Immer wieder treffe ich unter meinen zahlreichen fremdländischen und fremdsprachigen Bekannten, Freunden, Verwandten und der sonstigen Meschpoche auf überraschte und erstaunte Gesichter: „Ist das wirklich wahr, dass …?“ „Ja, hast du damit ein Problem?“, erwidere ich dann stets beflissen. „Ja, das ist doch köstlich! Dass so etwas möglich ist in Deutschland! HABEN SIE EUCH DENN WAS INS ESSEN GEMISCHT?“ Verlegen stottere ich dann herum: „Ja, weißt du, das ist eine längere Geschichte …“
Doch. Es ist wahr. Die offizielle Armutsquote ist in Deutschland höher als in Ungarn, obwohl jeder Sozialhilfeempfänger bei etwa doppelt so hohem Kostenniveau hier in der Bundesrepublik mehr Geld zur Verfügung hat als ein akademisch gebildeter Berufsanfänger in Ungarn. Ja, es ist wahr, dass jeder alleinstehende Mensch unabhängig von eigenen Einkünften hier Anspruch auf eine staatlich finanzierte eigene Wohnung hat mit Abmessungen, von denen viele Arbeitnehmer in Nachbarländern Deutschlands nur träumen können.
Doch. Es ist wahr. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken erklärt im traulichen Bündnis mit der Bundesspitze der Grünen den „Kampf gegen die Armut, insbesondere gegen die Kinderarmut“ in Deutschland zu einer dringlichen Aufgabe der Gesellschaft, obwohl doch wieder und wieder nachgewiesen worden ist, dass die Kinder – alle Kinder! – heute in Deutschland mehr Platz, mehr Geld, mehr Spielzeug, mehr Essen bekommen als vor dreißig Jahren, dass sie kleinere Klassen, mehr Kita-Plätze und mehr Betreuungsmöglichkeiten erhalten als noch vor 10 Jahren, ganz zu schweigen von den Zeiten vorher.
Was echte Kinder-Armut und mangelnde Bildungschancen für Kinder heute bedeuten, das erzählen mir türkische Eltern und auch die UNESCO sehr eindrücklich: In der Türkei besuchten laut UNESCO im Jahr 2007 550 000 Mädchen keinerlei Schule, viele Kinder werden dringend bei der Feldarbeit und als Handlanger für die Eltern gebraucht. Von den märchenhaften Reichtümern der in Deutschland lebenden Kinder können die Kinder im Osten der Türkei nur träumen.
Andererseits umfassen die Klassen in der Türkei gern auch schon mal 50 Kinder – in Tansania dagegen bis zu 110 Kinder. Dennoch lernen die eingeschulten Kinder an türkischen (auch an russischen oder syrischen) Grundschulen schneller und besser Lesen und Schreiben als in Deutschland. Obwohl es den Kindern in Deutschland materiell viel besser geht und die Klassen in Deutschland kleiner sind! WARUM?
Wenn man all diese Fakten und Geschichten zusammenträgt, muss man in der Tat den Fragenstellungen rechtgeben, die da auf mich niederprasseln: „HABEN SIE EUCH DEUTSCHEN WAS INS ESSEN GEMISCHT, dass hier in Deutschland ständig von Kinderarmut und mangelnden Bildungschancen geredet wird? Was ist bloß mit euch Deutschen los? Habt ihr denn keine Ahnung davon, wie die Welt außerhalb Eurer Wohlstandsinsel aussieht?“
Vera Lengsfeld hat erst vor wenigen Tagen die Armutsrepublik Deutschland sehr treffend – erfreulicherweise in der gebotenen sozialen Kälte (wieder so ein Wort!) – analysiert. Neben den Erzählungen türkischer, russischer, arabischer Zuwanderer zur Grundschule verschiedener Herkunftsländer im Vergleich mit den deutschen Schulen empfehle ich ihren Kommentar der Aufmerksamkeit aller deutschen Grünen und aller deutschen Katholiken:
Ein merkwürdiger Zusammenklang des Widersprüchlichen ergibt sich im griechischen Phobos. Das Wort bezeichnet Angst, Flucht und Scheu gleichermaßen. Angst hier verstanden als übertriebener, nicht beherrschbarer Fluchtreflex.
Erst im heutigen Englischen ergibt sich der Einklang von Phobie und Furcht. Islamophobie oder engl. islamophobia etwa ist die Angst vor dem Islam. Der Sieg der Seldschuken bei Manzikert im Jahr 1071, die Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 dürften Gründungsereignisse für diese Angst der Europäer vor der Überwältigung durch islamische Eroberer sein.
Der heftige Abscheu gegenüber dem Rassismus, gegenüber allen Rassisten, gegenüber der „braunen Pest“ usw. ist – so vermute ich – getränkt von einer tiefsitzenden Angst davor, auch in sich selbst Keime des Rassismus, Keime der Fremdenangst, Keime der Angst vor Eroberung zu entdecken.
Gegen diese Angst vor dem verschwiegenen Eigenen wird ein heftiger Verbotsreflex in Marsch gesetzt: „Es darf nicht sein, dass auch in mir der Keim des Bösen liegt!“ Und deshalb wird nicht das Böse verboten – denn wer könnte den Hass und die Angst verbieten? -, sondern die Bösen werden verboten.
Wer die Bösen sind? Das wechselt! In den 70er Jahren waren es die Linksradikalen, etwa die KPD oder die DKP, denen man mit Verboten zu Leibe rückte. Heute sind es „die Rechten“.
Beim vorgeschlagenen NPD-Verbot sollte man sich besinnen und sich belehren lassen durch die mannigfachen Verzweigungen und Affiliationen, die der mörderische Terrorismus der RAF seit damals bis in den SDS, ja auch in eine heute zum allergrößten Teil grundgesetzkonforme, „systemtragende“ Bundestagspartei hinein hatte und hat. Mannigfaltige Verbindungen ergeben sich auch zwischen dem Links- und dem Rechtsextremismus, exemplarisch verkörpert in Horst Mahler, dem langjährigen Sozius und Kumpel eines heute im Bundestag sitzenden Abgeordneten der Grünen. Hätte man denn damals gleich die Grünen als Partei verbieten sollen, nur weil Horst Mahler und andere RAF-Terroristen in engeren Arbeits- und Unterstützerbeziehungen zu prominenten Vertretern der Grünen standen, die bis zum heutigen Tag im Geiste einer unerschütterlichen Omertà nichts Böses über die Genossinnen und Genossen von damals aussagen?
NPD-Verbotsantrag? Man sollte es besser lassen. Ich schließe mich den Bedenken eines Teils der Grünen und des Bundestagspräsidenten Lammert an.
Spannender wäre es, der NPD inhaltlich das Wasser abzugraben. Arbeit, Familie, Nation – diese Themenfelder gilt es zu beackern! Am ehesten traue ich das übrigens den Grünen zu.
Wer sagt etwas Substantielles zur deutschen Nation? Wer traut sich da ran?
Man könnte ja auch so anfangen: „Alle deutschsprachigen Schwaben, Sachsen, Tscherkessen, Türken, Schlesier, Niedersachsen usw. usw. gehören zur deutschen Nation, sofern sie sich zu ihr bekennen“? – „Auch die Kurden gehören zur Nation!“ „Auch die in Deutschland lebenden, deutschsprachigen Kurden gehören zur deutschen Nation, sofern sie dies wünschen und sich der deutschen Nation anschließen!“ „Man kann sehr wohl guter Kurde, guter Tscherkesse und zugleich guter Deutscher sein!“ Was ist davon zu halten?
„Du musst Deutsch können!“ Wer hat diesen national – wo nicht nationalistisch – getönten Spruch als erste im Bundestagswahlkampf 2009 losgelassen? Renate Künast von den Grünen!
