März 012012
 

Mehrere Millionen Opfer des stalinistischen Terrors! Hä? Ja, warum habt ihr uns davon nichts gesagt?“

So oder so ähnlich mochte sich mancher Pole, mancher Russe, mancher Tscheche, mancher Lette wohl die Augen reiben, als ab 1991 die Archive wieder geöffnet wurden und die kommunistischen Redeverbote beseitigt waren.

Auf etwa 30 Millionen Getötete schätzt die aktuelle polnische Wikipedia die Opferzahlen des „stalinistischen“ Terrors – ohne die im Krieg getöteten Soldaten hinzuzurechnen, ohne die zivilen Opfer von Kriegshandlungen und kriegsähnlichen Handlungen dazuzurechnen.

„Was war schlimmer – unser Nationalsozialismus oder euer Stalinismus?!“ So fragte ich ab 1991 immer wieder Polen, Tschechen oder Russen.

Die vielen Antworten, die ich aus den ehemals kommunistischen Ländern erhielt, fasse ich so zusammen:
„Unser Stalinismus war selbstverständlich schlimmer als euer Hitlerismus! Erstens hat er weit höhere Terroropferzahlen hervorgebracht, zweitens richtete sich der kommunistische Terror unterschiedslos gegen alle im eigenen Land, drittens dauerte der Terror bei uns einige Jahrzehnte, bei euch dauerte er nur 12 Jahre.  Keine Bevölkerungsgruppe war bei uns einigermaßen geschützt. In Deutschland und den hitleristischen Ländern konnten sich vor dem Kriegsbeginn am 1. September 1939  außer den Juden, den oppositionellen Gruppen, den Zigeunern, den anderen rassisch Verfolgten, den Kommunisten, den Homosexuellen, den aktiv im Widerstand lebenden Christen und sonstigen Widerständlern die meisten anderen einigermaßen sicher fühlen, solange sie sich politisch nicht betätigten.

Anders in Russland und den anderen stalinistischen Ländern.  Hier konnte es auch vor dem Krieg bereits unterschiedslos nahezu alle treffen. Die Mordbefehle des kommunistischen Führers und seiner tausenden und abertausenden Helfershelfer konnten ab 1918 bis 1953 alle treffen. Wusstest du das nicht?“

Nein, das wusste ich nicht. Mir war immer erzählt worden, dass die größten Menschheitsverbrechen ausschließlich von deutschem Boden aus von den deutschen Faschisten begangen waren: nur die Deutschen und nur die deutschen Nationalsozialisten hatten die schlimmsten Menschheitsverbrechen begangen, das war bis etwa 1991 meine Meinung, so wurde es ja auch landauf landab verkündet.

Also: das absolute Böse in der Geschichte, das verkörperten die Deutschen und nur die Deutschen. Die Deutschen waren das absolute Unglück der Weltgeschichte. So wurde es erzählt.

„Niemand war sicher. So wurden auch nach dem 2. Weltkrieg von den Kommunisten in der sowjetischen Zone noch die Konzentrationslager Buchenwald und Oranienburg bis 1950 zusammen mit 8 anderen Speziallagern weiterbetrieben, um echte oder vermeintliche Gegner der Kommunisten wegzusperren und zu eliminieren – wusstest du das nicht?“

Nein, das wusste ich nicht. Nein, das war mir nicht erzählt worden.

Bis heute wissen es viele nicht. Es ist ihnen nicht erzählt worden, auch die Geschichte der Millionen anderen Terroropfer der kommunistischen Staaten Europas ist ihnen nicht erzählt worden.

Diese Erinnerungen kamen mir gestern wieder in den Sinn, als ich den Eintrag der polnischen Wikipedia zum Stichwort Stalinismus las.

Und Bert Brecht, Wyslawa Szymborska und Nazim Hikmet, haben sie etwas davon gewusst? Sie waren doch Unterstützer des Kommunismus?

So viele Berichte
so viele Fragen

Stalinizm – Wikipedia, wolna encyklopedia
Bilans stalinizmu[edytuj]

Terror, którego ofiary w latach 1929-1953 szacuje się na ok. 30 milionów ludzi[potrzebne źródło] w ZSRR i krajach satelickich.
Zniszczenie dziedzictwa kulturowego kilkunastu narodów w wyniku masowych przesiedleń i rusyfikacji.
Śmierć ok. 10 mln żołnierzy radzieckich podczas II wojny światowej. Tak duże straty były spowodowane w dużej części niekompetencją kadry dowódczej, co było związane z wielkimi czystkami w Armii Czerwonej przed wojną oraz rozkazami Stalina („ani kroku w tył“, Rozkaz Nr 270, itp.).
Doprowadzenie do zapaści ekonomicznej w wyniku planowania gospodarki przemysłowej bez uwzględnienia praw popytu i podaży.
Całkowite zablokowanie wymiany wolnej myśli i związana z tym atrofia kultury i twórczych badań naukowych.
Zniszczenie środowiska naturalnego na ogromnych obszarach spowodowane przez gwałtowny rozwój przemysłu i armii ZSRR.

