Bank an Bank gedrängt sitzen sie da in Schillers gut bürgerlicher Stube in der Akazienstraße. Allerlei fremde Sprachen schlagen an mein Ohr, wartend sitzen die Völker da, wer kennt die Sprachen alle, die hier in Schöneberg zusammenkommen? Niemand!
Sehen wir es einmal von dieser Seite her: Je länger wir gestern auf unseren Burger im Schiller Burger warteten, desto mehr Zeit blieb uns, wäre uns verblieben, das eine oder Gedicht Schillers laut, halblaut oder fast unhörbar leise zu rezitieren, so etwa jene Szene, in der Schiller packend beschreibt, wie sich in einer anonymen Menge allmählich eine Spannung, eine dumpfe Erwartung anstaut, die dann geradezu eruptiv in eine unerhörte Begebenheit ausbricht.
Auch hier wiederum treten – wie schon bei des Aischylos Schutzflehenden – die Analogien zur heutigen Lage sinnfällig ins Auge – denn auch heute kommen ja von Asiens entlegener Küste, von allen Inseln Griechenlands viele Völker, viele Menschen in Berlin zusammen, deren Namen niemand nennen kann. Doch was brabble ich da vor mich hin?
Lest lieber selbst, hört besser selbst:
Denn Bank an Bank gedränget sitzen,
Es brechen fast der Bühne Stützen,
Herbeigeströmt von fern und nah,
Der Griechen Völker wartend da,
Dumpfbrausend wie des Meeres Wogen;
Von Menschen wimmelnd, wächst der Bau
In weiter stets geschweiftem Bogen
Hinauf bis in des Himmels Blau.
Wer zählt die Völker, nennt die Namen,
Die gastlich hier zusammenkamen?
Von Kekrops‘ Stadt, von Aulis‘ Strand,
Von Phokis, vom Spartanerland,
Von Asiens entlegner Küste,
Von allen Inseln kamen sie
Und horchen von dem Schaugerüste
Des Chores grauser Melodie,
Der streng und ernst, nach alter Sitte,
Mit langsam abgemeßnem Schritte,
Hervortritt aus dem Hintergrund,
Umwandelnd des Theaters Rund.
So schreiten keine irdschen Weiber,
Die zeugete kein sterblich Haus!
Es steigt das Riesenmaß der Leiber
Hoch über menschliches hinaus.
Zitat auf der Packung des Feuchttuches:
Friedrich Schiller: Die Kraniche des Ibykus. In: ders., Sämtliche Werke. Erster Band. Gedichte, Dramen I. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1987, S. 349
Bild:
Im Schiller Burger, Akazienstraße, Schöneberg, gestern, beim Warten auf „An die Freude“
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