitgehend entmachtet worden ist.

Ich meine: Sowohl Pippi Ephraimstochter Langstrumpfs Taka-Tuka-Negerkönig als auch Richard Wagners Ring des Nibelungen und sein Tannhäuser sowie sein Parsifal müssen einen festen Platz im antirassistischen Training jugendlicher Gewalttäter  erhalten – ist ja eh billiger als mit viel Steuerzahlergold einen Segeltörn durch die Ost-, Nord- oder Südsee zu machen.

Zurück zum Ring – Zurück vom Ring! Wie geht es weiter? Nun, Wagner kriecht gegen Ende seines Lebens gewissermaßen auf Knien zurück zur  jüdisch-christlich-muslimischen Mitleidsethik, die ihn schon zu Beginn seines Schaffens – im Lohengrin etwa – leitete. Was ist das allerletzte Wort Richard Wagners in dieser seiner letzten Oper, mit der er sich von der Gemeinde der Getreuen verabschiedete? „Erlösung dem Erlöser!“

„Halleluja!“הללויה

Ein hebräischer oder „semitischer“ Jubelruf „Lobet Gott!“ – „Erlösung dem Erlöser!“ ist das letzte Wort, mit dem der Komponist, dessen Werke heute in Israel nur mit größter Mühe zur Aufführung gerechtfertigt werden können, sich von dieser Welt verabschiedet hat. Er unterlegt diesen Ruf mit einer derart hinreißenden, derart gewaltigen Musik, dass man ihr nicht widerstehen kann – und auch nicht widerstehen sollte.

Dies ist die für jeden Mann und jede Frau nachvollziehbare Aussöhnung des scheinbaren Antisemiten, des scheinbar so urdeutschen Dichterkomponisten Richard Wagner aus dem Geiste der Musik im hebräischen WORT.

Nicht das SCHWERT, nicht das GELD, sondern das frei erklingende Wort, das gesungene zusammenführende WORT bringt Frieden und Aussöhnung nach Europa und Israel.

Für ganz wenige Euros gibt’s die Textbücher des großen deutschen Dichters Richard Wagner im Buchhandel und kostenlos im Internet!

Bild:
Wähntest du etwa, dies könnte der Wurzelstrunk
der germanischen Weltenesche sein,
doch ist’s nur der Strunk der mächtigen Kreuzberger Linde,
die halb entwurzelt kürzlich auf unsere Kreuzung krachte!

 

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Die apokalyptischen Reiter der Menschheit kommen aus dem Herzen des Menschen

 Apokalypse, Das Böse, Klimawandel, Krieg und Frieden, Natur  Kommentare deaktiviert für Die apokalyptischen Reiter der Menschheit kommen aus dem Herzen des Menschen
Jan. 152013
 

Reiche, tiefe Einsichten aus den letzten Tagen! „Laut EU und laut Frankreich ist der Klimawandel kurz- und mittelfristig das größte Problem der Menschheit. Wie seht ihr das? Ist Klimawandel eure Hauptsorge?“, so frage ich Freunde aus Syrien. Sie wären fast aus der Haut gefahren! „Bei uns in Aleppo haben sie seit 15 Tagen keinen Strom mehr, die mühsame Wiederaufbauarbeit der GTZ für die uralte Altstadt von Aleppo ist in wenigen Stunden vernichtet worden, hier sind Jahrtausende der Menschheitsgeschichte auf immer verloren worden  – und ihr redet immer nur vom KLIMASCHUTZ und von der ENERGIEWENDE?!“

Nein, nein! Ich meine: Gewalt, Raub, Mord, Krieg, Verlust der Eltern, der Familie, Vertreibung, Gier,  Neid, Hass, Rechtlosigkeit – das sind seit Menschengedenken die apokalyptischen Reiter, das sind auch heute die großen Bedrohungen.

Nicht Weltenrettung durch Klimaschutz ist angesagt, sondern das tägliche Ringen und Kämpfen für das Wohl des Menschen, dem wir begegnen. Eine einzige Bombe in Aleppo zerreißt doch all die wohlgemeinten Anstrengungen zur Rettung der Weltklimas.

