Wie so oft oder eigentlich fast immer, hege ich auch bei dem Aufruhr um die Kreuze in öffentlichen Gebäuden des Landes Niedersachsen eine „vermittelnde“ Position. Die „Vermittlung“, das ist ja der eigentlich Kernbestand christlicher Botschaft. In vielen Quellen wird Jesus ausdrücklich „der Mittler“ genannt. Und immer wieder versucht die CDU mit mehr oder minder Geschick für sich in Anspruch zu nehmen, die „Partei der Mitte“ zu sein – wobei diese Mitte meist fälschlich als mathematische Mitte gemeint wird. „Übernehmen wir einfach das, was die meisten Menschen denken und wollen, und nennen es Mitte – das passt dann schon!“ Das ist natürlich Unsinn. Das kann nicht der Sinn des Ausdrucks „Mitte“ sein. Es wird vielleicht ausreichen, um die eine oder andere W(Qu)ahl zu gewinnen, kann aber niemals das Wesen der Christdemokratie erklären.
Einen „Kruzifix-Streit“ vermag ich in diesen Tagen nicht zu erkennen. Das Kruzifix, also die Darstellung des gekreuzigten Jesus von Nazaret, findet man eigentlich nirgendwo mehr in öffentlichen Gebäuden in Deutschland – außer vielleicht im Eichsfeld …
Anders sieht es mit dem Kreuz aus.
=> Özkan will Kruzifixe doch nicht mehr entfernen lassen <=
Die designierte niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan hat sich vor der CDU-Landtagsfraktion für ihre in einem Interview geäußerte Forderung, Kruzifixe aus den Klassenräumen öffentlicher Schulen zu entfernen, entschuldigt.
Allein schon die Tatsache, dass viele Kommentatoren die fundamentalen Unterschiede zwischen Kruzifix und Kreuz nicht mehr zu kennen scheinen, ist ein Beleg dafür, dass das Kreuz als Zeichen oft nicht mehr verstanden wird.
Aygül Özkans Forderung nach Entfernung der Kreuze aus öffentlichen Gebäuden bewerte ich persönlich als eher ungeschickt, als einen Patzer, wie sie jede und jeder, der nur wenige Jahre in der Politik unterwegs ist, nahezu unvermeidlich machen wird (mich selbst eingeschlossen). Aber man wird keine Neulinge, keine Quereinsteiger für die Politik gewinnen können, wenn man ihnen nicht reichlich Gelegenheit gibt, in das eine oder andere Fettnäpfchen zu treten.
Den besten Kommentar zu den Kommentaren zu Aygüls Forderungen hat Wulf Schönbohm geliefert. Er sagte sinngemäß: „Lasst euch doch endlich auf die bei uns lebenden Türken ein. Wenn ihr sie kennenlernt, werdet ihr vieles von euren negativen Reflexen abbauen.“ Hier ein Zitat aus dem Tagesspiegel:
Er selbst sei gegen Kreuzverbote per Gesetz oder Gericht, sagte er dem Tagesspiegel. Aber auch dies sei zunächst eine Sachfrage. Das harte Nein seiner Partei zu einem EU-Mitglied Türkei hält er allerdings seit langem für absolut lächerlich. Die Türkei sei in zehn Jahren AKP-Regierung ein völlig anderes Land geworden, aber die Union wolle dies nicht zur Kenntnis nehmen. Das ist dieselbe Haltung wie ,Wir sind kein Einwanderungsland. Und ich nehme an, sie wird sich beim Thema Türkei ähnlich erledigen. Die Union müsse jetzt endlich Türkischstämmige in die Landtage und den Bundestag schicken. Die könnten zum großen Teil unsere Wähler sein und wir verprellen sie durch unsere Vorbehalte und die Ablehnung des EU-Beitritts. Die Parteiführung müsse sich da engagieren: All diese grässlichen Vorurteile würden abgebaut, wenn das einfache Parteimitglied die Leute mal aus nächster Nähe erleben würde.
Und ich füge hinzu: Die Türken, die ich kenne, sind ausnahmslos warmherzige, freundliche, leicht zugängliche Menschen, denen wir natürlich oft in der Seele wehtun, wenn wir die ganze Batterie an Vorurteilen auf sie niederprasseln lassen.
An jene, die sich über Aygül Özkan aufregen statt sich über die Ernennung zu freuen, möchte ich sagen:
Wenn es euch so ernst ist mit dem Kreuz, dann legt Zeugnis ab für das Kreuz. Nicht mit öffentlichen Bekenntnissen, sondern mit Werken. Oftmals deutet das Festklammern an christlichen Symbolen im öffentlichen Raum auf eine Schwächung des Glaubens hin. Die Muslima Aygül Özkan hat es meines Erachtens in wenigen schlichten Worten vermocht, den Sinn christdemokratischer Politik besser zu erklären als ich dies seit Jahren aus der Mitte der „Partei der Mitte“ vernommen habe. Gerade mit ihren Worten über die Nächstenliebe, über den hohen Wert der Familie, über Verantwortung und Gemeinsinn hat sie mir aus der Seele gesprochen – und zwar besser, als dies die meisten Oberhirten und die berühmten Big Shots meist tun. Es wäre schön, wenn nun auch andere Christdemokraten dem Beispiel Özkans folgten und ebenfalls öffentlich bekennten, was für sie die treibenden Werte politischen Handelns sind.
Das Kreuz bezeichnet die ständige Anstrengung um das Vermitteln, um das Einholen der Gegensätze, um die Versöhnung. Für Juden, Christen, Muslime und Bekenntnislose ist das Kreuz gleichermaßen ein fruchtbarer Impulsgeber – so es denn richtig aufgefasst wird.
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