Die deutschen Grünen, diese urwüchsig deutscheste aller Parteien, gestehen es mittlerweile offen ein, dass ihre Wurzeln in der deutschen Romantik liegen – Boris Palmer hat es kürzlich wieder einmal hervorgehoben. Einige Programmpunkte der NPD sind denn auch durchaus anschlussfähig ans Programm der Grünen, etwa die Kapitel „Gesunde Heimat – gesunde Natur“ oder auch „Raumorientierte Volkswirtschaft“.
Die deutsche Romantik ist der Ursprung des Nationalismus, Ursprung der Naturschutzbewegung, Ursprung des Gedankens vom „Volkskörper“, der organisch-biologisch im Naturganzen eingebettet ist, Ursprung der bündischen Jugend, Ursprung der biologisch-dynamischen Erzeugergemeinschaften. Man lese doch bitte einmal Fichtes „Reden an die deutsche Nation!“ Auch diese Gedanken sind dann mit dem antimodernen, antikapitalistischen Affekt im Nationalsozialismus zusammengeflossen.
Also, was folgt daraus für den NPD-Verbotsantrag? „Erscht denga, dann schwätza und schreiba!“ Das KPD-Verbot von 1956 halte ich für verfehlt. Der Radikalen-Erlass war verfehlt. Ein Grünen-Verbot wäre falsch gewesen. Verbote bringen wenig. Wenn man jetzt alles nationalistisch-übersteigerte Denken und die einzige, eher kümmerlich dastehende nationalistische Partei Deutschlands verbieten will, dann muss man auch Heinrich von Kleist, Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Hölderlin verbieten und aus den öffentlichen Bibliotheken entfernen. Dann muss man auch das Lied „Wann wir schreiten Seit an Seit“ verbieten, das die SPD zum Abschluss ihrer Parteitage singt. Denn ein bekennender Nationalsozialist, das überzeugte NSDAP-Mitglied Hermann Claudius hat es geschrieben.
Vor allem aber gilt es, Angst und Abneigung als Teil des eigenen Selbst anzuerkennen. Das Perhorreszieren des Fremden, des Abartigen und des Andersartigen führt zum Hass und zur Feindseligkeit auf beiden Seiten.
Besonnene Argumente, die sachliche Auseinandersetzung, der sokratische Dialog, das Werben um Zustimmung für die Ideale der Demokratie, der Humanität und der Rechtsstaatlichhkeit sind bessere Mittel im Kleinhalten der rechtsextremen Parteien und im Bekämpfen der nationalistischen Bewegungen, als Verbote und Verteufelungen dies je sein könnten.
„Scheitert die Energiewende in Deutschland, hätte dies fatale Folgen für die weltweiten Bemühungen gegen den Klimawandel.“ So äußern sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN einhellig in einer Erklärung vom 4. Dezember 2012.
Was für eine grandiose Haltung der deutschen Politik spricht aus diesem Satz! Ich finde es merkwürdig, dass das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sich in den Dienst eines vorerst eher unkonkreten politischen Maßnahmenbündels stellt, „um die WELT zu retten.“
Was maßen sich die HERRschaften eigentlich an – DEUTSCHLAND soll also der Welt den Weg weisen? Soll denn am deutschen Energiewendewesen das Weltklima genesen? Vorsicht, diese deutsche Überheblichkeit hattten wir schon mal. Diese deutsche Überheblichkeit hat der Welt nicht gut getan. Der Zertifikatehandel hat ja bisher auch keineswegs den ersehnten, hoch und heilig versprochenen Wandel gebracht.
Deutschland erzeugt etwa 2,4% der gesamten weltweit ausgestoßenen Treibhausgase. Das ist viel, aber es ist nicht so viel, dass Deutschland es in der Hand hätte, das Weltklima zu retten. Selbst wenn Deutschland von heute auf morgen die gesamte Emission einstellte, würde sich langfristig nichts ändern.
Ich finde es besser, wenn kirchliche Organe sich der allzu offenen, direkten Einflussnahme in die Tagespolitik zugunsten einer politischen Partei (etwa der GRÜNEN) enthalten. Dem HERRN gehört die Erde, der Erdkreis und seine Bewohner: Der Psalmist meint damit: Der Mensch, noch weniger ein einzelnes Volk wie die Deutschen, sollten sich nicht anmaßen, über Wohl und Wehe der Erde zu verfügen. Achtsamkeit, schonender Umgang mit den Mitmenschen und mit den Schätzen der Erde – ja! Rechthaberei, Aufzwingen des eigenen Willens, Steuerung von oben herab – sind schon weniger zielführend.
Etwas mehr Bescheidenheit tut not. Der Klimawandel ist zweifellos ein Problem, wenn auch keineswegs das drängendste Problem der Weltpolitik. Die deutschen Katholiken und die deutschen Bündnisgrünen sollten jetzt nicht so tun, als hätten ausgerechnet die Deutschen das Ei des Kolumbus gefunden. Es werden wahnsinnig viele Treibhausgase unnötig emittiert. Emissionseinsparungen sind neben Änderungen des Lebensstils ein bisher kaum genutztes Potential.
Kleinere Brötchen backen ist angesagt.
Fahren wir etwas mehr Fahrrad, schaffen wir etwas bessere Bedingungen für den Radverkehr, beginnend im grün regierten Wohnbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Das wäre mal schon etwas. Man muss nicht immer der WELT vorschreiben wollen, wie es geht.
„Den deutschen Frauen danket! sie haben uns
Der Götterbilder freundlichen Geist bewahrt,
Und täglich sühnt der holde klare
Friede das böse Gewirre wieder.“
Wer mag diese deutschnationalen Töne wohl gedichtet haben? So viel sei verraten: es ist ein Dichter, der bei der jüngsten Wahl des Stuttgarter Oberbürgermeisters eine entscheidende Rolle als Wahlhelfer für den obsiegenden Bewerber gespielt hat! Vorname des Dichters wie auch des neuen Oberbürgermeisters: Friedrich, umgangssprachlich auch Fritz. Deutsch von echtem Schrot und Korn!
„Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang!“
Wer mag diesen deutschnationalen Ton gedichtet haben? Nun ratet fein! Sein Vorname, Heinrich, umgangssprachlich Heinz.
„Gesang des Deutschen“, „Lied der Deutschen“ – in beiden Gedichten werden die deutschen Frauen besonders angerufen. Das hätte nur unter zwei Voraussetzungen Sinn: wenn erstens die deutschen Frauen irgendwie anders als die nichtdeutschen Frauen wären, und wenn zweitens auch die deutschen Frauen irgendwie anders als die deutschen Männer wären.
Sowohl bei Friedrich Hölderlin wie auch bei Heinrich Hoffmann von Fallersleben lässt sich eindeutig erkennen, dass deutsche Frauen anders als deutsche Männer sind oder doch wahrgenommen werden. Ist dies etwas Besonderes? Nein! Über die gesamte Geschichte der Menschheit lässt sich nämlich mit überwältigender Mehrheit eine Unterscheidung der Rolle von Männern und Frauen herausarbeiten, Hölderlin und Hoffmann sind da keine Ausnahme, sondern sie übernehmen diese uralte Einsicht, dass Männer und Frauen „irgendwie verschieden“ sind.
Woher kommt diese Verschiedenheit? Nun, hier scheint oftmals die Erkenntnis eine Rolle zu spielen, dass Frauen Mütter werden können. Es ist ein unleugbarer biologischer Befund, dass der Bestand von Gesellschaften an Mutterschaft geknüpft ist. Von daher die hohe Wertschätzung, die Mutterschaft und Familie seit unvordenklichen Zeiten weltweit in den meisten Gesellschaften genießen: ob nun als Demeter, als Magna Mater, als Gottesmutter Maria, als Madonna. Der Mutterbilder sind zwar unendlich viele, aber jeder anständige Mensch – so meine auch ich – zollt seiner Mutter wieder und wieder besondere Hochachtung, besonderen Respekt.
