Jan 212015
 

Ball grotesk – so muss man das wohl sehen, was derzeit in den deutschen Feuilletons und Kommentarspalten abgeht.

Libanon, Syrien und die Länder Westafrikas wie etwa Mali, Niger, Côte d’Ivoire, Nigeria, ja selbst Indien sind derzeit noch multikulturelle, derzeit noch multireligiöse Staaten im Afrika südlich der Sahara, im Nahen Osten (also im „Morgenland“)  und in Asien. Sie zittern  vor den erbarmungslosen Unterwerfungsfeldzügen des „Islamischen Staates“, „Boko Haram“ und anderer Milizen.

Zugleich finden sich hier in wenigen deutschen Städten Protestierende zusammen, die vor einer angeblich drohenden, schleichenden angeblichen partiellen „Islamisierung des Abendlandes“, einer „Landnahme“  warnen, wie dies vor Jahren bereits die Zeitung taz gemacht hatte, die Zeitschrift DER SPIEGEL in ihrer Titelgeschichte (Nr. 13/2007) gemacht hatte,  – und diese „Islamisierungskritiker“ (der SPIEGEL, die Pegida, die taz … und die ganze Mischpocha)  werden flugs als „islamfeindlich“ etikettiert.

Ihnen, diesen „Islamisierungs-Warnern“ von taz, Pegida und SPIEGEL und der ganzen Mischpocha stellt sich eine dicht geschlossene Phalanx der selbsternannten Anständigen in verschiedenen Pro-Bewegungen entgegen: bedingungslos Pro-Zuwanderung, bedingungslos Pro-„Weltöffnung“ (auch gegenüber allen Tschetschenen, auch gegenüber allen Serben, auch gegenüber allen Tunesiern), bedingungslos Pro-„Weltoffenheit“, bedingungslos Pro-Immigration. Augen zu – und durch – und immer fest Draufschlagen auf die Unanständigen, auf die „Islamfeinde“, so scheint das Motto zu lauten.

Ich finde, hier tut mehr Differenzierung not.

Das Hauptargument der Pro-Islam-Contra-Pegida-Bewegungungen lautet, es gebe keinerlei Gefahr einer „Islamisierung des Westens“, da rein statistisch die fundamentalistischen Islamisten innerhalb der Gesellschaft und auch innerhalb der Muslime eine Minderheit darstellten. Es gebe keinerlei Aussicht einer flächendeckenden oder begrenzten Islamisierung des „Abendlandes“. Manche schaut tief als gelernte Kardiologin hinein in die Herzen der Mitmenschen, entdeckt „Hass und Kälte“ im Herzen der Islamisierungskritiker, mancher entdeckt, wie warm und liebevoll sein Herz doch für die Muslime schlägt, von denen er freilich meist – wenn der Augenschein nicht trügt – im Alltag keine kennt.

Aus Kreuzberger Sicht stellt sich der Frontverlauf übrigens ganz anders dar als eben skizziert. Das riesige Privileg von uns Kreuzbergern in einigen Wohnvierteln wie dem meinen ist ja, dass wir bereits inmitten einer mehrheitlich durch weitgehend islamisch geprägte Zuwanderung geprägten Wohn-Umgebung siedeln.

Wie schätzen nun die hier in Deutschland ansässigen Muslime und Nichtmuslime, die aus den Staaten des Nahen Ostens und Afrikas zu uns kamen, die Lage ein? Sehen sie die Gefahr einer schleichenden Re-Islamisierung, einer expansiven „Landnahme“ oder Re-Islamisierung oder Neu-Islamisierung der aufgeklärten, der ehemals zum Teil multikulturell geprägten Länder des europäischen Westens, der westlich-säkularen und multikulturellen Staaten wie etwa Syriens oder Libanons?

Die Antwort darauf lautet: ja. Ganz offensichtlich ist dies so. Sie haben Angst.

Und das Argument der geringen Zahl? Gilt nicht. Gewaltsame, revolutionäre Bewegungen haben sich stets aus einer Minderheitenposition durchgesetzt.

Die russischen Bolschewiki etwa waren zunächst einmal eine Minderheit – sowohl in der Bevölkerung wie auch nicht zuletzt in der russischen SDAPR  selbst. Dann schlugen sie zu, als die Stunde günstig war; sie zertraten und vernichteten aus einer absoluten Minderheitenposition heraus ihre Feinde im Innern des eigenen Staates.

Und bis 1989 beherrschten sie, die Bolschewiki und ihre Nachfolger, dann die Hälfte Europas einschließlich Prags, Warschaus, Brodys, Czernowitz‘  und Budapests. Dann erst, in den Jahren 1989/1990 fiel der eiserne Vorhang.

Genaueres Hinsehen tut not. Ein Blick in die Seiten des für Flüchtlinge und Migration zuständigen Bundesamtes der letzten Jahre lehrt: Tschetschenien, Serbien, Tunesien waren je nach Jahr und je nach Bundesland mit die wichtigsten Herkunftsländer für Asylbewerber, obwohl diese Länder nachweislich damals bereits befriedet waren. Immer nur draufschlagen auf Kritiker und Warner wie SPIEGEL, Pegida und taz, und alle Türen für alle zuwandernden jungen Männer aus allen Ländern öffnen, wie dies nachweislich in den letzten Jahren geschah, kann nicht die Lösung für die Probleme von Tschetschenien, Serbien und Tunesien sein.

Wer aber in Not ist, soll unsere Hilfe bekommen. Er hat Anspruch darauf.

 Posted by at 09:28

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