Bei meinem Theaterauftritt in „Hör die Stimme der Natur!“ im Ackerstadtpalast sprach ich mich deshalb für den Schutz und die Hege, die Achtung und die Fürsorge für den Menschen aus. Herrlich, wie der Film „Das Leben des PI“ die grausame Unerbittlichkeit der NATUR PUR herausmeißelt!  „Mancher, der glaubte, die NATUR PUR zu schützen, fand sich mit ihr auf einem Rettungsboot und entdeckte, dass sie ein reißender Tiger ist. Bitte fangt mit der Nächstenliebe an! Achtet die Natur im begegnenden Menschen zunächst! Fangen wir doch mal mit dem gesunden, achtsamen, menschenfreundlichen Radfahren an!“ Stolz hielt ich meinen Fahrradhelm ins Publikum. Die Botschaft kam an, die Menschen lachten und lächelten. Die wahre Energiewende ist eine Wende des Herzens!

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Dez. 012012
 

 „On the morning of Sunday 28 June 1914, Archduke Franz Ferdinand, heir apparent to the Austro-Hungarian throne, and his wife Sophie Chotek von Chotkowa and Wognin arrived by train in the city of Sarajevo and boarded a motorcar for the ride down the Appel Quay to the City Hall. There were six vehicles in the motorcade.“

Einen absoluten Kracher erlebte ich gestern, als ich – mehr tastend, mehr probeweise – die Erzählung großen, des überragenden Analysators und Geschichtserzählers Christopher Clark über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs las. Sein fesselnder Bericht über die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gattin Sophie Chotek, enthalten in dem Buch THE SLEEPWALKERS  ist ein HAMMER. MANN MANN MANN, Christopher Clark, du bist ein Genie, an deiner Wiege stand offensichtlich die Muse Klio Patin, allein schon diese meisterliche Einleitung erinnert an den Mann ohne Eigenschaften von Musil!

The previous day had been coool and rainy, but on the morning of 28 June the city was bathed in sunshine.

In seinem Kapitel „Murder in Sarajevo“ kann man packend und mit unbezähmbarer Dramatik die letzten Stunden vor dem Attentat in Sarajevo nacherleben. Im Kugelhagel der Attentäter ging vieles unter, es war in der Tat das Ende eines großen Versuches, eine multiethnische, multikulterelle staatliche Gemeinschaft noch mühselig am Leben zu erhalten, ehe die Furie des Nationalismus sie zum Schafott führte, ehe „über ganz Europa die Lichter ausgingen“.

Ergreifend die Szene, als Sophie Chotek sich mit den muslimischen Frauenvertreterinnen zum Gespräch zurückzieht, wo dann endlich die Muslimas auch ihren Schleier ablegen dürfen. Damals, 1914,  waren wir also in punkto Multikulti in Europa schon weiter als 1990 – wo serbischer und kroatischer Nationalismus am selben Ort Sarajevo (oder auch in Srebrenica) niemals solche Rücksichten genommen hätte, dass die muslimischen Interessenvertreterinnen in einer eigenen, weiblich bestimmten Islam-Konferenz konsultiert worden wären!

Ansonsten kann ich jetzt schon sagen: Clarks magistrales Buch speist sich aus umfangreicher Kenntnis und Neuauswertung  der Quellen. Im Gegensatz zu vielen europäischen Fachkollegen wertet der Australier Clark  nicht nur Quellen und Sekundärliteratur in westlichen Sprachen, sondern auch solche russischer und serbischer Provenienz aus.

Eines wage ich vorauszusagen: Die berühmte, vor allem in Deutschland unterwürfig nachgeplapperte Fritz-Fischer-These, wonach „Deutschlands Griff zur Weltmacht“ hauptursächlich den Ersten Weltkrieg ausgelöst habe, wird sich nicht halten lassen!  Es tritt vielmehr etwas hervor, wofür ich mich in diesem Blog  immer stark gemacht habe: Europa war damals und ist auch heute ein Schauplatz multipolaren Machtstrebens, Russland und die Hohe Pforte (die spätere Türkei) sind die großen großen Unbekannten in den Augen der westlichen, halbseitig blinden, sprachlich oft unzureichend gebildeten Historikerzunft, die zur Zeit noch die Geschichts-Lehrstühle an den Universitäten besetzen.