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Sep. 132010
 

„EIN Griechenland“, „Groß-Türkei“, „Drittes Europa“ unter polnischer Führung – was ist noch im Angebot? Nach dem ersten Weltkrieg sprossen überall in Europa Großmachtsphantasien auf. Völker wie die Griechen, die Türken oder die Polen sahen sich berufen, unter Führung des eigenen Staatsvolkes einen „Großraum der Macht und des Friedens“ zu errichten – und zwar auch mit blutigen Mitteln, mit Waffengewalt. So wurden nach dem ersten Weltkrieg eine ganze Reihe von regionalen Kriegen entfesselt: der griechisch-türkische, der polnisch-russische Krieg etwa. Diese Kriege sind heute in Deutschland vergessen oder verdrängt. Dabei waren es äußerst blutig geführte Angriffskriege, die heute unter der Ächtung der UN-Charta stünden.

Am schlimmsten und am verheerendsten unter diesen Großmachtsplänen sollten sich  – aus heutiger Sicht – die Ideen vom Großdeutschen Reich und von der Großen Schutzmacht Sowjetunion herausstellen. Millionen und Abermillionen Menschen fielen ihr zum Opfer: in den Konzentrations- und Vernichtungslagern, auf den Schlachtfeldern, durch Plünderungen und Vertreibungen, durch Ausmerzungsaktionen gegen unerwünschte Bürger.

Kaum mehr als eine Fußnote im Konzert der Großmachtspolitiken füllt heute die Idee eines unter polnischer Führung stehenden „Dritten Europa“, welche das autoritär regierte Polen in den dreißiger Jahren verfolgte, wofür insbesondere der Name Josef Beck steht.

Lorenz Jäger bringt heute in der FAZ auf S. 3 unter dem Titel „Countdown für den Untergang“ die Details. Man kann also auch ohne Polnischkenntnisse Einblick in die spannende innen- und außenpolitische Dynamik jener Jahre nehmen, die in den Jahren 1919-1938 unter anderem zu bewaffneten Konflikten und echten Angriffskriegen zwischen Polen und der Sowjetunion, zwischen Polen und der Tschechoslowkei führte und mitunter aberwitzige Konstellationen erzeugte:

Polen paktiert mit dem Deutschen Reich und mit Frankreich gegen die Tschechoslowakei!

Deutsches Reich paktiert mit der Sowjetunion gegen Polen!

England paktiert mit Deutschem Reich gegen Tschechoslowakei!

Verwirrend – aber alles letztlich erklärbar als System einander bedrohender, angriffsbereiter Großmachtreiche, die am eigenen Bedeutungsverlust leiden.

Entscheidend bleibt: Deutschland, Polen und die Sowjetunion verfolgten damals Großraumpläne und überzogen einander mit einem wechselseitigen Geflecht an Drohungen, Bündnissen und Geheimverhandlungen.

Im Rückblick entsteht fast der irreführende Eindruck: „Die steckten doch alle unter einer Decke!“

Ab 1939, spätestens aber ab 1941 vereinfachte sich diese verwirrende Gemengelage: Deutschland und Sowjetunion fielen im September 1939 in verbrecherischen Angriffskriegen über Polen her, teilten es verabredungsgemäß unter sich auf. Sofort begannen hinter den Linien die unsäglichen Massenverbrechen an der polnischen Bevölkerung, ausgeführt von deutschen und sowjetischen Truppen und „Ordnungskräften“, die obendrein noch eine gemeinsame Siegesparade in Brest-Litowsk inszenierten.

Dann, spätestens ab 1941 standen Deutsches Reich und seine Verbündeten Italien, Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Kroatien usw. den anderen Mächten, den Alliierten, gegenüber.

Wiederum später, nach 1945, vereinfachte sich die verwirrende Gemengelage noch stärker.

Ab 1945 galt für Europa: Deutschland hatte den Weltkrieg ganz allein gegen den Rest der Welt entfesselt, allein geführt und allein verloren. Das ist heute allgemeiner Konsens. „Die Deutschen sind an allen Kollektivverbrechen, die in ganz Europa in den Jahren 1933-1945 begangen wurden, ganz allein schuld.“ So denkt Europa heute mehrheitlich.

Jeder, der diesen Konsens auch nur minimal in Frage zu stellen beginnt, wird sofort mit einer ganzen Latte an Vorwürfen überzogen, von denen der des Revisionismus nur der geringste ist.

Politik – FAZ.NET

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Geschichte Polens zwischen 1918 und 1939 besser kennenlernen!

 Europäische Bürgerkriege 1914-????, Polen, Vergangenheitsunterschlagung  Kommentare deaktiviert für Geschichte Polens zwischen 1918 und 1939 besser kennenlernen!
Sep. 102010
 

Nach dem Fall des Eisernern Vorhangs wird endlich der Blick für die gesamte bunte Gemengelage der europäischen Geschichte frei! Zur Zeit diskutiert man in Deutschland über die polnische Geschichte seit dem 3.11.1918, dem Tag, an dem die polnische Republik proklamiert wurde.

Wie andere europäische Staaten auch hatte Polen bedeutende nationale Minderheiten in seinem neu definierten Territorium: 100 000 Litauer, 1 Million Deutsche, 1,5 Mill. Weißruthenen, 3 Mill. Juden, 4 Mill. Ukrainer. Die Volksgruppenkonflikte dominierten jahrelang die Innenpolitik. Günter Grass und Walter Kempowski liefern in ihren Büchern einen Einblick in das ständige Gefühl der Benachteiligung, das damals diese Volksgruppen hegten.