Die Mutter ist etwas „Unantastbares“, wer die Mutter eines Mannes beschimpft, beschimpft ihn selbst!
Kaum eine stärkere Beschimpfung ist denkbar als „Hurensohn“, eine Schmähung, wie sie seit einigen Jahren hier in Kreuzberg auf Straßen und Schulhöfen sehr oft zu hören ist. Das weibliche Gegenstück zum „Hurensohn“ ist die „Schlampe“, ein Ausruf, der sich seit einigen Jahren ebenfalls größter Beliebtheit erfreut.
„Ach, wenn wir doch nur ein Kind hätten“, seufzt die Frau in Grimms Märchen „Rapunzel“. In alten Märchen werden Frauen geschildert, deren sehnlichster Wunsch es ist, Mutter zu werden.
„Den deutschen Frauen danket!“ So Hölderlin!
Wie sehen die deutschen Vorzeigefrauen heute aus? Welches Frauenideal wird heute in Deutschland verkündet?
Die Antwort darauf fällt nicht einfach aus, doch müsste sie in folgende Richtung gehen: Angestrebt wird heute eine weitgehende Gleichheit der Geschlechter. Der berufliche Erfolg, die gleiche Bezahlung („equal pay“) ist der entscheidende Gradmesser der angestrebten Gleichheit. Wenn Frauen in den Führungspositionen der Wirtschaft und der Politik ebenso stark vertreten sind wie Männer und auch die gleiche Bezahlung bekommen, ist alles in Butter und wir können uns entspannt zurücklehnen! Dann hat die Sozialpolitik alles richtig gemacht!
Mutterwerden gilt gesellschaftlich im heutigen Deutschland nicht als für sich erstrebenswertes Ziel. Ganz im Gegenteil! Jede Frau, die sich etwa unterstünde zu sagen:
„Ich möchte vor allem Mutter werden! Mutter zu sein für meine Kinder, Herrin des Hauses meiner Familie zu sein, wäre ein großer Teil meines Lebenssinnes. Ich möchte gar nicht vorrangig an meinem eigenen beruflichen Erfolg arbeiten. Mir ist der Erfolg und das Glück meiner Familie und meiner Kinder grundsätzlich wichtiger als mein eigener individueller beruflicher Aufstieg!“
wird in den Medien sofort belächelt oder verachtet. Zwar dürfen Frauen als einzelne Menschen durchaus den Wunsch äußern, Mutter zu werden und eine Familie zu gründen, jedoch wirken sehr starke Kräfte auf sie ein, den Wunsch doch bitte schön zurückzustellen. Wichtiger als Mutterschaft und Familie ist die wirtschaftliche und soziale Selbständigkeit! Mutter werden kann frau später immer noch.
„Die Wirtschaft braucht das Potenzial von Männern und Frauen. Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, das wirtschaftliche Potenzial der Frauen ungenutzt zu lassen, gerade in Zeiten des demographischen Wandels! Unsere Volkswirtschaft braucht jede Frau und jeden Mann uneingeschränkt!“
Da Deutschland seit Jahrzenten eine der niedrigsten Geburtenraten weltweit hat und die Kinder und die zukünftigen Arbeitskräfte bereits jetzt fehlen, müssen die Frauen in die Produktion. Politik und meinungsbildende Presse arbeiten zielstrebig an der Heranbildung oder besser Heranzüchtung eines neuen Frauenbildes.
Welches Frauenbild entsteht daraus? Zunächst einmal: Die Mutterschaft, vor allem die Mehrfach-Mutterschaft ist ein Risikofaktor für den beruflichen Erfolg und das gesellschaftliche Ansehen der Frau.
Gebraucht wird in den Zeiten des demographischen Wandels die universal einsetzbare Frau bis etwa Mitte 30, bei der all das, was auf Mutterschaft, auf Älterwerden oder das Risiko einer Mutterschaft oder das Risiko des Älterwerdens hindeutet, systematisch weggenommen wird. Nichts Rundes, nichts Überflüssiges, nichts Faltiges, Runzliges oder Fettes darf bleiben bei der marktkonformen Frau!
„Ich weiß genau, dass ich statistisch ein 20-30%-Risiko habe, dass die Frau wegen Mutterschaft auf Teilzeit gehen oder ganz ausscheiden wird. Da kannst du noch so viel Betreuung im Betriebskindergarten oder Flexitime anbieten. Mutterschaft der weiblichen Angestellten ist ein betriebswirtschaftliches Risiko. Dieses bezifferbare Risiko spiegelt sich bei den Gehaltsverhandlungen völlig korrekt wider. Equal-Pay-Forderungen sind unsinnig.“ So verriet mir einmal bei einer Tasse Kaffee unter dem Siegel der Vertraulichkeit einE UnternehmerIn.
Gefragt und verlangt ist angesichts des demographischen Wandels die alterslos mädchenhafte oder auch alterslos knabenhafte Frau bis zum Alter von maximal 35, die androgyne Frau, die Frau, bei der man nicht weiß, ob man in des Gesicht eines Jungen oder eines Mädchens blickt. Als wesentliches Knockout-Kriterium für beruflichen Erfolg kann heute „das Mütterliche“ gelten, also insbesondere jeder Hauch von Übergewicht.
Die „schönen Seiten“, das bunt bebilderte Magazin der FAZ und der NZZ lieferte an diesem Wochenende eine reich bebilderte Jagd- und Foto-Strecke für die Richtigkeit meiner Analyse: Kati Nescher, Lena Hardt, Luca Gajdus, Corinna Ingenleuf … das sind einige der erfolgreichen deutschen Frauen, deren Ruhm die meinungsbildende Presse weltweit erschallen lässt. Herrlich auch der Name Luca – ein italienischer Männername. Besser kann man das androgyne Ideal der modernen Frau nicht ausdrücken als durch die Wahl eines Männernamens!
Noch einmal: Die Geringschätzung des Mütterlichen, die sportliche, schlanke, rundum fitte Erscheinung ist der hervorstechende Zug des heute vorherrschenden Frauenbildes. Mithilfe von Gender Mainstreaming wird systematisch an dem Verschwinden des Mütterlichen gearbeitet. Ob die Frauen selbst das so wollen, wird nicht gefragt.
Dichter wie Friedrich Hölderlin, Friedrich Schiller oder Heinrich Hoffmann von Fallersleben würden heute keine Minute in der öffentlichen Arena überleben. Sie würden hochkant aus jeder Talkshow geworfen, Männerquote hin, Männerquote her. Hoffmann würde vor allem wegen seines heute weithin verfemten Deutschlandliedes, Hölderlin jedoch vor allem wegen seines allein schon wegen des Titels anstößigen „Gesangs des Deutschen“ rausgeworfen oder zerrissen.
Dass der obsiegende OB-Bewerber Friedrich Kuhn mitten im Wahlkampf allerdings einen von den Franzosen als so typisch deutsch empfundenen Dichter wie Friedrich Hölderlin mit seiner Ode „Stuttgart“ zustimmend zitiert, nötigt mir Hochachtung ab. Chapeau, Herr Friedrich! Lassen Sie sich nicht mainstreamen oder gendern!
Den deutschen Dichtern danket!
Quellenangaben:
Jana Drews: „Fräuleins“, in: Z. Die schönen Seiten. Beilage zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Neuen Zürcher Zeitung. Ausgabe Herbst 2012, 5/12, Seite 27
Friedrich Hölderlin: „Gesang des Deutschen“
Heinrich Hoffmann von Fallersleben: „Das Lied der Deutschen.“
Zitiert nach: Das deutsche Gedicht. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Wulf Segebrecht. S. Fischer Verlag, o.O., 2005, S. 189 und S. 252
EWIGER
RUHM
DEN HELDEN.
