Sep 042009
 

… dann muss es auch eine Wahlfühligkeit geben. Und genau daran leide ich: Ich kenne keine Wetterfühligkeit, sondern der Schädel brummt nur bei einer bestimmten Art Rotwein. Sehr wohl aber die Wahlfühligkeit.

Oft schreibe ich die erwarteten Wahlergebnisse vor dem Urnengang auf einen eingebildeten Zettel – und  vergleiche dann am Wahltag mit den tatsächlichen Ergebnissen. Befund: Ich bin „wahlfühlig“, d.h. ein dumpfes Gefühl sagt meistens voraus, wie es ausgeht.

Aus der Union ist wenig zur konkreten Analyse der Landtagswahlen zu vernehmen. Deshalb nur meine Notate als „wahlfühliger“ Bürger. Das habe ich mir vorher gedacht:

Thüringen: Rein personenbezogener Wahlkampf war ein klarer Fehler. Teamfähigkeit hätte herausgestellt werden müssen. Grundbotschaft hätte sein müssen: „Wir sind ein starkes Team. Wenn der erste Mann schwer angeschlagen ist, stützen wir ihn. Das Team steht und fällt nicht mit einer Person.“ Dieter Althaus hörte ich vor seinem Unfall und nach seinem Unfall. Zwei unterschiedliche Menschen. Traurig, dass niemand in der CDU sich um ihn ernsthaft gekümmert zu haben scheint. Ein Duz-Freund hätte das machen müssen. Umstände des Rücktritts eindeutig ein Schlag ins Kontor für die Union. Der Wähler fragt sich: „Ja, wie geht ihr denn miteinander um? Steht bei euch nicht der Mensch im Mittelpunkt?“ Keine Überraschungen.

Sachsen: Tillich verkörpert glaubhaft die Figur des guten Vaters. Keine Überraschungen für wahlfühlige Menschen.

Saarland: Hier hätte der Kampf fast ganz um Inhalte geführt werden müssen. Lafontaine ist unglaublich populär, über die Menschlichkeitsschiene konnte Müller nicht gegen ihn ankommen. Hier hätte man die Linkspartei sehr konfrontativ, aber fair angreifen müssen. Man hätte die Argumente der Linken unterlaufen müssen. Muster: „Nehmen wir mal an, ihr habt recht … dann ergibt sich folgendes …“ Keine Überraschungen für wahlfühlige Menschen.

Gesamteindruck: Wahlkämpfe derzeit noch von großer Mutlosigkeit geprägt, außer bei der Linkspartei und der FDP. Die meisten Politiker sind nicht mutig genug. Sie zeigen große Angst vor dem Volk.

Bei weitgehend unveränderter Großwetterlage, also wenn alle Parteien mehr oder minder den Wahlkampf so weiter führen, sehe ich als „Wahlfühliger“ folgendes für den 27. September voraus:

Geringe Verluste für die Union gegenüber 2005, wenn sie nicht klarmachen kann, was sie außer der Spitzenkandidatin zu bieten hat.

Geringe Verluste für die SPD gegenüber 2005.

Starke Gewinne für die FDP.

Deutlicher Gewinn für die Linke.

Leichte Gewinne für die Grünen.

Mein Gefühl: Die Mehrheit für Schwarz-Gelb wird wegen zu geringer Ergebnisse der Union knapp verfehlt, wenn der Wahlkampf von allen Parteien so oder so ähnlich weitergemacht wird. Es wird erneut zu unklaren Verhältnissen am Wahlabend kommen.

Ein Kardinalfehler, der leider immer noch gemacht wird:  Der Ausdruck „bürgerliche Mehrheit“, „Wir brauchen eine bürgerliche Koalition“. Wer diese Ausdrücke immer noch als Wahlkampfargumente verwendet, lebt hinter der Zeit.

 Posted by at 14:10

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