Heute staunte ich mehrfach in Waldsieversdorf! Dieses 1000-Seelen-Dorf kann viele berühmte Söhne sein eigen nennen: John Heartfield, dieser unerschrockene Vorkämpfer gegen den Faschismus, der vieles von dem kommenden Grauen vorausahnte, der die Collage als erster in die politische Plakatkunst einführte – er stammt aus diesem Flecken in der Märkischen Schweiz! Heute wandelten wir auf seinen Pfaden – auf dem John-Heartfield-Weg am Ufer des zugefrorenen großen Däbersees.
Der Wirt unseres Quartiers legte aber noch nach: „Aus unserem Dorf stammt auch der Mann mit dem schwarzen Koffer, den wir im Osten alle kannten.“ „Alexander Schalck-Golodkowski – stammt wirklich aus dieser Idylle?“, frug ich zurück. Ich war bass erstaunt. „Sie sind offenbar ein Ostdeutscher, aber wenn Westdeutsche kommen, sagt ihnen der Spitzname nichts“, klärte mich der Wirt auf. „Ja ja, der Schalck-Golodkowski …“ sinnierte ich.
„Und auch Lord Dahrendorf stammt aus unserem Dorf … er ging hier zur Schule“, legte der Wirt noch einmal nach. Potz! Der liberale Vordenker, Soziologe in London, hochverdientes Mitglied der FDP… Ich jubelte fast in Freude über diesen Ort. Dann besann mich auf einen Gegenzug: „Ich stamme aus der Vaterstadt des Dichters, der oft schützend seine Hand über Heartfield hielt und ihn vor dem kleingeistigen Kritteln der SED in Schutz nahm!“ Und dieser Dichter hatte sein Domizil im nahegelegenen Buckow.
Staunen erregten in mir auch die umfassenden Deichbau-Vorbereitungsarbeiten der Biber. Allerdings empfinden die Menschen die Tatkraft der Biber schon als fast überhandnehmend. Hier werden ganze See-Arme abgezweigt, geflutet, Biber-Neubaugebiete werden durch die Biber ohne Rücksprache mit der Behörde ausgewiesen, Bäume werden ohne Genehmigung zum Umfallen vorbereitet. Große Kunst – aber alles ohne Genehmigung! Undeutsch.
Toller, klirrend kalter Tag in dem Dorf. Die Menschen begegneten uns sehr offen, erzählten gern und freigebig von ihrer Heimat.
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