Sep 242012
 

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Säume nicht dich zu erdreisten
Wenn die Menge zaudernd schweift;
Alles kann der Edle leisten,
Der versteht und rasch ergreift.

Goethe, Faust II, Anmutige Gegend

Heute vor ziemlich genau 30 Jahren, am 1. Oktober 1982, trat Helmut Kohl das Amt des Bundeskanzlers an. Zeit, ihm ein klein wenig Respekt zu bezeugen!

Innerhalb von 329 Tagen, beginnend beim Tag des Mauerfalls, dem 9. November 1989, endend am 2. Oktober 1990, schaffte Kohl es zusammen mit einigen anderen, die Hand in Hand kräftig mithalfen, etwas zu erreichen, woran sich Generationen vor ihm vergeblich abgemüht hatten: die Zusammenführung der beiden deutschen Staaten ohne Waffen und in Freiheit. Horst Teltschik, der damalige Leiter der Außen- und Sicherheitspolitik im Kanzleramt, hat in dem Buch dieses Titels – „329 Tage“ – diesen mutig, zuversichtlich, mit großer Kraft beschrittenen Weg nachgezeichnet.

Es lohnt sich, heute Teltschiks Anmerkungen zum 1. Juli 1990 nachzulesen. Er hebt ausdrücklich hervor, wie Kohl bereits damals die Deutschen auf gemeinsame Arbeit, auf Anstrengungen und Mühsal eingestellt habe. Von selber würden die blühenden Landschaften nicht kommen. Das wurde leider allzu leicht vergessen, wurde regelmäßig vergessen, wenn man die blühenden Landschaften Kohls später bespöttelte.

Hier der entsprechende Abschnitt aus der Fernsehansprache, die Bundeskanzler Helmut Kohl am 1. Juli 1990 anlässlich des Inkrafttretens der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion hielt (Fettdruck einzelner Wörter durch dieses Blog eigenmächtig vorgenommen):

Nur die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion bietet die Chance und die Gewähr dafür, dass sich die Lebensbedingungen rasch und durchgreifend bessern. Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt.

Natürlich fragen sich viele, was dieser beispiellose Vorgang für sie ganz persönlich bedeutet – für ihren Arbeitsplatz, ihre soziale Sicherheit, für ihre Familien. Ich nehme diese Sorgen sehr ernst. Ich bitte darum die Landsleute in der DDR: Ergreifen Sie die Chance, lassen Sie sich nicht durch die Schwierigkeiten des Übergangs, die niemand leugnen kann, beirren. Wenn Sie mit Zuversicht nach vorn blicken, wenn alle mit anpacken, werden Sie und wir es gemeinsam schaffen.

Quellen:
Johann Wolfgang Goethe: Faust. Texte. Herausgegeben von Albrecht Schöne. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt a.M. 1999, S. 204 (Vv. 4662-4665)
Horst Teltschik: 329 Tage. Innenansichten der Einigung.  Siedler Verlag, Berlin 1991, S. 292
www.helmut-kohl.de:
1. Juli 1990
Fernsehansprache von Bundeskanzler Kohl anlässlich des Inkrafttretens der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion
Bild: Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern bei Wustrow, Juli 2012

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