Apr. 202009
 

Gestern erlaubte ich mir die Bemerkung, die CDU sei die Partei der „bildungsfernen Schichten“. Das war natürlich überspitzt, zumal es gerade unter den Spitzenleuten der Union viele Menschen mit Doktortitel gibt. Aber der Besuch des taz-Kongresses in den vergangenen zwei Tagen zeigte doch, dass die Musik der Akademiker heutzutage weitgehend außerhalb der Unionsparteien spielt. Immerhin war mit Wolfgang Schäuble ein namhafter Vertreter der Unionsparteien geladen, und die Reaktion im Saal habe ich so erfühlt: „Der Mann hat völlig recht, auch wenn er von der CDU ist.“ Aber die eigentlichen Debattenthemen kann die Union nicht setzen. Der Zentralbegriff der ganzen Veranstaltung war Verantwortung – eigentlich ein Kernbegriff der CDU/CSU. Auch hier hat sich die Union offenbar die Diskurshoheit abnehmen lassen. Die taz ist nunmehr – unter diesem Leitbild der Verantwortung – weder eine linke noch revolutionäre Zeitung mehr, das wissen sie auch längst. Der herausragend gut besetzte taz-Kongress spiegelte vielmehr den Hauptstrom des bürgerlich-gesitteten Tischgesprächs wider. Sie, die taz, ist eine Zeitung der Töchter und Söhne der bürgerlichen Mitte. Während die Väter und Mütter des bürgerlich-gesitteten Tischgeprächs die Nase weiterhin in Zeitungen wie etwa FAZ, Süddeutsche oder Berliner Zeitung  stecken.

Ganz wichtig: Die lokale Berliner CDU muss sich wegbewegen von einer Politik der heruntergezogenen Mundwinkel, von einer Politik des Ressentiments. Unter Ressentiment meine ich hier den Appell an negative Grundhaltungen, Haltungen der Mißgunst, des Neides, des Schlechtredens, der Verteufelung. Re-Sentiment – das heißt ja: Eine Re-Aktion in den Gefühlen auslösen, und zwar eine vorwiegend negativ besetzte Reaktion. Das Grau der Antipathie herrscht dann vor. In einem Ruf lässt sich diese Haltung zusammenfassen: „Tu nix – es bringt nix!“

Erfolgreiche Politik arbeitet mit Zuversicht, mit den bunten Farben der Sympathie und Ermutigung. Sie äußert sich in Aktionen, nicht in Reaktionen, also in positiven, nach vorne gerichteten Botschaften. In einem Grundwort: „Tu was – du kannst was!“

Hier noch ein empirischer Beleg aus der Morgenpost vom 17.04.2009 für meine gestrige Behauptung:

Berlin-Trend – SPD baut Vorsprung vor der CDU wieder aus – Berlin – Printarchiv – Berliner Morgenpost
Die Daten verdeutlichen einige gravierende Probleme der CDU. Die Partei kommt nicht nur im Ostteil schlecht an, sondern bei jüngeren Leuten generell. Erst in der Altersgruppe 45 bis 60 überspringt die CDU die 20-Prozent-Marke, bei der Generation 60 plus liegt sie dann mit 33 Prozent vorn. Entsprechend der Altersstruktur ihrer Wählerschaft liegt die CDU auch unter den Eltern schulpflichtiger Kinder mit 19 Prozent deutlich hinter SPD (25) und Grünen (22) zurück. Unschön für die CDU ist ein weiterer Befund. Unter den besser gebildeten Berlinern fällt die Union durch. Bei Menschen mit Abitur oder Fachhochschulreife, die die Mehrheit der vielen Zuzügler in die Stadt stellen, kommt die CDU gleichauf mit der Linken nur auf 18 Prozent. Bei den Hochgebildeten rangiert abermals die SPD mit 25 vor den Grünen mit 24 Prozent.

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Apr. 102009
 

„Die politische Klasse hat unser Wahlsystem in eigener Sache derart pervertiert, dass die Abgeordneten gar nicht mehr vom Volk gewählt werden, wie es das Grundgesetz verlangt. Wen die Parteien auf sichere Plätze setzen – und das ist oft die große Mehrheit der Abgeordneten -, der ist lange vor der Wahl praktisch schon „gewählt“, bloß eben nicht von den Bürgern“ (S. 42).

Mit diesen Worten zitierten wir am 02.07.2008 den Juristen Hans Herbert von Arnim. Bundespräsident Köhler hat in seiner Paulskirchenrede ebenfalls Änderungen im Wahlrecht gefordert. Thomas de Maizière wiederum sprach treffend von der „Feigheit“ der Politiker, nennt unser heutiges föderales System gerne ein System der organisierten Verantwortungslosigkeit. (Dieses Blog berichtete am 31.03.2009). Ihr seht: Die Meinungsfreiheit steht in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur auf dem Papier. Jede und jeder darf seine Kritik öffentlich aussprechen – auch jene, die selbst führend am Funktionieren des Systems beteiligt sind. Das ist schön!

Aber kaum jemand führt eine derart offene Sprache wie Peter Gauweiler: „Wir haben vor Feigheit gestunken„, wird er in Spiegel online zitiert. Mit diesem Diktum fasst er seine Beobachtungen über das Verhalten der Bundestagsabgeordneten, deren einer er selbst ist, zusammen.

Er habe den Eindruck, „dass Abgeordnete, die eigenständig über das eigene Land reden wollen, nicht mehr erwünscht sind“, so der Bundestagsabgeordnete.  „Was mich beunruhigt, ist, dass das Funktionieren im System so kritiklos hingenommen wird. Das gefährdet die Demokratie.“

„Das Funktionieren im System wird kritiklos hingenommen.“ Gauweiler beklagte insbesondere, dass die Fraktionsführung der Union bei wichtigen Themen, etwa der Abstimmung über die Erbschaftsteuerreform, massiv Druck auf Abweichler ausgeübt habe. „Da wurden bis zum Schluss Abgeordnete, die ihr abweichendes Votum bereits angekündigt hatten, in einer Weise geknetet und gedreht, dass es einem schlecht werden konnte.“

Duckmäusertum, Stromlinienförmigkeit, Bequemlichkeit – diese Haltungen seien vorherrschend. Eine Kontrollfunktion übe das Parlament nur unzureichend aus. Er schlägt deshalb – wie dieses Blog am 27.03.2009 – eine Stärkung der Direktkandidaturen vor, ja der bajuwarische Rebell möchte die Listenwahl ganz abschaffen.

Ich meine dazu: Wir brauchen dringend eine Rückbesinnung auf die klassische Gewaltenteilung. Das Parlament als Gesetzgeber, die Regierung als ausführende Gewalt, die Justiz als richtende Gewalt: das sind die „drei Gewalten“, die voneinander weitgehend unabhängig handlungsfähig sein müssen. Der deutsche Bundestag ist jedoch in der Tat über weite Strecken zu einem Akklamationsorgan, zu einer Mehrheitsbeschaffungsmaschine für die Regierung verkommen. Allein die Zahl der Gesetzesinitiativen des Bundestags ist in der laufenden Legislatur im freien Fall begriffen, alle wesentlichen Vorlagen kommen von der Regierung. Die Fraktionen haben fast keine Kraft, eigene Vorstellungen streitig durchzusetzen. Insofern gebe ich Kritikern wie Gauweiler, von Arnim oder de Maizière recht.

Mein Eindruck ist: Die Parteien sind insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland viel zu mächtig geworden. Die verfassungsmäßige Gewalt der Legislative ist mittlerweile insgesamt viel zu schwach, weil sie mit der Regierung über die weit stärkeren Parteien verkoppelt ist.

Woran liegt das? Wie lässt es sich ändern?

