Aug 222009
 

Nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft kriechen jetzt bleich und übernächtigt all die Fragen nach der geschichtlichen Wahrheit ans Licht, die seit 1948, also seit der Machtergreifung kommunistischer Parteien in den Ländern der östlichen Hälfte Europas, gewaltsam unter dem Deckel gehalten wurden. In einem endlosen Gewürge von Manipulationen, Umdeutungen und Beschönigungen hatten die parteiamtlichen Historiker die unschönen Wahrheiten der eigenen Nationalgeschichte unter den Teppich gefegt. Dazu gehört auch die Beteiligung nicht-deutscher Verbände, offizieller Regierungen, ja ganzer Staaten an dem verbrecherischen Regime des Nationalsozialismus im besetzten Europa. Nur so lässt sich etwa folgende, geradezu bizarr anmutende Meldung verstehen, wonach ein EU-Staat dem Staatsoberhaupt eines anderen EU-Staates die Einreise verbietet:

Einreiseverbot: Ungarns Präsident bläst Slowakei-Besuch ab – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Mit klaren Worten hat die slowakische Regierung dem ungarischen Präsidenten Laszlo Solyom an einer Reise in die Slowakei gehindert. Ein Verstoß verletzte internationales Recht und zeige einen „Mangel an Respekt“, sagte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico.

Bizarr ist diese Meldung, weil hinter dem Einreiseverbot die unaufgearbeitete Geschichte der beiden Staaten Ungarn und Slowakei in den 30er und 40er Jahren steht. Kaum jemand weiß, dass die beiden Staaten Ungarn und die Slowakei treue Verbündete Deutschlands waren, dass sie den Deutschen Waffenhilfe leisteten. Die Schreckensherrschaft der Deutschen wäre ohne ein riesiges Heer an nicht-deutschen Helfern, Waffenbrüdern, Kollaborateuren und Vollstreckern nicht möglich gewesen. Und daneben gab es auch ganze Länder – Italien, Slowakei, Ungarn, das besetzte Frankreich – die mit ihren Regierungen, also als Land,  insgesamt auf Seiten Deutschlands standen, Truppen stellten, an Verfolgungsmaßnahmen aktiv beteiligt waren. Wer weiß heute noch, dass Hunderttausende italienischer Soldaten am Überfall auf die Sowjetunion beteiligt waren, bis vor Stalingrad vorrückten?

Was hört man aus Italien, Ungarn, der Slowakei über diese Beteiligung? Praktisch nichts. Dazu meine ich sagen zu können: Diese Länder haben es erfolgreich und wider die historischen Belege vermocht, sich ausschließlich als Opfer Deutschlands darzustellen. Sie haben nicht ernsthaft begonnen, ihre eigene Verstrickung in die Terrorherrschaft der Deutschen aufzuarbeiten. Kaum jemand kennt überhaupt noch die Namen der Tiso, Horthy, Pétain, Badoglio. Die verbündeten oder kollaborierenden Länder Italien, Slowakei, Rumänien, Ungarn, Frankreich haben sowohl unter dem Kommunismus als auch in der Demokratie ihre eigene nationale Geschichte weitgehend reingewaschen.

Selbstverständlich diente dies auch als Rechtfertigung für die Vertreibung von etwa 12 Millionen Deutschen, aber auch von Hunderttausenden Ungarn nach dem 2. Weltkrieg. Die Botschaft war klar: „Wir waren nicht dabei! Das waren alles die anderen!“

Eine groteske Veranstaltung! Und derartige Grotesken werden mühsam gehegt und gepäppelt, ehe es zum nächsten Knall kommt, wie an dem gespannten Verhältnis zwischen Ungarn und der Slowakei regelmäßig zu bestaunen.

Ungarn hat sich 1989 offiziell bei der damaligen Noch-Tschechoslowakei dafür entschuldigt, dass ungarische Truppen an der Niederschlagung des Prager Frühlings beteiligt waren. Die heutige Slowakei hat derartiges gegenüber Ungarn nicht vermocht, da sie eine Kontinuität zu der deutschlandfreundlichen Tiso-Regierung ab 1940 nicht herstellen will. Die Vertreibung der Ungarn aus dem Gebiet der Tschechoslowakei wird weiterhin verschwiegen.

Ungarn hat offiziell seine historische Schuld an der Vertreibung der Deutschen, aber auch auch an der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 anerkannt. Dennoch gehen die endlosen Streitereien zwischen der Slowakei und Ungarn weiter. Im Zentrum stehen dabei vordergründig Rechte der ungarischen Minderheit in der Slowakei – und ungelöste Fragen der Vergangenheit.

Letztlich wurzeln die ständigen slowakisch-ungarischen Reibereien in der dunklen europäischen Vergangeheit. In diese gilt es Licht zu werfen. Wenn die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten weiterhin so saumselig und zögerlich sich mit Halbwahrheiten zufriedengeben, kann das gemeinsame Haus Europa nicht gelingen.

 Posted by at 08:29

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