Feb 142010
 

„Ihr Deutschen seid ein sehr verwöhntes Volk, alles soll der Staat für euch bereitstellen – zum Nulltarif“, so schmunzeln meine russischen Freunde immer wieder.

Na, ich bin mittlerweile doppel-immunisiert: gegen die deutsche Jammerseligkeit, die sich mal an Massenarmut, mal an menschenunwürdigen Hartz-IV-Sätzen, mal an skandalösen Eisschichten entzündet – und aufmerksam-immunisiert gegen jedwede ausländische Fundamentalkritik an uns Deutschen.

Einen echten Winter (was wir jetzt haben, ist immerhin eine Ahnung davon) erlebe ich immer wieder in Moskau. Davon können wir hier nur träumen! Er dauert etwa 6 Monate. Schnee- und Eisbeseitigung ist eine Daueraufgabe für mindestens 3-4 Monate. Jeder echte Wintertag mit Schnee- und Eisräumpflicht kostet die Stadt etwa 1 Million Dollar. Das Eis auf den Gehwegen wird tatsächlich „bis zur Platte“ abgehackt. Und zwar durch die Eigentümer oder im Auftrag der Eigentümer. Die Straßen werden durch die öffentliche Hand systematisch geräumt. Der Schnee wird mit LKW nach außerhalb geschafft. Das alles kostet. Aber der russische Winter lässt nicht mit sich scherzen. Das musste bereits Napoleon erfahren.

Gegen das Eis hat mir meine aus Moskau stammende Frau zu Weihnachten ein billiges, zur Nachahmung empfohlenes Mittel geschenkt: Stiefel mit umklappbaren Spikes. Erst dachte ich – was soll das? Heute weiß ich, dass die gesamte Eisdebatte überflüssig wäre, wenn jeder so etwas hätte. Mehrkosten pro Bürger: geschätzt 20 Euro, denn diese Stiefel waren sicher nicht billig. Der Berliner Bürgermeister – so berichtete der Tagesspiegel vorgestern – trägt anziehbare Spikes. Auch gut! Vorbildlich! Leider sind z. Zt. kaum Spikes zu kaufen. Wo ist der Markt?

Noch etwas habe ich festgestellt: Man muss auf Eis vorsichtig gehen. Erst den Fuß aufsetzen, dann nach und nach belasten. Durch die Belastung entsteht Wärme, das Eis taut minimal auf, und so bildet sich zwischen Sohle und Eis eine Art Griffzone – man geht und steht einigermaßen sicher.

Besser aber in jedem Fall: Spikes, umklappbar oder überziehbar.

Foto: Straßenszene vor einer Kreuzberger Grundschule. Februar 2010. Die Schüler werden von den Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht.

 Posted by at 10:49

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