Kinder bereiten Freude

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Okt. 212011
 

Wieder einmal goldrichtig, was die Kanzlerin hier macht: Statt wie die meisten anderen zu lamentieren und mit dem Finger auf das zu zeigen, was nicht klappt, geht sie hin zu den Kleinen, „beugt sich herunter“, ermuntert, zeigt, dass ihr die Bildung unserer Kinder am Herzen liegt. Ich stimme zu: Alles, was gut ist, muss gelobt und gestärkt werden, der Erfolg einer Schule, einer Kita hat eine Vorbildwirkung auf andere, so wie der Erfolg einer Familie Vorbildwirkung auf andere entfaltet.

Das ist richtig, genauso richtig ist es, wenn der amerikanische Präsident Schulkonzerte seiner Töchter besucht und dafür auch einmal Gremientermine sausen lässt, was drüben in den USA schon mal kritisiert wird. Er zeigt damit: Familie ist wichtig, da kann auch die Politik, die sich selbst mit ihren Glücksverheißungen meist viel zu wichtig nimmt, einen Augenblick zurückstehen.  Ich meine:  Die arme Politik soll sich ruhig einmal klein machen und sich von den Kindern symbolisch beschenken lassen. Kinder bereiten Freude!

Zu erwarten war auch, dass der SPIEGEL unserer Anspruchsgesellschaft kein gutes Haar an dem Besuch der Kanzlerin lässt und recht kräftig – wie es seine Art ist – dazwischenfährt. Dieser Bericht des SPIEGELS ist zutiefst geprägt vom quantifizierenden Bildungsverständnis, das es zu kritisieren gilt. Der SPIEGEL behauptet: Weil vieles verbesserungsbedürftig (also „schlecht“) ist, darf es nichts Gutes geben, man soll nichts Gutes sagen, nichts Gutes gelten lassen.  Das Rezept funktioniert wieder und wieder.

Ein Morgenlob aus Kreuzberg erschalle für die Erika-Mann-Schule!

Kanzlerin auf Schulbesuch: Frau Merkel bastelt Rettungsschirme – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – SchulSPIEGEL
Merkel hat sich für das Schaulaufen eine Vorzeigeschule ausgesucht, die zwar in einem Problemviertel liegt, die aber die Probleme des Viertels ganz gut meistert: Acht von zehn Kindern hier haben Eltern, die nicht aus Deutschland stammen. Viele Eltern leben von Hartz IV. Die Schule reagiert mit Betreuungszeiten von 6 bis 18 Uhr, zwei Lehrern pro Klasse, Theater-Unterricht für alle. Sie hat Preise für Gewaltprävention und Integration bekommen, und Dreiviertel der Schüler schaffen eine Realschul- oder Gymnasialempfehlung. Die Schule ist ziemlich erfolgreich, trotz aller Widrigkeiten.

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Okt. 012011
 

Einen sehr gedankenreichen, sehr beflügelnden Kongress besuchte ich als einfacher Zuhörer am 09.10.2010, nämlich den Internationalen Bildungskongress der Frankfurter Buchmesse „Die lernende Gesellschaft„. Allein aus den Anregungen, die ich dort mitnahm, könnte man mehrere Stunden Workshops und praktische Hands-on-Seminare in Berlin abhalten. Es fehlt wahrhaftig in der Bildungsdebatte nicht an guten Ideen. Lest selbst:

Programm_Bildungskongress_2010.pdf (application/pdf-Objekt)

Eines der Seminare, das ich aussuchte, hieß: „Motopädagogische Elemente in Kita und Schulunterricht“, geleitet von Dorothea Beigel vom hessischen Kultusministerium und Silja Gülicher von Nintendo. Sehr gut, sehr erhellend! Wir lernen am besten, wenn wir uns körperlich belastungsfrei fühlen – das heißt auch, dass nicht zuviel Bewegungsenergie aufgestaut sein darf. Viele Kinder schaffen es heute nicht, längere Zeit stillzusitzen oder auch nur die Augen still auf einen Punkt zu halten. Wegen motorischer Mangelerfahrung im Alltag können sie weder Buchstaben auf einem Blatt Papier fixieren noch die Aufmerksamkeit auf einen längeren Lehrervortrag richten. „Diesen Zustand können Sie jetzt selbst erfahren! Stehen Sie bitte auf.“

