Mai 252008
 

bellevue_25052008.jpg Den nettesten Kommentar – neben vielen verteufelnd-aufgeregten – zur morgen anstehenden Nominierung von Gesine Schwan als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt liefert Gloria von Thurn und Taxis auf S. 2 in der heutigen Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Sie war 2004 vom Bayerischen Landtag in die Bundesversammlung geschickt worden und hatte sich für die ihr persönlich bekannte Gesine Schwan entschieden.

„Sie ist wirklich eine sehr kluge und außerdem gutgelaunte Frau. Kluge Deutsche sind meistens schlecht gelaunt. Mir hat gefallen, dass es bei ihr anders war.“

Den Seiteneinsteiger Horst Köhler, der bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten kein einziges parteipolitisches Amt innegehabt hatte, fand sie offenbar nur den zweitbesten Kandidaten. Es gilt: Was die Fürstin nicht kennt, wählt sie nicht.

Die Selbständigkeit der Fürstin Gloria gefällt mir. Sie hat es hingenommen, dass sie seither zu keinem Empfang der bayrischen Staatsregierung eingeladen wird! Damit stellt sie genau jene Unabhängigkeit im Denken und Urteilen unter Beweis, die Horst Köhler wieder und wieder in seinem Amt praktiziert hat. Er lässt sich einfach nicht unter machtpolitische Kuratel stellen, ebensowenig wie seine Amtsvorgänger. Wie schreibt Köhler so schön in seinem Geleitwort der neuesten Ausgabe des Grundgesetzes bei der Bundeszentrale für politische Bildung:

„Das Grundgesetz garantiert uns aber nicht nur die Freiheit vor staatlichen Eingriffen. Es gibt uns in gleicher Weise die Freiheit und den Auftrag für ein Leben in Selbstständigkeit und Verantwortung. Die damit verbundenen Möglichkeiten und Chancen gilt es heute verstärkt zu ergreifen und zu nutzen.“

(Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe. Stand: August 2006. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006, S.2)

Das sind Worte ins Ohr der Bundesversammlung! Bitte recht schön: Ergreift sie und nutzt sie! Oft wird der Parteiendemokratie vorgeworfen, dass zu viel in internen Besprechungen ausgekungelt werde, dass Ämter und Posten verschachert würden, darunter auch das Amt des Bundespräsidenten. Es ist aufschlussreich heute noch einmal nachzulesen, was Gerd Langguth in seiner Merkel-Biographie (Neuausgabe 2007, S. 261-266) über die Wahl Horst Köhlers schreibt. Langguth zitiert Roland Koch: – „Das Verfahren ist sehr chaotisch“ – und die Süddeutsche: „Falschheit, List und Betrügereien, … eine unwürdige und zynische Veranstaltung“. Der Autor Langguth selbst spricht von „Präsidentenpoker“.

Es ist klar: Die Wahl des Bundespräsidenten gilt leider vielfach als Indikator für die Macht oder Ohnmacht des amtierenden Kanzlers. Das neue Buch von

Hans Herbert von Arnim: Die Deutschlandakte. Was Politiker und Wirtschaftsbosse unserem Land antun, erschienen 2008 in München bei C. Bertelsmann

fordert deswegen die Direktwahl des Bundespräsidenten. Er schreibt auf S. 210:

„Würde der Bundespräsident direkt vom Volk gewählt, wie die Präsidenten von Weizsäcker und Köhler selbst vorgeschlagen haben, würde das seine demokratische Legitimation erhöhen und ihm die Ausschöpfung seiner Kompetenzen erleichtern, ohne dass Weimarer Gefahren zu befürchten wären. Er könnte dann bei Ernennung von Beamten Ämterpatronage wirkungsvoll eindämmen.“

Ich meine: Wenn es bei der nächsten Wahl des Bundespräsidenten zu einer echten Wahl zwischen zwei so unabhängigen, jeder parteipolitischen Vereinnahmung unverdächtigen Persönlichkeiten wie Horst Köhler und Gesine Schwan kommt, kann das dem Ansehen dieses höchsten Staatsamtes nur zugute kommen. Vorausgesetzt, die Parteien enthalten sich eines allzu ruppigen Hickhacks mit gegenseitigen Unterstellungen und Anklagen. Denn: Zur Wahl stellen kann sich „jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das vierzigste Lebenjahr vollendet hat“ (Art. 54 GG). Zwei Kandidaten sind dann eigentlich noch zu wenige – wir bräuchten vier, sechs, acht Kandidatinnen und Kandidaten! Und dann bitte einen „kurzen, knackigen, doch stets kultivierten Wahlkampf“, wie ihn Regierungssprecher Thomas Steg heute auf S. 4 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung fordert! Gewählt wird dann, wer am Wahltag in höchstens zwei Wahlgängen „die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält“ oder – in einem dritten Wahlgang – „die meisten Stimmen auf sich vereinigt“ (Art. 54 GG). So einfach ist das! Querwähler und Querdenker, die sich den Weisungen der sie entsendenden Organe nicht beugen, sind wahrscheinlich erneut zu erwarten. Sie sollten uns gemeinen Bürgern höchst willkommen sein!

Fürstin Gloria: Ich würde Sie gerne einladen! Viva la libertà!

Unser Bild zeigt den Amtssitz des Bundespräsidenten, Schloss Bellevue, am heutigen Tage.

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