Feb. 062012
 

Immer wieder treffen wir armen Kreuzberger mit armen Kindern aus armen Familien zusammen,  also aus jenen Familien, um die sich Familienhelferinnen, Lehrerinnen, Polizistinnen, Richterinnen, Gefängnisbeamte usw. tagaus tagein kümmern. „Was machen wir zusammen? Warst du schon mal am Kreuzberg?“ Typische Antwort der armen Kinder: nein.

Der Erlebnis-Radius der armen Kinder aus Armutsfamilien hat sich oftmals auf eigene Playstation, eigenen Fernseher, eigenen Computer und eigenes Smartphone eingeengt.

Für Bewegung, für Erforschen der Umwelt, für kostenlose Vergnügungen wie etwa das Erklimmen des 1 km entfernten Kreuzbergs, für Erzählen, Lachen, Singen und Spielen fehlt im Leben der Armutskinder oft, – was?  Das Geld?

Große Erschütterung über den Tod der kleinen Zoe! Starb sie, weil sie aus einer armen Familie kommt?  Glaubt man den Politikerinnen, so könnte es so sein, dass sie starb, weil sie aus einer armen Familie kam. Lest das Interview:

Bezirksstadträtin Monika Herrmann: Risikofaktor Armut kann zu Verwahrlosung und Gewalt an Kindern führen – Berlin – Tagesspiegel

409 Millionen Euro für Einzelfallhilfe der Berliner Bezirke allein in 2010! In vielem trifft Stadträtin Herrmann den Nagel auf den Kopf, etwa in der Kritik an mangelnder Abstimmung der Stellen und in ihrem löblichen Verzicht auf ständiges Nachfordern für unseren Bezirk. In der Einschätzung des Risikofaktors „Armut“ ist ihr hingegen zu widersprechen.

Nicht materielle oder finanzielle Armut ist der Risikofaktor, sondern mit weitem Abstand der größte Risikofaktor ist die Vernachlässigung der Kinder durch die Eltern, die Trennung oder Scheidung der Eltern sowie das Fernbleiben, das Versagen oder die Flucht der Väter aus den Familien.

Viele Berliner Väter „platzieren“ ihre Frauen und Kinder ganz bewusst in der staatlichen Versorgung und machen sich aus dem Staub, lassen es dabei bewenden. Oder sie werden von den Müttern als entbehrliche Last gesehen und rausgeschmissen. Das habe ich selbst immer wieder gesehen, Familienhelferinnen, Fachkräfte der psychosozialen Versorgung und Lehrerinnen bestätigten es mir oft. Die gänzliche Abwesenheit oder das offenkundige Fehlverhalten der Väter und die daraus sich ergebende Überforderung der Mütter sind meines Erachtens die Wurzel der meisten Übel im Leben der Kinder, nicht die Arbeitslosigkeit, nicht das nur knapp ausreichende Geld und schon gar nicht Hartz IV. Es fehlt in unserer Gesellschaft insbesondere für Väter ein gutes Leitbild für die Familie.  Mancher Mann macht deshalb mehr oder minder, was er will und was ihm in den Kram passt. Gute Väter und gute Mütter braucht das Kind, dann kann man nach und nach die Familienhilfe zurückfahren – statt des exorbitant wachsenden Bedarfs an staatlichen Hilfsmaßnahmen in den letzten Jahren. Familienhilfe, Hilfen zur Erziehung, Einzelfallbetreuung werden stets nur marginale, wenngleich dringend nötige Korrekturen anbringen können. Die Stadt braucht gute Väter und  gute Elternpaare.

Es gibt keine Partei, die das zu sagen wagte. Schade. Schade für die armen Kinder.

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Jan. 282012
 

Wir brauchen einen offenen Nord-Süd-Dialog im Geiste der Redlichkeit! Eben las ich im Tagesspiegel den folgenden Artikel:

Vier Zahler, zwölf Nehmer: Berlin könnte ein Hauptziel der Angriffe aus dem Süden werden. – Politik – Tagesspiegel
Ein Siebtel des Berliner Haushalts wird aus Bayern finanziert.

Da ich mittlerweile Berliner bin, muss ich meinem Herkunftsstaat Bayern beispringen: Wir haben hier in diesem weithin vulgärsozialistischen Bundesland in der Tat in fast allen Belangen bessere staatliche Versorgung als in Bayern. Es stehen mehr kostenfreie Kita-Plätze bereit, das Schwimmbadwasser ist wärmer, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist in Berlin viel viel besser ausgebaut als in Bayern, und auch der neue Senat wird alles tun, um die Mieterschaft der Stadt durch Staatsknete trotz 100.000 leerstehender Wohnungen bei bester Laune zu halten.  Die Arbeitslosigkeit ist dennoch hier drei Mal so hoch wie in Bayern. Warum? Weil: Auch wenn man nicht sozialversicherungspflichtig arbeitet, kann man dank staatlicher Unterstützung und sonstiger unangemeldeter Tätigkeit sehr gut leben. Armut gibt es in Berlin nicht. Obdachlosigkeit und Hunger gibt es nicht, alle haben medizinische Versorgung, ob sie nun von nah oder fern kommen. „Wir haben hier alles, was wir brauchen, wir haben ein Recht hier in unserer Heimat zu sein. Wieso sollen wir dorthin ziehen, wo wir arbeiten müssten um zu leben?“ So denken viele.

Über eine Vielzahl an staatlich finanzierten „Projekten“, „Netzwerken“, „Initiativen“, „Agenturen“, „Programmen“ hat sich das Bundesland Berlin ein kaum mehr überschaubares Netzwerk an staatlich finanzierten Pfründen geschaffen. Das alles trugen die  Südstaaten Bayern, Baden-Württemberg und Hessen weitgehend klaglos mit.

