Freuet euch, es stimmt: Die Union bekennt sich zum Fahrrad! In dem gestern verabschiedeten Antrag des CDU-Bundesvorstandes an den 22. Parteitag heißt es auf S. 16 wörtlich:
Jeder Bürger kann eigenverantwortlich zur Reduzierung der verkehrsbedingten Umweltbelastung beitragen. Dies gilt insbesondere für den Freizeitverkehr, der bislang in Deutschland zwei Drittel des Pkw-Verkehrs ausmacht. Das Fahrrad spielt als umweltfreundliches Verkehrsmittel eine Schlüsselrolle. Die Union setzt sich konsequent für die Stärkung des Radverkehrs und die bessere Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln ein.
Bemerkenswert ist die Eindeutigkeit in der Wortwahl: „Schlüsselrolle“, das bedeutet: Am Fahrrad führt in der Verkehrspolitik kein Weg vorbei. „Konsequent“, das bedeutet: Mit der bisherigen Flickschusterei soll aufgeräumt werden. Gefordert sind vielmehr ganzheitliche Radverkehrsstrategien, wie sie etwa in Berlin und Hamburg bestehen. „Bessere Vernetzung“, das bedeutet: Die Mitnahme des Fahrrads in Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen, Regionalzügen muss zur Selbstverständlichkeit werden. Vor allem aber: Es muss endlich möglich sein, das Fahrrad im ICE mitzunehmen. „Bislang“ sind zwei Drittel des PKW-Verkehrs Fahrten zum Freizeitvergnügen. Das häufige Argument „Ich brauch das Auto für meine Arbeit“ gilt nur in einem Drittel aller gefahrenen Kilometer! Mit „bislang“ sagt nun die CDU: „Das soll nicht so bleiben, wir wollen eine Verringerung des überwiegend privat veranlassten PKW-Verkehrs.“ Und eins der besten Mittel zur Verringerung des PKW-Verkehrs ist die Förderung des Fahrradverkehrs.
Wir brauchen also die Freiheit der Wahl: eine sichere Radverkehrsinfrastruktur ist unerlässlich. Auf jeder Straße muss es für Radfahrer möglich sein, gefahrlos und unbedrängt durch den PKW-Verkehr voranzukommen. Die Autofahrer müssen aufhören, öffentliches Straßenland als ihr Vorzugsrevier zu besetzen und widerrechtlich und entgegen den Bestimmungen der StVO andere Verkehrsteilnehmer wegzuhupen, wegzudrängen und einzuschüchtern. So muss etwa der vorgeschriebene seitliche Sicherheitsabstand von mindestens 1 Meter und 50 Zentimeter beim Überholen den Autofahrern in Fleisch und Blut übergehen.
Das ganze soll freiwillig erfolgen, niemand wird das Autofahren verbieten. Keine Partei will schließlich die Stimmen der Autonutzer verlieren, die zwar in Berlin eine echte Minderheit sind, aber bundesweit doch mehr als die Hälfte aller Wähler umfassen.
Das Lustige am Zeitpunkt ist: Während die CDU sich so passioniert aufs Fahrrad setzt, fordert Renate Künast von den Grünen mehr Autos, und zwar „1 Million Elektroautos“ bis 2020, die also das 1-Liter-Auto noch unterbieten. Dies tat sie in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ am vergangenen Sonntag, dem 22.06.2008. Sie sagte kein Wort gegen das Auto an sich, sie verschwieg, dass natürlich auch Elektroautos von irgendwoher ihre Energie beziehen müssen – vermutlich aus dem öffentlichen Stromnetz! Und natürlich verschwinden dank mehr Elektro-Autos die bestehenden Benzinkutschen nicht von Straßen, sie laufen nur etwas länger.
Was sind das für Zeiten, die wir da erleben! Das Auto ist nicht mehr der leibhaftige Gottseibeiuns für die Grünen, und die Christenunion bekehrt sich von der ehemaligen Autopartei hinweg. Sie verlangt – nun, nicht den äußerst schöpfungsfreundlichen Leihesel, wie das Jesus von Nazaret im Neuen Testament bei Markus 11, 1-7 tut. Auch Jesus ging ja nicht immer zu Fuß. Sehr wohl aber verlangt die CDU den fast ebenso schöpfungsfreundlichen Drahtesel, egal ob leihweise oder im Dauerbesitz. Eine echte Schlüsselszene, daran sollten wir denken.
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