Aug 232008
 

Einen harten Vorwurf erhebt der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe gegen die amtierende Bundesregierung. In einem Gespräch über den Afghanistan-Krieg sagte er laut SZ von gestern: „Die Bundesregierung versagt bei der Kommunikation.“ Auslöser des Gesprächs: Der Tod der zehn französischen Soldaten in Afghanistan.

Rühe – Unsere Soldaten hätte es genauso treffen können – Politik – sueddeutsche.de
SZ: Sie sagen, Deutschland wäre auf eine solche Nachricht nicht vorbereitet. Wessen Schuld ist das?

Rühe: Die Bundesregierung versagt bei der Kommunikation. In Deutschland herrscht der Eindruck, wir leisten dort bewaffnete Entwicklungshilfe. Tatsächlich sind wir im Krieg gegen aufständische Taliban, und unsere Soldaten sind Kämpfer in diesem Krieg. Der Tod der zehn französischen Soldaten sollte Anlass sein, dies endlich auch in Deutschland offen zu sagen.

Blogger Johannes Hampel meint: Volker Rühe, Jürgen Todenhöfer, Helmut Schmidt – das sind alles ehemalige hochrangige Politiker, denen niemand einen Mangel an Sachkunde unterstellen kann. Sie sind in ihrer Wortwahl erfrischend undiplomatisch. Sie kennen nämlich den Laden von innen, und deswegen haben sie das Recht, Tacheles zu reden. Sie haben sich in der Presse und ihren eigenen Veröffentlichungen in den letzten Monaten wiederholt zum Thema Irak/Afghanistan zu Wort gemeldet. Ihre Aussagen lassen sich so zusammenfassen:

1. Die Länder Irak, Iran, Afghanistan und Pakistan bilden – entscheidend begünstigt durch den zweiten Irak-Krieg – nunmehr einen uneinheitlichen, tief gestaffelten, schwer überschaubaren Kriegsschauplatz, in dem mehrere bewaffnete Konflikte ineinander verschränkt ablaufen.

2. Guerilla-Kämpfer, reguläre Truppen, Truppen unter nationalem Oberkommando, ISAF-geführte Verbände, darunter auch die Bundeswehr, operieren in diesem Kriegsschauplatz; die Frage der effizienten Koordination ist ungelöst.

3. Es existiert kein politisches Konzept für eine Lösung der Konflikte.

4. Für Afghanistan gilt: Die Aufteilung in Operationsgebiet Nord und Operationsgebiet Süd ist auf längere Sicht unhaltbar.

5. Es existiert nicht einmal im Ansatz ein politisches Konzept für die Zeit nach Beendigung der militärischen Operationen.

Was ist von Rühes Vorwurf des kommunikativen Versagens zu halten? Ich meine: Es gibt wohl zu jedem Zeitpunkt Politikfelder, in denen es keine praktikable Lösung gibt. Dann sollte man das auch so eingestehen: „Wir wissen nicht weiter.“ Der Afghanistan-Krieg ist nur ein Beispiel dafür. Wir Bürger haben ein Recht darauf, dass man uns reinen Wein einschenkt. Wenn wir als Bundesrepublik Deutschland im Krieg sind, dann sollte man das so benennen.

Hier ist das Parlament dringend gefordert! Der Bundestag ist die Vertretung des Volkes gegenüber der Regierung. Das deutsche Parlament muss seinen Beaufsichtigungs- und Kontrollfunktionen gegenüber der Bundesregierung in größerem Umfang nachkommen. Die Fraktionen, namentlich die Unions- und die SPD-Fraktion, müssen unbequeme Fragen stellen. Denn die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Das öffentliche Gelöbnis vor dem Bundestagsgebäude hat dies eindrucksvoll unterstrichen. Ich befürworte deshalb nachdrücklich weitere öffentliche Gelöbnisse im Angesicht des Deutschen Bundestages.

Es geht nicht darum, der Bundesregierung den einen oder anderen Fehler in der Außendarstellung anzukreiden. Jeder Akteur in der politischen Arena wird immer bemüht sein, das eigene Handeln in möglichst günstigem Licht erscheinen zu lassen. Nein, die Frage lautet: Was geht in Afghanistan vor? Was plant ihr? Welche Schritte unternehmt ihr, um ein dringend benötigtes Konzept auszuarbeiten?

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind gefordert, sich dieser Aufgabe zu stellen. Spätestens nach den US-Präsidentenwahlen im November wird Deutschland eine Antwort geben müssen. Denn Obama hat bereits angekündigt, dass er einen stärkeren militärischen Beitrag der Europäer in Afghanistan fordern wird, um die Haushaltslage in den USA zu verbessern. McCain dürfte dies ähnlich sehen.

Hohes Haus, meine Damen und Herren Abgeordneten! Kaufen Sie in Ihrer Freizeit auf eigene Kosten Schuhe in Kalifornien oder sonstwo, aber sprechen Sie bitte an Ihrem Arbeitsplatz zuhause in Deutschland auf Augenhöhe mit der Bundesregierung!

Denn wie heißt es doch so schön unter den Abgeordneten: „Wir legen schon Wert auf Augenhöhe!“

 Posted by at 08:11

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