Ich verstehe, wenn sie jetzt mit der Faust auf den Tisch hauen.

Berlin muss lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, muss sich abnabeln. Eine Reform, also eine deutliche Abspeckung oder auch Abschaffung des bisherigen Länderfinanzausgleiches wäre eine sehr kluge, gewissermaßen erzieherische Maßnahme, um Berlin aus dem Zustand der selbstgewählten, wie eine lähmende Droge wirkenden  Unmündigkeit zu befreien.

Das bringt gewisse unvermeidliche Härten mit sich. Manche Mieter werden sich mit weniger Wohnraum in weniger attraktiven Lagen begnügen müssen, andere, vor allem Kinder, Jugendliche und jüngere Erwachsene werden es anstreben, durch Lernen, Bildung und Ausbildung einen höheren Lebensstandard zu erarbeiten, um ein besseres Auto kaufen zu können als das jetzige.

Ich sage: Dann ist es eben so. Dann würde sich erweisen, dass kein Staat auf Dauer stets gleichbleibende oder stetig verbesserte Lebensverhältnisse garantieren kann, wenn die Bürger nicht mittun.

Der undurchdringliche Sozialkokon, dieses Gespinst an unerfüllbaren Erwartungen an das Gemeinwesen würde endlich zerplatzen.

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Nov. 012011
 

Immer wieder wird verlangt, die Türkei solle sich an „Europa“ anpassen, sie sei noch nicht reif für „Europa“. Einspruch: Ich bin überzeugt, wir als EU müssen uns in punkto Lohnpolitik an die Türkei anpassen. Denn wir in der EU stehen im direkten Wettbewerb nicht nur mit China, sondern Griechenland etwa steht im direkten Wettbewerb mit der Türkei, mit dem EU-Land Bulgarien, mit Korea und anderen Niedriglohnländern.

Soll ein deutscher Waschmaschinenhersteller in der Türkei oder in Griechenland investieren?  In Griechenland bezahlt er Renten für die vielen längst verstorbenen  „Hundertjährigen“ mit und auch noch die Portiersstelle für den Sohn eines Parteifunktionärs. In der Türkei bezahlt er den gesetzlichen Mindestlohn – und gut ist. Iyim, wie der Türke sagt.

Als ausgewiesener Freund der Türkei muss ich meine alte Frage wiederholen: Täte uns ein Mindestlohn etwa auf Höhe des türkischen Mindestlohnes gut? Er beträgt derzeit etwa 400/Euro pro Monat.

Das wär doch was für die deutsche Linke: Abschaffung von Hartz IV (eine langgehegte Forderung der Linken) bei gleichzeitiger Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe des türkischen Mindestlohnes von ca. 380 Euro/Monat? Arbeit ist genug da!

Man muss darüber nachdenken. Zur Zeit schnappt das raffgierige Deutschland Generation um Generation türkischer Männer und Frauen in das eigene System, wo es mit staatlicher Unterstützung möglich ist, ohne jede Eigenanstrengung jahrzehntelang im „Paradies“ zu leben, wie dies Kazim Erdogan ausdrückt.

Das deutsche Sozialsystem ist der billige Fusel, der die Türken in Deutschland lähmt und schwächt, wie einst das Feuerwasser den Roten Mann in Amerika geschwächt hat.

Die Jungtürken haben eine gewaltige Europäisierung der Türkei durchgeführt. Sie verlangten die Einhaltung europäisch orientierter Gesetze statt sich aufs Faulbett der osmanischen Verteilungspolitik zu legen.

Der EU steht diese „Europäisierung“ noch bevor.

Ratsam ist es, den Menschen Arbeit zu niedrigen Löhnen anzubieten und das Sozialsystem und das gigantische Geldumverteilungssystem der EU kräftig  zurückzuschneiden. Der Mindestlohn auf niedriger Höhe, der ein würdiges Dasein ermöglicht, bei gleichzeitigen Umverteilungskürzungen wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Wir wären reifer für die Türkei, reifer für den Weltmarkt.

Europäische Union: Westerwelle gegen raschen Beitritt der Türkei – Ausland – FAZ

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Okt. 012011
 

Einen sehr gedankenreichen, sehr beflügelnden Kongress besuchte ich als einfacher Zuhörer am 09.10.2010, nämlich den Internationalen Bildungskongress der Frankfurter Buchmesse „Die lernende Gesellschaft„. Allein aus den Anregungen, die ich dort mitnahm, könnte man mehrere Stunden Workshops und praktische Hands-on-Seminare in Berlin abhalten. Es fehlt wahrhaftig in der Bildungsdebatte nicht an guten Ideen. Lest selbst:

Programm_Bildungskongress_2010.pdf (application/pdf-Objekt)

Eines der Seminare, das ich aussuchte, hieß: „Motopädagogische Elemente in Kita und Schulunterricht“, geleitet von Dorothea Beigel vom hessischen Kultusministerium und Silja Gülicher von Nintendo. Sehr gut, sehr erhellend! Wir lernen am besten, wenn wir uns körperlich belastungsfrei fühlen – das heißt auch, dass nicht zuviel Bewegungsenergie aufgestaut sein darf. Viele Kinder schaffen es heute nicht, längere Zeit stillzusitzen oder auch nur die Augen still auf einen Punkt zu halten. Wegen motorischer Mangelerfahrung im Alltag können sie weder Buchstaben auf einem Blatt Papier fixieren noch die Aufmerksamkeit auf einen längeren Lehrervortrag richten. „Diesen Zustand können Sie jetzt selbst erfahren! Stehen Sie bitte auf.“