DIE GEFALLEN IN KÄMPFEN
FÜR UNSERE
SOWJETISCHE
HEIMAT.
Soweit las ich murmelnd-sprachmittelnd an einem kalten Februartag des Jahres 2012 die russische Inschrift auf dem Obelisken des sowjetischen Ehrenfriedhofes in Brandenburg an der Havel.
Zaudernd schritt ich weiter. Dann las ich die entsprechende deutsche Inschrift:
DEN
VEREHRTEN
SÖHNEN
DER
GROSSEN
H IMAT
An dem Unterschied zwischen den beiden Sprachfassungen zeigen sich Unterschiede im Umgang mit der Vergangenheit. Für die Deutschen ist Heimat etwas Unwirkliches geworden. Es fehlt in dem Wort offenbar ein Buchstabe. Sie können das Wort gewissermaßen nicht mehr buchstabieren. Es wird zwar nicht geleugnet, dass von etwa 1000 bis 1933 und von etwa 1945 bis heute auch einiges Gute in Deutschland geschehen sein könnte, jedoch herrscht vielfach die Meinung vor, dass man sich nicht zu Begriffen wie Heimat und Patriotismus bekennen dürfe. „Patriotismus – nein danke!“, so lautet der Button, den die Grüne Jugend gerade jetzt zur EM mit großem Erfolg vertreibt. Nur in Deutschland ist so etwas denkbar.
Mit solchen Reden wie „Patriotismus – nein danke!“ überantwortet man die Deutschen und alle in Deutschland lebenden Migranten auf alle Ewigkeit der ewigen Schande des Nationalsozialismus. Die Grüne Jugend stellt sich gewissermaßen feierlich in den ewigen Dienst des Hitlergedenkens. „Wir alle waren es, wir sind in alle Ewigkeit schuldig.“
Für die Russen hingegen dürfte über den Systemwechsel hinweg der Begriff des Heldischen, der Heimat und des Patriotismus Geltung behalten haben. Der 9. Mai ist der Tag des Sieges, der Tag der Befreiung, die große Parade auf dem Roten Platz ist bis zum heutigen Tag der zentrale Anknüpfungspunkt für russischen Patriotismus, den eigentlich niemand antastet. Was auch immer zwischen 1917 und 1953 geschehen sein mag, am Begriff der russischen Nation, der russischen Heimat halten alle fest. Die Verbrechen der Sowjetunion werden zwar nicht geleugnet, doch werden sie ausschließlich Stalin und dem Stalinismus angelastet. „Wir Russen waren es nicht, es waren alles nur die Stalinisten.“ „Wir Russen haben das Siegen in unseren Genen!“, diese Aussage wurde über einen Wahlkämpfer des Jahres 2012 berichtet, der dann auch die Wahlen mit großen Vorsprung gewann.
„Kuckt mal, wir Deutsche haben den unter deutschem staatlichem Befehl ermordeten Millionen Juden Europas in der Nähe des Bendlerblockes und der Wilhelmstraße ein stattliches Denkmal gesetzt, wollt ihr Russen nicht auch den unter russischem staatlichem Befehl ermordeten Juden Europas, den unter russischem staatlichem Befehl ermordeten europäischen Christen, Atheisten, Kommunisten, den unter russischem staatlichem Befehl ermordeten Muslimen ein Denkmal setzen? – etwa in der Nähe der Lubianka?“ So frage ich manchmal.
„Wo denkst du hin? Die Stalinisten, das waren doch alles Verbrecher, Mörder, Räuber, Diebe und Banditen. Das ist vorbei, damit sind wird durch. Wir brauchen endlich den Schlussstrich unter den Stalinismus. Es waren Kriminelle, nicht wir Russen. STELL DOCH NICHT SO VIELE FRAGEN!“
DU SOLLST NICHT WISSEN! Das Schicksal der Millionen und Millionen von Terroropfern (darunter auch sehr viele Deutsche), die ab 1917 in der Sowjetunion verschleppt, interniert, ermordet, erschossen und hingerichtet wurden, ist weiterhin fast vollständig ungeklärt. Selbst die Zahlen schwanken. Waren es nun 15 Millionen, oder 30 Millionen oder 50 Millionen? Wir wissen es nicht, und wir werden es vielleicht nie erfahren.
Heute wird gesagt: Das war alles Stalin. Er allein?
Es wird gesagt: alles eine Folge des deutschen Überfalls auf die friedliebende Sowjetunion! Wirklich?
Der verbrecherische Angriff der Hitleristen auf die Stalinisten, die ihrerseits vorher bereits mehrere Nachbarstaaten in verbrecherischen Angriffskriegen überfallen hatten, erfolgte 1941. Die großen Säuberungen des sogenannten „Stalinismus“ mit millionenfachen Morden unter dem Befehl der russischen Staatsorgane, riesige Umsiedlungen, Zwangskollektivierungen hingegen wurden zu „Friedenszeiten“ durchgeführt, also insbesondere in den Jahren 1937/38 und dann noch einmal in den frühen 50er Jahren.
War das nur STALIN? Hatte er nicht wenigstens eine Partei und einen Geheimdienst dabei? Hat er allein eigenhändig in „Friedenszeiten“ Millionen Menschen ermordet?
Verschleppung, Vertreibung, Versklavung – dieses Schicksal traf ab 1917 unter dem Nationalbolschewismus, dem gelobten „Kommunismus in einem Lande“, zahlreiche nationale Minderheiten, nicht nur die zugewanderten deutschen Emigranten, sondern auch die autochthonen Volksgruppen wie etwa die Ukrainer oder die „Wolgadeutschen.“
DU SOLLST NICHT FRAGEN!
In der DDR und den anderen Staaten des Kommunismus galten starke Frageverbote.
Loretta Walz und Annette Leo fragen heute trotzdem – danke! Sie zeichnen in ihrem Film „Im Schatten des Gulag – als Deutsche unter Stalin geboren“ das Schicksal der deutschen Emigranten nach, die in den 30er Jahren von den kommunistischen – oder besser den „stalinistischen“ – Staatsorganen verschleppt, deren Familien zerstört, die verschickt und versklavt worden sind.
In der DDR war das Schicksal der verschleppten und vertriebenen Deutschen tabu. Das Wort Vertreibung der Deutschen durfte nicht verwendet werden. Noch heute zucken brave, tüchtige Menschen aus der früheren DDR peinlich berührt zusammen, wenn ich Namen wie Glogau oder Breslau in den Mund nehme, statt servil und korrekt Głogów und Wrocław zu sagen. Der deutsche Anteil in der Geschichte dieser Städte wird von sehr sehr vielen Deutschen – weniger als von Polen selbst – systematisch geleugnet.
„DU SOLLST NICHT ERINNERN!“
Keine Bange: Wenn ich Polnisch spreche, sage ich Wrocław wie die Polen, wenn ich Deutsch spreche, sage ich wie die Polen auch Breslau. Und wenn ich feinfühlig erahne, dass meinen wackeren schuldzerfressenen Deutschen alles Deutsche furchtbar unangenehm und verhasst ist, switsche ich ins Englische oder Russische. Oder ich halte gleich die Klappe. Du sollst nicht reden! Alles paletti.
