Dez 182010
 

„Bewahrung des gewachsenen Umfeldes, Schutz vor Vertreibungen der alteingesessenen Mieter“ – mit derart teils blumigen, teils trutzig-kriegerischen Wendungen wird mitunter in meinem Heimatdorf Friedrichshain-Kreuzberg von namhaften politischen Kräften versucht, den Zuzug der Fremden, den Einbruch einer als feindlich empfundenen Außenwelt abzuwehren. Nichts soll sich ändern!

Beim Wiederlesen von Stifters trefflicher Erzählung „Bergkristall“ bleibe ich an der Beschreibung eines solchen, sich gegen den Wandel sperrenden Umfeldes hängen. Lest selbst – und fragt euch: Soll immer alles beim alten bleiben?

Daher bilden die Bewohner eine eigene Welt, sie kennen einander alle mit Namen und mit den einzelnen Geschichten von Großvater und Urgroßvater her, trauern alle, wenn einer stirbt, wissen, wie er heißt, wenn einer geboren wird, haben eine Sprache, die von der der Ebene draußen abweicht, haben ihre Streitigkeiten, die sie schlichten, stehen einander bei und laufen zusammen, wenn sich etwas Außerordentliches begibt.

Sie sind sehr stetig, und es bleibt immer beim alten. Wenn ein Stein aus einer Mauer fällt, wird derselbe wieder hineingesetzt, die neuen Häuser werden wie die alten gebaut, die schadhaften Dächer werden mit gleichen Schindeln ausgebessert, und wenn in einem Hause scheckige Kühe sind, so werden immer solche Kälber aufgezogen, und die Farbe bleibt bei dem Hause.

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