Man stelle sich vor, jemand strebte in das Parlament, der genau dies zu seinem Programm erhöbe: Stärkung der drei voneinander unabhängigen Gewalten, Machteindämmung der Parteien, Ertüchtigung der Legislative, stärkere Kontrolle der Regierung durch das Parlament, insbesondere mit dem heiligen Recht jedes Parlaments, nämlich dem Budgetrecht! Würde so ein Kandidat Erfolg haben? Er müsste ja bei einer Partei anklopfen und sagen:

„Bitte stellt mich auf! Denn ich habe etwas Schönes vor: Ich möchte die Vormachtstellung der Parteien auf ihren grundgesetzlich vorgesehenen Mitwirkungscharakter einschränken! Ich möchte, dass die Abgeordneten – wie im Grundgesetz vorgesehen – ausschließlich den Interessen des Volkes und dem eigenen Gewissen verpflichtet sind, und ich werde deshalb in allen wesentlichen Fragen keine Anweisungen von euch  annehmen. Ich will dich, die Partei, und die anderen Parteien, zu guten, also zu schwächeren Parteien machen. Bitte stellt mich auf!“

Wie wird die Partei auf so etwas reagieren? Antwort: Sie wird es vermutlich gar nicht so weit kommen lassen. Ein solcher Kandidat wird es nicht einmal bis zum Anklopfen schaffen. Überall haben in den oberen Führungsgremien der Parteien die loyalen, altgedienten Parteisoldaten das Sagen. Die Hauptfrage lautet für die Parteien zumeist: Wie erringen wir mehr Macht für uns? Auf wen können wir uns dabei verlassen?

Fundamentalkritiker wie Peter Gauweiler, Thomas de Maizière, Horst Köhler oder Hans Herbert von Arnim mögen gut reden – aber stets im Nachhinein. Sie haben eine Fülle von Beobachtungen gesammelt und können es sich aus der errungenen Stellung heraus leisten, auch recht hart mit ihren Standesgenossen ins Gericht zu gehen. Hätten sie Ähnliches bereits zu Beginn ihrer Karriere vom Stapel gelassen, sie wären gar nicht erst so weit gekommen. Schade für das Ganze!

Wird Peter Gauweiler noch je einmal in ein Parlament kommen in diesem Leben? Ich bezweifle es. Würde ich eines Besseren belehrt – dann machte ich einen Luftsprung.

Trotzdem gut, dass es noch tapfere, aufrechte Menschen wie ihn gibt.

Ich selbst habe übrigens in diesem Blog etwas eingeführt, was euch merkwürdig anmuten mag: Ich nenne bei Politikern fast nie die Parteizugehörigkeit. Ist es euch aufgefallen? Denn jeder Politiker muss für das einstehen, was er sagt. Verantwortung ist immer persönlich.

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Feb. 182009
 

In der BBV ging es gestern um die Marchlewskistraße – benannt nach Julian Marchlewski, zusammen mit Rosa Luxemburg ein Herausgeber der ersten polnischen sozialdemokratischen Zeitschrift.

So musste ich danach unbedingt zur Diskussionsveranstaltung mit Vera Lengsfeld, Halina Wawzyniak, Manfred Scharrer, Manfred Wilke hechten! Ich kam etwas zu spät, kriegte aber doch noch das meiste mit. Beachtlich fand ich das Podium: alle sprachen zur Sache, niemand bemühte sich, einen billigen Punktgewinn auf Kosten anderer einzufahren, und sogar im Publikum regte sich die eine oder andere Stimme, die die Bereitschaft zu erkennen gab, eigene Positionen und Vorurteile zu überdenken.

Allerdings waren im Publikum diese nicht so festgelegten Stimmen in der Minderheit. Egal, auch Rosa Luxemburg vertrat eine winzige oppositionelle Splittergruppe innerhalb der damaligen Arbeiterbewegung, sie gewann bei den Wahlen sogar noch weniger Stimmen als selbst die CDU in Friedrichshain-Kreuzberg – trotzdem sprechen wir heute noch über sie.

Halina Wawzyniak sagte auf die Gretchenfrage nach Revolution und Sozialismus sinngemäß: „Einen Sozialismus, wie ich ihn wünsche, hat es bisher noch kein einziges Mal gegeben.“ Das hat Dubcek fast wortgleich 1968 damals in Prag verlauten lassen. „Einen  Sozialismus, wie wir ihn wollen, hat es bisher noch nicht gegeben.“ Ganz oft habe ich das schon gehört: „Das war alles kein Sozialismus, wie wir ihn wollen, was wir bisher erlebt haben! Wir müssen es endlich einmal richtig probieren!“

Man könnte auch sagen: Das war alles kein realer Sozialismus, sondern … ja was?  –  ein irrealer Sozialismus, das alles, was in 60 Ländern weltweit schon ausprobiert worden ist. Aber fast alle Sozialisten sind bisher mit genau diesem Versprechen aufgetreten: WIR machen jetzt aber alles ganz anders – besser!

Was würde Karl Marx zu so einer Aussage sagen? Vermutlich würde er entgegendonnern: „Abstrakt-idealistisches Denken, undialektisch, man kann einen Begriff nicht von seiner Wirklichkeit trennen.“ Was würde Rosa Luxemburg dazu sagen? Mir fällt ihr Ausspruch ein. Er steht in ihrer Artikelserie Sozialreform oder Revolution? aus der Leipziger Volkszeitung von 1898. Sinngemäß lautet er: „Man kann im Geschichtsbüffet nicht heiße Würstchen und kalte Würstchen auswählen.“ So glaube ich im Gefolge Rosa Luxemburgs: Entweder man ist für den Sozialismus, das schließt ein, das man ihn in seinen bisherigen Erscheinungsformen grundsätzlich bejaht, so unvollkommen diese auch gewesen sein mögen.

Oder man lehnt den bisherigen Sozialismus ab – und dann wird man es sehr schwer haben zu begründen, weshalb die Wähler einem Zutrauen entgegenbringen sollten, dass es diesmal besser klappt.

Meine Vermutung: Die Linke macht noch einmal den Prozess durch, den die SPD vor ihrem Godesberger Programm durchlief – das Sich-Lossagen vom Klassenkampf, von der Diktatur des Proletariats. Sie könnte zu einer sozialdemokratischen Partei vor Godesberg werden, etwa im Sinne der Sozialreformer wie Eduard Bernstein, gegen die Rosa Luxemburg so erbittert kämpfte.

Solange sie aber an Karl Marx, an Rosa Luxemburg festhält, wird man auch annehmen dürfen, dass sie zum gegebenen Zeitpunkt die „Umwälzung aller Verhältnisse“ herbeiführen will. Man kann das Systemwechsel nennen oder auch Revolution.

Aber sind Karl Marx und Rosa Luxemburg für Die Linke noch maßgebliche Vorkämpfer? Die Frage blieb gestern in meinen Augen unbeantwortet.

Manfred Scharrer hob in aller Deutlichkeit hervor: Luxemburg bekämpfte auf Biegen und Brechen die neu entstandene Weimarer Republik. Sie wollte den Bürgerkrieg.

Vera Lengsfeld: „Für mich ist Freiheit der übergeordnete Wert, Gerechtigkeit ist mir zu unklar.“

Es war spannend, ein Abend, der geprägt war durch große Fairness auf dem Podium und eine hochinteressante Zusammenstellung an klugen Menschen. Bitte mehr davon!

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Zugpferd ackert weiter für verlängerte Lebensarbeitszeit

 Das Gute, Ey Alter, Friedrichshain-Kreuzberg, Grünes Gedankengut, Parteienwandel, Sozialstaat  Kommentare deaktiviert für Zugpferd ackert weiter für verlängerte Lebensarbeitszeit
Jan. 282009
 

Für einen auf dem Markt wirklich erfolgreichen Politiker halte ich Hans-Christian Ströbele. Er ist einer der ganz wenigen deutschen Politiker, die sich selbst einen hohen Markenwert erarbeitet haben, diesen bewusst pflegen und immer wieder ins Gedächtnis rufen. Dazu gehört nicht zuletzt der rote Schal und ein kluges Gespür für den jeweiligen Brennpunkt der Kameras. Gegen ihn kann in Berlin bei den Grünen niemand ankommen. Also meldete sich gestern klugerweise bei der Nominierung auch kein Gegenkandidat. Und seine Partei? Der Berliner Kurier berichtet heute:

Liebling Kreuzberg – Berlin – Berliner Kurier
Seine Partei ist ihm dafür sehr dankbar, sieht ihn als Zugpferd in Berlins „grünstem Bezirk“, in dem sie den Bürgermeister stellt und zwei der fünf Stadtratsposten besetzt.

Bei der Nominierung gestern Abend im Haus der Demokratie gab es keinen Gegenkandidaten. Dort sollte Ströbele aufgestellt werden – knapp 830 Grünen-Mitglieder aus dem Wahlkreis 84 Friedrichshain-Kreuzberg / Prenzlauer Berg Ost waren wahlberechtigt.

