Jun 142012
 

Einen der genialsten Husarenritte durch die Dilemmata europäischer Erinnerungsdiskurse ritt kürzlich der unvergleichliche Stefano Benni in der „Geschichte von Inclinatus und seinem Denkmal“. Er erzählt darin, was mit einem Denkmal und seiner Inschrift im Laufe der italienischen Nachkriegsgeschichte geschieht. Ein italienischer Widerstandskämpfer – oder war es nur Zufall, dass er zum Widerstandskämpfer wurde? – soll angemessen geehrt werden.

Verschiedene Politiker, verschiedene Generationen können sich weder auf eine äußere Gestaltung noch auf eine Inschrift einigen. Am Schluss bleibt ein kitschiger Springbrunnen übrig, ein lädiertes Artefakt, das keinerlei Widmung mehr enthält. Die Erinnerung hat keinen Text mehr. Das Heldengedenken fällt aus.

Genau um diese Erzählung herum wird morgen ein kleiner Workshop am Italienzentrum der Freien Universität stattfinden:

„Eh, quante storie …!“

Welche Rolle sollen Empathie, Erzählen und  Sprachmitteln in der Sprachdidaktik spielen?

In diesem Workshop wollen wir  das Sprachmitteln als fundamentale, gleichwohl  weithin vernachlässigte Grundhaltung des Fremdsprachenunterrichts in Erinnerung rufen, üben und festigend weitertragen.

Zunächst werden wir anhand einfachster Übungen im bloß zeigenden, vorsprachlichen Handeln diese Grundhaltung des Erzählens und Sprachmittelns leibhaftig verdeutlichen.

Im zweiten Teil werden wir anhand von Stefano Bennis Storia di Inclinato e del suo monumento anspruchsvollere Fragen der Sprachmittlung in etwa auf Abiturniveau bearbeiten. Welche unausgesprochenen, sprachmittelnden  Voraussetzungen sind zum Textverständnis nötig? Welche produktive Rolle  können heiße Eisen – etwa aus Religion und Erinnerungspolitik – für die Sprachmittlung  spielen? Muss Mündlichkeit in der Sprachdidaktik neu gewichtet werden?  Ist übersetzendes Erzählen, übersetzendes Spielen zwischen den Sprachen ein notwendiges Mittel des Lehrens und Lernens?

Materialien:

Selbstbildnis Albrecht Dürers  „Do der gelb fleck ist vnd mit dem finger drawff dewt do ist mir we“ (1528)

Werner Herzog:  Jeder für sich und Gott gegen alle (1974)

Stefano Benni: Storia di Inclinato e del suo monumento, in: Stefano Benni, Pane e tempesta, Giangiacomo Feltrinelli, Milano 2009, Seite 101-114

Stefano Benni: Die Geschichte von Inclinatus und seinem Denkmal, in: Stefano Benni, Brot und Unwetter. Roman. Aus dem Italienischen von Mirjam Bitter. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2012, S. 116-131

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