Nov 292016
 

Eine der nicht eben zahlreich20160514_130355en Stellen, in denen Dante ausnahmsweise die Rolle des Lehrenden, nicht wie üblich die Rolle des zu Belehrenden, des eifrig Lernenden einnimmt, finden wir im 19. Gesang des Inferno.

„Fatto v’avete Dio d’oro e d’argento
e che altro è da voi a l’idolatre,
se non ch’elli uno, e voi n’orate cento?“

„Ihr habt euch Gott gemacht aus Silber und aus Gold,
und worin seid ihr anders als der Götzendiener,
als daß ihr hunderten, doch er nur Einem hold?“
(eigene Übersetzung des hier Schreibenden)

Muß man glauben an Einen, oder darf man auch an hundert Götter glauben?

Seit der Erzählung vom Goldenen Kalb ist die abendländische Überlieferung gespickt mit Warnungen vor der Vergötterung von Gold und Geld. Karl Marx, der Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus, schleudert seinen gehässigen Bannstrahl auf das Volk, dem er doch entstammt, indem er in seiner Schrift „Zur Judenfrage“ das Judentum als „Religion des Geldes“ bezeichnet. Moses selbst zweifelt an seiner Aufgabe, als er sieht, wie sein Volk Israel einem selbstgemachten Gott huldigt. Er zertrümmert die Gesetzestafeln, die er eben erst auf dem Sinai empfangen hat. Und Dante zählt im 19. Gesang der Hölle mit dem Papst Nikolaus III., dem Apostel Judas und mit der Konstantinischen Schenkung des Kirchenstaates an Papst Silvester I., einer der wirkungsvollsten Geschichtsfälschungen  des Abendlandes, eine lange Reihe von Sünden auf, in denen der Glaube an die Heilkraft und die Macht des Geldes die Christen in die Irre geführt hat und auch weiterhin führt. Für Mose, Dante Alighieri, Karl Marx und einige andere, darunter auch Fausts Gretchen, stand fest: Das Geld und das Gold kann niemals die Grundlage der Glückseligkeit sein. Es kann nicht das Fundament sein, auf das sich echter Glaube stützt.

 

Doch muß man glauben!
Muß man?

 

Bild: Mailand: ein Blick auf Kathedralen des Geldes

 

Quellen:

Die Bibel, Zweites Buch: „Und das sind die Namen“/ „Auszug“, hierin insbesondere Kapitel 32. Zum Beispiel nach folgender Ausgabe: Neue Jerusalemer Bibel. Herder Verlag Freiburg Basel Wien, 1. Auflage der Sonderausgabe 2007, Buch Exodus, Kapitel 32, S. 119-121

Dante Alighieri: La Divina Commedia. A cura di Fredi Chiappelli. Grande universale Mursia, 4a edizione, Milano 1976, p. 108-112 (Inferno, canto XIX, insbesondere vv. 112-114)

Karl Marx: Zur Judenfrage, in: Karl Marx: Die Frühschriften. Herausgegeben von Siegfried Landshut. 7. Auflage. Neu eingerichtet von Oliver Heins und Richard Sperl. Geleitwort von Oskar Negt. Stuttgart: Kröner 2004 [=Kröners Taschenausgabe; Band 209] S. 237-274, hier bsd. S. 268-270

 

 

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