Sind alle so begeistert von ihm? Nein – es gibt mindestens eine Frau, die ihm ganz öffentlich die Leviten lesen will. Wir zitierten ja bereits vor drei Tagen aus dem umfassenden „Sündenregister“, das die Direktkandidatin der Linken gerade erarbeitet, und das sie auch freundlicherweise ins Netz der Netze gestellt hat. Hier kommt des Sündenregisters zweiter Teil. Es liest – die Zeugin der Anklage Halina Wawzyniak:

Es wirdin diesem Wahlkampf darauf ankommen die Erinnerung an die Rot-Grüne
Regierungszeit wieder ins Gedächtnis zu rufen. Die Erinnerung daran, dass es
die Rot-Grüne Bundesregierung war, die völkerrechtswidrige Angriffskriege
wieder salonfähig gemacht hat und die Rot-Grüne Bundesregierung die Hartz IV –
Gesetze eingeführt hat um nur zwei Beispiel zu nennen.  Rot-Grün hat die Spaltung der Gesellschaft inArm und Reich massiv vorangetrieben und auch Hans Christian Ströbele hat diesen Kurs im Wesentlichen mitgetragen.[…]

Auch in dem wir Hans-Christian Ströbele immer daran erinnern, dass
er von der Grünen Partei im Wahlkreis aufgestellt worden ist. Er muss sich
deshalb auch die Kommunalpolitik der Grünen zurechnen lassen.
Und
deshalb muss man immer wieder betonen, dass man die Grünen dazu tragen musste,
endlich eine Lösung für das Problem Bethanien zu finden und an ihre
wechselvolle Position in der Frage des Spreeraums erinnern.

Wir halten fest: Als Haupteinwände gegen Ströbele formuliert die Kandidatin der Linken seinen Wankelmut, seine Zugehörigkeit zur Grünen Partei, die die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben habe, die Passivität der Grünen, die sich trotz ihres Zugpferdes zur Arbeit tragen lassen müssten, und die Unterstützung der Grünen bei völkerrechtswidrigen Angriffskriegen. Letztlich wirft sie ihm in einfachen Worten ungefähr vor: „Er ist überhaupt kein Linker, sondern er tut nur so. Eigentlich ist er nur ein ganz normaler Grüner.“

Ob diese Strategie aufgehen kann? Ist Ströbele kein Linker? Das wäre ja schrecklich in diesem so linken Wahlkreis! Dann müssten all die Linken jemand anderen wählen! Wer käme da in Frage? Großes Fragezeichen! Wir bleiben dran mit unserem Blog! Ich selbst - muss Hans-Christian Ströbele loben. Ich finde, es ist ihm hoch anzurechnen, dass er sich nicht aufs Altenteil abschieben lässt. Denn wir sollten uns alle darauf einstellen, dass wir länger und härter arbeiten müssen - gerade in Zeiten von Hartz IV. Ströbele liefert ein klares Bekenntnis zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit, zu den Grundsätzen, auf denen auch die Hartz-IV-Gesetzgebung beruht.  Und das ist gut.

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Quakendes Graswurzel-Geunke

 Parteienwandel, Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für Quakendes Graswurzel-Geunke
Jan. 212009
 

Ja hat sich denn alles mit diesem Blog verbündet? Der Graswurzelblogger reibt sich die Augen – als wollten sie sein Geraune und Geunke bestätigen, verhalten sich die Parteien nach den hessischen Landtagswahlen genau so, wie er es gestern vorausgeahnt hatte.

Mutmaßung 1 von gestern: „Die Parteiapparate der SPD und der CDU werden angesichts schwindender Zustimmung durch die Wähler noch stärker mit internen Revierstreitigkeiten beschäftigt sein, die Binnenzwistigkeiten werden sich verschärfen“, – und einen Tag nach dieser Vorhersage wird gemeldet: Der CDU-Fraktionschef im brandenburgischen Landtag tritt Knall auf Fall zurück. Dabei hatte man doch das Kriegsbeil schon hoch und heilig begraben! Als Begründung führt er mangelnden Rückhalt in der Partei an. Wir lesen im Tagesspiegel:

Acht Monate vor der Landtagswahl muss Brandenburgs CDU einen neuen Fraktionschef suchen: Amtsinhaber Thomas Lunacek ist am Dienstag zurückgetreten, nachdem er unter der neuen Landesvorsitzenden Johanna Wanka bei der Aufstellung der Landesliste ausgebootet worden war. Der 44-Jährige begründete seinen Schritt mit dem fehlenden Rückhalt in der Partei, der im Wahlkampf jedoch nötig wäre. „Es war mir nicht möglich, das Amt mit Kraft und Autorität weiterzuführen“, sagte Lunacek, der bei der Bekanntgabe seines Entschlusses befreit wirkte.

Mutmaßung 2 von gestern: Die beiden großen Parteien werden sich weiterhin selbst beschädigen, z.B. durch tiefschürfende, überwältigend frische Analysen wie etwa „Eine bürgerliche Mehrheit ist möglich“, „Wer Merkel will, muss CDU wählen“, „Kanzlerin Merkel ist unser Angebot an den Wähler“, oder: „Wir sind die bürgerliche Partei der Mitte“, und was dergleichen wohlfeile Sprüche mehr sind. Hier ist jedoch eine Ergänzung angebracht: CDU und SPD beschädigen nicht nur sich selbst, sondern stärker noch – soweit sie in der Koalition gebunden sind – einander. Nach dem alten Muster: Wir haben alles richtig gemacht, die anderen sind an allem schuld. Generalsekretär Hubertus Heil attackiert im Hamburger Abendblatt schon mal vorsorglich die Bundeskanzlerin Merkel:

Abendblatt:

Der Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner schreibt: „SPD wählen heißt Beliebigkeit, schlimmer: völlige Ungewissheit wählen“ …

Heil:

Fehlendes Profil kann Herr Schöppner eher bei der Union feststellen. Da gibt es zwischen den Verstaatlichungsfantasien des Herrn Rüttgers und den wirtschaftsradikalen Vorstellungen, die Herr Merz bei vielen in der Union hinterlassen hat, sehr viel Unklarheit. Bei Frau Merkel ist es ja so: Jeder glaubt sie zu kennen, aber keiner weiß wirklich, wofür sie steht. Die SPD ist klar aufgestellt.

Und auch mit unserem gestrigen Lob für den Wahlkämpfer Al-Wazir stehen wir nicht allein – denn heute reißen sich die Bundesgrünen um ihn. Der Spiegel berichtet:

Für Al-Wazir spricht: Er kann eigentlich alles. Öffentlich sprechen, scharf analysieren, führen und zusammenführen. Ein Realo, der auch mit den Parteilinken kann. Ein geborener Fraktionschef eben.

Was lernen wir daraus? Ich werde ab der nächsten Wahl im Jahre 2009 jeweils am Vorabend eine gefühlte Graswurzel-Prognose zum Wahlausgang geben. Den allgemeinen Trend glaubte ich gestern bereits zu erwittern:

a) Die beiden großen Parteien werden durch eigenes Zutun – nicht wegen der Großen Koalition – verlieren. b) Die drei kleinen Parteien werden gewinnen, und zwar um so stärker, je mehr sie sich nicht nur auf die Schwächen der großen verlassen, sondern auch ihr eigenes Profil durch die geeignete Kandidatenauswahl in Richtung auf eine Bürgerpartei des neuen Typs verbreitern. Musterfall hierfür: Tarek Al-Wazir.

Sind solche Vorahnungen unabwendbar? Nein. In der Politik ist kaum etwas mit großer Sicherheit vorhersagbar. Allerdings meine ich behaupten zu dürfen: Wahlen werden immer stärker durch die Persönlichkeit der Spitzenkandidaten und durch das richtige kommunikative Verhalten entschieden.