Wir mussten auf einem Bein stehend Kopfrechnen ausprobieren. Die ersten Aufgaben gelangen mir mühelos, sie waren leicht. Dann jedoch wurden sie mir zu schwer, denn das ständige Stehen auf dem Bein lenkte mich ab, ich musste nur noch daran denken, das Gleichgewicht auf einem Bein zu halten, für das Kopfrechen war keine Kapazität mehr übrig. Ich machte das, was tausende Kinder jeden Tag machen: Ich stieg aus, die weiteren Kopfrechenaufgaben rauschten an uns vorbei, während ein einziger anderer Teilnehmer, offenbar ein Mathematik- und Sportlehrer, weiterhin alle Aufgaben herunterratterte, was wiederum meine Unlustgefühle verstärkte.  Meine gesamte Aufmerksamkeit war jetzt darauf gerichtet, den Bewegungsimpuls des Beines zu unterdrücken, getragen vom deutlichen Gefühl der Unterlegenheit gegenüber dem „Streber“ an meiner Seite, dem vermuteten Mathematiklehrer.

„So geht es den Kindern, wenn ihre motorischen Impulse im Unterricht unbeherrschbar geworden sind. Sie verweigern dann die Mitarbeit, weil etwas anderes ansteht.“ Regelmäßige kleinere körperliche Bewegungserfahrungen in kurzen Abständen, verstreut über den ganzen Lerntag des Kindes, sind also unerlässlich.

Na, dann kam noch der Schlenker zur Wii-Konsole des Sponsors Nintendo. Wii soll angeblich helfen, motorische Defizite der Kinder auszugleichen.

Wii von Nintendo als Gesundmacher der Kinder? Jetzt packte mich – den rebellischen Kreuzberger – mein aufsässiger Widerspruchsgeist! Ich meldete mich zu Wort und hub unschuldig an: „Zu meiner Zeit gab es solche Lieder wie etwa Häschen in der Grube – … was halten Sie davon? Muss es unbedingt Wii sein?“, frug ich.

Doch die Antwort der beiden sehr erfahrenen, sehr kundigen Referentinnen Dorothea Beigel und Silja Gülicher verblüffte mich, denn sie widersprachen mir keineswegs:

„Sie haben völlig recht mit Ihrer Bemerkung. Lieder wie Häschen in der Grube sind geradezu ideal geeignet, um unsere scheinbar neuen, wissenschaftlich fundierten motopädagogischen Einsichten zu belegen. Die vielen alten Kinderlieder und Kinderreime sind ein Schatz der frühkindlichen Pädagogik. Sie verbinden in idealtypischer Weise das Körperlernen mit dem Sprachlernen, die Beherrschung und Steuerung motorischer Impulse mit sozialem Lernen.

Genau so empfehlen wir, die Kinder zu einfachen Diensten und Besorgungen im Haushalt anzuleiten, etwa zum Zusammenlegen von getrockneter Wäsche, zum Aufdecken bei Tisch, zum Selber-Machen des Bettes. Wir beobachten eine zunehmende Verarmung der motorischen Erfahrungen in der Welt der Kinder. Hier können die Eltern viel mehr tun. Handeln zählt!“

Gut. Im Gefühl, wieder etwas Wesentliches gelernt zu haben, verließ ich das Seminar, nicht ohne noch die Referentinnen zu einem Besuch im heimischen Friedrichshain-Kreuzberg ermuntert zu haben.

Bild: der hervorragend gestaltete, zu Bewegung ermunternde neue Spielplatz im Park am Gleisdreieck, Kreuzberg (400 m entfernt von der Höhle des Bloggers).

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Lasst euch doch nicht durch das Wetter ins Bockshorn jagen!

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Juli 242011
 

05072011832.jpgHerrliches Badewetter genossen wir an der Ostssee! Gerade bei gleichbleibend 17° C an der Luft UND im Meer braucht sich der Körper nicht umzustellen. Es entsteht eine gewisse erwünschte Abhärtung, die Selbsterwärmung des Kreislaufs kommt in Schwung! Selbstverständlich waren wir anfänglich durch das bacherlwarm vorgewärmte Wasser im Kreuzberger Prinzenbad verwöhnt. Aber nach und nach stellten wir uns auf die rauhere Umgebung ein.