Wir mussten auf einem Bein stehend Kopfrechnen ausprobieren. Die ersten Aufgaben gelangen mir mühelos, sie waren leicht. Dann jedoch wurden sie mir zu schwer, denn das ständige Stehen auf dem Bein lenkte mich ab, ich musste nur noch daran denken, das Gleichgewicht auf einem Bein zu halten, für das Kopfrechen war keine Kapazität mehr übrig. Ich machte das, was tausende Kinder jeden Tag machen: Ich stieg aus, die weiteren Kopfrechenaufgaben rauschten an uns vorbei, während ein einziger anderer Teilnehmer, offenbar ein Mathematik- und Sportlehrer, weiterhin alle Aufgaben herunterratterte, was wiederum meine Unlustgefühle verstärkte.  Meine gesamte Aufmerksamkeit war jetzt darauf gerichtet, den Bewegungsimpuls des Beines zu unterdrücken, getragen vom deutlichen Gefühl der Unterlegenheit gegenüber dem „Streber“ an meiner Seite, dem vermuteten Mathematiklehrer.

„So geht es den Kindern, wenn ihre motorischen Impulse im Unterricht unbeherrschbar geworden sind. Sie verweigern dann die Mitarbeit, weil etwas anderes ansteht.“ Regelmäßige kleinere körperliche Bewegungserfahrungen in kurzen Abständen, verstreut über den ganzen Lerntag des Kindes, sind also unerlässlich.

Na, dann kam noch der Schlenker zur Wii-Konsole des Sponsors Nintendo. Wii soll angeblich helfen, motorische Defizite der Kinder auszugleichen.

Wii von Nintendo als Gesundmacher der Kinder? Jetzt packte mich – den rebellischen Kreuzberger – mein aufsässiger Widerspruchsgeist! Ich meldete mich zu Wort und hub unschuldig an: „Zu meiner Zeit gab es solche Lieder wie etwa Häschen in der Grube – … was halten Sie davon? Muss es unbedingt Wii sein?“, frug ich.

Doch die Antwort der beiden sehr erfahrenen, sehr kundigen Referentinnen Dorothea Beigel und Silja Gülicher verblüffte mich, denn sie widersprachen mir keineswegs:

„Sie haben völlig recht mit Ihrer Bemerkung. Lieder wie Häschen in der Grube sind geradezu ideal geeignet, um unsere scheinbar neuen, wissenschaftlich fundierten motopädagogischen Einsichten zu belegen. Die vielen alten Kinderlieder und Kinderreime sind ein Schatz der frühkindlichen Pädagogik. Sie verbinden in idealtypischer Weise das Körperlernen mit dem Sprachlernen, die Beherrschung und Steuerung motorischer Impulse mit sozialem Lernen.

Genau so empfehlen wir, die Kinder zu einfachen Diensten und Besorgungen im Haushalt anzuleiten, etwa zum Zusammenlegen von getrockneter Wäsche, zum Aufdecken bei Tisch, zum Selber-Machen des Bettes. Wir beobachten eine zunehmende Verarmung der motorischen Erfahrungen in der Welt der Kinder. Hier können die Eltern viel mehr tun. Handeln zählt!“

Gut. Im Gefühl, wieder etwas Wesentliches gelernt zu haben, verließ ich das Seminar, nicht ohne noch die Referentinnen zu einem Besuch im heimischen Friedrichshain-Kreuzberg ermuntert zu haben.

Bild: der hervorragend gestaltete, zu Bewegung ermunternde neue Spielplatz im Park am Gleisdreieck, Kreuzberg (400 m entfernt von der Höhle des Bloggers).

 Posted by at 23:16
Sep. 282011
 

… Und doch sollte man sich nicht niederschmettern lassen, sondern stets auch das Positive sehen. Ich finde es nämlich gut, dass endlich mal jemand etwas an Deutschland gut findet! Allzu häufig wird ja über Rechtlosigkeit, Benachteiligung und Ausgrenzung der Migranten geklagt.

Doch wie cool klingt das hier: „Ich finde es an Deutschland gut, dass dass man hier nicht arbeiten muss und trotzdem sein Geld bekommt„, so eine typische Kreuzberger Schülerin, zitiert bei Viviane Cismak, Schulfrust, Berlin 2011, S. 146.

Wir zitieren weiter:

Der Rest der Kasse nickte zustimmend. „Ja, in der Türkei hat man echte Probleme, wenn man arbeitslos wird. Hier kann man immer noch sehr gut leben und muss noch nicht einmal wieder arbeiten“, warf Faruk ein.

Alle lachten.

 Posted by at 16:05
Sep. 282011
 

Ein merkwürdiges Lese-Erlebnis habe ich mit Viviane Cismaks „Schulfrust“. Ich bewundere den Mut dieser zugewanderten Hessin, die sich unerschrocken ins Kreuzberger Monokulti hineingewagt hat. In vielem spiegeln ihre Erlebnisse als migrantische Deutsche mit dem falschen Zuwanderungshintergrund das wider, was wir als zugewanderte bzw. zurückgewanderte Eltern – ebenfalls mit dem falschen Migrationshintergrund – an Kreuzbergs staatlichen Bildungseinrichtungen erlebt haben.

Im Klartext: Das beschriebene Berliner Monokulti-Gymnasium entspricht nach Auskunft der Autorin dem Niveau nach etwa einer Hauptschule oder einer besseren Sonderschule in anderen Bundesländern: Beim Erreichen des Abiturs können nur wenige Schüler in ganzen Sätzen formulieren, jedoch haben alle die Techniken erlernt, wie man die vorgesehenen Punktzahlen irgendwie – etwa durch Kopieren aus dem Internet, durch Abschreiben oder durch Sich-Einschmeicheln bei Lehrern – zusammenscharrt, um sich mit dem Titel eines Abiturzeugnisses Marke Kreuzberg auf dem Arbeitsmarkt zu empfehlen.

