„Kein Krieg kann den Kriegen ein Ende setzen.“ Dies ist die Quintessenz aus 818 Seiten detaillierter historischer Analyse, wie sie uns im Jahre 2011 Prof. Henry Laurens, Inhaber des Lehrstuhles für „Zeitgeschichte der arabischen Welt“ am Collège de France schenkt. „Aucune guerre ne peut mettre fin aux guerres.“ Das ist die Bilanz der Jahre 1967-1982, das ist die Bilanz aus 818 Seiten genauester diplomatisch-historisch-militärischer Analyse.
Ein vortrefflicher Satz! Die Vorstellung, man könne mit einem wirklich endgültigen, mit dem wirklich allerletzten Krieg endlich im gesamten Ringen und Rechten der Völker des Nahen Ostens (in Palästina, Israel, Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten, Türkei, Saudi-Arabien, Iran, Irak, Afghanistan usw. usw.) Frieden schaffen, erweist sich seit 1948, oder vielleicht schon seit 1792, wieder und wieder als trügerischer, törichter Wahn.
Ich habe mir ein paar Stunden Zeit genommen und in des Pariser Historikers monumentaler mehrbändiger Geschichte der Palästinafrage gelesen: Ein reiches Reservoir an wiederkehrenden Figuren, wütenden Beschwörungen, iterativen vergeblichen Formen der Gewalt, und wieder und wieder dem Anheizen der Gewalt und des Terrors! Wann fing es an? Wer brach den Streit vom Zaun? Fing alles mit Napoleon an? Mit dem Türken? Mit den Briten? Mit dem Holocaust oder mit der Shoah? Mit Lord Balfour? Mit Kain und Abel? Mit Sara und Agar? Mit Isaak und Ismael? Wer weiß es, wer kennt die Zahlen alle, nennt die Namen alle? Irgendwie hängt ja alles mit allem zusammen.
Man denkt sich fassungslos: Irgendwo haben sie irgendwie früher oder später doch irgendwann recht.
Schließlich – unterbrach ich ermattet die Lektüre. Der Spruch des Friedrich Leopold Freiherrn von Hardenberg, entnommen aus seinen gewaltigen Hymnen an die Nacht, erhellte mir das Bewusstsein:
Muß immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Irdischen Gewalt?
Gewaltige Hymnen an die Nacht! Gewaltiger Novalis! Können Worte gewaltig sein? Ich denke ja! Worte können gewaltig sein! Sie sind stärker als die Gewehre und Bomben.
Waffen alleine können der Gewalt der Waffen kein Ende setzen.
Es muss zum Waffenstillstand und zum Friedensschluss in jedem Falle der Gewaltverzicht im Wort hinzukommen. Alle beteiligten Seiten müssen erkennbar und verlässlich der Gewalt der Waffen abschwören, ehe sie den Stift unter ein Abkommen setzen. Keiner darf als Verlierer aus der Walstatt davon gehen.
Nur das verbindliche, das gute verbindende Wort kann Kriege beenden. Daran fehlt es erkennbar.
Zitatnachweis:
Henry Laurens: La question de Palestine. Tome quatrième. 1967-1982. Le rameau d’olivier et le fusil du combattant. Librairie Arthème Fayard, Paris 2011, hier v.a. Seite 818
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