Im Übrigen herrscht in deutschen Landen weit und breit eine erstaunliche Unkenntnis über die Geschichte unseres Nachbarlandes, fast niemand spricht ja auch die Sprache. Niestety, wie der Pole sagt.

Es ist für mich immer wieder ernüchternd zu sehen, dass die europäischen Staaten und die Türkei ihre Volksgruppenkonflikte nicht schiedlich-friedlich lösen konnten. Die Lösung, die letztlich erreicht wurde, lautet seit 1990: Nationalstaaten quer über die gesamte Landkarte!

Dabei gibt es nur ganz wenige Ausnahmen, wo es gut gegangen ist, wie etwa die Südtiroler in Italien.

Deutschland hat sich offenbar (?) entschieden, letztlich doch einen einheitlichen deutschen Staatsbürger zu wollen, also keine nationalen Minderheiten, keine klar abgegrenzten Volksgruppen.

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Nov. 022009
 

„Wir wollen, dass die Menschen verbunden, nicht getrennt werden“, in diesem Sinne äußerte sich gestern unser neuer Außenminister. Aus diesem Grund gab er durch die Blume zu verstehen, dass die Wünsche unserer östlichen Freunde bei der Besetzung einer nationalen Stiftung berücksichtigt werden. Er gab den Freunden nicht in der Sache recht, er widerlegte auch die Argumente der Freunde nicht. Er forderte die Freunde nicht auf, eine Gewissenserforschung zu versuchen. Mit einem Wort: Der Außenminister zeigte ein Beispiel diplomatischer Toleranz. Toleranz bedeutet in diesem Sinne: Man nimmt die Bedenken und Vorwürfe des Freundes so entgegen, wie sie kommen. Man streitet nicht mit ihm, sondern lässt ihn in seinem Glauben. Man lässt alles, wie es ist, und vermeidet die Konfrontation. Eine gute Beziehung ist in diesem Fall wichtiger als die Suche nach einer gemeinsamen Wahrheit. Man vermeidet die Auseinandersetzung in der Sache. So ist es über viele Monate hinweg zwischen Deutschland und Polen geschehen. Da ich Polnisch kann, immer wieder mit Polen zusammentreffe, kann ich nur sagen: Deutsche und Polen sind von einer gemeinsamen Wahrheitssuche noch weit entfernt.

Die großartige Chance, die sich mit den Jahren 1989/1990 eröffnete, ist bisher erst ansatzweise genutzt worden.  Wir könnten heute ohne Unterjochung durch diktatorische Regimes versuchen, im gemeinsamen schmerzhaften Dialog eine Aufarbeitung der Vergangenheit zu erreichen.

Konfrontativ wäre es, wenn man Argumente für oder gegen eine Position abwöge und dann versuchte, eine gemeinsame Lösung zu suchen.  Man würde – auch im Verhältnis zwischen Freunden – den Widerstreit unterschiedlicher Positionen aushalten.

Ich meine: Ein übermäßiges Entgegenkommen, ein ständiges Eingehen auf die Wünsche der Beziehungspartner ist Zeichen mangelnden Selbst- und mangelnden Fremdvertrauens. Die Beziehung ist nicht belastbar genug für eine Konfrontation. Der Psychologe Jeffrey Young spricht hier von einem zum Schema erstarrten Unterwerfungsgebaren: Starke eigene Unsicherheit führt uns dazu, uns den anderen gewissermaßen anzudienen. Wir halten dann größere Meinungsunterschiede nicht aus. Wir übernehmen die Sichtweise der anderen, ohne deren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Wir bleiben im Bann einer nicht durchschauten, unaufgelösten traumatischen Erfahrung. Wir sind dem Trauma verhaftet, wagen es nicht anzurühren aus Angst, der andere könnte böse werden, wenn wir ihn auf verschwiegene Wahrheiten aufmerksam machen.

Eine solche Toleranz gegenüber den anderen, ein bloßes Akzeptieren und Hinnehmen aller Übergriffe und Behauptungen des anderen halte ich für äußerst gefährlich. Denn es führt zu einer Leugnung von Erkenntnissen, zu einer künstlichen Beziehungsrealität, die zum Schema erstarrt. Der eine Partner wird ständig versuchen, mit dem anderen „Schlitten zu fahren“. Die Geschichte der Diplomatie ist angefüllt mit Beispielen dafür.

Ich meine: Zu jeder echten Freundschaft, zu jeder echten Beziehung gehört auch ein gewisses Maß an Konfrontation. Konfrontativ ist ein Verhalten, das unbequeme Meinungen ausspricht und aushält. Das Gerichtsverfahren zwischen zwei Zivilprozessgegnern  ist ein Beispiel dafür. Im streitigen Für und Wider werden die unterschiedlichen Standpunkte vorgetragen, bewertet und entschieden.

Freunde können, ja müssen einander auch unbequeme Wahrheiten sagen. Es ist gerade Zeichen einer echten Freundschaft, wenn Meinungsunterschiede zugelassen werden. Sich-Andienen, Sich-Unterwerfen ist auf Dauer schädlich für jede Beziehung zwischen gleichberechtigten Partnern. Echte Freunde, Partner einer guten, gesunden, entwicklungsfähigen Beziehung finden den rechten Mittelweg zwischen Konfrontation und Toleranz.