Die Erlebnisse der Autorin sollte man so stehenlassen. Zweifellos ist sie ehrlich. Zweifellos bildet sie nicht die Situation an allen Berliner staatlichen Schulen ab, aber die Tendenz trifft in Kreuzberg so zu: es wird nicht ernsthaft gelernt, die meisten Kreuzberger Schüler lernen kein brauchbares Deutsch, wir ziehen uns hier Heerscharen von am Arbeitsmarkt nicht ausbildungsfähigen und in der Schule und im Elternhaus nicht erzogenen Jugendlichen heran.

Es war schon erstaunlich, dass diese Erscheinungen – also das Versacken und Verlottern von zehntausenden und aberzehntausenden Berliner Jugendlichen, die fortschreitende, teilweise aggressiv vorangetriebene Islamisierung der Berliner Schulen, die Sprachlosigkeit der breiten Massen – im jetzt vergangenen Wahlkampf nicht zum Thema gemacht worden ist. Stattdessen zankte man sich um Dinge wie Autobahn ja oder nein?, Tempo 30 ja oder nein?, Klimaschutz auf Kosten der Bürger oder des Staates?, einmal Kreuzberger – immer Kreuzberger?

Überwiegend symbolische Ersatzpolitik.

Viviane Cismak: Schulfrust. 10 Dinge, die ich an der Schule hasse. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 9,95 Euro.

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Her household Korean was supplanted by English …

 Das Gute, Faulheit, Gute Grundschulen, Kinder, Migration, Tugend, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Her household Korean was supplanted by English …
Sep. 142011
 
 Her household Korean was supplanted by English …

Der arme Kreuzberger Blogger liest gerade Super Sad True Love Story von Gary Shteyngart. Der Autor kam mit 7 Jahren aus Russland nach USA. Typischer Zuwanderer aus Ex-Sowjetunion: Fleißig, strebsam, kreativ, leistungsbewusst. Innerhalb weniger Jahre lernte er so gut Englisch, dass er heute Bücher schreibt und Schreibkurse gibt. Bezeichnend: Der Held verliebt sich in eine andere Zuwandrerin der ersten Generation, deren katholische Eltern aus Korea stammen. Das passt! Denn die deutschen Zuwanderer aus Russland, die Koreaner, Chinesen, Katholiken, Juden – das sind alles Gruppen, bei denen ich einen unbändigen Lernwillen bemerke. Davon können wir verwöhnten Kinder der reichen und satten Bundesrepublik Deutschland ein Scheibchen abschneiden.

Zuwanderer aus Russland, aus Korea, aus China, aus Polen sind fast alle aufstiegsorientiert. „Meine Kinder sollen akzentfrei die Landessprache lernen und später Arzt, Anwalt, Unternehmer werden.“ Mehr Aussiedler und Zuwanderer aus Russland leben in heute in den USA als Türken mit türkischer Staatsangehörigkeit.

Und das bringt mich zur morgendlichen Betrachtung: Die staatlichen Schulen unseres Bundeslandes haben sich noch nicht im mindesten darauf eingestellt, dass es neben den sogenannten „benachteiligten“ Bildungsfernen, die über mehrere Generationen hinweg keine Standardsprache und auch kein beruflich verwertbares Deutsch lernen wollen, auch Menschen gibt, die hierher kommen und nichts dringender wünschen als die Integration durch eigene Anstrengung, aus eigener Kraft.

Das staatliche Berliner Schulwesen mit seiner starken Belohnung für gemütliche Lässigkeit, Schlendrian, Leistungsverweigerung, Unverbindlichkeit, Disziplinlosigkeit und mit seinen endlosen bürokratischen Kapriolen muss allen Zuwanderern als Buch mit sieben Siegeln erscheinen. Ein Monstrum, vor dem sie mit Grausen und Schock stehen.

Die USA bieten allen die Gelegenheit, mit eigener Mühe etwas aufzubauen. Zuwanderer, die sich nicht anstrengen wollen, werden grundsätzlich in den USA nicht hereingelassen. Es wird ihnen gesagt: Ihr könnt hier leben und arbeiten, wenn ihr Amerikaner werden wollt. Ihr könnt euer Little Italy haben. Aber ihr müsst euch anstrengen.

Und nun weiter im Text! I wanted my parents near me … Dieses Buch ist ein unermüdlich sprudelnder Quell der Heiterkeit, des bitter-süßen, traurigen Humors. Großartig.

Quelle: Gary Shteyngart, Super Sad True Love Story. Random House Trade Paperbacks, New York 2010, Zitate hier: Seite 36 und Seite 41

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Die neue Strenge kommt!

 Altparteien, Anbiederung, Faulheit, Gute Grundschulen, Tugend  Kommentare deaktiviert für Die neue Strenge kommt!
Sep. 062011
 
Viel Geld für Marketing-Agenturen und Kommunikationsberater aus dem Fenster zu werfen ist nicht nötig. Alle Wahlkämpfer erhalten im Wahlkampf kostenlose Schulung in Wähleransprache, nehmen teil an der mobilen „Na-wo-drückt-euch-der-Schuh?“-Talkshow, Lob und Tadel werden gleichermaßen verteilt.
Ein paar Stimmen von Wählern: „Werdet erkennbar! Hebt euch klar ab von den Linken! Was sind eure Werte? Werdet kantiger! Wo sind eure Vorschläge zur Finanzkrise? Was haltet ihr von Tugenden wie Sparsamkeit, Tüchtigkeit, Redlichkeit, Fleiß?“
Hornstraßenfest, vergangenenes Wochenende. Ein Hobbypolitiker einer kleinen Kreuzberger  Volkspartei versucht sich in Wähleransprache. Zwei Schülerinnen (12 und 15 Jahre alt, nennen wir sie Asja und Leyla) beschweren sich, dass sie jetzt plötzlich jeden Tag Hausaufgaben hätten. „Die Lehrer sind so streng, verlangen Hausaufgaben! Früher war das anders! Können Sie unsere Beschwerde an Angela Merkel weitergeben, ja?“ Der Wahlkämpfer half zunächst einmal dem Mädchen, eine coole Schirmmütze mit dem Logo der in Kreuzberg kleinsten Volkspartei überzustreifen.

