Okt 272012
 

„Entschuldigen Sie, ich war eben achtlos …“, mit diesen freundlichen Worten sprach mich gestern um 8 Uhr der Fahrer eines schneeweißen BMWs an, als er mir mit seinem Auto den Radweg in der Obentrautstraße im heimischen Kreuzberg versperrte. „Was geht hier ab?“, dachte ich verwundert, zumal ich nicht wirklich behindert war. Dann fiel mir ein: Dies muss einer jener gut erzogenen, achtsamen „Kavaliere der Straße“ sein, von denen ich in Kinderjahren so oft in der Süddeutschen Zeitung las. Es gibt sie also auch heute, auch im wirklichen Leben! Eine schöne Erfahrung. „Aber das macht doch wahrhaftig nichts …“, sagte ich und winkte dem Autofahrer freundlich zu – etwas Besseres fiel mir nicht ein. Danke, dass Sie so vorbildlich sind. Allezeit gute Fahrt! Von heute an werde ich allen schneeweißen BMWs mit Sympathie begegnen.

Die gegenteilige Erfahrung machte ich am selben Tag gestern in der Nacht beim Nachhauseradeln in der Skalitzer Straße kurz vor der Kreuzung am Kottbusser Tor. Vor einem Club standen rauchend einige junge Männer zusammen. Ganz normale Kreuzberger junge Männer. Ich radelte nichtsahnend vorbei, selbstverständlich vorschriftsmäßig beleuchtet. Plötzlich trat einer der Männer aus der Gruppe hervor zur Straße und brüllte laut in meine Richtung: „Hurensohn!“ Fast wäre ich erschrocken, aber nur fast! Der Mann war sicher 2 oder 3 Jahrzehnte jünger als ich. Was mochte ihn an einem einzelnen Radfahrer so gereizt haben?

Was steckte dahinter? „Hurensohn“ für Männer und „Schlampe“ für Frauen höre ich häufig auf der Straße. Es scheint fast die neue Form der Kontaktaufnahme vieler Kreuzberger Jungmänner zu sein.

Was will ich damit sagen? Fußgänger sind nicht automatisch bessere Menschen als Autofahrer. Kreuzberger Autofahrer sind manchmal besser erzogen als rauchend herumstehende Kreuzberger Männer. Achtsamkeit, Höflichkeit und Respekt sind Eigenschaften, die immer gut ankommen!

Bild: Ein Herbstmoment im Kreuzberger Park am Gleisdreieck

 Posted by at 19:17

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