Das Ideal der Toleranz allein führt in Gleichgültigkeit, in Erstarrung und Unterhöhlung von Beziehungen. Das Ideal der Konfrontation allein hingegen führt zu Streit, es kann – wenn dem anderen zuviel zugemutet wird – zum Beziehungsabbruch führen. Gleichgültigkeit und Beziehungsabbruch sind gefährlich.

Erneut verwenden wir einen Ausdruck aus der Welt der Psychotherapie: Eine gesunde Beziehung hält die Spannung zwischen polaren Positionen aus.

324 Jahre nach dem berühmten Toleranzedikt von Potsdam gilt es zu bedenken, dass Toleranz allein nicht der Goldstandard des Zusammenlebens sein kann. Falsch verstandene Toleranz vereinzelt. Das rechte Maß an Toleranz und Konfrontation ist unerlässlich für eine gelingende Partnerschaft. Das gilt sowohl für zwischenmenschliche als auch für zwischenstaatliche Beziehungen.

Leseanregungen:

1) Eckhard Roediger: Praxis der Schematherapie. Grundlagen – Anwendung – Perspektiven. Schattauer Verlag, Stuttgart 2009, hier insbesondere: S. 63 und S. 200

2) Potsdamer Toleranzedikt – Start
Am 324. Jahrestag der Verkündung des Ediktes von Potsdam gründet sich in der Französischen Kirche Potsdam dieser Verein. Er betrachtet als seine Zielsetzung, die Ergebnisse des Potsdamer Toleranzediktes des Jahres 2008 aktiv fortzuführen. „Der Verein setzt sich ein für die Förderung von Toleranz, Meinungsfreiheit und Demokratie im Sinne einer offenen und toleranten Stadt der Bürgerschaft“. Ziel ist es, das zivilgesellschaftliche Engagement im Sinne einer Stadt der Bürgerschaft anzuregen und zu fördern. Die stadtweite Toleranzdiskussion soll hierbei konkret durch Unterstützung bestehender Projekte, Bündnisse, Gruppen, Vereine, Aktivitäten und Ideen aufgegriffen und fortgeführt werden.

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Was geschah in Polen zwischen September 1939 und Juni 1941?

 Europäische Bürgerkriege 1914-????, Polen, Vergangenheitsunterschlagung  Kommentare deaktiviert für Was geschah in Polen zwischen September 1939 und Juni 1941?
Sep. 232009
 

Eins der besten Schaustücke des Deutschen Historischen Museums (DHM) im Berliner Zeughaus ist die lebendige Landkarte Europas, die die Entwicklung der europäischen Territorien zeigt. In einer Simulation wird die häufige Verschiebung der Staatengrenzen vom Anfang der deutschen Geschichte bis heute gezeigt. Als Freund der slawischen Völker interessierte mich vergangenen Sonntag, im Gedenkjahr 2009,  wie die Museumsleute das Schicksal Polens in der Eingangshalle des Museums darstellen würden! Denn  Polen wurde 1939 überfallen und besetzt, die polnische Intelligenz, also die höheren akademischen Berufsgruppen wie etwa Lehrer, Ärzte, Ingenieure, Richter u. dgl. wurden systematisch von den okkupierenden Mächten Deutschland und Sowjetunion ermordet. Jeder Rest des Widerstandes sollte mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Darin kamen die beiden Besatzungsmächte Deutschland und Sowjetunion überein. Andrzei Wajda hat in seinem Film über Katyn dieses Zerrissenwerden zwischen den beiden Großmächten erschütternd aufgearbeitet. Die Jahre 1939-1941 prägen noch heute die Debatten nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der Politik Polens.

Deutsche SS und sowjetischer NKWD  arbeiteten bei ihren mörderischen „Säuberungen“ oftmals Hand in Hand. Eine gemeinsame Siegesparade der Deutschen und der Sowjets in Brest-Litowsk war sinnfälliger Ausdruck der Waffenbrüderschaft der beiden totalitären Systeme. Hunderttausende von Opfern fielen dem sowjetischen Terror und dem deutschen Rassenwahn zum Opfer. Das kommunistische Polen war jahrzehntelang auf der Lüge errichtet, dass ausschließlich Hitlers Deutschland Massenmord und Verwüstung in Polen verursacht habe. Dass auch die Sowjetunion im September 1939 mit durchaus vergleichbarer barbarischer Härte in Polen eingefallen war, durfte unter Strafe nicht erwähnt werden.

Ein russischer Freund berichtet mir heute von einer Reise durch Polen: „Ich sah soeben in einer aktuellen Warschauer Tageszeitung Hitler und Stalin als Braut und Bräutigam. Stalin trug einen Schleier, Hitler trug einen Blumenstrauß. “

Zwischen September 1939 und Juni 1941 brach also über Polen eine vierte polnische Teilung herein, die die polnische Staatlichkeit vernichtete und einen bedeutenden Anteil der Bevölkerung dem schlimmsten denkbaren Terror auslieferte. Bis heute ist diese Zeit im Gedächtnis der Polen tief verankert: Deutschland und die Sowjetunion fielen über Polen her und teilten es zwischen sich auf.