Dennoch gilt: Breslau war über Jahrhunderte hinweg eine überwiegend, obzwar nicht ausschließlich deutsch geprägte Stadt, das war nun einmal die Stadt, aus der beispielsweise die folgenden Nobelpreisträger stammen (Auszug aus der Wikpedia):
Philipp Lenard (1905) fizyk, nagrodę otrzymał dzięki swej pracy nad promieniowaniem katodowym
Eduard Buchner (1907) niemiecki profesor chemii. Prowadził badania z dziedziny związków cyklicznych (odkrycie pirazolu), nad alkoholową fermentacją drożdżową i procesami fermentacyjnymi
Paul Ehrlich (1908) chemik i bakteriolog, wynalazł salwarsan lekarstwo przeciwko kile stosowane przed wynalezieniem antybiotyków
Gerhart Hauptmann (1912) dramaturg i powieściopisarz, był przedstawicielem nurtu naturalistycznego w teatrze
Fritz Haber (1918) chemik niemiecki pochodzenia żydowskiego, nagrodę otrzymał za opracowanie metody syntezy amoniaku, umożliwiającej produkcję nawozów sztucznych
Friedrich Bergius (1931) prace badawcze nad wysokociśnieniowym uwodornianiem węgla do węglowodorów ciekłych benzyna syntetyczna (metoda Bergiusa), scukrzaniem drewna (hydroliza celulozy)
Otto Stern (1943) fizyk, nagrodę otrzymał za swój wkład w rozwój metody wiązki molekularnej i odkrycia momentu magnetycznego protonu
Max Born (1954) sformułował standardową obecnie interpretację kwadratu funkcji falowej (ψ*ψ) w równaniu Schrödingera jako gęstości prawdopodobieństwa znalezienia cząstki
Für die Deutschen war das Tsunami-Unglück eine willkommene Bestätigung ihrer tiefverwurzelten Ängste. Die Deutschen sind seit Jahrzehnten das große Volk der großen Ängste!
Früher, in den 30er und 40er Jahren, war es die Angst vor einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung, heute ist es die Angst vor dem angeblich sicheren Atomtod durch die deutschen AKW.
„Seht her! – wir haben es immer gesagt: Atomkraft tötet! 15.000 Tote! Deshalb müssen jetzt aber die deutschen AKW sofort abgeschaltet werden! Alle!“
Und jetzt – 1 Jahr nach „Fukushima“ – gedenkt Japan der über 15.000 Todesopfer. Springers Morgenpost titelt:
Jo mai lia be leit do san aba mal wia da in Deutschland die Sicherungen des Menschenverstandes durchgeknallt. Nicht 1 Jahr nach „Fukushima“, sondern 1 Jahr nach dem verheerenden Meerbeben wird eine Gedenkminute eingelegt. Japan gedenkt der über 15000 Opfer, die die verheerende Flutwelle gefordert hat. Vor den Wassermassen, den einstürzenden Bauten gab es für Tausende kein Entrinnen.
Der verstärkte Schutz vor derartigen Naturereignissen, wie es seit Menschengedenken die Tsunamis sind, wird bei aller Trauer das Handeln der Japaner weiterhin bestimmen!
In die Trauer der Japaner sollten wir einstimmen, statt unsere typisch deutschen Ängste vor dem Tod durch die AKWs zu hegen und zu pflegen.
„Immer zählen für euch Deutschen die eigenen Ängste mehr als das reale Leiden der anderen Völker!“ HARTE WORTE, die ich einmal von einer Japanerin zu hören bekam!
Ist alles typisch Deutsche böse und verwerflich? Die Deutschen scheinen dies zu glauben. Anders ist die Bereitwilligkeit, mit der sie überall sich selbst als Hort des absoluten Bösen, der finstersten Mächte ausgeben, nicht zu erklären.
Aber: Was ist typisch deutsch? Um das zu beantworten, greife ich auf meinen Sommerurlaub an der Osteeküste zurück. Mein erstes Gespräch in Ribnitz-Damgarten führte ich in strömendem Regen mit einem 1-Euro-Jobber, der dort Flaschen sammelte und dem wir uns, mühselig auf Fahrrädern mit Gepäck strampelnd, am Boddenweg anschlossen, da wir den Weg nicht kannten. „Endlich habe ich was zu tun, lieber sammle ich Flaschen, als bloß herumzusitzen!“
Der 1-Euro-Jobber, der lieber Flaschen sammelt, als bloß herumzusitzen? Ist er typisch deutsch?
Am ersten Sonntag besuchte ich den evangelischen Gottesdienst in der Marienkirche in Ribnitz (siehe Bild). Dort sang ich laut vernehmlich die protestantischen Kirchenlieder mit, einerlei ob von Philipp von Zesen, Paul Gerhard oder Nikolaus Graf Zinzendorf.
Ich kenne ja die meisten christlichen Kirchenlieder fast alle seit meiner Kindheit aus Bayern, darunter das unsterbliche „Die güldene Sonne“, my personal favourite song, mein Hit, mein Lieblingslied. „Die güldene Sonne“ – ist sie typisch deutsch?
Die Predigt des Pastors, die letzte, ehe er in den Urlaub aufbrach, handelte von der Unvorstellbarkeit Gottes. Der hebräische Name Gottes bedeute ungefähr: Ich bin der ich sein werde. Der Gott des alten Israel ist ein Gott des Werdens, der sich ausspricht im Zuspruch an die hörenden Herzen. „Wir können ihn nicht dingfest machen. Es ist nicht so, dass wir über ihn Macht hätten, indem wir seinen Namen aussprechen. Auch wenn wir uns wie Goethes Faust bemühen, das zu erkennen und zu benennen, was die Welt im Innersten zusammenhält, lässt er sich nicht festsetzen. Anders als beim Rumpelstilzchen in Grimms Märchen, über das die Prinzessin Macht gewinnt, indem sie seinen Namen ausspricht!“
Der redliche 1-Euro-Jobber, Goethes Faust, Grimms Märchen, evangelische Kirchenlieder, Rumpelstilzchen – mehrfach genannt in einer einzigen Predigt beim sonntäglichen Gottesdienst – sind sie typisch deutsch?
Nach dem Gottesdienst entspann sich auf Einladung des Pastors unter den Gottesdienstbesuchern ein Gespräch über das Altarbild der Hamburger Malerin Ingeborg Prinzessin zu Schleswig-Holstein. Es hatte heftige Wellen in der meinungsbildenden Presse, namentlich der OSTSEE-Zeitung ausgelöst. Mehrere Leser sprachen sich gegen das abstrakte, farbenfrohe Ölgemälde aus, in dem man nichts Bestimmtes erkennt. Fazit einiger Leserstimmen: „Es ist kein geeignetes Altarbild, da man nichts Genaues erkennen kann!“
Im Gespräch meldete ich mich zu Wort, stellte mich artig als Sohn der Stadt der Confessio Augustana vor und erklärte: „Das Bild finde ich sehr gut. Ich erkenne eine Tiefe, die nach oben und nach hinten in eine unbekannte Ferne führt. Es stört mich nicht, dass ich nichts Greifbares erkennen kann. Und selbst wenn: Lassen wir uns doch stören von dem, was wir nicht erkennen können.“
Niemand widersprach. Im Gegenteil, ich glaube, dass ich die Meinung der Ostsee-Menschen zugunsten des Bildes beeinflusst habe. Beim Hinausgehen geriet ich ins Gespräch mit den Zweiflern: Einige kamen aus der Stadt Ribnitz, andere stammten aus Russland, sie waren einige jener mehreren Hunderttausend Russlanddeutschen, die zurück ins Vaterland gesiedelt sind.
Und nun kann ich die Frage beantworten, die gestellt wurde:
Für mich sind der fleißige 1-Euro-Jobber, ist Die güldene Sonne, sind Gespräche über die Unerkennbarkeit Gottes, sind Goethes Faust und Grimms Rumpelstilzchen, ist der Meinungsstreit über abstrakte Kunst, sind die Russlanddeutschen allesamt typisch deutsch.