Warum gehen die Berliner bei unter 25° Lufttemperatur so wenig in die Freibäder? Gerade das herrliche Prinzenbad wirkt tage-, ja wochenlang lang wie verwaist – obwohl der Schwimmbadbesuch gerade bei mäßigen Temperaturen besonders gesundheitsfördernd wirkt. Früher war das anders! Sil-Yan, Musiker von der Gruppe K.I.Z. erinnert sich an die prägenden Erfahrungen im und mit dem Prinzenbad: „Wir sind immer mit der ganzen Familie über’n Zaun gestiegen.“ IMMER! Also auch bei schlechtem Wetter!

(Quelle: tip 16/2011, S. 64)

Bäder-Chef Lipinsky bleibt jedoch heute nichts übrig als zu konstatieren:

mobil.morgenpost.de
Das Wetter ist eine Katastrophe. Wir haben bis Mitte dieses Monats bisher gut 30 Prozent des Vorjahresumsatzes zur gleichen Zeit erzielt. Allerdings war der Juli 2010 mit mehr als einer Million Besuchern sehr stark. Bisher haben wir 54 Prozent dessen erwirtschaftet, was wir uns für diese Saison vorgenommen haben. Gut lief der Mai mit einem Besucherplus von 35 Prozent – vor allem, weil wir die Schwimmhallen länger am Netz gelassen haben. Trotzdem: Die Einnahmen werden uns fehlen. Hoffentlich wird der August wenigstens so heiß wie der Juli 2010.

Ich rege an: Die Freibäder Berlins sind Schatzkästchen! Wenn die Menschen nicht mehr von sich aus kommen, dann sollte man sie locken – wie zum Beispiel durch die SCUBEs, die pfiffigen Holzhütten. Bäder sind von Natur aus multifunktionale Erlebnisräume. Man kann mehr aus ihnen machen! Warum nicht Yoga und Pilates, warum nicht Kickboxen und Turnen anbieten in der Stadt, wo viele Kinder und Jugendliche keine anständige Kniebeuge mehr hinkriegen, geschweige denn Liegestütze oder Balancieren auf einem Bein? Ich würde die Freibäder gerade bei schlechtem Wetter zu Stätten der ganzheitlichen Gesundheitspflege umgestalten. Public health nennt sich das neuerdings. Zwei segensreiche, berühmte Vorreiter der öffentlichen Gesundheitspflege wirkten in Berlin: Rudolf Virchow und Turnvater Jahn.

Merke: Es gibt kein schlechtes Wetter. Es gibt nur falsche oder vielmehr zu enge Erwartungen an das, was ein Freibad kann und soll.

Bild: Abendstimmung am Strand in Kühlungsborn, Juli 2011. Lufttemperatur: 19° C, Wasser: 17° C

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Wenig bedarf es froh zu sein!

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Juni 212011
 

13102010.jpgMein inniger Dank gilt Martin und seinen Helfern, die jeden Sommer das berühmte herrliche Hoffest veranstalten! Es gab wieder Leckereien, ein cooles Programm mit Bavarian Rock und Geplauder, Gelächter und guter Laune satt!

Beim Hoffest meiner Kreuzberger Hausgemeinschaft letzten Samstag ließ ich selbst mich auch nicht zweimal bitten, zur Fiedel zu greifen. Ich erzählte das „Märchen vom Bademeister im Prinzenbad und seinen drei Söhnen, denen der König der Habichte den Rasenmäher stahl“. Herrlich klang meine Geige wider von den uralten Hauswänden, in den Robinien verloren sich trübe Lichter, Menschen lauschten, lachten hell auf – denn sie konnten ja nicht wissen, dass das Märchen nur teilweise erfunden war, denn die Habichte im Prinzenbad, die gibt es wirklich!

Zwischendurch spielte ich die Hebräische Melodie von Joseph Achron. Und zu guter Letzt sangen wir alle den Kanon: „Froh zu sein bedarf es wenig“. Fast alle kannten das Lied, fielen gern und bereitwillig ein.

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Lasset uns lernen, Politiker_innen!

