Jul 062008
 

freundschaftsinsel11062008003.jpg Riccardi Zipoli, der italienische Iranist und Photograph, hat eine neue Galerie mit Fotos aus Potsdam ins Netz gestellt:

Riccardo Zipoli Photographer

Die Fotos lösen Erinnerungen in mir aus. Ich durfte vor einigen Wochen als erster Deutscher überhaupt einige Gaselen des Dichters Bidel (Mawlānā Abul Ma’āni Abdul Qader Bedil) ins Deutsche übertragen und der deutschen Leserschaft vorstellen. Riccardo Zipoli hatte diese Verse des indischen Dichters erstmals ins Italienische übertragen, ich übertrug sie ins Deutsche. Die Übersetzung erblickte auf der Freundschaftsinsel Potsdam das Licht der Welt, bei der Eröffnung einer Fotoausstellung mit Riccardo Zipoli.

Bidel lebte von 1642-1720. Er wirkte in Indien und schrieb in Persisch, der höchst entwickelten Sprache der Poesie und der Hochkultur, die weit über die Grenzen des Irans hinaus ausstrahlte.

Zahlreiche Motive, mit denen Bidel spielt, finden sich auch in den Dichtungen der Europäer – so etwa das Motiv der Rose. Die Rose verkörpert unsäglichen Reiz, Schweigen unter so vielen Augenlidern. Eine der vielen Entlehnungen, die der Westen aus der orientalischen Poesie übernommen hat, neben zahlreichen formalen Abhängigkeiten. So entstammt etwa das Prinzip des Reims nicht der griechisch-römischen Antike, sondern den orientalischen Hochkulturen.

Hier zwei Gaselen des Bidel, durch Zipoli aus dem Persischen ins Italienische übersetzt, und von mir aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt:

Der sinnlose Anblick dieses Daseins verlangt keine Bekräftigung,

wenn du eine gespiegelte Rose betrachtest, rieche nicht den Spiegel.


Wie Rosenduft hat meine Welt alle Hüllen verloren,

all die Luft, die mich umgibt, ist Spiegel meinem Bilde.

Die Bilder des Ricardo Zipoli verströmen auch im Internet eine Art meditativen Sog. Ich empfehle sie – vor oder nach dem Lesen orientalischer Dichter.

Diese Fotos zeigen uns Vertrautes – etwa Berlin oder Potsdam – mit den Augen eines Fremden. Sie erheben flüchtige Augenblicke zu Spiegelungen des Statischen. Der Fremde wird zum Freund, wenn er uns erlaubt, das, was er gesehen hat, nachzuvollziehen. Dieser Blickwechsel ist es, den Bidel immer wieder vollzogen hat – seine Spiegel-Gaselen legen Zeugnis davon ab. Und so spiegelt 5 Jahrhunderte später Zipoli dann in seinen Fotos aus Venedig oder Potsdam genaus dieses Hin- und Herschwingen zwischen Eigenem und Fremdem wider.
Das Foto hier oben zeigt Rosen auf der Freundschaftsinsel Postsdam, aufgenommen von mir am 11.06.2008.

 Posted by at 01:06

Sorry, the comment form is closed at this time.