 Posted by at 17:54
Jan. 202009
 

Freude, Freude, Freude allenthalben nach der Wahl in Hessen! Wir bescheinigten am 16.11.2008 in diesem Blog der jüngsten Generation von Grünen-Polikern, dass sie ihre Partei zielstrebig von einer Akademiker- und Elitepartei, die sie derzeit ist, zu einer kleinen, aber feinen Bürger- und Volkspartei umwandeln wollen. Das Bild der Bürgerschreck-Partei wird abgestreift, die Grünen werden erwachsen. Die gestrige Wahl in Hessen hat gezeigt: Ja, sie können es! Unter dem betont seriös, zugleich jungenhaft auftretenden Tarek Al-Wazir konnten sie ihren Stimmenanteil bei den Bürgern binnen eines Jahres nahezu verdoppeln. Al-Wazir finde ich ausgesprochen sympathisch, und er hat im Wahlkampf keine Fehler gemacht, sondern erfolgreich die grünen bürgerlichen Stammwähler mit den neubürgerlichen Wählern vereint. Deshalb: Freude bei den Grünen!

CDU und FDP freuen sich ausweislich der Stellungnahmen ihrer Spitzenleute wie die Schneekönige, dass die ersehnte „bürgerliche Mehrheit“ zustande kommt und träumen schon von ihrer bevorstehenden Hochzeit im Bund. Dass die CDU sogar binnen eines Jahres noch einmal 45.949 Bürgerstimmen verloren hat, trübt die Vorfreude nicht, denn es kann als sehr wahrscheinlich gelten, dass die CDU weiterhin stärker als die FDP bleibt und deshalb auch die Bundeskanzlerin stellen wird. Und „Merkel ist unser Angebot an die Wähler“, so hat es Herr Öttinger ja vor einigen Monaten gesagt. Da die FDP ja doch wohl in jedem Fall Frau Merkel mittragen wird, denkt sich der Wähler: „Wir müssen Frau Merkel ein wirksames Korrektiv und eine echte Unterstützung an die Seite stellen, zumal einige CDU-Landesfürsten schon öffentlich mit den Hufen scharren. Deshalb wählen wir FDP.“

Um 13 % weniger bürgerliche Stimmen vereinte die SPD auf sich. Dies zeigt die starken Beharrungskräfte der bürgerlichen Wähler, denn die SPD-Wähler in Hessen stehen als gute Bürger zu ihrer Partei, nur die Wechselwähler lassen sich durch erwiesene Unfähigkeit verprellen. Deshalb müsste auch in der SPD große Freude ob der Treue dieser 23% herrschen! Also, Bürgerinnen und Bürger: Freut euch doch ein bisschen!

Die Linkspartei darf sich ebenfalls freuen, denn sie konnte ihren Stimmenanteil ausbauen, obwohl es im Laden wegen interner Querelen und einiger Austritte kräftig gerummst hatte. Die anderen bürgerlichen Parteien werden – so steht zu erwarten –  sich weiterhin von der Linkspartei zum nächsten Schwächeanfall treiben lassen.

Was lernen wir daraus? Die Schwäche der CDU und der SPD  ermuntert die kleineren, also die notgedrungen lernfähigen Parteien, sich zu mausern und zu wandeln. Statt immer nur auf die eigene Klientel zu starren, haben es FDP, Grüne und Linkspartei geschafft, auch für neue Wählerschichten attraktiv zu werden. Das Parteiensystem steuert erkennbar auf ein 5-Volksparteien-System zu. Statt von einer Krise, von einem Herbst der Volksparteien zu sprechen – wie es etwa Franz Walter tut – spreche ich lieber von einem Wandel der Klientelparteien. Ich glaube, das Modell „Klientelparteien“ wird schwächer – Hessen lehrt dies. Was kommen wird, ist das Modell „Bürgerpartei“, das derzeit einen echten Frühling erlebt. Die Bürgerpartei ist offen für alle Bürger, die Bürgerpartei hört zu, in ihr mischen die Bürger kräftig mit, die mächtigen Parteiapparate werden gestutzt.

Der langfristige Trend wird – so meine ich – weitergehen: SPD und CDU schwächen sich selbst weiterhin, da bei abnehmenden Wählerstimmen die internen Ressourcenverteilungskämpfe an Härte noch zunehmen. Seitdem SPD und CDU immer weniger Posten und Mandate zu vergeben haben, werden sie immer stärker durch interne Machtkämpfe absorbiert. Es kracht sozusagen immer häufiger im Gebälk. Die Parteiapparate gewinnen dadurch paradoxerweise an innerparteilicher Macht, je schwächer sie beim Wähler dastehen. So deute ich jedenfalls die unerhört heftigen Binnenzwiste, die allein in den letzten 12 Monaten diese beiden Parteien immer wieder erschüttert haben und wohl auch weiter erschüttern werden – ich nenne nur die Namen Junghanns, Clement, Pflüger, Schmitt, Beck.

Die drei kleineren Volksparteien können von dieser fortgesetzten Selbstbeschädigung der SPD und der CDU profitieren, indem sie das tun, was die beiden größeren Volksparteien verlernt haben: Sie erzählen ihre Geschichte, ihren Parteikern so um, dass sie auch für frische Wählerstimmen anziehend werden.

Die CDU-Spitze hat sich offenbar auf den tollen Slogan verständigt: „Eine bürgerliche Mehrheit ist möglich!“

Was für eine starke, was für eine treffende Analyse! Auch ich meine: Da unsere Bürger unter 5 Bürger- und Volksparteien auswählen können, werden sich immer 2 oder 3 bürgerliche Parteien finden, die dann die Mehrheit bilden. Das ist die berühmte bürgerliche Mehrheit.Voilà!

Personen werden in diesem Wettbewerb der Bürgerparteien wichtiger als die Lagerzugehörigkeit des vergangenen Jahrtausends. Proletarier, Protestler, Lumpenproletariat, Adlige, Sozialhilfeempfänger, Spießbürgerliche, Kleriker – sie alle werden ihre Kreuze bei derjenigen der 5 bürgerlichen Parteien machen, die sie am Wahltage am meisten überzeugt. Der Hausbesitzer, der von Hartz IV lebt in Pankow, wird eher die Linkspartei wählen, der Hausbesitzer in Kronberg/Taunus, der von satten Prämien lebt,  eher die FDP. Aber das sind historisch zu erklärende Zufälle.

Meine Prognose für das Superwahljahr 2009 lautet also: SPD und CDU werden weiter verlieren, wenn sie nicht erkennbar und deutlichst umsteuern. Die drei anderen Volksparteien werden jede für sich und auch insgesamt zulegen.

Heute wird Obama vereidigt. Was hat er gemacht? Wie konnte er einen so überwältigenden Wahlsieg holen, und zwar mit und in der ältesten amerikanischen Volkspartei? Eines ist klar: Er macht es völlig anders als unsere deutschen Parteien – von Anfang an sprach er alle an! Er ließ sich nicht auf eine Revierbeschränkung ein wie unsere mutlosen deutschen Parteistrategen. Er erzählte von seinen Werten, die die amerikanischen Werte sind. Er sprach zu allen und mit allen. Er hörte zu. Und dann – erzählte er dasselbe noch einmal, aber mit anderen Worten. Dann hörte er wieder zu. Dann erzählte er. Er erzählte seine Geschichte. Es ist eine Geschichte, die jede und jeder so erleben kann. Er erzählte seine Werte. Es sind Werte, denen jede und jeder zustimmen kann. Und irgendwann – hörten die Leute ihm zu. Und ganz zum Schluss – wählten sie ihn. Auch darüber – herrscht Freude.

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Leitbild Lernende Volkspartei

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Okt. 262008
 

Dieses Bild nahm ich heute am Dienstgebäude des deutschen Bundestages auf. Es zeigt ein Gewirr von Käfigen, Gerüsten – lauter einzelnen kleinen Gefängniszellen. Ein Durchbruch, eine echter Neuansatz ist hier nicht möglich. Man müsste hier gründlich ausräumen, um sich wieder frei bewegen zu können. Ist dies eine Installation? Ist es ein Sinnbild für eine ausweglos verfahrene Situation?

Wie dem auch sei, ein ausgewiesener Kenner der Berliner CDU, Werner van Bebber, veröffentlicht heute wieder einen Hintergrundbericht zur Lage dieses Landesverbandes:

Wer ist die Berliner CDU?

