Feb. 242009
 

Wir berichteten im vorigen Eintrag über die Doppelmoral bei den hiesigen Debatten über die Bildungspolitik. Wie sieht es im Bereich Gesundheitspolitik und im Bereich Basisdemokratie aus? Was man alles so im Lokalblättchen Tagesspiegel liest – lässt einen doch den Kopf schütteln. Denn –

Der Konflikt um die Drogenszene am Kottbusser Tor spitzt sich politisch zu: Die Bewohner eines Hauses in der Kottbusser Straße sind empört, weil sie über einen Bericht im Tagesspiegel erfahren haben, dass Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) einen Drogenkonsumraum in ihrem Haus einrichten will. Im unteren Stockwerk des ehemals besetzten Hauses werden demnächst die Betreiber eines kurdischen Cafés ausziehen – laut Schulz „der ideale Raum“ als Anlaufstelle für Drogenabhängige in Aussteigerprogrammen.

Wenn das so wäre, dass unser Bürgermeister über die Köpfe von allen Betroffenen hinweg einfach mal so einen Raum als Fixerstübli requiriert, dann wären unsere guten Grünen in Kreuzberg ja schlimmer als die bösen Schwarzen in Bayern! Dann wäre ihnen die satte Mehrheit, die sie eingefahren haben, nicht gut bekommen. Dann bräche eine Welt zusammen!

Wertvoll scheint mir der Hinweis auf den Görlitzer Park. Das Heimatblatt berichtet:

„Im Görlitzer Park und am Gleisdreieck stehen ehemalige Bahnhofsgelände leer, warum kann denn da nicht eine Lösung mit medizinischer Versorgung gefunden werden?“, fragt er. Doch Togrulca weiß, dass am „Görli“ der Bürgermeister höchstpersönlich wohnt.

Dort konnte ich in der Tat ein reges Treiben und Handeln mit gesuchten Stoffen immer wieder beobachten. Wäre es nicht im Sinne einer ökologisch verantwortlichen  „Politik der kurzen Wege“, wenn Dealer und Verbraucher eng zusammenrückten und auch das wohlwollende Auge des nahebei wohnenden Bürgermeisters jederzeit auf ihnen ruhte? Die so gewonnenen Erfahrungen ließen sich dann sofort wieder zurückspeisen in einen fruchtbaren Lernzyklus Verwaltung – Bürger – internationale Investoren.

Zweite Frage: Hat jemand mit den Kranken gesprochen? Denn Drogensüchtige sind Kranke. Man sollte ihnen nicht einfach  eine Lösung vor die Nase setzen, sondern erst einmal mit ihnen reden und alles besprechen. Dann sollte man mit den Anwohnern, den Vätern, Müttern und Kindern, alles bereden und besprechen. Dann auch mit den Handeltreibenden, die den wertvollen Stoff unermüdlich heranschaffen: Ist die Stelle mit öffentlichen Verkehrsmitteln Tag und Nacht gut erreichbar? Ist der Weg zum nächsten Polizierevier auch weit genug entfernt, damit eventuelle Meinungsverschiedenheiten basisdemokratisch und selbstverwaltet beigelegt werden können und keine Ruhestörungen durch die geballte Macht des Staates drohen?

Grün gegen Grün: Ärger für Kreuzbergs Bürgermeister
Einer der Eigentümer im GbR-Haus ist aktiv bei der „Bürgerinitiative Kottbusser Tor“ – für den Bürgermeister ein Argument, um die Hausbewohner in die Enge zu treiben: „Wenn diese Leute den fehlenden Fixerraum beklagen, dann müssen sie auch prüfen, ob ihre eigenen Gewerberäume infrage kommen“, sagt Schulz. Der Angesprochene ist Hasan Togrulca, ein Kreuzberger Vater mit zwei Kindern, der sich seit einigen Wochen der Bürgerinitiative angeschlossen hat. „Unser Hauptanliegen ist doch nicht eine neue Fixerstube“, sagt Togrulca, „das ist keine Lösung.“ Er bietet Bürgermeister Schulz eine Führung am Kotti an, um ihm zu zeigen, wie die bittere Realität aussieht. „Spritzen und Urin, überall.“ Togrulca ist enttäuscht vom Bürgermeister, der offenbar nicht bereit ist, hier eine Lösung zu finden und stattdessen eine Fixerstube in einem Mehrfamilienhaus einrichten will.

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Es lohnt sich

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Feb. 182009
 

17022009.jpg Am 04.11.2008 hatte ich in diesem Blog über einen ersten Besuch im Ausschuss Umwelt, Wohnen, Verkehr der BVV Friedrichshain-Kreuzberg berichtet – damals als reiner Zuschauer. Ein Besuch mit Folgen! Denn eines der dort aufgeschnappten Themen – die Marchlewskistraße – fütterte ich in die laufende Arbeit der ADFC-Stadtteilgruppe ein. Gestern durfte ich als Gast im Namen des ADFC im BVV-Ausschuss vortragen. Ich erläuterte die Vorschläge unserer Stadtteilgruppe zum Umbau der Marchlewskistraße.

