Mai 052009
 

Vor mir liegt sie, die bunte Din-4-Broschüre der Hamburger Senatorin für Schule und Berufsbildung Christa Goetsch: „Eine kluge Stadt braucht alle Talente„, Stand April 2009. Insgesamt herausragend gut gemacht ist diese Erklärung eines neuen Schulmodells. Stichworte: Eine neue Lernkultur und eine neue Schulstruktur, längeres gemeinsames Lernen, zwei Wege zum Abitur. Auf S. 6 wird alles schön übersichtlich dargestellt. Das Gymnasium bleibt ab Klasse 7 erhalten und führt nach Klasse 12 zum Abitur, aber daneben treten die Stadtteilschulen ab Klasse 7, die nach 13 Jahren zum Abitur führen.

Was mir sofort kritisch auffällt, und was auch nach genauem Studium der Broschüre als Eindruck bestehen bleibt, ist folgendes:

1. Das Nebeneinander von Stadtteilschule und Gymnasium, die beide zum Abitur führen sollen, ist eine unnötige Verdoppelung: Verdoppelung bedeutet erheblichen bürokratischen Mehraufwand. Der Regelungsbedarf im überregulierten System Schule wird noch einmal zunehmen. Hier hätte man meines Erachtens unbedingt eine formale Zusammenlegung von Stadtteilschule und Gymnasium herbeiführen müssen. Wie man das Kind nennt, ist zweitrangig. Damit die bildungserpichten Eltern keine Revolution anzetteln, schlage ich vor, man greife zum alten griechischen Wort für Fitness-Freiluft-Studio, also gymnasion. Das Gymnasium ist das Fitness-Studio unserer Jugend – wer dort übt, wird sich auf der Ringbahn des Lebens behaupten können.

2. Es fehlt ein starker Akzent auf dem Mittleren Schulabschluss nach 10 Jahren. Der Schulabschluss nach 10 Jahren ist europaweit die meistgewählte Schuldauer. Der 10-jährige Schulbesuch  muss so gestaltet werden, dass er einen vollwertigen ersten Schulabschluss sichert. Damit kämen wir endlich auch in eine Vergleichbarkeit mit den Schulsystemen der anderen europäischen Länder.

Was brauchen  wir in Berlin?

Mehr Einheit, mehr Vielfalt, mehr Vergleichbarkeit! Man muss den gordischen Knoten durchhauen, den das geradezu bizarr zersplitterte Berliner Schulwesen geschürzt hat.

Wir brauchen einen formalen Schulabschluss nach Sekundarstufe I, und einen formalen Schulabschluss nach Sekundarstufe II. Jeder Schüler sollte ertüchtigt werden, die Sekundarstufe I abzuschließen. Innerhalb dieser formal und administrativ einheitlichen Sekundarstufen I und II ist die breiteste Vielfalt denkbar und wünschenswert!

Formale Gleichstellung aller bestehenden Schulen, die zur Sekundarstufe I und II führen – aber innerhalb dieser administrativ vereinheitlichten Strukturen eine größtmögliche Fülle an Möglichkeiten für selbstgesteuertes,  zur Freiheit erziehendes Lernen. Die Schulen brauchen unter diesem einheitlichen Dach mehr Selbständigkeit, um sich ein unverwechselbares Profil zu geben. Dafür trete ich ein. Ich nenne diese Schule die „Demokratische Vielfaltsschule“.

 Posted by at 11:16

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