Johannes Hampel antwortet:

Kompliment, Herr van Bebber, für Ihre zutreffende Außenansicht! Ich ergänze aus der Innensicht eines CDU-Mitglieds: Wichtig ist jetzt, dass die drei großen Lager innerhalb von Berlins CDU das alte Freund-Feind-Denken überwinden. Jedes dieser Lager hat genug Munition gesammelt, um jeden beliebigen Kandidaten der beiden anderen Lager vor der Wahl zu beschädigen und nach der Wahl alsbald „abzuräumen“, wie das CDU-intern genannt wird. Und sie tun dies bereits jetzt nach Kräften über die verschiedenen Büchsenspanner in der Presse. Es ist ein zerstrittener Kindergarten. Aber Berlins CDU kann mehr! Die zahlreichen Splittergruppen und Kleinstparteien in diesem Landesverband, die oftmals nur aus einer einzelnen Person bestehen, müssen ebenfalls wieder in die Mitte der Partei zurückgeholt werden. Wie? Durch ein gemeinsames neues Leitbild. Das Leitbild der Lernenden Volkspartei. Im Zentrum der Parteireform: Neue, gut funktionierende interne Kommunikation. Dinge wie ein Intranet, eine echte Mitgliederzeitschrift, regelmäßige Treffen der Ortsvorsitzenden gehören dazu. Kommunikationstraining anbieten! Die Konzepte liegen bereit, teilweise seit Jahren. Auf der Ebene der Ortsvorsitzenden und der Mitglieder gibt es zahlreiche Talente, Fachleute aus der Zivilgesellschaft und aus anderen Landesverbänden, die darauf brennen, dass ihre Erfahrung endlich abgerufen wird. Frank Henkel leistet als Fraktionsvorsitzender gute Arbeit und ist nach eigenem Bekunden ausgelastet. Die Fraktion und der Landesvorstand haben sich in der Misere der letzten sieben Jahre und in der Krise der letzten sieben Monate als überfordert erwiesen. Die jetzigen Nummer 1 bis 7 des Landesverbandes scheinen dies zu wissen. Jetzt müssen andere Frauen und Männer nach vorne, und zwar von ganz „unten“, von „außen“ und von „innen“. Denket um! Eine gute Partei gelingt gemeinsam. Johannes Hampel (CDU-Mitglied, Friedrichshain-Kreuzberg)

 Posted by at 13:51
Sep. 292008
 

 Einer der aufschlussreichsten Wahlabende seit langem liegt hinter uns. Befund: eindeutig.  Sowohl in Bayern als auch in Brandenburg als auch in Österreich haben die jahrzehntelang im Sattel sitzenden Parteien zusammen gegenüber den vergangenen Wahlgängen hohe Verluste eingefahren. In Bayern hat es die CSU trotz bester wirtschaftlicher Daten nicht geschafft, die Zeichen der Zeit zu vernehmen. Die überzeugende personelle und inhaltliche Erneuerung, das beständige Nachjustieren am kommunikativen Auftreten – eine Daueraufgabe für jede Partei – glaubte man sich offenbar schenken zu können.

Bester Beweis für diese Versäumnisse war erneut der Auftritt der Generalsekretäre im ARD-Fernsehen. Wie schon seit Jahren vernahm man keine neuen Einsichten, obwohl doch das sensationelle Ergebnis in Bayern geradezu danach schreit, mal den Fehler bei sich selbst zu suchen. Die alte misstönende Leier vom „bürgerlichen Lager“, das in sich konstant geblieben sei, darf uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bindekraft des Lagergedankens noch einmal schwächer geworden ist. Die Deutschen und die Österreicher, also das Volk, wählen von Mal zu Mal das Lagerdenken erneut ab, aber die Volksparteien merken es nicht. Außer einem Hubertus Heil, aber der hatte gestern auch nichts zu lachen, sondern war eher grimmig drauf. Grotesk!

Für die CDU Brandenburg hat sich offenbar das seit Jahren zerstrittene Auftreten als Misserfolgsfaktor erster Ordnung bewahrheitet. Erneut zeigt sich: Zerstrittene Parteien, die es nicht schaffen, die richtigen Leute auf die richtigen Plätze zu stellen, werden in Zeiten der schwindenden Parteientreue besonders hart bestraft.

Die Regierungspartei brach in Bayern ein, die größte Oppositionspartei verlor ebenfalls. Die Wähler schwimmen den Volksparteien davon. Die Wähler machen sich, statt sich nur verzweifelt die Haare zu raufen, eigene Parteien – wie die Freien Wähler. Man kann es ihnen nicht verdenken.

Was können die Parteien in anderen Bundesländern lernen? Ich meine dreierlei:

1. Wir brauchen beständig hinhörende, beständig werbende, beständig sich erneuernde, beständig lernende Parteien. Dies gilt besonders für die Volksparteien CDU und SPD. Erbhöfe gibt es nicht mehr.

2. Zerstrittene Parteien, die mehr mit sich selbst als mit Sachthemen beschäftigt sind, werden unerbittlich bestraft. Hier gilt es, zwischen den Wahlgängen die parteiinternen Prozesse so umzugestalten, dass größere Betriebsunfälle kurz vor den Wahlen zuverlässig vermieden werden.

3. Die Wähler schätzen es nicht, wenn man den schwarzen Peter ständig weiterschiebt. „Die große Koalition ist schuld!“ „Der Stoiber muss wieder her!“ Usw. usw. Die Suche nach dem Sündenbock läuft wie ein Marathon in Fortsetzungen. Aber die Wähler wollen reinen Wein eingeschenkt bekommen. Die Funktionäre scheinen dem Strom hinterherzuschwimmen, statt ihn aktiv zu lenken. Das Floß treibt im Strudel. Mehr und mehr Stämme lösen sich ab. In einer solchen Lage gilt es, mit eigenen Konzepten hervorzutreten, den Wandel zu gestalten, statt ihn ohnmächtig zu erleiden.

Ein herrliches Denkbild schenkte uns – wie in diesem Blog berichtet –  am 8. Mai 2008 Thomas de Maizière: Er erzählte die Geschichte von den drei Kindern, die in einem Zimmer herumtoben, bis eine kostbare Vase zerbricht. Die Eltern schauen herein und fragen: „Was ist passiert? Wer hat diese Vase zerbrochen?“ Alle Kinder sagen: „Ich war es nicht!“

Sie weigern sich, eigenes Fehlverhalten einzugestehen – obwohl die Gesetze der Physik dagegen sprechen.

Unser Bild zeigt einen weiteren Eindruck vom laufenden Volk. Gestern aufgenommen.

Interaktiv: Die Wahlergebnisse in Bayern – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik

 Posted by at 08:32
Sep. 192008
 

Nachdem ich heute Unter den Linden den bösen Slogan hörte „Schmidt muss weg. Lauterbach auch!“, muss ich aber nun endlich einige gute Nachrichten aus den Volksparteien zusammentragen. Niemand sollte sie – die Volksparteien  – so in Grund und Boden schreiben, wie das in den letzten Tagen in einigen Blättern, in den Medien geschah. Und leider war auch dieses Blog nicht frei von allerlei kritischen Betrachtungen.

Nein – nein – nein, es ist vieles sehr gut in den Volksparteien Berlins. Beweise? Hier kommen sie:

Beweis 1: Tamara Zieschang, stellvertretende Ortsvorsitzende einer Volkspartei,  setzt sich in Berlin-Mitte für  konkrete Belange von Bürgern ein: gegen Drogenhandel am Weinbergspark, für eine Schule in fußläufiger Nähe, für eine neue Kunsthalle. Bitte mehr davon, Frau Zieschang! Der Tagesspiegel berichtet:

Politik als Dienstleistung? Nicht nur, aber auch. Wer sich als Bürger in Mitte engagiere, der mache in der Bezirksverordnetenversammlung „parteiübergreifend“ eine Erfahrung, sagt Tamara Zieschang: Ablehnung. „Was wollen denn diese Bürger hier? Die sollen sich bitte mal schön hinten anstellen.“ Politik – das bedeutet für Zieschang, die Interessen der Bürger aufzunehmen und umzusetzen, ob es nun um eine Schulgründung geht oder um Verkehrsberuhigung im Kiez.

Graswurzeldemokratie

Beweis 2: In unserem Heimatbezirk führt eine Volkspartei eine Mitgliederbefragung zu den Bundestags-Direktkandidaten durch:

Die SPD Friedrichshain-Kreuzberg und die Abteilungen der SPD im Prenzlauer Berg werden ihren Bundestagskandidaten in einer gemeinsamen Mitgliederbefragung bestimmen. Im Zeitraum vom 14. Oktober bis 12. November 2008 werden drei Kandidaten sich und ihr Programm in sechs Veranstaltungen vorstellen, bei denen die Mitglieder ihr Votum abgeben können.