Baustadträtin Kalepky hatte mich eingeladen und stellte mich vor. Mein Eindruck war, dass der Ausschuss sehr gerne unsere Anregungen aufnahm; jeder Beitrag von außerhalb des Gremiums ist offenbar hochwillkommen.

Klare Radverkehrsführung, sichere Trennung des Fuß- und Radverkehrs, genügend Raum für die Radfahrenden, ausreichende Abstellmöglichkeiten – das waren die Hauptaspekte, die ich hervorhob. Diese Themen sind es, die uns eigentlich immer auf den Nägeln brennen – auch bei anderen Planungsvorhaben.

Etwa 10 Minuten sprach ich, dann stellte Ausschussmitglied Mirko Assatzk von der Fraktion Die Linke seinen Antrag, dass die Vorschläge des ADFC weitgehend übernommen werden sollten. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Das Bezirksamt wird uns weiterhin konsultieren. Ein Erfolg für unsere Gruppe – aber auch ein Beweis dafür, dass es sich lohnt, wenn Bürger sich zusammenschließen und ihre Wünsche in die demokratischen Gremien hineintragen!

Was mich wunderte: Kein einziger Zuhörer von außerhalb der BVV hatte sich eingefunden – frech und ungeniert, wie ich mich damals im November „eingeschlichen“ hatte. Dabei sind die Sitzungen öffentlich! Es ist doch interessant, was da verhandelt wird – Demokratie zum Miterleben!

Arbeitslose, Rentnerinnen, Rentner, – wo steckt ihr? Ihr könntet doch als Zuhörer hingehen und dann einen Bericht schreiben, etwa für eine Obdachlosenzeitung wie die motz. Es lohnt sich, wenn man sich selber kleine Aufgaben stellt.

Unser Foto zeigt einen Eindruck von unserem neuen Schulweg zur Dessauer Straße, aufgenommen gestern.

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Feb. 162009
 

Erstmals am 01.10.2007 berichteten wir über die Kreuzberger Fanny-Hensel-Schule, lobten sie wegen ihrer klaren Sprache, ihres informativen Internetauftritts. Ab heute sind wir dabei! Darüber freuen wir uns. Wir haben unser Kind nach dem ersten Halbjahr aus dem verpflichtenden Ganztagsbetrieb einer anderen Schule herausgenommen und kommen nun doch noch wie gewünscht in unserer Kiezschule unter.

Damit habe ich allen Bezirkspolitikern schon etwas voraus! Denn keiner unserer Bezirkspolitiker schickt seine Kinder hier im Bezirk in die Grundschule. Ein Armutszeugnis, wie ich finde, – nicht für den Bezirk, sondern für die Politiker.  Sie befolgen somit die Ratschläge unseres Bürgermeisters Wowereit, der ja ebenfalls seine Kinder – so er welche hätte – nicht nach Kreuzberg schicken würde. Mit einer solchen Haltung befördert man das weitere Auseinanderdriften von Bevölkerungsteilen.

Die ganze Schule atmet einen freundlichen Geist, der einen sofort umfängt, wenn man dort eintritt: Überall wird gegrüßt, keiner hastet, keiner schimpft. Das gilt für alle – für Lehrer, Schüler, für Mitarbeiter, Eltern. Sensationell, vorbildlich! So muss es laufen, davon bin ich fest überzeugt. So klappt es.

Heute sprachen wir eine Lehrerin an, sie gab uns bereitwillig Auskunft. Plötzlich bückte sie sich während des Gesprächs – was war geschehen? Aha, sie hatte ein Papierchen entdeckt, das auf dem Boden lag, und hob es sofort auf.

Nachher fiel mir ein: Das muss die Null-Toleranz-Politik sein, sofort jede Verschmutzung, jeden Müll zu entfernen. Jeder fühlt sich offenbar für die Schule verantwortlich, und deswegen habe ich auch im ganzen Schulhaus keinen Schmutz, keine Unordnung, keine Schmierereien gesehen. Alles ist hell, in munteren Farben gehalten, überall laden gestaltete Ecken und Pauseninseln zum Verweilen ein.

Und das beste: Heute hat es dick geschneit – wir konnten mit dem Schlitten zur Schule fahren!

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Feb. 142009
 

13022009008.jpg Wie erwartet: Die Besichtigung des Bethanien gestern war nicht lustig, aber aufschlussreich. Besonders zu empfehlen: Das genaue Studium der aktuellen Wandinschriften im weithin gerühmten Südflügel des Gebäudes. Es ist ein Gebäude, das sich im Eigentum des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg befindet. Und was lesen wir denn da? Hier eine Kostprobe:

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Wir entziffern: Underground Ratmole: Anarchieordnung

Und darunter:

Wir entziffern: Freiheit

Aha. Der „Untergrund-Rattenmaulwurf“ verlangt die Anarchieordnung. Das soll wohl die Losung für das neue soziokulturelle Zentrum werden, das der Bezirk hier einrichtet. Aber wird die türkisch-arabische Bevölkerungsmehrheit im Kiez mit dieser Losung einverstanden sein? Zweifel sind angebracht. Wie die meisten Besatzungstruppen, scheinen auch die Besatzer des Bethanien-Südflügels keinerlei Interesse an den Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung zu haben.