Bis zum heutigen Tag wird Deutschland und nur Deutschland offen oder unterschwellig die Schuld oder Hauptschuld an allen großen Katastrophen, allen staatlichen Massenverbrechen des 20. Jahrhunderts, die auf den 28.06.1914 folgten, zugeschoben. Ein großer Fehler, ein Irrtum, der sich wie nach 1918 bitter rächen könnte und der auch die Lösung der gegenwärtigen Krise der Europäischen Union verunmöglicht. Frankreich, Russland und noch einmal Russland, Osmanisches Reich bzw. Türkei, Italien, Großbritannien, USA, Belgien … sowie alle anderen europäischen Staaten kochten damals ihre Süppchen und kochen auch heute ihre Süppchen in einem Kessel, dessen Temperatur mehrere Male den Siedepunkt überschritt. COOL IT DOWN!

Das gilt es zu erkennen, das müssen die europäischen Historiker und auch die Politiker allmählich durchschauen lernen. Allmählich, allmählich. Wenn sie  es denn wollen und sich selbst durch Autopsie der Quellen einen Einblick erarbeiten, wie es eben Christopher Clark in herausragender Weise vorgemacht hat. Das kann natürlich nicht gelingen, wenn man die Quellen der damaligen Zeit nicht oder nur selektiv zur Kenntnis nimmt.

Christopher Clark: Murder in Sarajevo. In: The Sleepwalkers. How Europe went to War in 1914. Penguin Books, London 2012 [hier zitiert nach der Kindle/Amazon-Ausgabe, Pos. 6976=51% ff.]

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Aug. 262012
 

Zło jest w nas – dies scheint mir eine sehr taugliche Friedensformel für die Aussöhnung zwischen Menschen und Völkern. Ich übernehme sie von dem Polen Leszek Kolakowski, einem marxistischen Philosophen und Professor.

Das Böse ist in uns und lauert jederzeit an der Schwelle. Ungefähr so steht es auch bereits in den alten Büchern, etwa im Buch Genesis der Bibel. Kain, der seinen Bruder aus Neid tötete, wurde zum Stammvater des Menschengeschlechts.

Warum tötete Kain? Nicht weil er verführt wurde, sondern weil das Böse in ihm hervorstieg.

Das Böse, so sagen es Kolakowski und vor ihm bereits das erste Buch der Bibel, wohnt in uns. Es gehört zum Menschen.

Einen Menschen, der das Böse in sich nicht kennt und nicht anerkennt, den würden wir wohl unvollständig nennen.

So fährt ja auch Jesus  – laut Markusevangelium Kap. 10,17-18 – einem Mann recht unwirsch über den Mund, als dieser ihn „guter Meister“ nennt. Jesus weist es ausdrücklich zurück, gut genannt zu werden. Er weiß auch vom Bösen. Nur der Mensch, der auch von Missetaten etwas weiß, kann in vollem Sinne Mensch genannt werden.

Hier das Zitat im Original, entnommen dem Interview  „Kołakowski: Religia nie zginie“ in der Zeitung Dziennik, 21. März 2008:

Prof. Kołakowski dla DZIENNIKA:

O upadku utopii doskonałego społeczeństwa: Zło jest w nas i to jest jeden z powodów, bo nie jedyny, dlaczego świata doskonałego nie można zbudować, dlaczego te nadzieje okazały się próżne. To nie oznacza, że nie można różnych rzeczy ulepszać. Doskonałości jednak nie osiągniemy.

„Über den Zusammenbruch der Utopie/der Utopien der vollkommenen Gesellschaft: Das Böse ist in uns, und das ist einer der Gründe, wenngleich nicht der einzige, weshalb eine vollkommene Welt nicht aufgebaut werden kann, und warum sich diese Hoffnungen als vergeblich erwiesen haben. Das bedeutet nicht, dass nicht Verschiedenes verbessert werden könnte. Die Vollkommenheit werden wir jedoch nicht erreichen.“ Übersetzung aus dem Polnischen: Johannes Hampel
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Sind Kommunismus, Sozialismus, Faschismus, Nationalismus keine Meinungen, sondern Verbrechen?

