Mrz 162009
 

An die Auseinadersetzung zwischen den Attizisten und den Asianern in der Antike erinnert der Kampf zwischen den Befürwortern des Dauervibrato und den Verfechtern des reinen schlanken, vibratolosen Spiels auf den Streichinstrumenten.

Ich selbst fand erst spät, vor etwa 10 Jahren, zum vibratolosen Spiel, das ich bei Bedarf jederzeit anwende. Aber zunächst fiel es mir schwer! Das Vibrato sollte wieder das werden, was es eigentlich ist: ein Ausdrucksmittel, um bestimmte Emotionen zu zeigen. Aber eben keine Daueremotion.  Der gute Streicher sollte Vibrato können, aber nicht müssen.

In der Rhetorik entspricht diesem „No-vibrato-please“ der Verzicht auf Redundanz, auf die Bebungen in der Stimme.  An diesen Nüchernheitsaposteln unter den Rednern haben wir derzeit keinen Mangel.

Do Morgenpost bringt heute dazu einen guten Artikel als Ehrung für Roger Norrington:

Musik – Er verbot den Geigern das Vibrato – Kultur – Berliner Morgenpost
Roger Norrington weiß sehr genau, dass es im 19. Jahrhundert durchaus schon ein Vibrato gab. Nur eben kein Dauer-Vibrato. Alte Tonaufzeichnungen, etwa Arthur Nikischs Einspielung der Fünften 1913, bestärkten ihn in dieser Auffassung. Die Wiener Philharmoniker spielten noch in den 30er Jahren meistens ohne Vibrato, das Arnold Schönberg mit dem Meckern einer Ziege verglich. Erst danach begannen die Streicher permanent mit der Hand auf dem Griffbrett zu zittern. Fritz Kreisler soll einer der ersten gewesen sein. Durch Wilhelm Furtwängler etablierte sich diese Spielweise weltweit in der Hochkultur. Seine Interpretationen sind genial, aber es sind Arrangements, weiß Norrington. Der berüchtigte deutsche Klang, das sei in Wahrheit der historische, vibratofreie Klang vor 1930
„Ich versuche nur, eine Tür zu öffnen“, sagt er oft. „Zu einem grüneren Land. Insofern ist die ‚historisch informierte Aufführungspraxis‘ eine grüne Bewegung.“ Bei diesem Satz ging wohl der Country gentleman mit ihm durch. Denn wenn er nicht dirigiert, sitzt er am liebsten lesend in seinem Landhaus in Berkshire, hilft Frau und Sohn aufs Pferd und kümmert sich um den Bienenstock. Und wandelt über den Rasen, natürlich barfuß.

 Posted by at 17:45

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