Wie aber sieht die so ersehnte Freiheit nach den Vorstellungen der Besatzungstruppen im Südflügel aus? Die Antwort kann man jederzeit auf einem ganzen Quadratmeter darüber nachlesen. Im Südflügel. Im Bethanien. Wir entziffern getreulich, was wir gestern lasen:

ihr kriegt uns hier nicht raus, das ist unser HAUS, schmeißt doch endlich Schmidt, Merkel, Stoiber, Ströbele, THIERSE, FISCHER, WESTERWELLE und TRITTIN aus DEUTSCHLAND RAUS

(Großschreibung lt. Original)

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Mit den Besatzungstruppen, vertreten durch den Verein Druschba e.V., die solche Vorsätze auf ihre Zimmerwände schreiben, hat unser Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg soeben einen gültigen Mietvertrag geschlossen. Die Besatzer des Bethanien sinnen also ganz offen auf eine große Säuberungswelle, die DEUTSCHLAND endlich von den Vertretern des verhassten „Systems“ befreien soll. Das ist ihre Vorstellung von Freiheit.

Man kann die Ideale der Bethanien-Besatzer auch so formulieren: „Wir nehmen uns die Freiheit, euch jene Freiheit zu nehmen, die ihr uns gegeben habt. Wir werden uns diese Freiheit weiter nehmen. Dann seid ihr dran, endgültig.“ Ihr mutmaßliches Ziel: Ein Deutschland ganz in ihrer Hand. Schaut euch doch genau die Graffiti an, die das Gebäude nahtlos innen und außen bedecken. Wichtig: Man muss Englisch und Deutsch können, um sie zu verstehen.

Das ehemalige Diakonissenkrankenhaus Bethanien im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gleicht heute einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt, in der einige sich selbst einliefernde, schwerst wahngestörte Patienten die Macht ergriffen haben und nun mit dem Klinikpersonal – den Ärzten, Betreuern und Schwestern aus dem Bezirksamt – darüber verhandeln, ob die Rollen vertauscht werden sollen nach dem Motto: „Ihr fliegt raus – wir bleiben!“

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Mir wurde gestern eines klar: Der Bezirk spielt, seit die Besatzer 2005 in den Südflügel einmarschierten, den Biedermann, der die „Brandstifter“, die  in Gestalt der Druschba-Besatzungstruppen auftreten, vertraglich beschwichtigen oder „einbinden“ will. Druschba heißt ja Freundschaft! Und wer mit diesen freundschaftlichen Besatzern Verträge schließt, sollte auch das Großgeschriebene zur Kenntnis nehmen: Die geplante Vertreibung der verhassten deutschen Funktionselite quer durch alle Parteien – nebenbei einschließlich unserer bürgerlichen Mehrheitspartei im Bezirk – Die Grünen.

Die Schrift ist an der Wand, man muss sie nur zur Kenntnis nehmen.

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Die erste Vertreibung haben die freundschaftlichen Besatzungstruppen bereits erreicht. Das Künstlerhaus Bethanien, einer der wichtigen Mieter dieses bezirkseigenen Gebäudes, verlässt in diesem Jahr das Haus. Nicht ohne noch einen höchst freundschaftlichen Fußtritt vom Vermieter in Gestalt einer doppelt bis dreifach erhöhten Miete zu erhalten.

Wird die Musikschule folgen und ebenfalls vertrieben werden? Ein hoffnungsvoller Anfang ist gemacht! Man darf gespannt sein, wie lange der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Besatzungsregime noch unterstützen wird.

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Zur Vertiefung des Hintergrunds empfehle ich, im Archiv der Berliner Zeitung das Stichwort „Bethanien“ einzugeben. Dann tauchen nämlich die zugehörigen Artikel nicht in zeitlicher Ordnung auf. Man wird dann, wenn man das Datum der Veröffentlichung einmal beiseite lässt, das ganze lustige, labyrinthisch wuselnde Katz-und-Maus-Spiel, in dem das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sich schon seit 2005 zum Narren halten lässt,  wunderbar nachvollziehen. Dazu reicht es aus, die Überschriften nachzulesen. Hier nur einige wenige:

„Ein garstiges Allerlei“ – „Alles auf Anfang“ – „Nase voll von den Besetzern und der Politik“

Alle Fotos zeigen das ehemalige Diakonissenkrankenhaus  Bethanien am gestrigen Tage. Der frühere Zustand ist derzeit noch in der Wikipedia unter Bethanien (Berlin) zu betrachten.

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Was ist los im Krankenhaus Bethanien?