 Gedächtniskultur, Krieg und Frieden, Staatlichkeit, Unverhoffte Begegnung  Kommentare deaktiviert für Sind Kommunismus, Sozialismus, Faschismus, Nationalismus keine Meinungen, sondern Verbrechen?
Aug. 192012
 

Soeben schlenderte ich, vom Sonntagsgottesdienst in St. Bonifazius kommend, am Rathaus Kreuzberg vorbei. Schon von weitem empfängt mich ein Meer roter Fahnen, ein großer Bus ist quergestellt, laute Trillerpfeifen ertönen, Sirenen heulen auf, zahlreiche Polizisten versuchen, dieses Meer roter Fahnen, den Bus mit der Aufschrift „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ zu schützen.

Laute Trillerpfeifen, große Fahrzeuge, rote Fahnen mit oder ohne Symbole – das waren Merkmale der beiden Sozialismen des 20. Jahrhunderts, des marxistischen Sozialismus der Räterepubliken, etwa der Sowjetunion, und des nationalen Sozialismus der anderen Staaten, etwa des Deutschen Reiches, der ungarischen, slowakischen, rumänischen Republik. Verwandte Bilder, beklemmend!

Ein paar Schritt weiter sehe ich eine Versammlung von Menschen mit der Deutschlandfahne. Sie stehen für Deutschland. Hier stehen also viele rote Fahnen des Sozialismus gegen einige wenige Deutschlandfahnen. Die Polizei schützt die vielen roten Fahnen und die wenigen Deutschlandfahnen. Sie versucht, die Verteidiger der Sozialismen mit den roten Fahnen von den Verteidigern der Deutschlandfahnen fernzuhalten.

Ich schlendere hindurch und mache mir Gedanken. Und formuliere die Frage, die ihr oben lest.

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Was ist besser: direkte Geldzahlungen oder Sachleistungen?

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Juni 202012
 

Soll man den Familien mit Kindern das Geld vertrauensvoll direkt in die Hand drücken, vertrauensvoll direkt Geld aufs Konto überweisen – oder ihnen stattdessen Sachleistungen wie etwa Kita-Betreuung, Bildungsgutscheine, Förderung in Familienzentren, Teilnahme an Sprachkursen und Ausflugsfahrten usw. anbieten?

Heute wie damals eine erregte Debatte, gerade im Zusammenhang mit dem Betreuungsgeld! „Wir müssen den Eltern vertrauen!“, sagen die einen. „Wir müssen vor allem in Sachleistungen, in Bildung und Betreuung investieren!“, sagen die anderen. Wer hat recht?

Gut erinnere ich mich noch an erregte Debatten in den Jahren 1990/1991. Viele Menschen guten Willens, vor allem die Grünen, empörten sich damals, dass an Asylbewerber Gutscheine statt Geld ausgegeben wurden. Das sei diskriminierend. Nicht Unterkunft, Essen, Schulbildung und medizinische Versorgung brauchten die Flüchtlinge, sondern bares Geld, um endlich eigenständig zu wirtschaften.

So kamen damals etwa 200.000 Menschen als Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Durchgangsland Libanon zu uns, viele auch nach Neukölln und  nach Kreuzberg, etwa nach Kreuzberg-West. Es waren die berühmten „Libanesen“. Dies war die Gründungsgemeinde unserer seither auf ein Vielfaches angewachsenen neuen arabischen, kurdischen und palästinensischen Gemeinden. Ein nachträgliches „Willkommen!“ rufe ich ihnen zu.

Sagt an: Haben euch die Gutscheine geschadet? Fühltet ihr euch diskriminiert, als man euch kein Bargeld in die Hand drückte, sondern euch nur Obdach, Kleidung, Essen, Schule für die Kinder und medizinische Versorgung gratis gewährte?

Ich meine: nein, es war nicht diskriminierend. Heute empfangen die damaligen Bürgerkriegsflüchtlinge selbstverständlich keine Gutscheine für Nahrung und Lebensunterhalt, sondern leben überwiegend als Sozialhilfeempfänger in Wohnungen, erhalten vom Staat bares Geld zum menschenwürdigen Leben, haben zu großen Teilen die Staatsbürgerschaft erhalten und werden nicht mehr mit Gutscheinen benachteiligt. Zurückgegangen ins Herkunftsland ist nach dem Ende des Kriegs im Mai 1991 fast niemand von den Flüchtlingen. Doch werden gern Bräute zum Heiraten aus der früheren Heimat nachgeholt.