Wie stellt die Karte im DHM diese Zeit 1939-1941 dar? Antwort: Gar nicht. Es überspringt sie einfach. Die gewählten Jahreszahlen sind 1938 und 1942. 1938 erscheint Polen in seinen Zwischenkriegsgrenzen, 1942 erscheint Polen nur noch als deutsch-sowjetisch gestreiftes Niemandsland. Eine echte Verschleierungstaktik, die weder den Ereignissen noch den Polen gerecht wird!

Dabei wühlt und gärt die geteilte Erinnerung an diese Zeit schon seit Monaten sowohl in Polen wie in Russland. Die Zeitungen sind voll davon, sowohl in Russland wie in Polen. Die Deutschen, auch die deutschen Historiker, scheinen nicht zu begreifen, welch heikles Erbe da noch unaufgearbeitet trennend zwischen den Völkern Europas liegt. Die historisch unzulängliche Karte im Berliner Zeughaus unter den Linden ist der beste Beweis für diese empfindliche Lücke.

Ich meine: Es muss deutlich werden, dass Polen, aber auch Finnland, Estland, Lettland, Litauen und Rumänien ab September 1939 in eine vernichtend mahlende Zangenbewegung zwischen der Sowjetunion und Deutschland gerieten.

Diese Zange hat sich erst im Jahr 1990 gelöst. Der Druck von über fünfzig Jahren Zange oder besser „Schraubstock“ lastet aber noch auf den Seelen.

Eine Einfügung dieser Zeitspanne von 1939 bis 1941 in der Karte des DHM ist dringend nötig!

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Gemeinsame europäische Erinnerung ist noch in Kinderschuhen!

 Gedächtniskultur, Geschichtspolitik, Krieg und Frieden, Polen, Russisches  Kommentare deaktiviert für Gemeinsame europäische Erinnerung ist noch in Kinderschuhen!
Sep. 012009
 

Heute, am1. September, tritt wieder einmal hervor, was ich immer wieder feststelle: Von einer gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur kann noch keine Rede sein. Seit Tagen tobt beispielsweise in Polen und Russland ein Kampf um das rechte Erinnern an das Jahr 1939. Die Polen sehen den Beginn des zweiten Weltkriegs als abgekartetes Spiel der beiden totalitären Großmächte Deutschland und Sowjetunion. Durch seinen Einmarsch am 17. September habe Stalins Sowjetunion der polnischen Nation den Dolchstoß versetzt. Die Russen wiesen das bisher mehrheitlich zurück. Heute hat Putin immerhin einen Brief an das polnische Volk abdrucken lassen, in dem er den verwerflichen Charakter des Molotov-Ribbentrop-Paktes einräumt:

List Putina do Polaków – pełna wersja
Moim zdaniem szczególnie ważny jest etyczny aspekt polityki. W związku z tym chciałbym przypomnieć, że w naszym kraju niemoralny charakter paktu Mołotow-Ribbentrop został jednoznacznie oceniony przez parlament [24 grudnia 1989 r. Zjazd Deputowanych Ludowych ZSRR przyjął oświadczenie potępiające pakt z 1939 r.]. Czego na razie nie możemy powiedzieć o szeregu innych państw, chociaż one w latach 30. też podejmowały bynajmniej niejednoznaczne decyzje.

Ansonsten kann aber von Einigkeit in der europäischen Erinnerung nicht die Rede sein. Wir Deutsche und unsere westlichen Nachbarn kreisen fast ausschließlich um uns selbst – um die Westhälfte Europas.  Der verheerende verbrecherische Charakter des NS-Regimes wird häufig dazu verwendet, um den falschen Eindruck zu erwecken, „vorher“ und „drumherum“ sei alles im Wesentlichen in Ordnung gewesen. Ein grober Fehler – und was die Sowjetunion und ihre Verbrechensmaschinerie angeht, ein unverzeihlicher Irrtum. Nicht nur die Deutschen, sondern auch die Sowjets haben nach ihrem Einmarsch Polen mit einer erbarmungslosen Terrorherrschaft überzogen, die hunderttausende Opfer gekostet hat – wohlgemerkt nicht als Opfer von kriegerischen Auseinandersetzungen, sondern als Opfer von wahllosem Terror gegen die Zivilbevölkerung.

Die FAZ bringt heute einige gute, sehr lesenswerte Artikel über dieses Thema der „gespaltenen Erinnerung“.

Bin gespannt, was derAbend mit Lena Kornyeyeva morgen bringt. Ihr Buch „Putins Reich“ liegt vor mir auf dem Schreibtisch.

 Posted by at 14:07
Jan. 062009
 

Eine Kunst, die weitgehend verlorengegangen ist, konnte ich letzte Woche ausgiebig in der Tretjakow-Galerie bestaunen: die Portraitmalerei. Niemand behauptet, dass die gemalten Portraits realistische Abbilder der Dargestellten wären – viel besser! Sie zeigen die Personen so, wie sie der Maler sah, oder wie sie sich selbst zu sehen wünschten, oder wie andere, etwa die Auftraggeber sie sahen. Umgekehrt sollten diese Bildnisse auf die Wahrnehmung der Zeitgenossen zurückwirken. Besonders fesselnd fand ich das Dostojewski-Bildnis von Perow – und das hier zu sehende Portrait Katharinas II. von Fedor Rokotov.

