Sep 232010
 

Vor zwei Tagen blieb ich spätabends im Hotelzimmer bei Markus Lanz im ZDF hängen. Und siehe da – es war eine Sendung, die erstaunlich wenig auf Effekt und Polemik setzte. Zwischentöne herrschten vor. Diese Gesprächsrunde hat mir sehr gut gefallen!

Mit Rita Schlegel, der Schulleiterin aus Neukölln, kam eine Frau zu Wort, die vieles aussprach, was meine oder unsere eigenen Kreuzberger Grundschulerfahrungen widergab.

Wie funktioniert Integration? Hier empfehle ich, besonders auf die Erzählungen von Melda Akbas, Özlem Nas und Cem Özdemir zu lauschen. Wie haben sie es geschafft, sich in diesem ihrem Heimatland Deutschland umfassend zu „beheimaten“? Ihre Antworten kommen in einem überein: es waren die helfenden Hände der anderen, der Nachbarn, der Eltern, es war die Sorge anderer Menschen – und es war die eigene Anstrengung: die eigene Freude am Lernen, am Lesen und Entdecken. Es war in keinem Fall irgendeine professionelle Integrationshilfe oder eine staatliche geförderte Integrationsmaßnahme.

Diese drei fabelhaften Integrationsgeschichten von Özlem Nas, Melda Akbas und Cem Özdemir bestätigen mich in meinem Skeptizismus gegenüber staatlich finanzierten Integrationsprogrammen und professionellen Helfersystemen.  Diese drei Geschichten spiegeln letztlich das sanfte Gesetz Adalbert Stifters wider, aus dem ich vor wenigen Tagen zitierte: die Fürsorge der Menschen füreinander, die kleinen und großen helfenden Gesten sind es, das Vertrauen der Menschen zueinander, das wechselseitige Sich-Öffnen – dies sind die Kräfte, die Integration ermöglichen.

Integration ist ähnlich wie die Betreuung und Erziehung des Kleinkindes eine Leistung der einzelnen Menschen  – nicht eine Leistung des Staates. Integration steht und fällt ebenso wie die Erziehung des Kleinkindes mit einer bestimmten Qualität der Beziehung zwischen den Menschen.

Selbst die Rede von der „Integration als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe“ ist mir zu vage, zu unvollständig. Nicht „die Gesellschaft“ ist es, sondern es sind „die Menschen“ im Für- und im Miteinander, im oftmals harten Ringen um Kenntnisse, um Fähigkeiten, ja auch um den Broterwerb, die einen Weg in eine neue Gesellschaft ebnen.

Das größte Hindernis für Integration der Ausländer ist das Sich-Abschließen der Neusiedler und der Altsiedler, die Hartherzigkeit der Eingesessenen, die Gleichgültigkeit und Verstocktheit beider Gruppen gegenüber dem Nächsten, das stoische Nebeneinanderherleben. Es ist nicht das, was man fälschlich „strukturelle Diskriminierung“ oder „Alltagsrassismus“ nennt.

Eins der größten Hindernisse der Integration ist auch das Vertrauen in die Allheilkräfte des Staates, das blinde Vertrauen in die Sozialhilfe und das Sozialsystem, in Systeme überhaupt. In Wien wird jetzt wieder einmal das „Umkrempeln des Bildungssystems“ als Remedur gefordert. Siehe das Plakat mit der Kandidatin Maria Vassilakou. Maria, hilf durch Systemwandel!

Das heutige Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland ist – ebenso übrigens wie eine besonders strenge Form des Islam – eher geeignet, echte Integration zu verhindern. Es verwöhnt, passiviert und lähmt die Eigenverantwortung. Es fordert zum Missbrauch auf.

Die große Kraft der Herkunftsreligionen Judentum, Christentum und Islam mag diese freudigen Geschichten, wie sie Melda Akbas, Özlem Nas und Cem Özdemir erzählten, im Einzelfall zusätzlich stützen und fördern.

Diese drei Religionen predigen die tätige Zuwendung zum Nächsten, sie fordern stets erneut, das enge Herkunftsdenken aufzugeben und sein Vertrauen in den anderen zu setzen.

Sie fordern das weiche Herz, das hörende Herz.

Markus Lanz vom 21. September 2010 – Markus Lanz – ZDFmediathek – ZDF Mediathek

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