 Aus unserem Leben, Friedrichshain-Kreuzberg, Geige  Kommentare deaktiviert für Was ist los im Krankenhaus Bethanien?
Feb. 132009
 

Es war im Bethanien … Mein erstes Probespiel als Geiger absolvierte ich in diesem ehemaligen Diakonissenkrankenhaus beim Salonorchester Die Berliner Stadtmusikanten im Jahre 1987 für den anspruchsvollen Posten des Sologeigers – und gewann es. Von Stund an war ich neben meinem Literatur- und Philosophiestudium an der FU Tanzgeiger und verdiente mir ein hübsches Zubrot auf allerlei Bürgerfesten, Feiern und Tanzveranstaltungen. Zu unserem Repertoire gehörten unvergessliche Perlen wie die Tritsch-Tratsch-Polka, die Petersburger Schlittenfahrt, Es war in Schöneberg …, aber auch der Freischütz auf 30 Minuten eingedampft. Und meine herrliche Studentenzeit wurde dadurch verlängert!  Wir probten immer – im Bethanien!

Gar nicht so lustig, vielmehr völlig verfahren – buchstäblich krank – erscheint heute die Lage im ehemaligen Diakonissenkrankenhaus. Werde da heute mal zum Treff mit Kandidatin Vera Lengsfeld und dem Herrn Tannert hingehen und versuchen, mehr zu erfahren. Hier als Einstimmung ein Bericht aus der WELT vom 24.01.2009:

Bezirk verdoppelt Künstlern die Miete – DIE WELT – WELT ONLINE
Die Besetzung des Bethanienhauses in Kreuzberg geht weiter. Aber es sind nicht länger die linken Aktivisten, die vor dreieinhalb Jahren in den Südflügel des ehemaligen Krankenhauses am Mariannenplatz einstiegen und seither die Räume nutzten. Mit ihnen hat der Bezirk vergangene Woche einen Mietvertrag abgeschlossen. Für 1500 Quadratmeter soll der Verein Druschba, der die Besetzer vertritt, 8900 Euro monatlich aufbringen.

Aber jetzt hat der renommierteste Mieter, das Künstlerhaus Bethanien, „Mietboykott“ angekündigt. „Wir machen es wie die Besetzer“, sagte Künstlerhaus-Geschäftsführer Christoph Tannert: „Wir werden nicht bezahlen.“

Damit eskaliert der Streit zwischen dem Bezirksamt und der Kultureinrichtung, die internationalen Künstlern Ateliers bietet und anspruchsvolle Ausstellungen zeigt. Denn der Bezirk hat dem Künstlerhaus zum Jahresanfang die Miete nahezu verdoppelt. Statt 16 000 Euro warm soll Tannert nun 31 000 Euro bezahlen. „Das können wir nicht, wir sind Zuwendungsempfänger des Senats“, so der Geschäftsführer. Tannert nennt die neue Forderung des Bezirks den „Höhepunkt in 30 Jahren Vernachlässigung“ für die Kultureinrichtung, die sich auch im grün-alternativen Kiez nicht scheut, sich zur Begabtenförderung zu bekennen.

Das Foto bietet einen Blick auf die Rückseite des Bethanien, im Blütenschimmer des April 2008.

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Zugpferd ackert weiter für verlängerte Lebensarbeitszeit

 Das Gute, Ey Alter, Friedrichshain-Kreuzberg, Grünes Gedankengut, Parteienwandel, Sozialstaat  Kommentare deaktiviert für Zugpferd ackert weiter für verlängerte Lebensarbeitszeit
Jan. 282009
 

Für einen auf dem Markt wirklich erfolgreichen Politiker halte ich Hans-Christian Ströbele. Er ist einer der ganz wenigen deutschen Politiker, die sich selbst einen hohen Markenwert erarbeitet haben, diesen bewusst pflegen und immer wieder ins Gedächtnis rufen. Dazu gehört nicht zuletzt der rote Schal und ein kluges Gespür für den jeweiligen Brennpunkt der Kameras. Gegen ihn kann in Berlin bei den Grünen niemand ankommen. Also meldete sich gestern klugerweise bei der Nominierung auch kein Gegenkandidat. Und seine Partei? Der Berliner Kurier berichtet heute:

Liebling Kreuzberg – Berlin – Berliner Kurier
Seine Partei ist ihm dafür sehr dankbar, sieht ihn als Zugpferd in Berlins „grünstem Bezirk“, in dem sie den Bürgermeister stellt und zwei der fünf Stadtratsposten besetzt.

Bei der Nominierung gestern Abend im Haus der Demokratie gab es keinen Gegenkandidaten. Dort sollte Ströbele aufgestellt werden – knapp 830 Grünen-Mitglieder aus dem Wahlkreis 84 Friedrichshain-Kreuzberg / Prenzlauer Berg Ost waren wahlberechtigt.

