„Es kommt darauf an, dass einer es wagt, ganz er selbst zu sein, ein einzelner Mensch, dieser bestimmte einzelne Mensch zu sein; allein vor Gott, allein in dieser ungeheuren Anstrengung und mit dieser ungeheuren Verantwortung.“
Diese Worte eines ringenden, wachenden Menschen zitiert Uwe Timm in seinem Buch „Am Beispiel meines Bruders“. Timm scheint diesen Worten zuzustimmen. Am heutigen Donnerstag mag eine Betrachtung über Einsamkeit erlaubt sein.
Dieser ringende, wache Mensch ist zweifellos ein sehr einsamer Mensch, zumal er nichts Übermenschliches von seinen Mitmenschen verlangt hat: „Du schläfst? Konntest du nicht einmal eine Stunde wach bleiben?“
Man kann die Worte des ringenden Menschen nämlich auch von hinten her lesen: von der Verantwortung her. Verantwortung heißt heute und hier: die angenommene Verantwortung des einzelnen Menschen, nicht die abgeschobene Verantwortung des Kollektivs, der Zeit, der Gruppe, der Umstände. Verantwortung heißt, dass ich eine Antwort geben kann auf das was ich getan und gefühlt habe – sofern mich jemand danach fragt.
Ver-ant-wort-ung beruht auf der Fähigkeit, das Wort, vor allem das Wort Ich in Freiheit zu verwenden. „Ich habe das getan. Ja, ich habe das unterlassen. Ich bin es gewesen. Ich habe so gehandelt, aber ich hätte auch anders handeln können.“
Verantwortung in diesem individualethischen Sinn entspringt aus dem Einzel-Ich, nicht aus dem Gruppen-Wir. Nur wer zu diesem einzelnen bestimmten Ich Ja sagt und sich selbst annimmt, wird andere annehmen und Verantwortung für andere übernehmen können.
Zitat:
Uwe Timm: Am Beispiel meines Bruders. Vom Autor neu durchgesehene Ausgabe 2010. 6. Auflage 2011. Deutscher Taschenbuch Verlag 2011, Seite 147
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