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Juni 192011
 

Lasset uns lernen, Politiker_innen! « Politikselbermachen
Toller Erfolg gestern mit dem Regenbogenfisch! Wir haben eine öffentliche Veranstaltung abgehalten, bei der etwa ein Drittel der Teilnehmer Kinder waren, mindestens die Hälfte der Erwachsenen nichtdeutscher Herkunft waren und nur etwa 15% der Teilnehmer im engeren Sinne politiknah waren. Teilnehmerzahl: 40, mehr kriegen Bundesminister bei uns im Bezirk auch nicht zusammen. Großer Erfolg, die Kinder begeisterten die Erwachsenen! Die aus St. Petersburg zugewanderte Alla Karpova nahm Groß und Klein mit. Zwar gab es auch die hammerharten Frontberichte aus dem Alltag von Berliner Grundschulen und migrantischen Sozialkiezen. Und die zugewanderten Eltern, die deutlich die Mehrheit bildeten, führten den Wurzeldeutschen erneut vor Augen, wie enttäuschend die Lehrer-Schüler-Beziehung in Berlin gehandhabt wird. „Kein Respekt vor dem Lehrer, das ist unerträglich!“
Doch alles wurde überstrahlt von der Begeisterung, der Freude, der Lernbegierigkeit der Kinder mit der Theaterpädagogin Alla Karpova. Da kann die Politik aber mal was lernen! Ein tolles Programm! Würde das umgesetzt, hätten wir die Hälfte der Probleme mit Schulversagern schon weggeschmolzen, und zwar im Kita-Alter. Die Kinder sind unsere Zukunft!

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Juni 042011
 

04062011681.jpg Schöner Radausflug zum Schlachtensee! Das Volk ist froh! Ich sehe viele Jugendliche mit ihren neuerdings üblichen Bierflaschen, einige Gruppen rauchen Shisha. Dass schon 15- oder 16 Jährige in der Öffentlichkeit ein Bier nach dem anderen zischen, habe ich noch vor 5 oder 8 Jahren nicht beobachtet.  In Moskau hingegen ist es schon länger üblich.

Der Drogenkonsum der Berliner Jugendlichen – soweit sie trinken, keineswegs alle trinken regelmäßig Alkohol  – bewegt sich zur Zeit weg von Hanf und hanfbasierten Drogen hin zum Alkohol. Das Einstiegsalter für regelmäßigen Alkoholkonsum sinkt unter die 16, unter die 15 Jahre.

Großer Menschenauflauf, als ein neues Brausegetränk unters Volk geworfen wird. Ich greife ebenfalls begeistert zu und leere die Dose sofort. Das schmeckt! Das macht froh!

Was macht die Menschen froh? Wieviel bedarf es froh zu sein? Bier, Alkohol, Shisha, Schlachtensee, Videospiele?

Bei einem Kindergeburtstag mit 13 typischen Berliner Kindern im Alter von 7 bis 9 Jahren und deren Eltern kannte niemand außer mir (und meiner Schwester) das Lied „Froh zu sein bedarf es wenig“. Was mag dahinter stecken?  Ich stimmte das Lied zur Geburtstagstorte an und sang es tapfer zu Ende. Dann schwieg ich betroffen und warf ein paar Münzen in den Spielautomaten für die Kinder ein.

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Apr. 292011
 

Die auf Paraffin gemalten, geritzten, eingeriebenen, eingearbeiteten Bilder Heike Jeschonneks prägten den Abend – einen langen, hinausgezögerten Vorsommerabend.

Ich gehe zur Eröffnung der Ausstellung.

Unterwegs, an der Ecke Obentrautstraße/Mehringdamm fragt mich eine Touristin auf Englisch: „Entschuldigung, ich weiß nicht, wohin ich gehen soll. Was würden Sie mir raten?“

„Gehen Sie mit mir!  Ich sehe doch, Sie interessieren sich für Kunst.“ Und so gehen wir zusammen hin. Ich erzähle von meiner Heimat Kreuzberg, sie erzählt von ihrer Heimat Tel Aviv. Wir gehen zur Eröffnung der Ausstellung in der Galerie Tammen und Partner in der Hedemannstr. 14 / Ecke Friedrichstr. in Kreuzberg.

Ich treffe viele Bekannte und Freunde, stelle ihnen meine neue Bekannte vor und lerne selbst einige neue Bekannte kennen, führe Gespräche über Städte, Bilder, Menschen und mit einer Finnin über „die wahren Finnen“.

Ich mag dieses Würfelspiel aus Bildern, Gesichtern und Gesprächen, typisch für die bunte treibende Berliner Kunstszene.