Sind alle so begeistert von ihm? Nein – es gibt mindestens eine Frau, die ihm ganz öffentlich die Leviten lesen will. Wir zitierten ja bereits vor drei Tagen aus dem umfassenden „Sündenregister“, das die Direktkandidatin der Linken gerade erarbeitet, und das sie auch freundlicherweise ins Netz der Netze gestellt hat. Hier kommt des Sündenregisters zweiter Teil. Es liest – die Zeugin der Anklage Halina Wawzyniak:

Es wirdin diesem Wahlkampf darauf ankommen die Erinnerung an die Rot-Grüne
Regierungszeit wieder ins Gedächtnis zu rufen. Die Erinnerung daran, dass es
die Rot-Grüne Bundesregierung war, die völkerrechtswidrige Angriffskriege
wieder salonfähig gemacht hat und die Rot-Grüne Bundesregierung die Hartz IV –
Gesetze eingeführt hat um nur zwei Beispiel zu nennen.  Rot-Grün hat die Spaltung der Gesellschaft inArm und Reich massiv vorangetrieben und auch Hans Christian Ströbele hat diesen Kurs im Wesentlichen mitgetragen.[…]

Auch in dem wir Hans-Christian Ströbele immer daran erinnern, dass
er von der Grünen Partei im Wahlkreis aufgestellt worden ist. Er muss sich
deshalb auch die Kommunalpolitik der Grünen zurechnen lassen.
Und
deshalb muss man immer wieder betonen, dass man die Grünen dazu tragen musste,
endlich eine Lösung für das Problem Bethanien zu finden und an ihre
wechselvolle Position in der Frage des Spreeraums erinnern.

Wir halten fest: Als Haupteinwände gegen Ströbele formuliert die Kandidatin der Linken seinen Wankelmut, seine Zugehörigkeit zur Grünen Partei, die die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben habe, die Passivität der Grünen, die sich trotz ihres Zugpferdes zur Arbeit tragen lassen müssten, und die Unterstützung der Grünen bei völkerrechtswidrigen Angriffskriegen. Letztlich wirft sie ihm in einfachen Worten ungefähr vor: „Er ist überhaupt kein Linker, sondern er tut nur so. Eigentlich ist er nur ein ganz normaler Grüner.“

Ob diese Strategie aufgehen kann? Ist Ströbele kein Linker? Das wäre ja schrecklich in diesem so linken Wahlkreis! Dann müssten all die Linken jemand anderen wählen! Wer käme da in Frage? Großes Fragezeichen! Wir bleiben dran mit unserem Blog! Ich selbst - muss Hans-Christian Ströbele loben. Ich finde, es ist ihm hoch anzurechnen, dass er sich nicht aufs Altenteil abschieben lässt. Denn wir sollten uns alle darauf einstellen, dass wir länger und härter arbeiten müssen - gerade in Zeiten von Hartz IV. Ströbele liefert ein klares Bekenntnis zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit, zu den Grundsätzen, auf denen auch die Hartz-IV-Gesetzgebung beruht.  Und das ist gut.

 Posted by at 19:31
Nov. 042008
 

Einen anschaulichen Grundkurs in Kommunalpolitik gönnte ich mir heute abend: Öffentliche Sitzung des BVV-Ausschusses für Umwelt, Verkehr und Wohnen. Angesagt war zwar auch das Thema „Shared Space“, aber es wurde wegen der am nächsten Freitag stattfindenden Tagung der Böll-Stiftung verschoben. Um so mehr war ich auf die anderen Themen gespannt! Und siehe da: Bei der Besprechung von Umgestaltungsplänen für die Marchlewskistraße, die Wrangelstraße und bei der Erörterung des Bürgerinnenhaushalts kamen geradezu klassische Zielkonflikte der Kommunalpolitik zur Sprache: Soll man 12 Bäume in der Marchlewskistraße opfern, damit die Autos schön ordentlich in gleicher Ordnung parken können? Der Ausschuss votierte für die „Bestandsbäume“ – gegen eine Ausweitung der Stellflächen. Da war ich erleichtert! Denn Neupflanzungen können den Verlust eines stattlichen erwachsenen Baumes vorerst nicht wettmachen.

Alle Mitglieder arbeiteten in sachlicher Atmosphäre zusammen – ich ertappte mich dabei, bei den mir unbekannten Mitgliedern erraten zu wollen, welcher Partei sie angehörten. Die beiden jungen engagierten Damen – die gehörten sicherlich nicht der FDP an, dachte ich mir. (Was auch stimmte). Anhand der Kleidung, der Sprechweise, des Ost- oder Westberliner Akzents  meinte ich meist die Parteizugehörigkeit erkennen zu können. Werde das morgen mal im Internet nachprüfen.

Wenn meine Vermutungen zutreffen, würde das meine Behauptung stützen, dass die Berliner Parteien ihre Mitglieder fast ausschließlich über Gruppenzugehörigkeit werben. Politische Inhalte scheinen eine geringe Rolle zu spielen – in gewissen Kreisen würde man nie zur CDU gehen – und umgekehrt. Nie zur Linken – das schickt sich nicht! Das Schickliche tritt an die Stelle des Politischen.

Eine schlechte Überlebenschance hat die Pappel am Böcklerpark, die morgen gefällt wird. Wir haben zu viele Pappeln. Das sind Problembäume. Beim Bürgerhaus muss morgen diese Pappel gefällt werden wegen fortgeschrittener Holzzerstörung. Andernfalls wäre die Gefahr für die Menschen zu groß.