Das eigenständige, selbstverantwortliche Wirtschaften mit dem in bar bar ausgezahlten Geld des Staates ist längst Realität geworden. Das bedeutet also: Statt das Geld nur für Lebensmittel auszugeben, können die Eltern das Geld für Lesestoff, für Vorlesebücher, für Sportvereine und für Sprachunterricht ausgeben. So wollten es die Benachteiligtenanwälte damals.  Und so ist es gekommen.

Leidenschaftlich fordert auch heute wieder das Deutsche Institut für Menschenrechte, den Flüchtlingen keine Gutscheine, sondern mehr bares Geld auszuzahlen. Denn nur so könnten sie das Geld beispielsweise für Lesestoff für die Kinder statt für Lebensmittel ausgeben. Zitat aus dem Tagesspiegel von heute:

„Das Menschenrechtsinstitut kritisiert neben der geringen Höhe der Zuwendungen – die nicht nur für Asylbewerber, sondern auch für Bürgerkriegsflüchtlinge und in Deutschland nur „Geduldete“ gelten – auch das sogenannte „Sachleistungsprinzip“ als Verstoß gegen Menschenrechte. Das AsylbLG schreibt vor, vorrangig kein Geld, sondern etwa Lebensmittelpakete an die Flüchtlinge zu geben. Damit verhindere es aber, dass sie an Lebensmitteln sparten, um dafür zum Beispiel ihre Kinder mit Lesestoff zu versorgen.“

Die vielen Lesebücher, die man mit dem bar ausgezahlten staatlichen Geld kaufen kann, sprechen nach dem Willen des Instituts für Menschenrechte eindeutig dafür, den Hilfesuchenden nicht Unterkunft, Essen, Sicherheit und medizinische Betreuung anzubieten, sondern bares Geld.

http://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlinge-in-deutschland-selbst-zum-leben-zu-wenig/6772480.html

Ich meine: Das bare Geld ist und bleibt ein Magnet allerersten Ranges für Menschen aus wirtschaftlich schwachen Gebieten, bei uns Wohlstand und Versorgungssicherheit zu suchen.

Allerdings zeugen die Ratschläge des Instituts für Menschenrechte von einer großen, ja fast grotesk zu nennenden Realitätsferne. Wieso sollten Menschen ohne jede deutsche Sprachkenntnisse ihr Geld in Vorlesebüchern für Kinder anlegen? Sie tun es nicht.

Ich sage: Nein. Die Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge brauchen vorrangig kein bares Geld, sondern vorrangig Unterkunft, Kleidung, Essen, medizinische Versorgung, Integrations- und Sprachkurse. Sie brauchen vor allem Sachleistungen. Geldleistungen des Staates in bar zur komplett eigenverantwortlichen Bestreitung des Lebensunterhaltes sind ein Übel, sind kontraproduktiv.

Vor allem aber müssten die Asylbewerber  vom ersten Tag an arbeiten müssen und arbeiten dürfen, ihr Bargeld müssten und sollten sie ausschließlich durch legale Arbeit verdienen dürfen, etwa durch 1-Euro-Jobs.

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März 132012
 

Der eine oder andere gütig geneigte Leser mag sich noch an jene Aufzählung von Pflichten und Verboten erinnern, die das früher einmal christliche Europa als die „Zehn Gebote“ kannte. Man findet sie bei einigem Suchen noch in der Hebräischen Bibel, also auch in dem Alten Testament der Christen. Die zehn Gebote sind noch nicht ganz außer Mode, auch wenn sie jeden Tag hunderttausendfach übertreten werden.

Die zehn Gebote, die teilweise Ergebnisse von Lebensweisheiten sind, richten sich an den einzelnen Menschen. Beispiele, an die manche der älteren Leser dieses Blogs sich noch erinnern mögen, sind: „Ehre deinen Vater und deine Mutter“, „du sollst nicht morden“, „du sollst nicht  stehlen“, „du sollst nicht Falsches gegen deine Nächsten aussagen“, „du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren“  usw. usw.