Allerdings wird man beim genaueren Nachdenken erkennen, dass wenig von diesem so typisch deutschen Gepräge seinen Ursprung in Deutschland hat:
Das sozialpolitische Modell des 1-Euro-Jobbers stammt aus USA (workfare, von Richard Nixon bereits 1969 gefordert), der Fleiß (lateinisch industria) ist eine in vielen europäischen und asiatischen Ländern gelobte Tugend, die christliche Religion stammt aus Kleinasien, der Gedanke der Unnennbarkeit Gottes stammt aus dem Judentum, Grimms Märchen sind überwiegend Übersetzungen aus dem Französischen des Perrault, das Lob der güldenen Sonne ist iranisch-orientalischen Ursprungs und ist seit dem 6. Jahrhundert vor Christus bezeugt. Nur die deutsche Sprache und Goethes Faust, die sind – so meine ich – in der Tat unverwechselbar deutsch. Und auf all das lege ich auch größten Wert, all das typisch Deutsche sollten wir als Integrationsmotoren nutzen.
Hat man den fleißigen 1-Euro-Jobber, Die güldene Sonne, Gespräche über die Unerkennbarkeit Gottes, Goethes Faust und Grimms Rumpelstilzchen, den Meinungsstreit über abstrakte Kunst, die Russlanddeutschen verstanden, so versteht man ein bisschen von dem, was Deutschland geprägt hat und zusammenhält.
Merkwürdigerweise scheinen das die gut integrierten Zuwandrerinnen ebenso zu sehen. Dilek Kolat, die Berliner Sozialsenatorin, weist ebenso wie Hatice Akyün auf die prägende Rolle hin, die ausgerechnet Grimms Märchen für ihre Bildung, für ihr Ankommen in Deutschland gespielt haben.
Akyün sagt sogar in einem Video:
„Meine Integration – Grimms Märchen!“
Und was ist an der urdeutschen „Güldenen Sonne“ des typisch deutschen Philipp von Zesen (1619-1689), die Leben und Wonne bringt, so schlimm, so deutsch und so böse, dass man bei staatlichen Feiern der Bundesrepublik Deutschland stets auf englische Lieder ausweichen muss?
Woher diese Selbstverleugnung, diese Selbstaufgabe der Deutschen?
Jede gläubige Muslima, jeder Jude, jeder Atheist, jede Agnostikerin, jede Türkin, jeder Deutsche kann dieses herrliche Lied von der Güldenen Sonne aus voller Brust und voller Kehle mitsingen!
The British, the British, the British are best,
I wouldn’t give tuppence for all of the rest
Derartig stolzgeschwellte Bocksgesänge sang ich gern selbst gelegentlich mit meinen britischen Kolleginnen und Kollegen mit, wenn es um lustiges Laienspiel ging. Diese Zeilen fielen mir wieder ein, als ich kürzlich „The Kaiser’s Holocaust – Germany’s forgotten Genocide“ von David Olusoga und Casper W. Erichsen las. Kein lustiges Thema. Die Autoren stellen bereits im Titel die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage. Denn wenn der deutsche Kaiser bereits in Deutsch-Südwest-Afrika einen Holocaust beging, wird dadurch unterstellt, es habe nicht nur einen von den Deutschen begangenen Holocaust gegeben. Die Deutschen wären erneut gebrandmarkt als das Volk des – diesmal doppelten – Holocaust. Soweit nichts Ungewöhnliches.
Gefröre einem nicht das Blut in den Adern, wäre man versucht zu singen:
The Germans, the Germans, the Germans are worst
I wouldn‘ give twoppence for all others‘ burst …
Dürfen die Autoren aber eigentlich die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage stellen? Viele kluge und weniger kluge Argumente für und wider sind darüber gesagt und gedruckt worden.
Die Welt ist offenbar weiterhin einig, dass die Deutschen und nur die Deutschen die schlimmsten Menschheitsverbrechen begangen haben. Selbst die Deutschen fangen ja bereitwillig an dies zu glauben. Das geht so weit, dass man sagen kann: Selbst wenn es einen zweiten Holocaust gegeben haben sollte, hätten ihn denknotwendig immer noch die Deutschen und nur die Deutschen begangen. So bleibt alles in Ordnung. Das ist der Sinn des Buchtitels „The Kaiser’s Holocaust“.
Auf über 6 Millionen Tote schätzen Historiker die Zahl der in der Shoah (vulgärsprachlich Holocaust) von staatlichen Organen und deren willigen Helfershelfern ermordeten europäischen Juden. Staatliche Organe und Bürger fast aller europäischen Länder waren an diesem entsetzlichen Massenmord beteiligt. Historiker, die sich in die Archive und Zeitzeugenberichte hineinwagen, wissen es längst: Offenkundig war der Holocaust nicht die alleinige Schuld Deutschlands und der mit ihm verbündeten Staaten. Sowohl besetzte Länder als auch unbesetzte europäische Länder haben mit staatlichen Organen und mit Bürgern am Holocaust mitgewirkt. So hat etwa der nicht von den Deutschen besetzte Teil Frankreichs, der Französische Staat (vulgärsprachlich „Vichy-Regime“ genannt), haben französische Polizisten und Gendarmen bereitwillig und ohne jeden Zwang Juden an den deutschen Staat zur Ermordung ausgeliefert.
6 Millionen – eine schreckliche Zahl, hinter der sich unbeschreibliches Elend und Grauen verbirgt!
Auf weit über 55 Millionen Tote schätzt der Historiker Norman Davies die Zahl der von staatlichen Organen und Institutionen Getöteten, die von 1917-1953 in der Sowjetunion und sowjetisch annektierten Ländern ums Leben kamen – wohlgemerkt ohne Kriegsopfer. Weit über 55 Millionen tatsächliche oder vermutliche, echte oder eingebildete Gegner der kommunistischen Diktatur verloren ihr Leben in systematischen oder willkürlichen Erschießungen, durch Hinrichtungskommandos, in Lagern, in Gefängnissen, wurden erschlagen, deportiert, vertrieben, in den Hungertod getrieben. Schrecklich.
„Ein Toter ist eine Tragödie – eine Million Tote sind nur Statistik“, so sagte Stalin einmal. Die staatlichen Organe der Sowjetunion haben von 1917 bis mindestens 1953 dementsprechend gehandelt. Hinter den Dutzenden und Dutzenden Millionen Ermordeter der kommunistischen Diktaturen in der Osthälfte Europas stecken Tragödien, zerbrochene Familien, zerstörte Existenzen, verwüstete Landstriche.
6 Millionen Ermordete! 55 Millionen Ermordete! Das sind atemberaubende Zahlen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Leider muss man die ungefähren Opferzahlen zusammenrechnen, um eine Vorstellung von der Dimension der Verbrechen zu erhalten. Kein Zweifel kann daran bestehen, welches der beiden totalitären Regime mehr Ermordete durch brutale Repression auf dem Gewissen hat. Offenbar haben die kommunistischen linken Diktaturen durch Verfolgung und Repression insgesamt weit mehr Tote, weit mehr Ermordete in den eigenen zivilen Bevölkerungen verursacht als die nationalsozialistischen und faschistischen rechten europäischen Diktaturen.
Ob man nun den Holocaust oder die Shoah der europäischen Juden einzigartig nennt oder nicht, ist meines Erachtens zweitrangig. Man sollte sich nicht den Mund fusslig über Einzigartigkeit reden, sondern der Millionen Opfer aller systematischen Massenmorde, die sich gegen Völker, gegen Klassen, gegen echte oder eingebildete Feinde richteten, gedenken.
Jeder Mord ist in gewisser Weise einzigartig, ist das schlimmste Verbrechen. „Wer einen Menschen tötet, tötet die Menschheit“, sagen Talmud und Hadithe übereinstimmend.
Dass aber systematischer Massenmord sich geplant oder willkürlich gegen ganze Völker, gegen Religionen oder Menschengruppen, gegen Klassen oder Rassen richtete, ist leider in der Menschheitsgeschichte mehrfach vorgekommen. Es geschah in deutschem Namen in Deutsch-Südwestafrika, es geschah aber auch nicht minder brutal in belgischem Namen in Belgisch-Kongo, in französischem Namen in Algerien, in italienischem Namen in Libyen und Abessinien.