Die kuscheligen Altparteien hätten gesagt: „Ich werde eure Beschwerde weiterleiten.“ Aber der Wahlkämpfer sagte: „Eure Lehrer haben recht. Setzt euch am Nachmittag zwei oder drei oder vier Stunden hin, erledigt die Hausaufgaben, lernt was, dann helft Mutti und Vati im Haushalt.“ Schlimm, so was zu sagen?  Nö.

Erkenntnis: Die Lehrer und Lehrerinnen Kreuzbergs sind ein paar Jährchen weiter als die lahme Politik. Der Wind hat sich längst gedreht. Die Kreuzberger Lehrer lassen schon lange nicht mehr mit sich Schlitten fahren. Sie haben zwar die Hoffnung auf eine sinnvolle Bildungspolitik fast schon aufgegeben, aber sie halten die Kinder zum Lernen und Arbeiten an.

Die neue Strenge hat an Berlins Schulen Einzug gehalten.

Ich meine: Die Kinder sollten nach dem Unterricht durchaus jeden Tag noch Hausaufgaben erhalten. Wieso sitzen die Jugendlichen Stunden um Stunden mit der Wasserpfeife in den Kneipen, chillen am Bordstein?

Ins gleiche Horn wie das Hornstraßenfest stößt der Tagesspiegel-Bericht über eine Podiumsdiskussion in Wedding.

„Ohne Härte und Zwang geht es nicht.“ Na endlich fällt der Groschen. Gute Diskussion mit Schülern in einem Weddinger Gymnasium. Das sage ich aufgrund von 3 Jahrzehnten Erfahrung mit Kreuzberger und Berliner Völkerschaften, mit Kitas und Schulen schon lange.

Übermorgen, Donnerstag, 8. September,  genau zu diesem Thema unsere öffentliche Veranstaltung: „Wie schafft sich Kreuzberg bessere Schüler?“ Wirtschaft Stresemann, 19.30 Uhr, Stresemannstraße 48, Kreuzberg

Integration an Schulen: Ohne Härte geht es nicht – Schule – Berlin – Tagesspiegel

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Spart der faule, böse Senat die fleißigen, armen Bezirke kaputt?

 Das Böse, Faulheit, Geld, Verwöhnt  Kommentare deaktiviert für Spart der faule, böse Senat die fleißigen, armen Bezirke kaputt?
Sep. 052011
 

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Die eigentlichen Träger des kommunalen Lebens in Berlin sind die 12 Bezirke. Der Größe nach sind sie vergleichbar mit mittleren Großstädten wie Rostock, Augsburg oder  Bonn. Was sie unterscheidet von echten Kommunen, ist der eigentümliche Finanz- und Verwaltungsaufbau Berlins. Berlin ist zweistufig aufgebaut. Das heißt: Die Bezirke tragen zwar die erste Verantwortung für die Bürger, sind aber im Gegensatz zu „echten“ Kommunen wie etwa Rostock oder Augsburg finanziell und rechtlich gesehen unselbständig. Die Bezirksämter sind „nachgeordnete Träger der staatlichen Verwaltung“. Das Bundesland weist ihnen nach einem zentral festgelegten Schlüssel einen proportionalen Anteil am Steueraufkommen zu. Umgekehrt liefern die Finanzämter der Bezirke alle Einnahmen bei der Landeshauptkasse ab.

Das Geld kommt von oben herab in die Bezirke. Die Bezirke sind auf Gedeih und Verderb den Zuweisungen des Senates ausgeliefert. Es besteht folglich kein Anreiz für die Empfänger-Bezirke wie etwa Friedrichshain-Kreuzberg, durch eigene höhere Steuereinnahmen bessere staatliche Leistungen für die Bürger zu erbringen. „Du sparst uns unsere tollen Bildungs- und Sozialeinrichtungen kaputt, die böse, geizige Mutter Bundesland, du knausriger Senat!“   „O mein liebes faules Kind, du schlampiger Bezirk, lerne fleißig, arbeite, wirb potente Steuerzahler in dein Gebiet ein, dann kann ich dir auch mehr Taschengeld geben!“

So ungefähr kann man die komplizierte Finanzsystematik, die das Bundesland Berlin und die Bezirke in einer Hassliebe verbindet, ins Familiendeutsch übersetzen. Linke Politik, wie sie hier im Bezirk betrieben wird, besteht darin, durch gezielte Ansiedlung und Anwerbung von Leistungsempfängern die Mittelzuweisungen an den Bezirk zu erhöhen. Der Bezirk ist in der  Transferunion Berlin ein Netto-Empfänger und wird es auch bleiben, solange der linksgrüne Geldverteilungsansatz hier das Sagen behält.