Überrascht war ich über die riesigen Summen, die für Geländereinigung ausgegeben werden müssen. Pro Woche werden die Flächen grundsätzlich 2 Mal gesäubert. Ein löblicher Verein „Stadt und Hund“ bietet an, Hundekottüten-Spendeautomaten aufzustellen. Gut so! Wir Eltern werden dankbar dafür sein.

Mein Fazit: So funktioniert Kommunalpolitik! In diesem Hin und her, diesem Abwägen widerstreitender Interessen wurde heute abend für mich Politik vom Wurzelgrund der Gemeinschaft her erfahrbar: sachlich abwägend, kundig Auskunft gebend. So klappt es.

 Posted by at 22:34
Okt. 172008
 

Liebe Blogger, gestern war ein guter Tag. Am Vormittag radelte ich mit Bezirks-Baustadträtin Jutta Kalepky und zwei Freunden aus dem ADFC durch unser heimatliches Friedrichshain-Kreuzberg. Ihr wisst ja: Fachgespräche als solche sind gut, aber Fachgespräche in Verbindung mit praktischen Erfahrungen in Berlins Straßenland sind noch besser. Eine gemütliche Kaffeerunde in einer Friedrichshainer Bäckerei beschloss die herbstliche Erkundungstour.

Der Höhepunkt folgte  am Abend. Der Bezirksrat des ADFC tagte. Alle Sprecher der verschiedenen Stadtteilgruppen treffen dort mit dem Landesvorstand  zusammen, stimmen sich ab, besprechen Strategien, tauschen Tipps aus. Auf der Tagesordnung stand auch die Wahl des Sprechers des Bezirksrates. Da musste ich ran! Ich liebe Wahlen – dieses leichte Kribbeln in den Handflächen! In meiner Bewerbungsrede hob ich hervor: „Ich sehe dieses Amt als Herausforderung. Viele Einzelmeinungen müssen abgestimmt werden. Nach außen müssen wir mit einer Stimme sprechen. Der Sprecher muss gegebenenfalls auch seine persönliche Meinung hintanstellen können. Mitglieder, Gremien, Landesvorstand, Bundesverband – wir müssen alle an einem Strang ziehen. Mein persönliches Herzensanliegen: Sicherheit im Straßenverkehr. “

Warnend fügte ich an: „Bedenkt: Ich bin erst seit Januar 2008 Mitglied! Wollt ihr so einen jungen Hupfer vorne hinstellen?“ Es nützte nichts. Sie wollten. Ich erhielt alle Stimmen. 100%. „Werd ich gleich nach Bayern kabeln. Bin aber nicht von der CSU.“ Na, da hab ich mich sehr gefreut. Und ein kühles Fläschchen Bocksbeutel von der Bundestagsabgeordneten Heidi Wright wartete nur darauf, von uns entkorkt zu werden. So geschah es. Ich mag die Frankenweine! Sehr sogar.

So übernehme ich also Verantwortung – nicht nur für die etwa 1000 ADFC-Mitglieder in meinem Heimatbezirk, sondern in gewisser Weise für alle bestehenden Stadtteilgruppen, für alle 12000 Berliner Mitglieder. Sehr gut!

Beschwingt radelte ich bei leichtem Nieselregen nachhause. Dort wartete bereits meine Theater-Prinzipalin auf mich. Sie heißt Ira. Denn heute werden wir wieder einmal Mozarts Zauberflöte aufführen, in Iras Kurzfassung für Marionettentheater. Diesmal in der Staatlichen Europaschule am Brandenburger Tor. Es gab zwei Durchlaufproben. Meine Prinzipalin war streng mit mir. Da musste ich durch. Aber ich liebe Mozart. Sehr sogar!

Unser Foto zeigt Papageno und Papagena, zwei Puppen aus unserer eigenen Herstellung.

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 Posted by at 07:21

Entschleunigt euch – auf der neuen Fahrradstraße

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Sep. 202008
 

20092008007.jpg Endlich ist es so weit: Die erste Fahrradstraße im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist heute eröffnet worden. Die Baustadträtin Jutta Kalepky erwies sich als sehr trittsicher und schwindelfrei: sie enthüllte die Verkehrszeichen, die deutlich sichtbar anzeigen: Hier beginnt ein Bereich, der den Radfahrern gewidmet ist. Kraftfahrzeuge von Anliegern sind hier weiterhin geduldet, sie müssen jedoch auf die Belange des Radverkehrs Rücksicht nehmen.