„Jetzt haben die Mitglieder das Wort“, sagte der Kreisvorsitzende der SPD Friedrichshain-Kreuzberg, Dr. Jan Stöß. „Wir haben drei starke Kandidaten, die gut zu unserem bunten, vielfältigen Wahlkreis passen. Durch das Mitgliedervotum wird jedem Mitglied eine Stimme gegeben und Politik aus dem Hinterzimmer herausgeholt. Ich freue mich auf spannende Diskussionen und einen inspirierenden Wahlkampf,“ so Stöß weiter.

Ich meine: So etwas sollte man nicht vorschnell als „Kampfkandidatur“ bezeichnen. Ich spreche lieber von „Wettbewerbsdemokratie“.  Bitte mehr davon! Und die Chancen gegen den bekannten grünen Meister Ströbele? Was sagt einer der drei Kandidaten, Björn Böhning?

„Wenn man keine Chancen sieht, braucht man nicht anzutreten. Ich sehe gute Möglichkeiten für die SPD, diesen Wahlkreis zu holen, der vielfältiger ist, als es die Grünen je sein werden.“

Gut gebrüllt, Björn Böhning, toi toi toi!

Beweis 3: Christoph Wegener, ein weithin unbekanntes Parteimitglied einer Volkspartei, erklärt, am heutigen Abend, während wir dies schreiben, gegen den eigenen Landesvorsitzenden bei der Bewerbung um den Platz des Direktkandidaten antreten zu wollen. Er begründet dies mit „parteischädigendem Verhalten“ seines Vorsitzenden.

Vor zwei Tagen erklärte überraschend der 41-jährige Unternehmer Christoph Wegener, er trete gegen Schmitt an. Wegener begründete seine Kandidatur mit Schmitts Verhalten in dem beispiellosen Machtkampf um die Parteiführung in der Berliner CDU. „Leuten, die parteischädigend agieren, müssen Alternativen zur Seite gestellt werden“, sagte Wegener.

Dies werte ich als Beweis: Innerparteiliche Demokratie ist stark, sie kann sich auch auf vermeintlich aussichtslosem Platz behaupten, kann mindestens ein Zeichen setzen. Bitte mehr davon, Frau Zieschang, Herr Böhning und Herr Wegener! Und toi toi toi. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse.

Es ist leicht zu rufen: „Schmitt muss weg. Rot-rot muss weg! Weg mit dem Chaos! usw.“ Ich halte nichts von solchen „Weg mit …“-Sprüchen. Besser, fruchtbarer ist es zu fragen: Was wollen wir? Welche Alternativen gibt es? Welche Personen stehen für welche Alternativen?

Das ist echte Demokratie!

Unser Foto zeigt die Demonstranten, die da heute riefen: „Schmidt muss weg. Lauterbach auch.“

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Berlins CDU sieht sich teils als Volkspartei, teils als Milieupartei

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Aug. 312008
 

28062008001.jpg Ein klares Bekenntnis zum Parteientyp „Volkspartei“ liefert Generalsekretär Frank Henkel in der heutigen Morgenpost in einem längeren, höchst lesenswerten Interview.

Interview mit Frank Henkel – Berliner CDU streitet über Jamaika-Kurs – Berlin – Berliner Morgenpost
Morgenpost Online: Gehen wir noch einmal auf den Ostteil der Stadt ein, wo die CDU besonders schwach ist. Kurth befürwortet wegen der wenigen Mitglieder einen Rückzug aus der Fläche und eine Konzentration auf einige Themen und wenige Wahlkreise. Ist das der richtige Ansatz?
Henkel: Es ist eine wahlkämpferische Binsenweisheit, dass man sich auf Potenzialgebiete konzentriert. Aber dabei geht es um konkreten Wahlkampf. Mein Ansatz ist klar, dass wir Politik für die gesamte Stadt machen. Wir sind Volkspartei. Deshalb wäre es töricht, einzelne Gebiete in der Stadt völlig aufzugeben. Es ist unsere Aufgabe, um jede Stimme zu kämpfen. Da ist es egal, ob im Norden, Süden, Osten oder Westen der Stadt.

Was heißt das: „Wir sind Volkspartei“?

Wir hatten auf den Spuren Ciceros in verschiedenen früheren Beiträgen den Typ „Volkspartei“  vom Typ „Elitepartei“ und „Milieupartei“ abzuheben versucht.

Milieuparteien richten sich vorrangig an bestimmte Wählergruppen, etwa die Arbeiter, die Eigenheimbesitzer, die Gewerbetreibenden, die Mieter, die Senioren, die Umweltbewegten usw.

Eine typische Aussage für eine Milieupartei reinsten Wassers ist die folgende: „Wir sind die bürgerliche Partei aus dem Westen. Wir dürfen dem linken Block nicht die Vorherrschaft überlassen!“ Kennzeichnend für Milieuparteien ist es, dass sie bei bestimmten Wählergruppen stark sind, während sie in anderen Wählerguppen oder gar in ganzen Stadtteilen wenig Zuspruch finden. Typisch für Milieuparteien ist ferner, dass Wähler und Gewählte einem einheitlichen Sozialtyp angehören. Die Wähler und die Abgeordneten einer solchen Partei ähneln einander. Man kann schon weitem erkennen: So sieht ein typischer Wähler der Partei X aus! Und genau so sieht ein typischer Abgeordneter der Partei X aus! Man wählt an der Wahlurne offenbar nach Haartracht, Kleidung, Sprache, nach einem bestimmten Tonfall in der Sprache, nach bestimmten leicht erkennbaren „Wahlsprüchen“. „Hie Welf! hie Weibling!“ – so erscholl es im Mittelalter im Ringen zwischern Welfen und Gibellinen. Heute erschallt der Ruf: „Hie links!“ „Hie bürgerlich!“

Stark auseinanderklaffende Wahlergebnisse bei verschiedenen Wählergruppen, in verschiedenen Bezirken für ein und dieselbe Partei sind Beleg dafür, dass die entsprechende Partei eine Milieupartei ist. Sie hat es nicht verstanden, sich als Volkspartei darzustellen, und folglich ist sie auch keine. So eine Milieupartei kann Volkspartei werden, wenn sie beständig und methodisch zielgerichtet lernt. Sie muss sich – wenn sie dies will – zu einer lernenden Partei wandeln. Sie kann es werden, wenn sie inhaltlich arbeitet und nicht Personalien ständig nach außen trägt. Sie kann Volkspartei werden, wenn sie klar und vernehmlich spricht. Und wenn sie ins Volk hineinhört und Anregungen aus verschiedenen Wählerschichten aufnimmt und produktiv in ein gemeinsames, nach vorne gerichtetes Leitbild einfließen lässt.

Je stärker hingegen eine solche Partei ihren Charakter als Milieupartei herausstreicht, desto weniger wird sie für andere Wählerschichten wählbar. Die Wahlergebnisse verharren mit geringen Ausschlägen auf einem Sockelniveau. Es ist schwer, vielleicht unmöglich, sich gleichzeitig als echte Milieupartei und als echte Volkspartei darzustellen. Eine solche Partei spräche beständig mit gespaltener Zunge. Die Wähler wüssten nicht, wofür sie eigentlich steht.

Eliteparteien hingegen richten sich an besser ausgebildete, wirtschaftlich besser abgesicherte Wähler. Bundesweit entspricht die FDP am ehesten diesem Typ, in Berlin sind es die Grünen und auch die FDP. Die Wählerschaft der Grünen in Berlin ist überdurchschnittlich gebildet, wirtschaftlich stärker als der Durchschnitt. Wir sprechen hier in Friedrichshain-Kreuzberg, im Bundestagswahlkreis 084,  von der „neuen bürgerlichen Mitte“, die ihren gemäßen Ausdruck in der Partei Die Grünen gefunden hat. Nicht zufällig konnten die Grünen hier auch ihr einziges Bundestags-Direktmandat erringen.

