Mai 192009
 

Ein Blick in die Süddeutsche Zeitung von heute bringt mehr Klarheit: Es gibt Armut vor unserer Haustür. Im Kosovo etwa: jeder siebte Kosovare hat heute weniger als einen Euro am Tag zur Verfügung. Franziska Augstein zieht unter dem Titel „Als die Menschenrechte schießen lernten“ eine insgesamt niederschmetternde Bilanz des Kosovo-Krieges, den die NATO am 24. März 1999 begann und der bis 19. Juni 1999 dauerte. Die Nato unterstützte die schlechter bewaffneten Terroristen der UCK in ihrem Kampf gegen Serbien, agents provocateurs auf beiden Seiten heizten durch tatsächliche und erfundene Massaker sowie massive Falschinformationen die Lage auf, so dass ein bewaffnetes Eingreifen der NATO gerechtfertigt erschien. Der Westen irrte. Er irrte ebenso, als er die Taliban gegen die Sowjets aufrüstete. Das Kosovo ist heute ärmer als vor dem Krieg. Wer spricht noch davon? Das sind echte Arme – und wir haben sie sogar teilweise selbst verschuldet.

Mit Hartz IV kann man leben, man hat immerhin etwa 500 Mal so viel Geld wie das ärmste Siebentel der Kosovaren. Man nagt nicht am Hungertuche, kann sich aber auch keinen neuen VW Polo leisten. Macht Geld frei? Wie wirkt sich der lange Bezug von Hartz IV auf die Psyche aus? Vera Lengsfeld schreibt in ihrem Buch Neustart:

„Es ist richtig, dass Geld frei und unabhängig macht, aber eben nur selbst verdientes Geld. Geld, das man ohne Gegenleistung bekommt, macht unfrei: Die eigenen Fähigkeiten, sich selbst zu versorgen, verkümmern, und das erhöht die Abhängigkeit von fremden Leistungen. Am Ende ist man bereit, seine Freiheitsrechte aufzugeben, um weiter versorgt zu werden“ (Vera Lengsfeld, Neustart. München 2006, S. 199).

3 Jahre später, am heutigen Tage, scheint sich auch die Linkspartei auf derartige Einsichten zu besinnen. Roland Claus, Ostkoordinator (ein herrlicher Titel!) der Linksfraktion im Bundestag, legte gestern eine wissenschaftliche Studie unter dem Titel „Leitbild Ostdeutschland 2020“ vor. Wir zitieren Sätze aus der Süddeutschen Zeitung von heute (S. 5), in denen die Feststellungen Lengsfelds wie ein Echo wiederzuhallen scheinen:

Ostdeutschland sei von Transferleistungen abhängig. „Diese Transfers aber können die Fähigkeit zu einer eigenständigen und selbstbestimmten Gestaltung sozioökonomischer Entwicklung erheblich einschränken.“

Im Klartext kommen Lengsfeld und die Linkspartei überein: Wer lange von Transferzahlungen lebt, verlernt das Handwerk des Lebens. Er wird unfrei, weil er abhängig bleibt.

Eine mögliche Lösung scheint mir zu sein: Gesellschaftlich nützliche Arbeit als Lohnarbeit anbieten! Im Pflegebereich, im Kinderbetreuungsbereich, in der Nachbarschaftshilfe, in den Vereinen, bei der Graffiti-Entfernung usw. wartet jede Menge Arbeit! So habe ich händeringend nach mehr Personal für unseren letzten ADFC-Stand gesucht. Hätte ich gewusst, wie ich an Hartz- IV-Empfänger komme, so hätten wir den Stand rund um die Uhr besetzt halten können.

Diese vielen unerledigten Arbeiten sollten den nicht armen, aber unfreien Transferempfängern angeboten werden, und dafür sollten sie bezahlt werden. Sie hätten dann ein befriedigendes Gefühl: Ich kann was, ich kann mich selbst ernähren!

 Posted by at 13:47

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