Jan 282008
 

Einer der spannendsten Fernsehabende flimmerte gestern über die Mattscheibe: Erst gab es Berichte zu den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen, dann den zweiten Aufreger der Woche: „Das Wunder von Berlin“, den großartigen ZDF-Fernsehfilm über den Fall der Mauer. Ein wunderbares Zusammentreffen mit Botschaften, die sich wechselseitig verstärkten! Die rhetorisch matten Generalsekretäre redeten sich den Mund fusslig ob des Wählervotums, „bürgerliche Mehrheiten“, (vulgärsprachlich: Mehrheiten aus CDU und FDP) geisterten durch die Podien – der Wähler hatte sich offenbar nicht eindeutig ausgedrückt. Nicht eindeutig – ist das so?

„So gehst du mir nicht aus dem Haus“, herrschte der Stasi-Oberstleutnant Kaiser seinen Sohn Marco an, als dieser mit aufgegeltem Haar und in schwarzen Punk-Klamotten zu einem Konzert abzog. Der aufmüpfige Marco rebellierte gegen eine ihm verlogen erscheinende, spießige Ordnung. Die Ordnung schlug geballt zurück. Was war die DDR doch für ein ordentlichkeitsbesessener Staat! Solange man die äußeren Formen einhielt, solange man den Führungsanspruch von Staat und Partei nicht infrage stellte, konnte man meist recht geruhsam leben. Die bürgerliche Fassade hielt schlecht und recht bis 1989. Erpressbar wurde Marco durch seinen Wunsch nach privatem Glück und beruflichem Fortkommen. Und so wird er Zugführer der NVA.

Roland Koch ist bestraft worden. Er hatte mit der Jugendkriminalität auf ein Thema gesetzt, das zwar wichtig ist, in dem er sich aber nicht auskannte und bei dem er sachlich nichts zur Lösung beitragen konnte. Er hoffte auf den Angst-Effekt. Die Wähler sind ihm nicht gefolgt. Ich kann mich somit darauf verlassen, dass meine türkischen, arabischen und russischen Mitbürger und Familienmitglieder nicht unter einem bedrückenden Generalverdacht mit mir zusammenleben.

Ganz anders Christian Wulff: Er präsentierte sich als um Ausgleich bemühter, an Problemlösungen arbeitender Manager. Damit hatte er Erfolg. Die Deutschen geben ganz offenkundig – jetzt schon seit vielen Wahlgängen – genau diesem Politikertyp den Vorzug, unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Die meisten führenden Politiker unseres Landes fallen mittlerweile unter diesen Leitgedanken: „Zusammenbringen statt spalten“.

Die DDR-Bürger im Film „Das Wunder von Berlin“ waren des dauernden auf sie niedertrommelnden Propagandabeschusses mit der Mär vom feindlichen kapitalistischen Lager, gegen das es sich mit aller Entschiedenheit zu wehren gelte, ebenso überdrüssig wie die Hessen des Kochschen Linksblock-stoppen!-Lagerdenkens.

Das Freund-Feind-Denken ist gestern erneut mit großem Nachdruck abgewählt worden, an den Wahlurnen ebenso wie in dem höchst sehenswerten ZDF-Film über das „Wunder von Berlin“.

 Posted by at 15:46

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