Folge: Die Bezirkspolitik wird zur Geldumverteilungsmaschinerie.  Gestaltet wird nichts mehr. Nach einigen Jahren oder Jahrzehnten wird der oder die gewiefte PolitikerIn virtuos darin geübt, für den eigenen Haushaltstitel genug Mittel loszuschlagen und umzuverteilen. Ob man nun mithilfe der Sozialen Stadt Satellitenschüsseln arabischer Familien mithilfe von bunten Überziehern aufhübscht oder alternative Wohnformen unterstützt, wo das Bier nur 2 Euro pro Flasche kostet, ob man antirassistischen Initiativen Räumlichkeiten zuschanzt oder befreundeten SozialarbeiterInnen zu bemutternde Mündel, Jobs und Büros verschafft, stets geht es für die Politiker darum, flottierende staatliche Gelder „einzufangen“ und umzuleiten und dadurch die eigene Macht, den eigenen Einfluss auszuweiten.

Wenn man weiß, wo Fördertöpfe bereit stehen, wird man in Berlin auch Geld finden. Mangelndes Geld ist nicht das Problem in Berlin. Erborgtes und erbetteltes Geld war eigentlich immer genug da. Nur wenige Politiker sind so mutig, dies auszusprechen.“ So orakelte dieses Blog am 10.02.2011.

Das Bundesland Berlin ist ein ausgezeichnetes Lehrbuchbeispiel für die Anzüchtung von Empfängermentalität. Es ist schade, dass die Parteien im laufenden Wahlkampf auf diesen so offenkundigen Zusammenhang nicht hinweisen.

Auch der neue Park am Gleisdreieck entstand im Wesentlichen durch zentral vergebene Ausgleichsmittel der Investoren vom Potsdamer Platz. Er ist großartig, er ist gelungen, aber er ist ein Ergebnis der uralten Berliner Verteilungspolitik.

Es wäre einmal einen Vorstoß wert, eine größere Finanzautonomie für die Berliner Bezirke zu fordern! Zum Beispiel dadurch, dass gewisse Steuerarten im jeweiligen Bezirk, etwa die berühmte Gewerbesteuer, direkt den Bezirken, nicht dem Landeshaushalt zuflössen. Mann, Mann, was würden die Bezirke sich dann um Ansiedlungen bemühen! Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg würde dann Firmen und Unternehmen wie etwa Daimler oder die Scube Parks nicht vergraulen, sondern sie willkommen heißen.

Mehr Finanzautonomie für Berlins Bezirke würde Wunder bewirken!

Grüne, Schwarze, Rote, Gelbe aller Bezirke! DA müsssen wir ran!

Armes Kreuzberger Blog » Blog Archive » “Traumhafte Förderkulissen”
Wenn man weiß, wo Fördertöpfe bereit stehen, wird man in Berlin auch Geld finden. Mangelndes Geld ist nicht das Problem in Berlin. Erborgtes Geld ist genug da. Nur wenige Politiker sind so mutig, dies auszusprechen. Mut, Tatkraft und Ehrlichkeit finde ich immer gut. Es sind echte Bürgertugenden.

Bild: Geschützer Förderdschungel in Kreuzberg, im neuen Park am Gleisdreieck

 Posted by at 12:20
Apr. 212011
 

17042011509.jpg Worum geht es bei den nächsten Landtagswahlen in Berlin?

Die Abgeordnetenhauswahl am 18. September 2011 wird alle Parteien auffordern, mindestens die richtigen Fragen in den richtigen Worten zu stellen – ohne gleich die Wähler mit trügerischen Antworten zu beglücken.

Ein ganz entscheidendes Thema wird meines Erachtens die neue Aufgabenverteilung zwischen Bürgern und Staat sein. Der Staat hat in Berlin jahrzehntelang zu viel an sich gerissen. Er hat den Bürgern eine Wohlfühlrepublik vorgegaukelt, hat viel zu viele Zusagen und Bürgschaften übernommen. Jetzt liegt die Staatsquote bei etwa 60% Prozent. Das heißt: Von 100 Euro, die in Berlin ausgegeben werden, gibt der nahezu allmächtige und darum ohnmächtige Staat 60 aus!

Schlimmer noch: Der Landeshaushalt wird etwa zur Hälfte durch Transfers aus anderen Bundesländern erzielt. Das verführt zu Faulheit, zu Sattheit und zu maßloser Anspruchshaltung. Die Politik der Stadt Berlin muss auf Entwöhnung von staatlichen Geschenken setzen statt auf Belohnung durch staatliches Geld!

An den unzählbaren Zusagen und Geschenken hat sich der Landeshaushalt einen Bruch gehoben: 60 Mrd. Staatschulden. Steigend!

Es fehlt nicht zufällig in Berlin an bürgerlichem Selbstbewusstsein, an Gemeinsinn, an Leistungs- und Wanderungsbereitschaft. Für jeden Missstand wird sofort der Staat in die Haftung genommen. Die Berliner Politiker springen gewohnheitsmäßig auf, verführen die Wähler stets erneut mit den lockenden Gaukelbildern einer Zukunft, die ohne Sparen, ohne Entbehrungen, ohne mehr Anstrengung zu haben wäre.

So kann das aber nicht funktionieren.

Wenn Bürger die Miete nicht zahlen kann – dann muss er sich eben mit weniger Platz begnügen oder mehr Geld verdienen oder umziehen. Ewigkeitsgarantien unter dem Namen Milieuschutz, Mieterschutz, Schutz vor Verdrängung usw. sind nur um den Preis steigender Staatsverschuldung zu haben.

Wenn der Lehrermarkt in Berlin leergefegt ist – dann müssen eben die Klassen vergrößert werden. Ob ein Lehrer 25 oder 28 Kinder vor sich hat, spielt keine Rolle.