Mit Sohn Wanja kann ich bei einem solchen Ereignis nicht fehlen. Frau Kalepky hob in ihrer kurzen Ansprache hervor, dass diese Fahrradstraße ein erster Schritt sei – hin zu einer weiteren Entschleunigung des Verkehrs, zu einem besseren partnerschaftlichen Miteinander. Hätte ich nicht so viel fotografiert, hätte ich an dieser Stelle besonders laut geklatscht. Mit einigen Verkehrsexperten bespreche ich nach der Zerimonie die technischen Einzelheiten. Ich lerne, dass am Beginn einer solchen Fahrradstraße durch geschickte bauliche Mittel eine „Portalsituation“ geschaffen werden müsse. Das ist hier gelungen: durch Aufpflasterungen, durch kleine Inselchen an der Einmündung der Baerwaldstraße, durch gute Sichtbarkeit der Verkehrszeichen. Die Initiatoren des Projekts vom BUND verlangen in einer Presseerklärung bereits die Fortsetzung der Fahrradstraße vom Marheinekeplatz bis hin zum Mehringdamm.

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„BERGMANNstraße ist gut.“

 Friedrichshain-Kreuzberg, Nahe Räume  Kommentare deaktiviert für „BERGMANNstraße ist gut.“
Sep. 032008
 

Diesen Satz schrieb mir gestern Stefan Maria Rother als persönliche Widmung in unser Exemplar seines Buches: BERGMANNstraße. Wir besuchten die Präsentation des druckfrischen Fotobandes bei unseren Freunden im Fachwerkhof für Kunst und Handwerk in der Kreuzberger Solmsstraße 30. In diesem Hinterhof haben unsere Freunde Dietrich und Mariatta über Jahre hinweg eine Insel für Kunst und Handwerk geschaffen: Das alte Fachwerk wurde grundhaft saniert, Mauerwerk wieder aufgeführt, die alten Balken sind wieder an Ort und Stelle verlegt, die Fachwerkmauern stehen und bieten Raum für sechs kleine Läden und Galerien, ja sogar eine Sprachschule hat sich dort angesiedelt. So sah es gestern aus – im Gedränge der vielen freudigen Gäste:

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„Sie haben mit Ihren Fotos für die Bergmannstraße das gemacht gemacht, was Alfred Döblin damals, 1929, in Berlin Alexanderplatz für die Schönhauser Allee mit Worten gemacht hat: hingehen zu den Leuten, hineinschauen in ihre Köpfe und Gedanken … sie hervortreten lassen aus dem Nebel der Großstadt …“ Also redete ich bei der Vernissage den Fotografen Stefan Maria Rother an. Ihr wisst ja: Ich suche immer eine Brücke zu anderen Menschen – und aus dem Augenblick heraus fällt mir gerne auch die eine oder andere artige Nettigkeit ein.

Das Buch ist in der Tat eine Art Kettenerzählung von Menschen. Die meisten Bilder zeigen Menschen, zeigen Gesichter. Und das beste: Diese Gesichter sind nicht namenlos, sondern in kleinen Texten werden diese Menschen namentlich vorgestellt. Jede und jeder wird kurz an der Hand gefasst, für einen huschenden Augenblick ins Licht gehoben, wird gestärkt als Person und als Mensch. Mein Vater machte dies in meiner Kindheit auch mit unseren Fotoalben. Ein Textbeispiel aus dem Buch von Rother:

Cynthia Barcomis Kuchen sind einzigartig und ihr Team ist es auch: Cynthia Barcomi, Thomas Landgraf, Müzzeyen Tahtaci und Ebou Secka.

Das mag man belächeln. Ich halte es für eine große Geste der Menschlichkeit. Die Grundhaltung Rothers ist: In der Bergmannstraße tut sich viel Gutes! Handwerksbetriebe haben überlebt. Wer kennt noch einen echten Schuster? Hier gibt es ihn. Er heißt Sumer. Und noch einen, der Dietrich Specht heißt. Oder die Sängerin Snezana Nena Brzakovic , die ihre Stimmübungen weitergibt – oh Slawen, was habt Ihr doch für herrliche Organe! Ich kann ein Lied davon singen!

Vor wenigen Tagen stimmten wir ein Lied auf die alten Berliner Pflastersteine ein. Wohlan denn! Auch in diesem Buch werden sie ins Licht gerückt: Auf S. 33 erblickt man den herrlich verwitterten, körnig-aufgerauhten Straßenbelag in der Schenkendorfstraße, mit allen Schrunden und Zeit-Rissen aus der Froschperspektive aufgenommen, hinführend zur Bergmannstraße. Und gleich daneben dieselbe Ansicht, aber diesmal vom spiegelglatt polierten Dach eines Autos aufgenommen. Das Bodenhafte, Zeitzeugenhafte des Pflasters fehlt. Das Dach spiegelt sich, wird aufgespannt wie eine schimmernde Wasseroberfläche – ein großartiger Effekt! Allein deswegen lohnt sich das Betrachten dieses Buches schon!