Aber am besten hat mir heute doch gefallen, dass ein unbekannter Mensch, der aus Israel nach Berlin gekommen war, mich gefragt hat: „Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll. Was würden Sie mir raten?“ Dieses Vertrauen, das ich darin spüre, war ein riesiges Geschenk!

Es gibt so viel Negativität im Leben und auf der Welt. Terry Eagleton ist – nach seinem Buch zu urteilen – überzeugt, dass aufs Ganze gesehen die negativen Aspekte in der Weltgeschichte bisher bei weitem überwiegen. Sonach gibt es keinen endgültigen Trost für Hiob. Bisher!

Dennoch schließe ich den heutigen Tag mit der überwältigenden Bilanz ab: es gibt hier in Kreuzberg, in meinem Umfeld, deutlich mehr Vertrauen als Misstrauen, deutlich mehr Gutes als Schlechtes, deutlich mehr Liebe und Zuneigung als Neid und Misstrauen. Es tut mir leid für alle Philosophen der Negativität, für all die Schopenhauers, Adornos, Žižeks und Habermas‘.

Wir sind keine Gespenster, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die einander im Guten zugetan sind.

Die Evidenz des Guten, das ich erfahre, überwiegt  noch den wortreichsten Versuch, mich vom Gegenteil zu überzeugen.

Immer wieder wird mir dann entgegnet: „Ja, aber: Auschwitz! Gulag! Hiroshima! Srebrenica!“  Darauf erwidere ich: Der Riesenunterschied zwischen Auschwitz und heute ist: Ich persönlich habe diesen heutigen Tag erfahren. Von Auschwitz habe ich nur gehört und gelesen. Es ist vergangen. Der heutige Tag, das Jetzt gibt den Ausschlag.

Bild: „Gespenster“ von Heike Jeschonnek.

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Überwiegt das Gute oder das Schlimme in deinem Leben?

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Apr. 292011
 

Of course there is love as well as war, laughter as well as howling, joy as well as torture. But have these two sets of features, positive and negative, really balanced out in the account book of human history to date? The answer is surely no. On the contrary …

Freunde, was würdet ihr auf diese Frage Terry Eagletons antworten? Ich las diese Frage heute Vormittag. Bitte eine rationale Begründung eurer Antwort!

Am besten fangen wir bei uns selbst an. Jede möge sich fragen: Was überwiegt in meinem Leben? Das Böse oder das Gute?

Zitat:
Terry Eagleton: On Evil. Yale University Press, New Haven and London 2010, Seite 146

Bild: der hier schreibende, geigende Blogger im Hof

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Simca 1200. Oder: Doppelt so viel Ressourcenverbrauch = doppelt so viel Lebensglück?

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Apr. 142011
 
Tolles Spiel gestern auf Schalke mit Schalke gegen Inter! Raúl, der den genialen Pass zum entscheidenden 2:1 auf  Höwedes zauberte, hat einmal erzählt , wie sein Vater, ein Elektriker, ihn im Simca 1200 von einem dürftigen Außenbezirk Madrids zum Training der Nachwuchskicker  von Atletico Madrid chauffierte. Lest:

L‘ anti-bamboccione Raul ha scoperto interessi nuovi: si è appassionato all‘ hockey su ghiaccio e al jazz; ha riscoperto sensazioni antiche, proletarie, di quando suo padre Pedro, elettricista, lo accompagnava, con la Simca 1200, dal povero barrio a sud di Madrid agli allenamenti della cantera dell‘ Atletico Madrid (Corriere della sera, 13 Aprile 2011, p. 35).

Der SIMCA 1200 – schaut euch das tolle Bild dieses Gefährts hier an! Das waren Zeiten! Wir hatten damals,  als ich noch den Simca 1200 herumgondeln sah, kein Auto. Ich dachte: Das mussten aber reiche Leute sein, die sich einen Simca 1200 leisten konnten!

Als Kind lebte ich im Jahr 1970 mit beiden Eltern und drei Geschwistern auf 90 qm in einem Häuschen.  Heute lebe ich mit meiner Familie zu dritt auf etwa ebensoviel Wohnfläche. Wer damals den Simca 1200 fuhr, fährt heute vielleicht einen 5 Jahre alten BMW 320 d. Der BMW ist vielleicht dreimal so schwer wie der Simca 1200, kostet in heutigem Geldwert drei Mal so viel, bietet drei Mal so viel Platz und geht drei Mal so selten kaputt.