Wenn die gute „Wunschschule“ nicht erreichbar ist, dann müssen die Kinder eben an einer „schlechten“ Schule lernen.  Diese Hysterie um die „gute Schule für mein Kind“ sollte man als Politiker auf keinen Fall mitmachen. Jede Schule ist gut, an der gute Schüler sind. Und gute Schüler kann man erziehen – im Zusammenspiel von Familien und Schulgemeinschaft.

Eltern und Schüler, Bürgerinnen und Bürger müssen mühsamst wieder lernen, dass sie die Hauptverantwortung für das gute Leben in der gemeinsamen Stadt tragen. Sie müssen durch die Parteien erinnert, ertüchtigt, ermuntert werden, mehr aus sich zu machen, mehr für andere Menschen zu machen.

Ich meine also: Wir brauchen einen Ermutigungswahlkampf. Die Botschaft im Wahlkampf sollte daher sein:

Vertraue dir selbst, vertraue deinen Kräften und sorge für deine Mitmenschen! Das kannst du auch. Befreie dich und andere aus der falschen Abhängigkeit vom Staat. Sei frei. Das Leben hält vieles für dich bereit.

 Posted by at 16:31
Apr. 112011
 

Late Night „Anne Will“: „Fresse halten und anpacken“ für den sozialen Aufstieg – Nachrichten Fernsehen – WELT ONLINE
Bettina Cramer, Journalistin und Botschafterin des Kinderhilfswerks „ Die Arche“: „Wir haben Bürgerinitiativen gegen Stuttgart 21, wir haben Bürgerinitiativen gegen Atom. Warum gibt es keine Bürgerinitiative gegen Armut?“

Tja, warum, warum, wir sind doch die Dagegen-Republik?

Ich würde sagen: Weil es keine Armut in Deutschland gibt. Es gibt Armut in Anatolien, Ghana, Kasachstan, Weißrussland. Fahrt hin oder zieht dorthin um, wenn es euch interessiert.

Es gibt massenhaft Demonstrationen für Lärmfreiheit im reichen Südwesten Berlins, für mehr staatliches Geld in die eigenen Taschen, für saubere Umwelt, sauberen Strom, für gutes Gewissen. Damit wir uns alle so richtig wohlfühlen – jeder soll sich selbst richtig wohlfühlen. Sauber!

Die echten Probleme – ethnische Segregation, Entstehen von Fürsorge-Reservaten, generationenübergreifende gewollte Arbeitslosigkeit – werden von kaum jemandem benannt, geschweige denn, dass den Menschen reiner Wein eingeschenkt würde.

 Posted by at 10:50
März 032011
 

Theoder Fontane schreibt in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg:

In leichtem Trabe geht es auf der Chaussee wie auf einer Tenne hin, links Wiesen, Wasser, weidendes Vieh und schwarze Torfpyramiden, rechts die steilen, aber sich buchtenden Hügelwände, deren natürlichen Windungen die Freienwalder Straße folgt. Aber nicht viele befinden sich auf unserem Wagen, denen der Sinn für Landschaft aufgegangen; Erwachsene haben ihn selten, Kinder beinah nie, und die Besatzung unseres Wagens besteht aus lauter Kindern. Sie wenden sich denn auch immer begehrlicher dem näher liegenden Reiz des Bildes, den blauen Pflaumen, zu. In vollen Büscheln hängen sie da, eine verbotene Frucht, aber desto verlockender. »Die schönen Pflaumen«, klingt es von Zeit zu Zeit, und sooft unser Kremser den Bäumen nahe kommt, fahren etliche kleine Hände zum Wagen hinaus und suchen die nächsten Zweige zu haschen. Aber umsonst. Die Bewunderung fängt schon an in Mißstimmung umzuschlagen. Da endlich beschleicht ein menschliches Rühren das Herz des Postillons, und auf jede Gefahr, selbst auf die der Pfändung oder Anzeige, hin links einbiegend, fährt er jetzt mit dem wachsleinenen Baldachin mitten in die Zweige des nächsten Baumes hinein. Ein Meistercoup. Wie aus einem Füllhorn fällt es von Front und Seite her in den offenen Wagen; alles greift zu; der Kleinste aber, ein Blondkopf, der vorne sitzt und die Leine mit halten durfte, als führ er selber, deklamiert jetzt auf den schmunzelnden Postillon ein: »Das ist der Daum, der schüttelt die Pflaum«, und an Landhäusern und Wassermühlen, an Gärten und Fischernetzen vorüber geht es unter endloser Wiederholung des Kinderreims, in den der ganze Chorus einfällt, in das hübsche, aber holprige Freienwalde hinein.

„Das ist der Daum, der schüttelt die Pflaum …“ Fontane erzählt von einer Kutschfahrt  am Fuße des Barnims, wo er Kinder diesen Spruch aufsagen hörte. Kennen die Kinder diesen Spruch heute noch? Er fiel mir ein, als ich Kristina Scharfenberg an der Neuköllner Hermann-Sander-Grundschule Roma-Kinder unterrichten sah, und zwar heute in der Zeitung Morgenpost.

Kinder lernen Deutsch mit allen Sinnen, mit Auge, Hand und Ohr, mit Gefühlen, Bildern, Tönen und Bewegungen!

Berlin wirbt dafür, eine internationale Stadt zu sein – schwirrend von Sprachen, Kneipen, Bars und Werbetafeln. Jetzt ziehen wieder vermehrt Roma-Familien nach Berlin, beantragen politisches Asyl und erhalten früher oder später den ersehnten ständigen Aufenthaltstitel. Hunderte von Roma-Kindern ohne jede Deutschkenntnisse werden in diesem Jahr beschult. Darüber berichtet heute die Morgenpost auf S. 12.

