Sep 122017
 

Ein gutes Vorbild waren im April 2017 in meinen Augen für uns Deutsche die Wahlsendungen zur französischen Präsidentschaftswahl des Senders France 2, des größten öffentlich-rechtlichen Senders eines unserer  46 europäischen Brudervölker. Alle 11 maßgeblichen Parteien erhielten für ihre Kandidaten in den Wahlarenen von France 2 gleich viel Sendezeit, sowohl die Parteien der Opposition wie auch die der Regierung  erhielten jeweils gleiche Chancen. Im direkten Elfkampf musste sich der Kandidat der Regierungspartei, Benoît HAMON, gegenüber anderen Kandidaten der etablierten Parteien, aber auch gegenüber zunächst einmal chancenlosen Außenseitern wie Artaud, Mélenchon, Macron, Poutou bewähren.

Wie furchtbar anders läuft es doch bei uns in Deutschland! Wie übel stößt mir das auf! Jetzt in den letzten Tagen des Bundestagswahlkampfes wird die amtierende Regierung auf nachgerade unerträgliche Weise bevorzugt. Warum sage ich dies?

Der Befund ist eindeutig: CDU und SPD, zwei der drei Regierungsparteien,  räumen in den Medien alles ab, was sie kriegen können, obwohl sie doch bei den letzten Bundestagswahlen zusammen nur etwas weniger als 60% der Wählerstimmen auf sich vereinigt haben. Die beiden Sendungen WAHLARENA der ARD sind der x-te Beweis dieses beklagenswerten Übelstandes.

Scheinbar aussichtslos zurückliegende Kandidaten wie etwa  Jean Lassalle, Nathalie Artaud, Jean-Luc-Mélenchon, Emmanuel Macron, Philippe Poutou hätten nach dem System der deutschen öffentlich-rechtlichen Medien nicht den Hauch einer Chance gehabt.   B. HAMON oder F. FILLON hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit die Wahl gewonnen, wenn es in Frankreich so zuginge wie bei uns. Die grundlegende Erneuerung der Regierung, der in der Demokratie unerlässliche Wechsel zwischen Regierung und Opposition, vor allem aber die zwingend gebotene Weitergabe der Verantwortung an die jüngere Politikergeneration wäre in Frankreich ebenso wenig eingetreten wie er bei uns in Deutschland eintreten wird.

Obwohl es um eine Bundestagswahl geht, werden die Spitzenkandidaten von zwei der drei Regierungsparteien auf eine absurde, eine grelle Weise ins Rampenlicht gestellt, als gölte es, den Bundeskanzler direkt zu wählen. Die anderen größeren Parteien – also LINKE, Grüne, AFD, CSU, FDP – werden mit den restlichen Sandkastensendungen, mit kümmerlichen Randformaten abgespeist. Das ist der parlamentarischen Demokratie abträglich, es ist ihr schädlich. Denn wir gemeinen Bürger werden doch am 24. September einen Bundestag wählen, nicht den Bundeskanzler. Warum werden SPD/CDU, also die Regierung, auf so verzerrende Weise bevorteilt?

Der Anteil von CDU/SPD an allen abgegebenen Stimmen wird am 24. September wahrscheinlich wie schon in den vorangegangenen Wahlen weiter fallen, warum also sollten nicht die Spitzenkandidaten der anderen größeren und der kleineren Parteien – z.B. FDP/Linke/AFD/CSU/Grüne –  mindestens eine gleich große, faire Chance auf angemessene Selbstdarstellung erhalten, und zwar im direkten Mehrkampf auf Augenhöhe mit den Spitzenkandidaten der Regierungsparteien CDU/SPD?

Warum erhält nur die amtierende Regierung das ungeheure, unverdiente Privileg, ihre beiden Kandidaten in den mit dem Geld aller Bürger finanzierten Sendeanstalten ausführlichst und von allen Seiten beleuchten zu dürfen? Das ist meines Erachtens ungerecht, manipulativ, schädlich für die Demokratie. Es drückt eine Missachtung des Bundestages aus – es wertet den Bundestag noch weiter ab, als er ohnehin schon abgewertet ist, eine Gefahr, vor der kürzlich völlig zu recht in ihren höchst nachlesenswerten Abschiedsreden die Bundestagsabgeordneten N. LAMMERT und E. STEINBACH gewarnt haben!

Es entsteht von vornherein das Bild: „Ihr Deutschen könnt wählen zwischen Regierungspartei A und Regierungspartei B.“ Das darf doch nicht sein! Wenn es heißt: Wähle die Kandidatin X der Regierungspartei A oder die Kandidatin Y der Regierungspartei B, dann ist dies ein weiterer Schritt zur Aushöhlung der Demokratie.

Ach hätten wir doch wenigstens einen Sender wie France 2 auch in Deutschland! Uns brauchte um den Zustand der parlamentarischen Demokratie nicht bange zu sein.

Im übrigen glaube ich vorhersagen zu können: Der Gesamtanteil der für die SPD/CDU abgegebenen Stimmen soll, muss und wird weiter fallen, der Anteil der für LINKE/CSU/GRÜNE/AFD/FDP/ und die anderen Parteien abgegebenen  Stimmen wird und soll zunehmen.

Wen wird es wundern?

http://daserste.ndr.de/wahlarena/index.html

 Posted by at 11:16

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