Echte Volksparteien können behaupten, für alle sozialen Schichten zu sprechen. Sie vertreten ein umfassendes Leitbild, dem im Grunde alle Bürger zustimmen könnten, wenn es denn gelänge, sie zu überzeugen. So hat sich die SPD etwa ab dem Godesberger Programm von 1959 von einer Milieupartei zu einer Volkspartei gewandelt. Um Volkspartei zu sein, sind Vertrauen und Glaubwürdigkeit unerlässlich. Glaubwürdigkeit entsteht, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg einprägsame, in sich stimmige Botschaften von klar erkennbaren Persönlichkeiten verkörpert werden und wenn die gesamte Partei mit denselben Botschaften an die Bevölkerung herantritt.

Ein solches Modell „Volkspartei“ vertritt in der Bundesrepublik beispielsweise die CDU auf Bundesebene mit dem Führungsduo Merkel/Pofalla. Man kann dies sehr klar auf den ersten Seiten des 2007 verabschiedeten neuen CDU-Grundsatzprogramms nachlesen. Bundeskanzlerin Merkel selbst verkörpert mit großem Geschick und mit größtem Erfolg den Politikertyp „Im Grunde wählbar für alle“. Ihre traumhaften Zustimmungswerte – sogar in anderen europäischen Ländern – bestätigen dies wieder und wieder. „Ich hab mein Leben lang SPD gewählt, aber das nächste Mal wähl ich Merkel.“ Solche typischen Aussagen kann man auf der Straße immer wieder hören. Merkel braucht freilich, um erfolgreich zu bleiben, eine Partei, die ebenfalls diesem Typ „im Grunde wählbar für alle“ entspricht. Sie bräuchte für sichere Mehrheiten im Bund eine starke Volkspartei in den Bundesländern als Widerpart und Unterstützerbasis. Denn direkt wählen kann man die Bundeskanzlerin nicht. Die Zusammensetzung des Bundestages wird schließlich über die Listen, die Parteien entschieden, nicht über einzelne Persönlichkeiten.

Die Partei Die Linke vertritt das Modell Volkspartei sehr erfolgreich in den östlichen Bundesländern und in der östlichen Hälfte Berlins.

Wie geht es weiter? Es bleibt spannend. Die Parteien wandeln sich. Es kommt darauf an, den Wandel aktiv voranzutreiben. Wer Wandel bewusst für sich gestaltet, statt ihn nur ohnmächtig zu erleiden, wird Vorteile herausarbeiten. Das gilt für den Arbeitsmarkt, es gilt aber auch für die Parteien.

Mach den Test! Geh durch eine Berliner Straße und entscheide: Welche Partei wählt wohl dieser oder jener Passant? Welche Partei würde sie oder er niemals wählen? Mach diese Übung ein paar Mal, und du weißt, welches Bild du von den Berliner Parteien hast. Vergleich dein Bild von den Parteien mit der Realität, indem du die Abgeordneten oder Mandatsträger der Parteien mit deinem Bild vergleichst. Über das Internet ist dies heute sehr leicht möglich. Stellst du Unterschiede fest? Welche? Bitte berichte uns von deinen Beobachtungen in diesem Blog! Wir wollen von dir lernen!

Unser heutiges Bild zeigt das Kreuzberger Volk in all seiner Buntheit. Aufgenommen am 28. Juni 2008 auf dem Bergmannstraßenfest. Dieses Volk will selbstverständlich von den Volksparteien umworben werden. Wie, mit welchen Mitteln? Was erkennst du auf dem Bild?

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Sind die Parteien mit ihrem Latein am Ende?

 Altparteien, Antike, Friedrich Merz, Latein, Parteienwandel, Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für Sind die Parteien mit ihrem Latein am Ende?
Aug. 232008
 

Heute widmet 3sat der quicklebendigen Sprache Latein einen ganzen Sendetag. Bene, da wollen wir nicht hinterdreinhinken und unser Thema wieder aufgreifen: Sind die Parteien mit ihrem Latein am Ende? Mitglieder und Wähler laufen davon, wirtschaftspolitische Experten wie etwa Rainer Wend, Friedrich Merz, Matthias Wissmann, Hildegard Müller oder Rainer Göhner verlassen die politische Bühne, die Personaldecke ist dünn. Kann man sich auf Lateinisch einen Reim drauf machen?

Gab es denn im alten Rom schon Parteien? Ja, zwar war Rom keine parlamentarische Demokratie, aber sehr wohl gab es Parteien und Grüppchen zuhauf, Vetternwirtschaft und Ämterpatronage ebenso – alles Dinge, die in offenen Staatsformen jederzeit auftreten können. Es gab sogar im Ansatz eine Lehre von den Parteientypen – nämlich die Unterscheidung in die Volksparteien (populares), die Eliteparteien (optimates) und die Milieu- oder Klientelparteien (clientelae).

Was machte gute Politiker aus, die sich aus jenen Parteien rekrutierten? Cicero sagt: die Fähigkeit, über die eigenen Wähler- und Klientelgruppen hinauszureichen und das Gemeinwohl in den Blick zu nehmen. Er schreibt im ersten Buch von De officiis:

[85] Omnino qui rei publicae praefuturi sunt duo Platonis praecepta teneant: unum, ut utilitatem civium sic tueantur, ut quaecumque agunt, ad eam referant obliti commodorum suorum, alterum, ut totum corpus rei publicae curent, ne, dum partem aliquam tuentur, reliquas deserant. Ut enim tutela, sic procuratio rei publicae ad eorum utilitatem, qui commissi sunt, non ad eorum, quibus commissa est, gerenda est. Qui autem parti civium consulunt, partem neglegunt, rem perniciosissimam in civitatem inducunt, seditionem atque discordiam; ex quo evenit, ut alii populares, alii studiosi optimi cuiusque videantur, pauci universorum.

[86] Hinc apud Athenienses magnae discordiae, in nostra re publica non solum seditiones, sed etiam pestifera bella civilia; quae gravis et fortis civis et in re publica dignus principatu fugiet atque oderit tradetque se totum rei publicae neque opes aut potentiam consectabitur totamque eam sic tuebitur, ut omnibus consulat. Nec vero criminibus falsis in odium aut invidiam quemquam vocabit omninoque ita iustitiae honestatique adhaerescet, ut, dum ea conservet, quamvis graviter offendat mortemque oppetat potius, quam deserat illa, quae dixi.

Der Parteienzwist und Parteienhader wird also von Cicero nicht als friedliches Wetteifern empfunden, sondern als tödliches Gegeneinander in Bürgerkrieg und Meuchelmord. Nur jene können gute Staatenlenker genannt werden, die es verstehen, das politische Amt im Sinne aller ihrer Auftraggeber auszufüllen. Macht, die um ihrer selbst willen erstrebt wird, schlägt unheilvoll auf das Gemeinwohl durch. Mit dieser Verpflichtung auf das Gemeinwohl und der Geringschätzung einer bloß parteigebundenen Sichtweise hat diese vielgelesene Schrift Ciceros das Staatsdenken vieler Jahrhunderte beeinflusst und mit dazu beigetragen, dass Parteien vielfach nicht als Chance, sondern als Bedrohung empfunden werden. Diese tiefverwurzelten Vorurteile sollten die Parteien auch heute nicht ruhen lassen.

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Mitgliederschwund: Parteien sind weiterhin ratlos

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Juli 252008
 

Seit der letzten Bundestagswahl haben SPD und Union zusammen etwa 5 Millionen Wähler verloren. Auch die Mitgliederzahl der Parteien schrumpft insgesamt. Gutgemeinte Werbekampagnen helfen nicht weiter. Das Interesse an Politik ist weiterhin riesengroß, aber den Parteien wird weniger und weniger zugetraut, die Probleme des Landes zu lösen. Nicht Politikverdrossenheit herscht also in Deutschland, sondern Parteienüberdruss und Misstrauen gegenüber den Politikern. So berichtet heute der Tagesspiegel:

Die CDU hat die SPD als mitgliederstärkste Partei Deutschlands abgelöst. Ihre Mitgliederzahl lag Ende Juni nach dpa-Informationen erstmals über der der Sozialdemokraten. Die genauen Daten will CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Montag in Berlin vorstellen. Die CDU hatte Ende Mai 531.300 Mitglieder und lag nur knapp hinter der SPD mit 531.740 Mitgliedern. Ende Juni zählte die SPD lediglich noch 529.994 Parteimitglieder. Bisher litten beide Volksparteien unter sinkenden Zahlen – die Sozialdemokraten jedoch stärker als die Christdemokraten.

