Okt 072017
 

Als unübersehbare Posterwand der Nachwahlanalyse dient derzeit die Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg. Phantastisch. Aufschlussreich.

Rechtspopulismus schadet der Seele.“ Das ist die befreiende Botschaft der Heilig-Kreuz-Kirche in der Zossener Straße vom heutigen Tage, mehrere Meter hoch in Schwarz und Weiß ausgespannt.

Verschwindend darüber im Gischt des Regens: das Kreuz Jesu, unbedeutend, kaum mehr sichtbar. Das Heilige Kreuz? Kann wegfallen.

Was fällt dir auf?

1. Schwarz-Weiß-Sicht der Schrift an der Kirchenwand, Schwarz-Weiß-Sicht der Welt! Rechtspopulismus wird durch die Kirche als etwas Schädliches hingestellt, vergleichbar einer psychischen Erkrankung. Oder ist er, der Rechtspopulismus, des Teufels? Sollte man den Rechtspopulismus oder die Rechtspopulisten ächten – oder lieber gleich ans Kreuz schlagen?

2. Extreme Vereinfachung. Staatstragender Lapidarstil. Es fehlt jede Erklärung, jeder Ausweg, jedes Hilfsangebot für die verachteten Rechtspopulisten.  Es klingt wie ein Verdammungsurteil.

3. Wie eigentlich immer seit den Zeiten eines Bismarck, eines Hofpredigers Adolf Stoecker schmiegt sich die deutsche Kirche ganz nah an die Staatsmacht an. Sie ist politikdurchflochten, politikaffin, machtverwoben. Konstantinismus wie er im Buche steht!

4. Konsequent durchideologisiert ist diese deutsche, allzu deutsche Kirche. Menschenabgewandt. Scharf im Urteil, schroff in der Verdammung des vermeintlich Bösen.

5. Ist es mutig, den Rechtspopulismus (aber was ist das eigentlich?) zu verteufeln und wie eine Art Pest oder einen Aussatz oder eine Brunnenvergiftung zu behandeln? Nein, die Heilig-Kreuz-Kirche steht hier wie ein Mann – gewissermaßen Gewehr bei Fuß – hinter der  Meinung des abgewählten Deutschen Bundestages! Mutig wäre es gewesen, wenn 1938 am Berliner Dom ein großes Poster gehangen hätte mit der Inschrift: „Hass auf Andersdenkende schadet der Seele.“ „Judenhass schadet der Seele.“ Das wäre mutig gewesen.

6. Hätte oder hat Jesus mit Menschen gesprochen, die gänzlich anderer politischer oder religiöser Meinung waren als er? Hat er sie geliebt oder zu lieben versucht? O ja, fast ausschließlich! Von Anfang bis Ende, am Ende sogar mehr als am Anfang.

7. Was hätte er zu diesem Spruchband an der Heilig-Kreuz-Kirche gesagt? Vielleicht dies:

ἀπὸ σεαυτοῦ σὺ τοῦτο λέγεις ἢ ἄλλοι εἶπόν σοι περὶ ἐμοῦ; (Joh 18,34)

Oder dies:

Μὴ κρίνετε, ἵνα μὴ κριθῆτε· 2ἐν ᾧ γὰρ κρίματι κρίνετε κριθήσεσθε, καὶ ἐν ᾧ μέτρῳ μετρεῖτε μετρηθήσεται ὑμῖν. (Mt 7,1)

Foto: Aufnahme der Fassade der Heilig-Kreuz-Kirche, Berlin-Kreuzberg, Zossener Straße, heute nachmittag

 

 

 

 Posted by at 22:53

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