Soll Berlin sich dessen brüsten, „international“ zu sein? Ja. Sollen die Erwachsenen und deren Kinder das Gefühl haben, es komme gar nicht darauf an, Deutsch zu lernen, da Berlin ohnehin international sei? Nein!

Das können wir uns nicht wünschen.  Zwar kann man durchaus als Familie über Generationen hinweg in Berlin ohne Deutsch- und ohne jede Berufskenntnisse prima leben. Aber man versündigt sich dadurch an den Lebenschancen der Kinder. Außerdem kann der Staat das spätestens ab der dritten Generation kaum mehr bezahlen.

Die Kinder brauchen nicht das Gefühl, in einer „internationalen“ Stadt zu sein. Sie brauchen – so meine ich – das Gefühl, dass sie hier ohne gute, ohne sehr gute Deutschkenntnisse nicht weit kommen werden.

Im Moment beobachte ich ganz im Gegenteil eine sehr starke Verfestigung von klaren Volksgruppen, von festumrissenen nationalen Minderheiten! Wir werden zunehmend zum Vielvölkerstaat wie etwa Österreich-Ungarn bis 1918, die Tschechoslowakei bis 1991, die Russische Föderation heute – mit all den enttäuschten Segnungen und Verheißungen, die diese multinationalen Gebilde mit sich trugen oder tragen.

Der entscheidende Hebel für die Verwandlung des Nationalstaates in einen Nationalitätenstaat Deutschland à la Österreich-Ungarn ist – unser hochgelobtes, heißbegehrtes deutsches Sozialsystem, verbunden mit dem mangelnden Druck, die Landessprache Deutsch zu erlernen. Wozu sollte man Deutsch lernen, wenn Berlin erklärtermaßen so international ist und man ohne Deutschkenntnisse wunderbar über die Runden kommt?

Die Türken wurden ja vor wenigen Tagen wieder einmal leidenschaftlich durch ihren Präsidenten bestärkt, vor allem Türken zu sein. Sie sollen eine willige Enklave des ewigen Türkentums im Ausland bilden. Die Roma sollen also vor allem Roma sein, die Russen vor allem Russen. Es wird schon! Keine Bange. Wir werden immer internationaler! Die Pflaumen hängen zum Greifen nahe vor aller Augen.

Diese bleiche, werblich angepriesene Internationalität hat zur Beliebigkeit geführt, zu  schwersten sprachlichen Defiziten bei Zehntausenden von Kindern und Jugendlichen dieser Stadt, zu unabsehbaren psychischen und sozialen Folgekosten, zum kulturellen Nirwana.

Es wäre gut, wenn alle Kinder bereits recht früh mindestens einfache Kinderreime oder Kinderlieder deutscher Sprache wie etwa „Das ist der Daumen …“ lernten. Das geschieht viel zu wenig nach meinen Beobachtungen. Das Ergebnis ist dann ein fast unverständliches Deutsch – und für Zehntausende die Aussicht, niemals einen bezahlten Beruf erreichen zu können.

mobil.morgenpost.de

Quellen:

Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Zweiter Teil. Das Oderland. Barnim-Lebus. Freienwalde. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1997, hier: S. 50-51

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Hart und eindeutig – oder weichgespült?

 Faulheit, Rechtsordnung  Kommentare deaktiviert für Hart und eindeutig – oder weichgespült?
Feb. 102011
 

Soll Berlin irgendwann ein Bundesland unter 16 werden – wie Sachsen, Hamburg, Bayern, Bremen oder Thüringen? Ich meine – ja! Die absolute Sonderrolle Berlins mit der traumhaften Förderkulisse wird nicht mehr lange andauern. Irgendwann werden die 15 anderen Bundesländer sagen: „Nu jammert und klagt und fordert und quatscht und nörgelt nicht ständig rum, o Berliner! Arbeitet! Krempelt die Ärmel hoch! Holt euch die Stadt zurück!“

Vorerst aber gilt: In Berlin ticken die Uhren anders! Der Finanzsenator Nußbaum hat größte Mühe, hier Witterung aufzunehmen, Renate Künast hat größte Mühe, sich in die Vibes einzuschwingen, … jahrzehntelange Bevorzugung Berlins in Ost UND West haben sich tief eingegraben in die Mentalität von uns Berlinern! Ein Nußbaum mit seinem klaren Blick auf die Bezahlbarkeit von Wünschen, eine Renate Künast mit ihrem unerschrockenen Eintreten für die Einhaltung des Rechts würden heute niemals die Ochsentour durch die Berliner Ortsvereine ihrer jeweiligen Parteien schaffen!

Guter Artikel von Sabine Rennefanz dazu in der Berliner Zeitung!  Sollen die Grünen sich wirklich zum Prinzip der Rechtsstaatlichkeit bekennen? Das würde sie teuer zu stehen kommen. Das wäre verheerend, wenn die Grünen Farbe bekennen müssten.

Besser, man bleibt bei der weichgespülten jetzigen Haltung: „Rechtsstaat?“ „Meistens ja, aber … “ so lautet die Antwort der Grünen. Künast sieht das anders. Sie meint, Gerichtsentscheidungen müssten akzeptiert werden, wenn der Rechtsweg erschöpft ist. Künast ist da ziemlich hart und eindeutig – im Gegensatz zu ihrer Partei.

Misstöne aus Kreuzberg – Berliner Zeitung
Schulz fürchtet, dass es bei vielen Grünen die Vorstellung gibt, dass man jetzt weichgespülte Positionen vertreten muss, weil man demnächst Verantwortung übernehmen will. „Ich glaube, dass das für die Grünen mittelfristig ein verheerender Weg wäre, weil die Wähler die Klarheit in der Position, die Unterscheidbarkeit mehr honorieren.“

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