Rokotov zeigt die Zarin auf eine Art, wie sie für Herrscherbildnisse der damaligen Zeit eher ungewöhnlich war: nicht erhaben, statuarisch, wuchtig-gedrängt, nicht in starrer Herrscherpose, sondern als nach außen gewandte, buchstäblich auf Augenhöhe wirkende, klug anweisende Gebieterin. Das Bild strahlt Weltzugewandtheit, ja sogar Sympathie aus. War Katharina II. so? Vermutlich werden mindestens die Polen einhellig sagen: „So war sie nicht, sie hat unser Land bedenkenlos drei Mal aufteilen lassen! Sie war eine Machtpolitikerin, die Allianzen zu ihrem eigenen Vorteil schmiedete.“

Dem ist zu erwidern: Solche Portraits zeigen Machthaber in einer unlösbaren Verquickung zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen Schein und Sein.

Und heute? Heute liefern die Fotografen ähnlich kalkulierte, auf Wirkung berechnete Portraits. Aus tausenden von möglichen Bildnissen wählen Auftraggeber und Dargestellte die wenigen Aufnahmen aus, in denen sie sich am vorteilhaftesten dargestellt glauben. Dabei bleibt nichts dem Zufall überlassen.

Und dies bringt mich zu meinem heutigen Buchtipp! Ich empfehle den neuen Fotoband über Wladimir Putin den Kommunikationsabteilungen aller Politiker. Ich fand das Buch in einem der Moskauer Buchläden, die ich in müßigen Stunden durchstreifte.

Der ehemalige Staatspräsident wird hier ebenfalls „auf Augenhöhe“ abgelichtet. Das Buch ist damit Lichtjahre entfernt von dem distanzierten, auf Würde und Respekt ausgerichteten Stil der Herrscherportraits früherer Jahrzehnte. Klickt auf das Foto, um es genauer zu betrachten.

Wir sehen Putin mal versonnen, mal lächelnd, mal entschlossen, – doch stets in gewinnender Haltung dargestellt.

Auch die Bildtitel und die gesamte Aufmachung haben es in sich: Die Macher haben den Band nämlich wie eine Art privates Fotoalbum angelegt, mit eingelegten Zwischenrahmen, die auf die Fortsetzung und Aufdeckung des ganzen Fotos neugierig machen sollen. Auch haben sie nicht versäumt, kleine, gleichsam hingetuschte Kommentare einzufügen, so wie es Privatmenschen gerne in ihren Familienalben machen. Die Wirkungsabsicht ist klar: „Schaut her, mit mir kann man reden, ich höre zu, ich habe Humor!“

Besonders beachtlich: dieses Doppelportrait mit der deutschen Kanzlerin.

Der Text lautet übrigens: „Angela Merkel gefällt es, etwas AUF RUSSISCH zu erklären. Nur manchmal noch – mithilfe von Gesten.“ Ein klares Signal geht von diesem Foto aus: Lasst uns miteinander reden – wenn es sein muss, auch mit Händen und Füßen.

 Posted by at 23:11
Nov. 172008
 

Diese Frage bejaht der polnische Dziennik in seiner neuesten Ausgabe: Er beklagt, dass die nationale Geschichtsschreibung auf deutscher wie auf polnischer Seite durch Einseitigkeit geprägt sei: „Alle Kriege, die WIR begonnen haben, sind recht und billig. Alle Kriege, die UNS erklärt worden sind, sind ein hinterhältiger Angriff.“ Die Geschichtsbücher auf beiden Seiten bedürften dringend der Überarbeitung:

Dziennik – Wydarzenia – Polacy i Niemcy napiszą historię na nowo
Najpoważniejszym zarzutem stawianym „narodowym podręcznikom do nauczania historii“ jest ich jednostronność. Wszystkie wojny, które MY rozpoczęliśmy, są sprawiedliwe. Wszystkie wojny, które NAM wypowiedziano, są zdradzieckim atakiem. Czy polsko-niemiecki podręcznik będzie wolny od takich błędów? Już wkrótce poznamy zespół, który go napisze.

Ich meine: Wir müssen nicht nur die deutsch-polnische, sondern überhaupt die europäische Geschichte in Teilen neu schreiben. Wer weiß genug über die Länder jenseits von Bug und Weichsel, von Drau und Save? Wissen wir überhaupt etwas? Fragen über Fragen. Meine polnische Urgroßmutter, die aus Oppeln stammte, kann ich nicht mehr fragen.

Aber wir alle können den polnischen Außenminister fragen! Am kommenden 5. Dezember kommt er nach Berlin. Unsere „Gesellschaft zur Förderung der Kultur im erweiterten Europa e.V.“, deren überzeugtes Mitglied ich bin, wird die spannende Reihe „doppelgedächtnis“ fortsetzen. Das Hingehen wird sich wieder lohnen!

doppelgedächtnis: debatten für europa 6
am 5. Dezember 2008 um 15:00 Uhr
Radoslaw Sikorski
Außenminister der Republik Polen

Ort: Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin, Unter den Linden 78

Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Aufarbeitung

EINTRITT FREI

U.A.w.g. unter anmeldung@kultur-in-europa.de oder per Fax: 030 80 48 20 83

Wo stehen Europas Länder 20 Jahre nach Mauerfall? Was haben die Europäer aus der Erfahrung mit Kommunismus und Faschismus gelernt? Wie geht das vereinte Europa mit seinen getrennten Erinnerungen um? Was für Einsichten werden aus dem gespaltenen Gedenken im Osten und Westen Europas gewonnen und gegenseitig vermittelt? Was für gemeinsame Strategien entwickelt Europa, das auch gegenwärtig nach der Balance zwischen Freiheit und Gerechtigkeit auf der Suche ist, aufgrund ihrer unterschiedlichen Erfahrung mit Geschichte, Ideologien und Politik?