Das EU-Parlament sollte versuchen, auch den vergessenen Opfergruppen Gerechtigkeit im trauernden Gedenken widerfahren zu lassen. Dabei sollten Deutsche vor allem die Opfer der von Deutschen begangenen Verbrechen, Russen die Opfer der von Russen begangenen Verbrechen, Belgier die Opfer der von Belgiern begangenen Verbrechen, Europäer die Opfer der von Europäern begangenen Verbrechen betrauern. Nur aus der Trauer über die selbstbegangenen Verbrechen der eigenen Völker kann Versöhnung erwachsen.
Ganz anders sieht dies jedoch eine Gruppe von EU-Abgeordneten, – worüber heute die taz berichtet:
David Olusoga und Casper W. Erichsen: The Kaiser’s Holocaust – Germany’s forgotten Genocide. Faber & Faber, London 2010
Frank Brendle: Der Holocaust ist einzigartig. taz online, 19.01.2012
Norman Davies: Categories of people killed in Soviet Russia and the Soviet Union 1917-1953 (excluding war losses, 1939-1945), in: Europe. A History. Pimlico, London, 1997, S. 1328-1329
Als Berlins größtes politisches Problem benennt die BILD-Zeitung die BILDUNG.
Unter dem Motto BILD DIR DEINE MEINUNG besuchte ich gestern und heute Tage der Offenen Tür an Berliner Schulen in freier Trägerschaft. Denn Schulen in freier Trägerschaft sind offensichtlich ein wichtiger Weg, um aus der gegenwärtigen Misere der senatsgeführten Schulen herauszukommen.
Gestern besuchte ich den Tag der Offenen Tür an der privaten deutsch-russischen Lomonossow-Grundschule.
Eine russische Mutter erhob sich in der Aussprache, nahm das Wort und führte aus, weshalb sie ihr Kind nach zwei Jahren von den staatlichen Schulen Berlins weggezogen habe. Mit schneidender Schärfe führte sie in russischer Sprache – unter dem beifälligen Kopfnicken aller Anwesenden – die Hauptargumente gegen die staatlichen Grundschulen Berlins aus. Ich weiß, dass viele Eltern in Gesprächen genau dieselben Beschwerden vorbringen, und gebe deshalb die folgenden Ausführungen mit Zustimmung Irina Potapenkos wider:
1) Es fehlt in Berlins staatlichen Grundschulen ein erkennbares Programm. Es ist für die Eltern nicht ersichtlich, womit sich die Kinder den lieben langen Tag beschäftigen. Den Kindern selbst ist es auch oft nicht ersichtlich.
2) Es fehlt ein inhaltlicher Kanon an Werten, Grundhaltungen und Tugenden. Den Kindern werden keine persönlichen Vorbilder vermittelt, sondern beliebige Angebote gemacht.
3) Einfache Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen und Malen werden in den ersten Grundschuljahren nicht ausreichend vermittelt. Die Kinder können beispielsweise am Ende der ersten zwei Grundschuljahre nicht das, was die Kinder in den Herkunftsländern nach zwei Jahren konnten: einfache Texte lesen, einfache Texte schreiben.
4) Die Kinder werden als Experimentierobjekte für pädagogische Neuerungen missbraucht. Dazu gehören das jahrgangsgemischte Lernen, das „Schreiben nach Gehör“, die Ganzwortmethode usw., die Verwischung der Rollendistanz zwischen Schüler und Lehrer, die Testeritis mit VERA usw.
5) Umgekehrt wird alles Bewährte über Bord geworfen. Die Kinder werden in einen kulturell leeren Raum hineinerzogen. Der vorherrschende Kulturrelativismus führt zu einer völligen Entkernung der deutschen Bildung, weshalb die Stärkung der Herkunftsidentität als Ausweg gesucht wird. „Wenn schon die Deutschen nichts von ihrer klassischen Kultur und von sich erwarten, dann erziehen wir die Kinder eben nach türkischen, russischen, französischen, islamischen … Methoden und Werten.“
6) Je länger die Zuwanderer unter dem Berliner Schulsystem leiden, desto stärker klammern sie sich an der Herkunft fest.
7) Es fehlt an der Autorität des Lehrers. Die Kinder werden zuviel sich selbst überlassen. Die Disziplinprobleme überschreiten das erträgliche Maß.
8) Es fehlt an Leistungsanreizen. Die Abschaffung der Noten in den ersten Grundschuljahren bedeutet Laissez-faire ohne Ende, die Kinder werden nicht gefordert. Ihnen wird nichts zugetraut.
9) Es fehlt an Büchern, die durchgearbeitet werden. Deshalb fehlt es auch an Systematik. Der Lernfortschritt erfolgt zufällig. Kinder und Eltern haben oft das Gefühl, „sich im Kreis zu drehen“.
Die vorstehend angeführten Meinungen scheinen mir bei den allermeisten Eltern der Kinder mit Migrationshintergrund, die Berliner staatliche Grundschulen besucht haben und sich enttäuscht abwenden, vorzuherrschen.
Mangelnde materielle Ausstattung, fehlende Verbeamtung, „marode Turnhallen“, zu große Klassen usw., all die wortreichen Jeremiaden, mit denen die Deutschen und die deutschen Politiker über die staatlichen Schulen ablästern und herfallen, spielen in den Klagen der Eltern mit Migrationshintergrund erstaunlicherweise keine Rolle.
Es befremdet mich immer wieder, dass die Berliner Eltern mit Migrationshintergrund in der bildungspolitischen Debatte nicht erfasst werden. Wer das große Wort führt, das sind die Deutschen und die wohlbesoldeten Standesvertreter der großen deutschen Lobbyverbände, die im wesentlichen ihre eigenen Klientel-Interessen verfolgen, egal ob sie nun GEW, TBB oder sonst irgendwie heißen.
Meinungsforschungsinstitute! Politiker! Ihr könntet ruhig einmal diese 9 oben aufgestellten Thesen der russischen Mutter einer Umfrage bei Eltern mit Migrationshintergund unterziehen. Die Frage müsste lauten: „Inwieweit stimmen Sie diesen Aussagen zu?“ Das Ergebnis wäre sicher überraschend.
Auf die neue Bildungssenatorin wartet jede Menge Arbeit!
Was tun? Zunächst gilt: Schulen in freier Trägerschaft wie etwa die deutsch-russische Lomonossow-Schule, Schulen in kirchlicher Trägerschaft bieten nach Ansicht der Eltern einen echten Ausweg aus dem beschriebenen Dilemma.
Darüber werden wir in den nächsten Beiträgen dieses Blogs berichten.
Ein „Migrant“ ist Bushido nicht. Bushido wuchs bei seiner weißen, urdeutschen Mutter auf, sein tunesischer Vater hatte nichts mit ihm zu tun. Wer Bushido als Migranten bezeichnet, argumentiert rein genetisch. Der Vater hat sich aus dem Staub gemacht. Bushido ist also kein Migrant, kein Mulitikultimann, sondern typisch deutsch! Ich sehe ihn eher als typisch deutschen verlorenen Sohn, als eine Art Burschenschaftler und Paukbruder.
Rotzfreche Sprache, Pöbeleien und Gewaltkultur gab’s in deutschen Landen immer schon, z.B. bei den Burschenschaften des 19. Jahrhunderts, den Schützenvereinen, bei den Söldnern und den Freikorps, aber auch in Friedrich Schillers „Räubern.“
Gratulation zum Bambi. Clever rausgeholt.
Dass Heino sauer ist, versteh ich aber auch sehr gut.