Merkwürdig: Wir Deutschen haben insgesamt im Durchschnitt heute etwa doppelt so viel Wohnraum zur Verfügung wie 1970. Die Energieeffizienz der Gebäude ist andererseits auf etwa das Doppelte gestiegen. Dank gestiegener Ansprüche der Menschen ist der Gewinn höherer Effizienz komplett wettgemacht. Japaner leben auf viel weniger Raum als wir. Sind sie unglücklicher?

Würden wir unsere Ansprüche an Komfort und Ressourcenverbrauch einschränken, wären wir dann unglücklicher?

Wäre Raúl der brillante Techniker geworden, der er ist, wenn sein Vater einen BMW 320d gefahren hätte? Wäre er gestern abend so glücklich gewesen? Ich glaube es nicht. Es hätte ihm der letzte Ansporn gefehlt.

Ein Schritt zum Umweltschutz ist sicherlich auch eine bescheidenere Lebensführung.  Unglücklicher wird man nicht, wenn man das Auto öfters mal stehen lässt und 5 km zur Arbeit radelt.

Unser Foto zeigt einen Wagen am Potsdamer Platz, der etwa so schwer sein dürfte wie der Simca 1200 von Raúls Vater Pedro … aber viel weniger Benzin verbraucht. Warum? Schaut genau hin!

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„Er freut sich wie ein Schneekönig!“

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März 162011
 

13032011428.jpg „Ich habe mich gefreut wie ein Schneekönig!“, rief ich kürzlich aus, als ich Rückschau auf einen geselligen Abend hielt.

Nicht alle kennen diese Redewendung: „Ich freue mich wie ein Schneekönig.“ Was steckt dahinter?

Antwort: der Zaunkönig, der Frühsinger! Da der Zaunkönig bereits im Januar zu singen anfängt, wenn die anderen Singvögel noch verzagt und beklommen den Schnabel halten, wird er im Volksmund auch Schneekönig genannt. Sein unermüdliches Tschilpen nehmen die Menschen als Ausdruck großer, unbändiger Freude. Von daher stammt die Redewendung: „Er freut sich wie ein Schneekönig.“

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„Das Eismeer der Stille“

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Dez. 202010
 

Stifters Bergkristall erinnert mich an das eine oder andere Bild von Caspar David Friedrich, so etwa „Das Eismeer“ oder „Winterlandschaft mit Kirche“. Gibt es unter uns Deutschen noch Menschen, die Stifters durch und durch bildnerische Prosa mit den Ohren lesen können? Gibt es noch Menschen, die die Schönheit der deutschen Sprache mit allen Sinnen aufsaugen?  Gibt es noch Lehrer, die es wagen, ihre Schüler mit dem Erlebnis der Stille zu beeindrucken?

Ja. Ich weiß es. Zu den besten Erlebnissen unserer Elternkarriere an einer Kreuzberger Grundschule zähle ich es, als die Schulleiterin bei einem unserer Konzerte die Kinder aufforderte, einen Augenblick innezuhalten und die Stille zu hören – und … es gelang!

Hört hier einen solchen Augenblick bei Adalbert Stifter:

Aber es war rings um sie nichts als das blendende Weiß, überall das Weiß, das aber selber nur einen immer kleineren Kreis um sie zog und dann in einen lichten, streifenweise niederfallenden Nebel überging, der jedes Weitere verzehrte und verhüllte Und zuletzt nichts anderes war als der unersättlich niederfallende Schnee.

„Warte, Sanna“, sagte der Knabe, „wir wollen ein wenig stehen bleiben und horchen, ob wir nicht etwas hören können, was sich im Tale meldet, sei es nun ein Hund oder eine Glocke oder die Mühle, oder sei es ein Ruf, der sich hören läßt, hören müssen wir etwas, und dann werden wir wissen, wohin wir zu gehen haben.“

Sie blieben nun stehen, aber sie hörten nichts. Sie blieben noch ein wenig länger stehen, aber es meldete sich nichts, es war nicht ein einziger Laut, auch nicht der leiseste außer ihrem Atem zu vernehmen, ja in der Stille, die herrschte, war es, als sollten sie den Schnee hören, der auf ihre Wimpern fiel. Die Voraussage der Großmutter hatte sich noch immer nicht erfüllt, der Wind war nicht gekommen, ja was in diesen Gegenden selten ist, nicht das leiseste Lüftchen rührte sich an dem ganzen Himmel.

