Erfreuliches höre ich vom neuen Berliner Finanzsenator Nußbaum. Die Berliner Zeitung berichtet heute:
Es geht nicht mehr – Berliner Zeitung
Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) hat angesichts von Wirtschaftskrise und Einnahmeausfällen bei den Steuern einen Mentalitätswandel in der Bevölkerung und in der Politik gefordert. Ich bin der Überzeugung, dass weder die politische Klasse noch die Bevölkerung richtig realisiert hat, was diese Krise wirklich für uns, für unseren Wohlstand bedeutet, sagte der Senator der Berliner Zeitung.
Nußbaum hat recht. Er könnte sogar noch schärfer formulieren, doch muss er erst einmal versuchen, sich im Senat einen sicheren Stand zu erarbeiten. Ich selbst verlange seit vielen Monaten ein fundamentales Umdenken – und nur ganz wenige vernehme ich, die klare Schlüsse aus der Finanz- und Wirtschaftskrise ziehen. Gefordert ist ein völliges Neubedenken der Aufgabenteilung zwischen Staat und Gesellschaft, zwischen den Hilfesystemen und dem einzelnen. „Papi“, so nennen die jungen Gespielinnen in Italien ihren Ministerpräsidenten. „Papa Staat, hilf uns, sorge für uns“, dieser Klageruf ertönt auch bei uns noch viel zu oft. „Wir werden helfen“, so erbarmte sich – leider! – Kanzlerin Merkel in einer Fernsehsendung mit Anne Will. Und danach sprach sie vom „dritten Weg“ zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft, sie nannte dies irrigerweise „Soziale Marktwirtschaft“.
Nein, der Staat wird nicht mehr helfen können. Der zusätzliche Finanzbedarf von über 300 Milliarden Euro neuen Schulden bis 2012, wie ihn der Bundestag gestern festgeschrieben hat, ist ein Menetekel, ein klarer Beweis der Parlamente, dass sie das Einmaleins des Marktes vergessen haben.
Wir müssen zur Marktwirtschaft zurück. Die massiven Stützungen und die gigantische Neuverschuldung bringen einen derart erhöhten Steuer- und Regelbedarf mit sich, dass der Begriff einer „schleichenden Planwirtschaft“ gerechtfertigt erscheint. Ich sage: Wir brauchen eine solche schleichende Planwirtschaft nicht. Sie ist Gift für die Freiheit. Der Staat hat über die Jahrzehnte hin viel zu viel vermasselt, beginnend von den Landesbanken über das Heranzüchten neuer Großbanken – wir stehen mit 106 Milliarden Euro Bürgschaften und Beihilfen hinter der Neuzüchtung Dresdner/Commerzbank, bis hin zu dem Opel-Rettungspaket, dank dessen nunmehr russische Großbanken mit am Kabinettstisch in Berlin sitzen und den Ausgang der Bundestagswahlen mit beeinflussen dürfen! Was für ein abgrundtiefer Fehler!
Durch die satten Staatshilfen wird nach und nach jede Fähigkeit der einzelnen erstickt, sich selbst zu helfen. Die Menschen verlieren den Mut, sich ihrer eigenen Kräfte zu bedienen. Hier in Berlin erblicke ich eine zunehmende Versteppung der Selbsthilfekräfte. Ganze Stadtviertel leben fast nur noch davon, die staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen – dazu gehört insbesondere das Gebiet, in dem ich wohne, mein heimisches Kreuzberg.
Als entscheidenden Fehler erachte ich, dass kein Politiker offen die Wahrheit ausspricht, dass wir uns auf eine massive Senkung des Wohlstandes werden einrichten müssen. Ich kenne fast nur den Bundespräsidenten Köhler, die Bundestagskandidatin Vera Lengsfeld, den schwäbischen Politiker Oswald Metzger, den früheren Finanzsenator Sarrazin und nun eben den Finanzsenator Nußbaum, die mutig genug sind, uns Wählern diesen reinen Wein oder vielmehr Essig der Ausnüchterung in homöopathischen Dosen einzuträufeln. Bitte mehr davon! Wir brauchen solche Ehrlichen in einer Truppe von Opportunisten.
Der Markt bringt eine gewisse Härte mit sich. Es wird uns nicht alles so leicht in den Schoß fallen. Aber genau diese Härte wird dazu führen, dass unsere Kräfte wieder erstarken, dass die allzu leichte Bequemlichkeit vertrieben wird.
Gestern las ich mit meinem Wanja Tom Sawyers Geschichte. Die Tante Polly belohnt den listigen Bengel, diesen Tom, dafür, dass er – vermeintlich – den Zaun gestrichen hat … mit einem hellen, glänzenden roten Apfel.
Wir müssen dahin zurückkommen, dass selbst ein Apfel uns wieder als Belohnung erscheinen mag. Und „es wird uns besser dabei gehen“. Die Einbuße an Wohlstand wird zu einem Mehr an Lebensqualität führen. Die wiedergewonnene Verantwortung wird uns stärker und glücklicher machen.
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