SCHAUEN SIE SICH DIE BISHERIGEN BEITRÄGE AUF YOUTUBE AN!
Links zu Videomitschnitten der ersten Veranstaltung finden sie hier.

 Posted by at 22:21

Kaczyński: Polen braucht die Reevangelisierung!

 Entkernung, Polen  Kommentare deaktiviert für Kaczyński: Polen braucht die Reevangelisierung!
Juli 012008
 

Als echte Goldmine erweist sich der polnische Dziennik! Wenige Stunden ehe Präsident Kaczyński den Lissaboner Vertrag für tot erklärte, verlangte er in dieser Zeitung eine Reevangelisierung Polens! Überall herrsche Nihilismus, die Kirche sei ungebührlich zurückgedrängt worden. Die Werte der katholischen Kirche seien fundamental in Polen, dies müssten auch die Ungläubigen, deren es in Polen einige gebe, anerkennen. Dies Übergreifen des Nihilismus gelte es jetzt rückgängig zu machen. Aha, das wussten wir bisher nicht. So ergibt sich ein vollständigeres Bild! Der Präsident meint, Polen müsse als Bollwerk gegen den Nihilismus ausgebaut werden, der seit den 70er Jahren über Polen hereingeschwappt sei. Bei diesem Unterfangen – so steht zu vermuten – können Verträge wie der von Lissabon nur hinderlich sein.

Lies den ganzen Artikel:

Dziennik – Polityka – Kaczyński: Polska potrzebuje reewangelizacji

 Posted by at 14:46

Europa misslingt einsam – Bravo, Dziennik!

 Europäische Union, Horst Köhler, Polen, Sprachenvielfalt  Kommentare deaktiviert für Europa misslingt einsam – Bravo, Dziennik!
Juli 012008
 

Mit seiner Weigerung, den Lissaboner Vertrag zu unterzeichnen, erobert Polens Präsident Lech Kaczyński die europäische Presse. Nicht ohne Genugtuung stellt dies die Tageszeitung „Dziennik“ in ihrer Internetausgabe fest. Genau dieses Organ hatte durch das Interview mit dem Präsidenten die Lawine losgetreten, Wind gesät – und erntet nun höchst zufrieden den Sturm in der Presselandschaft. Überall spricht man jetzt über den Dziennik!

Dziennik – Polityka – Kaczyński z traktatem podbił zagraniczne media

Dass gestern Bundespräsident Horst Köhler ebenfalls die Unterschrift zurückzuhalten erklärte, ehe sich das Bundesverfassungsgericht in der Sache erklärt haben würde, „schaffte es nicht auf die Frontseiten der Internetportale in der Europäischen Union“:

Wczoraj wieczorem prezydent Niemiec Horst Koehler zapowiedział, że wstrzyma się z ratyfikacją traktatu lizbońskiego do czasu orzeczenia sądu konstytucyjnego. Ta wiadomość nie trafiła jednak na czołówki portali internetowych w Unii Europejskiej. Serwisy największych europejskich dzienników cytują za to słowa polskiego prezydenta, Lecha Kaczyńskiego.

Dass nach den Iren nun auch die Deutschen und die Polen sich querstellen, wirft ein schlechtes Licht auf die europäische politische Klasse. Denn gerade die Gebrüder Kaczyński handelten den Vertrag in dieser Gestalt mit aus, wie auch der Figaro zurecht erinnert:

„Le Figaro“ przypomina, że to właśnie Lech Kaczyński, „razem ze swoim bratem bliźniakiem“ wynegocjował traktat z Lizbony w takim kształcie.

Was ist davon zu halten? Der Vertrag von Lissabon, den ich für höchst unterstützenswert halte, ist den Leuten nicht richtig erklärt worden. Ein kommunikatives Desaster der Extraklasse. Wer trägt dafür die Verantwortung? Vermutlich wir alle ein bisschen: Wir Blogger, weil wir dem Thema zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben, die Politiker, weil sie die Menschen nicht mitgenommen haben, die Presse, weil sie nicht ausreichend informiert hat, die Fernsehstationen, weil sie europäische Themen auf sträfliche Art vernachlässigen. Nebenbei: Das ZDF-heute-Journal, die ARD-Tagesthemen müssen jeden Tag mindestens ein europäisches Thema aufgreifen! Dafür dürfen sie und sollen sie die teilweise recht störende Werbung für eigene Box- und Fußballsendungen ersatzlos streichen. Plumpe Eigenwerbung hat in seriösen Nachrichtensendungen nichts verloren.

Meine persönliche Schlussfolgerung: Ich werde ab sofort europapolitischen Themen in diesem Blog noch mehr Aufmerksamkeit zollen, mehr aus der europäischen Presse berichten und noch mehr Fremdsprachenangebote einbauen. Aber immerhin habe ich in diesem Blog schon Beiträge und Zitate in 9 europäischen Sprachen drin – darunter auch Sorbisch und Türkisch! Was wollt Ihr mehr?