Brauchen wir überhaupt Parteien? Es gibt auch Politikauffassungen, wonach Parteien kaum mehr sind als Machterhaltungsinstrumente oder Rekrutierungsbecken für den politischen Nachwuchs. „Kanzlerwahlvereine“, wie man damals zu Adenauers Zeiten anmerkte. Wenn ich heute höre: „Wer Kandidatin Y will, muss Partei X wählen!“, dann spiegelt dies genau diese eben skizzierte recht geringe Meinung von den Parteien wider. Eine Geringschätzung, die zum Selbstbild der Parteien zu werden droht und sich dann negativ in einer Abwärtsspirale verstärkt.
Ich meine dennoch: Parteien können mehr, sie werden weiterhin gebraucht. Vielleicht nicht in dieser Art, wie sie heute noch bestehen, bis ihnen die letzten Mitglieder davongelaufen sind. Eher in einer verschlankteren, offeneren Art.

Parteien sind eine Art Nervengeflecht des politischen Handelns. Vielleicht kein Zentralnervensystem, aber doch – wie die Physiologen sagen – ein „peripheres“ Nervensystem. Aufgabe der Parteien ist es demnach, Impulse aus der diffusen Interessenlage der Bürger aufzunehmen, Signale zu verstärken, Reize zu melden, Reaktionen zu erzeugen und letztlich in Handlungen münden zu lassen.

Parteien speichern auch politische Erfahrungen als eine Art institutionalisiertes Gedächtnis. Sie verbürgen durch interne Abstimmungsvorgänge eine gewisse Kontinuität, die ein sich wandelndes Umfeld dringend braucht.

Barack Obama verkörpert bereits die neue Parteiauffassung, wie sie auch mir vorschwebt: Er wirbt aktiv um möglichst reichhaltige „Erzählungen“, „Geschichten“ – von der Partei, von den Bürgern im Lande, von den Institutionen aller Art. Aufgabe seiner Partei ist es, diesen Stimmen zuzuhören, diese mannigfaltigen Anregungen zu bündeln, zu kanalisieren und dann in ein Vorhaben, ein Programm einfließen zu lassen.

Unübertroffen die Formulierung des Grundgesetzes: Die Parteien wirken bei der Willensbildung des Volkes mit. Sie wirken „mit“, sie sind nicht die Hauptakteure, als die sie sich heute gebärden!

Die deutschen Parteien werden sich wandeln müssen. Sie tun es bereits, aber weitgehend konzeptionslos. Das Lamento ist zwar groß. Doch ich erkenne in unserem Lande noch niemanden, der die Debatte um den Parteienwandel in dem hier angedeuteten Sinne aktiv vorantreibt. Die Zahlen sprechen für sich: Die Wahlbeteiligung nimmt ab, der Mitgliederstand der Parteien ebenso.

Bürgerentscheide und Volksentscheide versalzen den Parteien die Suppe. Bürgerinteressen manifestieren sich zunehmend quer zu den alten Parteilinien – oder scheren sich nicht um Parteien. Beispiel: „Mediaspree versenken!“ in Friedrichshain-Kreuzberg. Keine der ansässigen Parteien im Bezirk war imstande, den geballten Unmut einiger Gruppen produktiv aufzunehmen und in ein wie immer geartetes Konzept von „Gemeinwohl“ einfließen zu lassen! Ich glaube: Dies ist ein schlagendes Beispiel von Parteienversagen!

Dass wir mittlerweile ein 5-Parteien-System haben, sehe ich hingegen nicht als Krisensymptom. Es ist eher ein Ausdruck der spezifischen Schwäche der einen großen Volkspartei. Im Vergleich zu anderen demokratischen Ländern ist ein 5-Parteien-System gut handhabbar.

Ich bin gespannt, welchen Parteien es bei der Bundestagswahl 2009 gelingen wird, die Lehren aus dem Ansehensniedergang zu ziehen und die Wähler durch ein gewandeltes Selbstbild zu überzeugen!

SPD-Basis schrumpft unter CDU-Niveau

 Posted by at 16:53
Mai 292008
 

Recht vollmundig hatten wir in diesem Blog verkündet, wir wollten das Wahlverhalten in vier ausgewählten europäischen Großstädten betrachten. London wurde am 12.05.08 bereits in diesem Blog umfassend abgehakt. Jetzt ist Augsburg dran. Was geschah in der Stichwahl am 16. März 2008?

Die Augsburger wählten den beliebten Oberbürgermeister Paul Wengert aus dem Amt und stimmten mehrheitlich für den parteilosen Kurt Gribl. Der Mann, ein promovierter Jurist, konnte keinerlei politische Vorerfahrung vorweisen. Er war nicht einmal Mitglied einer Partei. Die CSU machte ihn zu ihrem Kandidaten. „Wir haben keinen Besseren“, hört man oft in solchen Fällen. Was sprach für ihn?

1) Er ist das Gegenteil eines Politikers der alten Garde, sondern trat als kundiger Vermittler der Bürgerinteressen an. 2) Er versprach, unbeliebte Großprojekte des Amtsinhabers zu kippen, so etwa den ÖPNV-freundlichen kompletten Umbau der Friedberger Straße. 3) Er spielte den „Ich-bin-einer-von-euch“-Trumpf aus. Der waschechte Augsburger schlägt den Berufspolitiker von auswärts. 4) Er präsentierte sich als moderner Internet- und Popfan. Er hat ein Profil auf Myspace und Xing. 5) Er hat ein Ohr für die kleinen pragmatischen Anliegen. In seinem Hundert-Punkte-Programm nimmt er zahlreiche Forderungen von Betroffenen auf, kümmert sich höchstpersönlich um kommunalpolitische Kleinstprojekte, wie etwa Fahrradabstellbügel und Popkonzerte. Die Botschaft ist klar: „Ich kann zuhören, ich wälze euch kein Programm zur Weltverbesserung auf.“ 6) Er formulierte alle seine Anliegen positiv, nach vorne gewandt. Er stellte ein positives Leitbild für seine Vaterstadt auf, gestützt auf Werte wie Selbstvertrauen, Zukunft, Selbstbewusstsein. 7) Er griff nicht den beliebten Amtsinhaber an, sondern überging ihn weitgehend einfach mit Schweigen. Kein Zank, kein Gezetere. Was blieb ihm auch übrig?

Was lernen wir daraus? Ich würde sagen: Das Kleine 1 mal 1 der politischen Kommunikation in diesem ersten Jahrzehnt:

1) Die alten Parteien sind (fast) abgeschrieben, Personen zählen mehr. 2) Fahrrad schlägt Straßenbahn! Kleinstprojekte kommen besser an als Großbaustellen. 3) Zeig, dass du zuhören kannst. Rede weniger, höre mehr zu. 4) Spalte nicht, beleidige nicht, lärme nicht rum. Polarisiere nicht. Lass die Welt eher so, wie sie ist. 5) Blicke nach vorn, nicht in die Vergangenheit. 6) Zeige ein klares Leitbild auf! Wo siehst du deine Stadt in 5 oder 10 Jahren? 7) Kopple dich von der veralteten Rhetorik der Volksparteien CSU/CDU und SPD ab. Präsentiere dich als Außenseiter, Quereinsteiger, Querdenker, als Fachmann/Fachfrau oder Moderator oder was auch immer, eher denn als Berufspolitiker. 8) Sei keine Trantüte, sondern zeige, dass du dein Leben genießt. 9) Such dir die richtige Unterstützerin. Lade Angela Merkel in dein 264.000-Seelen-Dorf ein. Die Frau segelt weiterhin auf herausragenden Zustimmungswerten. Segle auch du mit den Erfolgreichen. 10) Mach dein Schicksal nicht vom Ausgang dieser einen Wahl abhängig!

Zum Nachlesen auf der Homepage des neuen Augsburger Oberbürgermeisters hier klicken.

Unser Foto zeigt heute einen Blick auf die Lechauen im Stadtteil Hochzoll-Nord, nur einen Steinwurf von der Friedberger Straße entfernt. Übrigens: Dies war in meiner Jugend ein Teil meines täglichen Schulwegs.

 Posted by at 21:40