Okt 092014
 

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Von einer bevorstehenden Staatskrise der Bundesrepublik Deutschland sprach kürzlich Jürgen Stark bei der Vorstellung eines Buches von Hans-Werner Sinn. Haben Jürgen Stark, der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank EZB, und der Buchautor Hans-Werner Sinn recht? Steht die Bundesrepublik Deutschland wirklich vor einer Staatskrise? Nimm und lies – tolle lege:

http://www.welt.de/wirtschaft/article133062562/Deutschland-steht-vor-einer-Staatskrise.html

Ja oder nein? Ich meine: wir erleben in der Tat eine massive, bereits voll erblühte  Sinnkrise in der Bundesrepublik Deutschland. Nicht viele spüren dies heute schon. Aber sie ist da. Wenn diese Sinnkrise erkannt wird, gelingt es vielleicht noch, eine echte Staatskrise Deutschlands und vieler anderer europäischer Länder abzuwenden.

Die drohende Staatskrise oder besser  die aktuelle Sinnkrise der Bunderepublik Deutschland drückt sich meines Erachtens unter anderem – aber nicht nur – darin aus, dass ganz wesentliche Teile des derzeitigen politischen Führungspersonals (namentlich die Kabinette Merkel I, II und III, die CDU/CSU als Kollektiv, die SPD, die FDP insgesamt und die Bündnisgrünen als Kollektiv) die EU-Verträge und namentlich die Einheitswährung Euro höher werten als den Grundsatz der Bindung demokratischen Handelns an das Recht und an die Vernunft – und höher sogar als das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Diese Geringerschätzung des Grundgesetzes, des Rechts und der Vernunft halte ich meinerseits für falsch. Denn die zwischen Regierungen geschlossenen Verträge, etwa die EU-Verträge, haben meiner festen Überzeugung nach einen geringeren Wert als die Verfassungen der demokratischen EU-Staaten oder das deutsche Grundgesetz.

Die genannten politischen Kollektive und Parteien haben beispielsweise – doch ist dies nur eines von vielen möglichen Beispielen – wiederholt und explizit den Erhalt des Euro als höherwertig gegenüber dem Erhalt der Bundesrepublik Deutschland bewertet: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, „Der Euro sichert Deutschlands Wohlstand“, „Der Euro sichert den Frieden in Europa„, ist das wörtlich und sinngemäß von Bundeskanzlerin Merkel und anderen oft und oft vorgetragene Glaubensbekenntnis dieser fahrlässig herbeigeführten Staatskrise der Bundesrepublik Deutschland. Der Erhalt des Euro, der innige, geradezu in singendem Tonfall vorgetragene Glaube an den Euro wurde zum höchsten Gut erklärt, der Euro wurde so Symbol und oberste Richtschnur allen politischen Handelns.

Das aber — ist eine reine Glaubenssache. „Believe me … believe me„, „Glaubt mir … so glaubet mir … “ so lautete die flehentlich vorgetragene Bitte, oder vielmehr das Gebet um Glauben bei jener berühmten Pressekonferenz am 26. Juli 2012, mit welcher – so das europäische Glaubensbekenntnis – der Euro, zugleich der Wohlstand Deutschlands, zugleich der Frieden in Europa und zugleich das unerschütterliche Vertrauen in das Geld als oberste Richtschnur allen politischen Handelns ein für allemal gerettet worden ist. Tolle lege – nimm und lies:

http://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2012/html/sp120726.en.html

Die genannten politischen Kräfte  haben sich also wieder und wieder dafür entschieden, den EU-Verträgen und dem Euro höheren Wert als dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland einzuräumen. Und am schlimmsten: Nicht einmal die doch vorgeblich höher als das Grundgesetz gewerteten EU-Verträge werden von genau diesen Regierungen und genau diesen Parteien eingehalten. Eine geistige Bankrotterklärung.

Politik beginnt mit dem Erkennen dessen, was bereits eingetreten ist. Dann beginnt die Umkehr vom Irrweg der Schafe.

„Denket um, verzeiht einander, erlasst einander die Schuld.“ Not tut jetzt eine Umkehr, eine Besinnung auf das, was Europa zusammenhalten und wieder zusammenführen könnte.

Wenn es denn – trotz aller Glaubensbekenntnisse – nicht der Euro und nicht das Geld ist – wer oder was könnte es sein?

Bild: Schafe im Schloss, friedlich eingehegt auf dürrem Feld. Aufnahme vom vergangenen Samstag. Schloss Britz, Bezirk Neukölln, Berlin, Deutschland, Europäische Union.

Buchhinweis:

Hans-Werner Sinn: Gefangen im Euro. Redline Verlag, München 2014

 

 Posted by at 11:08

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