Biblischer Glaube besagt: Würdest du diese hier aufgezählten wenigen Gebote und Verbote einhalten, dann ginge es dir und den deinen besser. Wer diese Gebote verletzt, schadet anderen und letztlich auch sich selbst. Wenn niemand mordet, lügt und stiehlt, geht es dir und den deinen besser. Wenn du Vater und Mutter pflegst und hegst, geht es dir und den anderen besser.

Biblischer Glaube besagt: Nicht das Eigentum ist böse, sondern das Stehlen des Eigentums. Nicht das menschliche Leben ist böse, sondern die Vernichtung des menschlichen Lebens, der Mord. Nicht das Privateigentum ist böse, sondern der Diebstahl.  Nicht die Sprache ist böse, sondern das Reden in der Absicht, anderen zu schaden, die Lüge.

Eine andere Ethik, man könnte sie Kollektivethik nennen, predigt John Lennon in seinem bekannten Lied IMAGINE.  Das Lied wurde kürzlich im Konzerthaus auf dem Festakt der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt gespielt. Ein klares Bekenntnis Deutschlands zum Gedanken der Kollektivethik?

Lennon stellt sich eine gute Welt vor, eine Welt ohne Staatsgrenzen, ohne Eigentum, ohne Religion, ohne den Himmel der Werte. Dann – so predigt John Lennon – wird alles gut. Nicht der menschliche Wille wählt für  John Lennon das Böse, sondern die Trennung in Länder, die Trennung in Mein und Dein, die Religion. Staatlichkeit, Religion, Besitz sind die Ursachen des Bösen. Durch Abschaffung von Staatlichkeit, Religion und Besitz entfällt der Grund zum Bösen. Das Paradies kann anbrechen. So ähnlich dachte wohl auch John Lennon persönlich.

Man darf weiterdenken: In einer John-Lennon-Welt ohne Eigentum, ohne Religion, ohne Nationalitäten werden die Menschen gut sein. Es wird keinen Mord, keinen Raub und keine Lüge geben.

Durch die Abschaffung von Eigentum, Religion, Nation und Staatlichkeit bricht das Reich des ewigen Friedens an. Es gibt keinen Grund mehr, irgendetwas Böses zu tun. Alles wird gut.

JOHN LENNON lyrics – Imagine
Imagine there’s no heaven
It’s easy if you try
No hell below us
Above us only sky
Imagine all the people
Living for today…

Imagine there’s no countries
It isn’t hard to do
Nothing to kill or die for
And no religion too
Imagine all the people
Living life in peace…

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Feb. 272012
 

„Guten Tag, ich bin ihr Besuchsleiter. Hier auf diesem Gelände haben uns die Hitleristen gefangen gehalten“.

An meine erste Führung durch ein KZ erinnere ich mich gut. Es war Mitte der 70er Jahre. Zusammen mit einer Reisegruppe des Augsburger BDKJ besuchte ich Polen. Damals erwarb ich meine spärlichen Polnischkenntisse, die ich bis heute pflege.

Was der Überlebende des KZ Majdanek berichtet, war schwer erträglich. Die Schläge, die Quälereien, die unmenschliche Behandlung,

Aber „Hitleristen“? Darf man so einen Ausdruck verwenden? Damals hatte die DDR mit viel Aufwand es vermocht, den „Faschismus“ als Spätphase des Kapitalismus zu beschreiben. Jede Personalisierung wurde abgelehnt. Nur bei „Stalinismus“ drückte man ein Auge zu. Der XX. Parteitag der KPdSU fand es heraus: Nur Stalin und der Stalinismus hatte die Millionen und Abermillionen von Menschen umgebracht, alle anderen Kommunisten ab Lenin bis hin zu Ulbricht und Stoph waren folglich unschuldig.

Es ist spannend, an den verschiedenen Gedenkstätten des Grauens in Europa die Bezeichnungen zu lesen! Mal waren DIE DEUTSCHEN – les Allemands – die Urheber alles Bösen, dann wieder die Hitlerfaschisten, dann die Faschisten, dann die Nazideutschen, i nazisti tedeschi,  usw. usw. Immer waren die anderen die Bösen, fast immer waren die Deutschen und nur die Deutschen die Bösen. Und so ist es bis heute geblieben.