Soeben schlenderten wir einige Stunden über das Fest der Deutschen Einheit am Brandenburger Tor. Die sehr freundlichen Sicherheitskräfte ließen uns nach Prüfung unserer Taschen ins Allerheiligste des deutschen Sonntags hinein. Da staunten wir! Über allem Getriebe und Gewühle schwebte glückverheißend eine große rote Kugel: das war der Ball der bräunlichen Glücksbrause.
Mächtig ragte auf das HAPPINESS MONUMENT. Coca Cola hat das Fest der deutschen Einheit fest im Griff. Hier herrscht die ödeste aller öden Glücksverheißungen. Ziel scheint das vollkommen stillgestellte, das vollkommen mit Glücks-Glukose, Glücks-Hormonen abgefüllte Gehirn zu sein. The brain in the vat – das Gehirn in der Zuckerlösung.
Den Menschen merkte ich eine betäubt-betäubende Gleichgültigkeit an, sie werden buchstäblich mit Reizen abgefüllt und gefügig gemacht. Es ist die Diktatur des Kommerz, der hier der Boden bereitet wird. Deutschland schafft sich ab.
Von riesigen Bildschirmen scholl wummernd und pochend ein elektrischer Beat, mehrere Sänger versuchten sich in schwer verständlichen Sprachfetzen, die zumeist als critically ill English erkennbar waren. Deutsch wird gar nicht mehr gesungen, stattdessen wird die ehrwürdige englische Sprache mitten in Berlin in einem fort misshandelt und gefleddert. Why on earth? Den ultimativen Kick versprach das Bungee-Jumping von 60 m Höhe zum Preis von 45 Euro, Mitfahrt kostet 3 Euro.
Von deutscher Einheit ist hier vor dem Brandenburger Tor nicht das Mindeste zu spüren. Im Gegenteil, hier schafft sich Deutschland ab. Ein Besuch auf der Festmeile vor dem Brandenburger Tor ist allen zu empfehlen! Hier kannst du lernen, warum die Kinder in Kreuzberg kein richtiges Deutsch mehr lernen. Warum sollten sie sich Mühe geben mit einer Sprache, die nicht einmal an den Festen der Deutschen mehr verwendet oder gesungen wird? Wenn die Deutschen es vorziehen, irgendein billiges Pseudo-Englisch zu mantschen, statt ihre Landessprache zu erlernen und zu pflegen?
Wie sollen Menschen in Deutschland noch irgend etwas anderes wertschätzen lernen, wenn sie auf allen Kanälen mit klebrig-zuckriger Pampe abgefüllt werden?
Dass Coca Cola hier statt eines „Blüh im Glanze dieses Glückes“ sich schamlos mit dem HAPPINESS MONUMENT als Garant und Gewährer des Glückes breit und frech inszenieren darf, enthüllt eine völlige Entkernung des politisch-moralischen Denkens, eine derartige Inhaltsleere in diesem Fest der Deutschen Einheit, dass es einen schaudern lässt.
Es ist die große deutsche Volksverdummung, die hier mitten in der Hauptstadt inszeniert wird. Es hinterlässt mich unfassbar traurig und wütend, dass ein solcher Tag derart würdelos begangen wird.
Im Jahr 1972 las ich erstmals als 12-jähriger Gymnasiast den Bericht des Club of Rome. Die Botschaft war eindeutig: Wenn wir so weitermachen, zerstören wir die Erde! Ein dumpfes Gefühl der Angst beschlich mich. War es noch zu verantworten, Kinder in die Welt zu setzen? War es nicht unverantwortlich von unseren Eltern, uns Kinder in eine derart von Umweltzerstörung, Kriegen und Atomunglücken geprägte Welt hineinzugebären? Würden wir im Jahr 1990 noch leben? So fragten wir nicht nur stillschweigend, sondern ganz offen!
Die tiefe Verunsicherung, welche die damals entstehende Ökologie- und Anti-Atom-Bewegung in die Kinderseelen einpflanzte, hat eine ganze Generation geprägt. Diese Generation der etwa 50-Jährigen stellt heute das Führungspersonal in großen Teilen der Parteien. Diese Bangnis überlagerte in mir nach und nach wie Mehltau das tiefe Urvertrauen, das ich in meiner frühen Kindheit erlebt hatte. Bis zum heutigen Tag entdecke ich in vielen Deutschen eine völlig überflüssige, eine lähmende Zukunftsangst und Kleinmütigkeit.Sie stürzen sich mit Wollust auf Unglücksnachrichten, quälen sich mit düsteren Ahnungen und vergessen dabei, das Leben wie es kommt und ist anzupacken. Ganz zu schweigen davon, dass niemandem, der in Not ist, geholfen wird, wenn er wieder und wieder hört: „Die Welt ist bedroht. Du bist Opfer. Böse Mächte haben uns alle im Griff.“ In meinem Bekanntenkreis hatten wir vor wenigen Jahren einen schrecklichen Selbstmord zu beklagen. Der Jugendliche hatte ausdrücklich die unaufhaltsame Umweltzerstörung und die weltweit tobenden Kriege als Auslöser seines Freitodes genannt!
Heute wissen wir: Die Voraussagen des Club of Rome waren viel zu düster. Sie sind nicht eingetreten. Ihre Voraussetzungen waren teilweise wissenschaftlich falsch, teilweise wurde durch das Handeln der Menschen Abhilfe geschaffen. Das Ausmaß der Umweltschädigung in den sozialistischen Staaten hingegen war größer als bekannt. Die Abhilfe gegen die unleugbare Umweltzerstörung war in den freien Marktwirtschaften besser, effizienter, als man damals annahm. Insbesondere die natürlichen Ressourcen haben sich als viel größer herausgestellt als damals angenommen. Der Hunger, die Kindersterblichkeit, die Zahl der Kriege sind seit 1970 zurückgegangen, obwohl die Erdbevölkerung zugenommen hat.
Aber diese düstere Grundstimmung wird weiterhin in die Kinderseelen eingepflanzt. Soeben sah ich mit meinem Sohn logo, die Kindernachrichten des öffentlichen Fernsehens KiKa. Aufmacher der ganzen Sendung: „Verseuchtes Wasser quillt unaufhörlich aus dem AKW Fukushima in das Meer, Radioaktivität wird von Fischen aufgenommen, gelangt in die Nahrungskette.“ Unterschwellige Botschaft an die Kinder: „WIR SIND ALLE BEDROHT. Die japanischen AKWS fügen uns unermesslichen Schaden zu!“
Diese Angst der Deutschen vor Verunreinigung, vor Verseuchung, vor Zerstörung durch fremde Mächte hat schon sehr viel Unheil bewirkt. Ist es eine typisch deutsche Angst? Ja! Genau diese Angst hat zu den größten Demonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik geführt!
Ich halte diese Panikmache bei den Kindern, wie sie etwa KiKa einflößt, für unverantwortlich. Mit teilweise unhaltbaren, teilweise falschen Aussagen wird den Kindern, die den KiKa kucken, eine tiefe Weltangst eingepflanzt. Die Aufmerksamkeit der Kinder wird auf einen einzelnen fernen Punkt in Japan fokussiert. Fukushima – das ist das Böse. Das tiefe Leid der Menschen, die durch den Tsunami (nicht durch den Unfall im AKW) ihre Habe und ihr Obdach verloren haben, wird überhaupt nicht erwähnt. Das ist obendrein zynisch.
Toll dagegen, wie Schalke gestern Abend Inter Mailand zerlegt hat! Rangnick hat die Mannschaft gedreht, obwohl Magath große Verdienste um den Spielaufbau erworben hat. Magath kommt in der Darstellung meist zu schlecht weg, finde ich. Die Grundeinstellung stimmte einfach! Sie haben sich durch das frühe Tor nicht entmutigen lassen. Eine Zuversicht, ein Glück des Gelingens war in den allermeisten Spielzügen zu erkennen. Keine Spur von Zukunftsangst! Sehr gut!