Es genügt, sich einige weitere dieser Gemälde vor Augen zu führen, und man wird die kantige, die grobkörnige Sprachmusik Adalbert Stifters buchstäblich vor den Augen emporwachsen sehen. Hört etwa folgende Stelle:

Projekt Gutenberg-DE
So weit die Augen der Kinder reichen konnten, war lauter Eis. Es standen Spitzen und Unebenheiten und Schollen empor wie lauter furchtbares, überschneites Eis. Statt ein Wall zu sein, über den man hinübergehen könnte und der dann wieder von Schnee abgelöst wurde, wie sie sich unten dachten, stiegen aus der Wölbung neue Wände von Eis empor, geborsten und geklüftet, mit unzähligen blauen geschlängelten Linien versehen, und hinter ihnen waren wieder solche Wände, und hinter diesen wieder solche, bis der Schneefall das Weitere mit seinem Grau verdeckte. „Sanna, da können wir nicht gehen“, sagte der Knabe.

„Nein“, antwortete die Schwester.

„Da werden wir wieder umkehren und anderswo hinabzukommen suchen.“

„Ja, Konrad.“

Die Kinder versuchten nun von dem Eiswalle wieder da hinabzukommen, wo sie hinaufgeklettert waren, aber sie kamen nicht hinab. Es war lauter Eis, als hätten sie die Richtung, in der sie gekommen waren, verfehlt.

Wer so etwas miterlebt hat, der wird den Glauben an unsere Kinder immer wieder finden.

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Vom Hacken-des-Holzes-Glück

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Nov. 282010
 

28112010094.jpg Einen herrlichen klirrend kalten ersten Advent verbrachten wir heute im Norden! Die S-Bahn führte uns nach Frohnau, dort entbot ich in der Johannes-Kirche meinen Gruß an die Gemeinde. Wir wanderten weiter, besichtigten das buddhistische Haus. Im Meditationsraum stimmte ich dreimal das Om an. „Ihr Buddhisten kommt ja uns Christen in vielem nahe“, zollte ich einmal einem befreundeten Buddhisten meine Hochachtung. Wir sprachen über die Bedeutung des leeren Grabs des auferstandenen Jesus. Niemand hat Gott je gesehen. „Die Buddhisten suchen das Göttliche in der Erleuchtung von innen. Die Christen suchen das Göttliche im Gegenüber, sie suchen den auferstandenen Jesus im Dienst am Nächsten“, fasste ich meine kindlich schlichte Sichtweise zusammen. „Und so behaupten in beiden Religionen das gute Miteinander, der schiedliche Ausgleich eine herausragende Stellung“, pflichtete mir mein buddhistischer Freund bei.

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An einem Zelt in der Bieselheide unmittelbar hinter dem Künstlerhof Frohnau rasteten unsere Familien. Es war kalt. Die Kinder hatten Hunger und Durst.  Wir entzündeten ein kleines Feuer, um uns zu wärmen. Kälte, Hunger, Durst, körperliche Anstrengung, die Segnung des gebändigten Feuers, das Hacken des Holzes – diese Urerfahrungen können und sollen auch Kinder in Maßen mindestens einmal machen dürfen.

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Wir spielten Fangen. Es gab reichlich Gelächter und ich wurde immer wieder gefoppt und genarrt, redete mich aber auf meine schweren Schuhe hinaus.

Weiter ging’s stracks zu Fuß auf einem neu hergerichteten Stück des Berliner Mauerwegs, vorbei an dem ehemaligen Wachtturm, der jetzt der Deutschen Waldjugend als Erlebnisraum dient.

Ich sang den Kindern ein paar Wald- und Wiesenlieder in deutscher Sprache vor, lernte erneut das russische Volkslied von der Heuschrecke, deren Lebensrecht leider von einem Frosch nicht geachtet wird.

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Der prächtige neue, herrlich warme Doppeldeckerbus der BVG brachte uns nach vierstündiger Wanderung hart am Gefrierpunkt zurück an den S-Bahnhof Frohnau.

Herzlichen Dank an alle Mitwanderer, vor allem an Vladimir, der mit so großer Sorgfalt erneut eine so vortreffliche Route zusammengestellt hat!

 Posted by at 22:40