Das in den Medien entstehende Bild der Jahre 1917-1956 ist in hohem Maße verzerrt. So weiß beispielsweise kaum jemand, dass die Zahl der im inneritalienischen Bürgerkrieg Gefallenen in den Jahren 1943-1945 weit höher ist als die Zahl der von den deutschen Nazifaschisten getöteten Italiener. Der ebenfalls blutige, erbitterte  griechische Bürgerkrieg von 1946 bis etwa 1956, der Griechenland zu einem gespaltenen Land machte, ist fast völlig vergessen, und weithin unbekannt ist die innige Waffenbrüderschaft der deutschen Nazifaschisten und der ruhmreichen Sowjetarmee, die am 22.09.1939 in Brest-Litowsk in einer gemeinsamen, lächelnd-waffenstarrenden Triumphparade der Nationalsozialisten und der Kommunisten gipfelte (Video).

Aber seit jenen ersten Gesprächen mit einem ehemaligen Insassen des KZ Majdanek weiß ich, dass es schwierig ist, alle Schuld den Deutschen zu geben, zumal ja die Sowjetunion zeitgleich mit den Nazis ihre Nachbarn Polen, Lettland, Estland, Litauen, Finnland, Rumänien ebenfalls mit Angriffskriegen, Lagersystem, staatlich gedecktem Massenmord und blutiger Verfolgung quälte. In den genannten Ländern gab es häufig nur die Wahl zwischen Stalinismus und Hitlerismus. Ein drittes gab es oft nicht.

Ich weiß es genau von den Überlebenden und aus der Literatur: Freiwillige Nazis gab es unter allen Völkern Europas, also auch unter den Norwegern, Schweden, Finnen, Polen, den Russen, den Ukrainern, den Letten, Griechen, Tschechen, Italienern, Ungarn und Litauern. Aus vielen Ländern, unterworfenen und nicht besetzten, wurden Freiwilligenverbände gebildet, die Seit an Seit mit den deutschen Nazis kämpften, folterten und töteten. Von 1933- 1945 hielten sie zu Hitler. In diesem Sinne durfte man später international von Hitlerismus sprechen, und in der Tat war früher der Ausdruck Hitlerizm unter den ehemaligen polnischen KZ-Insassen durchaus gang und gäbe. In der Lagerhierarchie standen die Deutschen zwar oben, aber danach kamen gleich die unzähligen Handlanger und Verbündete, die HitleristenHitler’s willing executioners.  Die Kapos, die entscheidende Stütze des Lagersystems waren fast nie Deutsche, sondern Angehörige anderer Nationen.

Freiwillige und überzeugte Nazis gab es 1933-1945 überall, und selbstverständlich gab es damals und gibt es auch heute russische Nazis und russische Neonazis. Man sollte sich also über das Wiederaufleben der Nazis in den ostdeutschen Ländern (früher DDR) und Russland nicht wundern, zumal der Schuljugend in der Sowjetunion und der DDR das Blaue vom Himmel heruntergelogen wurde.

Freiwillige Kommunisten gab es ebenfalls überall, und zu Zeiten Stalins waren sie fast alle entschiedene Befürworter der Repression, des Gulags und der brutalen Ausmerzung der „fremdvölkischen“ Eliten, wie sie Russland etwa 1939 in Polen vollzog. Erst nach 1956 kam der Ausdruck Stalinismus in Mode.  Ein Bert Brecht, ein Nazim Hikmet hätten sich dagegen verwahrt, als Stalinisten bezeichnet zu werden. Sie waren Kommunisten und Marxisten, und sie unterstützten ohne Zweifel die Kommunistische Partei der Sowjetunion unter der Führung des großen, ruhmreichen Führers Stalin. Als Stalinisten würde ich Brecht und Hikmet dennoch nicht bezeichnen, obwohl sie die Sowjetunion bereisten und sich ein Bild von der „stalinistischen“ Repression machen konnten – hätten machen können.

Der Ausdruck Hitlerismus ist ebenso falsch oder richtig wie der Ausdruck Stalinismus.

Staunenswert aber, dass ausgerechnet diese beiden erklärten Kommunisten, Bert Brecht und Nazim Hikmet  bei der Gedenkfeier im Berliner Schauspielhaus vor wenigen Tagen mit ihren Versen als Kronzeugen des Kampfes gegen neonazistische Gewalt zitiert wurden!

 Posted by at 18:10