Europa misslingt einsam! Es scheitert immer dann, wenn die einzelnen Akteure sich nicht einbinden lassen, bloß für sich und ihr Land das Beste herausholen wollen und das europäische Gemeinwohl mit Füßen treten.

So geht es nicht weiter. Nein: Europa gelingt gemeinsam – das Motto der deutschen Ratspräsidentschaft fand ich schon mal gut, für den Anfang.

 Posted by at 12:35

Slawisches Volk stellt jetzt den Ministerpräsidenten in Sachsen

 Armut, Das Gute, Ethnizität, Polen, Religionen, Sprachenvielfalt, Was ist deutsch?  Kommentare deaktiviert für Slawisches Volk stellt jetzt den Ministerpräsidenten in Sachsen
Mai 292008
 

Stanislaw Tillich wurde gestern als Ministerpräsident Sachsens vereidigt. Ich sah die Bilder im ZDF heute-journal am Abend. Der Mann ist Sorbe, ist deutscher Staatsangehöriger und bekennt sich offen zur Zugehörigkeit zu dieser ethnischen Minderheit in Sachsen. Er spricht ganz normales Deutsch mit leichtem sächsischem Zungenschlag. Darüber hinaus ist er praktizierender Katholik, auch hierdurch gehört er im Land Sachsen einer kleinen Minderheit an. Ein doppelter Minderheitenvertreter erringt also das höchste Amt im Bundesland Sachsen! Gut!

Wer sind die Sorben? Die Sorben sind das letzte verbliebene autochthone slawische Volk im heutigen Deutschland. Noch bis ins 17. Jahrhundert hinein gab es darüber hinaus zahlreiche andere slawische Volksgruppen im Raum östlich von Elbe und Saale, also die „Elbslawen“, mithin war der gesamte Osten des früheren Deutschen Reiches in der Tat mehrsprachig. Aber die meisten Slawen haben sich dann vollständig – mehr oder minder gezwungen – assimiliert. Die Sorben zählen heute wohl nicht mehr als 70.000 Seelen, eine kleine Minderheit im heutigen Sachsen und in Brandenburg. Kann man Polnisch, versteht man eigentlich auch Sorbisch. „Mit Gottes Hilfe“ (so meine ich gehört zu haben) fügte Tillich auf Sorbisch dem zunächst auf Deutsch geleisteten Amtseid hinzu. Ich war beeindruckt, denn meines Wissens geschah dies zum ersten Mal, dass bei einer Vereidigung in Deutschland eine Minderheitensprache verwendet wurde.

Wie könnte man sich das für Berlin vorstellen? Das wäre so, als würde ein praktizierender Moslem, der einer hier seit Generationen siedelnden ethnischen Minderheit, z.B. den Türken oder Arabern angehört, an den auf Deutsch geleisteten Amtseid auf Arabisch die Wendung „so Gott will“ anfügen. Und wäre dann Regierender Bürgermeister. Werden wir das noch erleben? Alle demographischen Daten sprechen dafür. Ich meine also: Ja. Aber – es ist „in Gottes Hand“. Es wäre etwas Gutes. Wahrscheinlich würde dieser Türke oder Araber deutscher Staatsangehörigkeit dann ein leicht berlinerisch gefärbtes Deutsch sprechen.

Wie selbstverständlich zeigte sich Tillich gestern dann nicht „auf hohem Ross“, und auch nicht im standesüblichen dunkelgetönten Audi, sondern auf dem Fahrrad. Kein Zufall! Er präsentiert sich also von Anfang an als Ministerpräsident zum Anfassen, der auf Bürgernähe setzt. Bóh z vami, knježe Tillich!

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Was heißt das übersetzt, was in der Ode vom 22.10. …

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Nov. 192007
 

… auf Hr. Tusks Wahlsieg steht? So fragt mich ein Leser aus Kreuzberg. Antwort:

Jestem bardzo zadowolony = „Ich bin sehr zufrieden“.

Witam panstwo serdecznie z Kreuzberga! „Ich grüße Sie herzlich aus Kreuzberg!“

Ich hoffe, das stimmt so, zumindest wünsche ich nicht, dass meine polnische Urgroßmutter sich im Grabe umdreht. Mehr habe ich nicht geschrieben, da ich die Sonderzeichen so schnell nicht in meinem Blog einfügen konnte. Und weil ich vorerst mit meinem Polnisch am Ende war. Aber Polnisch kommt!

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Tusk gewinnt haushoch in Polen – dank positiver Kommunikation

 Polen, Positive Kommunikation  Kommentare deaktiviert für Tusk gewinnt haushoch in Polen – dank positiver Kommunikation
Okt. 222007
 

Lese eben vor dem Aufbruch noch von Tusks Wahlergebnis. Großartig, ich bin begeistert. Tusk hat gewonnen, weil die Polen kein Freund-Feind-Denken mehr wollen, weil sie des alten Blockdenkens überdrüssig sind. Er ist – nach eigenem Bekunden – – pro-deutsch, pro-russisch, pro-tschechisch … ein echter Patriot eben, der für sein Land gute Beziehungen zu allen Nachbarn will. Jestem bardzo zadowolony! Witam panstwo serdecznie z Kreuzberga!

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