Blättert man das Buch von vorne bis hinten durch, so vernimmt man geradezu hörbar eine Art psalmodierenden Lobgesang auf das Widerständig-Wurzelhafte im menschlichen Dasein. Die vielen Existenzen, die sich sozusagen in den Nischen der Moderne einen Platz geschaffen haben, eine Bucht zum Ankern, wo sie für einen bestimmten Zeitraum festgemacht sind – ehe sie, wer weiß, irgendwann weitertreiben werden. Geht man durch die Bergmannstraße heute, oder blättert man durch dieses Buch, wird man Zeuge dieses Innehaltens und Weitertreibens, dieser Aufstauung der Zeit – denn Fotos sind gebannte Augenblicke. Sie sind Kieselsteine, aus denen dich Augen ansehen – so wie diese Steingesichter Matthias Maßwigs , die ich gestern im Fachwerkhof entdeckte:

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Im Blog des Verlages Berlinstory ist unter dem 2. September 2008 sogar der hier Schreibende zu sehen – zusammen mit Weib und Kind.

Hier noch die Angaben zu dem gestern aus der Taufe gehobenen Buch:

Stefan Maria Rother: Bergmannstraße. 1. Auflage – Berlin: Berlin Story Verlag 2008

 Posted by at 21:39

Berlins CDU sieht sich teils als Volkspartei, teils als Milieupartei

 Bergmannstraße, Bundestagswahlen, Die Linke, Friedrichshain-Kreuzberg, Merkel, Parteienwandel, Populismus, Volk  Kommentare deaktiviert für Berlins CDU sieht sich teils als Volkspartei, teils als Milieupartei
Aug. 312008
 

28062008001.jpg Ein klares Bekenntnis zum Parteientyp „Volkspartei“ liefert Generalsekretär Frank Henkel in der heutigen Morgenpost in einem längeren, höchst lesenswerten Interview.

Interview mit Frank Henkel – Berliner CDU streitet über Jamaika-Kurs – Berlin – Berliner Morgenpost
Morgenpost Online: Gehen wir noch einmal auf den Ostteil der Stadt ein, wo die CDU besonders schwach ist. Kurth befürwortet wegen der wenigen Mitglieder einen Rückzug aus der Fläche und eine Konzentration auf einige Themen und wenige Wahlkreise. Ist das der richtige Ansatz?
Henkel: Es ist eine wahlkämpferische Binsenweisheit, dass man sich auf Potenzialgebiete konzentriert. Aber dabei geht es um konkreten Wahlkampf. Mein Ansatz ist klar, dass wir Politik für die gesamte Stadt machen. Wir sind Volkspartei. Deshalb wäre es töricht, einzelne Gebiete in der Stadt völlig aufzugeben. Es ist unsere Aufgabe, um jede Stimme zu kämpfen. Da ist es egal, ob im Norden, Süden, Osten oder Westen der Stadt.

Was heißt das: „Wir sind Volkspartei“?

Wir hatten auf den Spuren Ciceros in verschiedenen früheren Beiträgen den Typ „Volkspartei“  vom Typ „Elitepartei“ und „Milieupartei“ abzuheben versucht.

Milieuparteien richten sich vorrangig an bestimmte Wählergruppen, etwa die Arbeiter, die Eigenheimbesitzer, die Gewerbetreibenden, die Mieter, die Senioren, die Umweltbewegten usw.

Eine typische Aussage für eine Milieupartei reinsten Wassers ist die folgende: „Wir sind die bürgerliche Partei aus dem Westen. Wir dürfen dem linken Block nicht die Vorherrschaft überlassen!“ Kennzeichnend für Milieuparteien ist es, dass sie bei bestimmten Wählergruppen stark sind, während sie in anderen Wählerguppen oder gar in ganzen Stadtteilen wenig Zuspruch finden. Typisch für Milieuparteien ist ferner, dass Wähler und Gewählte einem einheitlichen Sozialtyp angehören. Die Wähler und die Abgeordneten einer solchen Partei ähneln einander. Man kann schon weitem erkennen: So sieht ein typischer Wähler der Partei X aus! Und genau so sieht ein typischer Abgeordneter der Partei X aus! Man wählt an der Wahlurne offenbar nach Haartracht, Kleidung, Sprache, nach einem bestimmten Tonfall in der Sprache, nach bestimmten leicht erkennbaren „Wahlsprüchen“. „Hie Welf! hie Weibling!“ – so erscholl es im Mittelalter im Ringen zwischern Welfen und Gibellinen. Heute erschallt der Ruf: „Hie links!“ „Hie bürgerlich!“

Stark auseinanderklaffende Wahlergebnisse bei verschiedenen Wählergruppen, in verschiedenen Bezirken für ein und dieselbe Partei sind Beleg dafür, dass die entsprechende Partei eine Milieupartei ist. Sie hat es nicht verstanden, sich als Volkspartei darzustellen, und folglich ist sie auch keine. So eine Milieupartei kann Volkspartei werden, wenn sie beständig und methodisch zielgerichtet lernt. Sie muss sich – wenn sie dies will – zu einer lernenden Partei wandeln. Sie kann es werden, wenn sie inhaltlich arbeitet und nicht Personalien ständig nach außen trägt. Sie kann Volkspartei werden, wenn sie klar und vernehmlich spricht. Und wenn sie ins Volk hineinhört und Anregungen aus verschiedenen Wählerschichten aufnimmt und produktiv in ein gemeinsames, nach vorne gerichtetes Leitbild einfließen lässt.

Je stärker hingegen eine solche Partei ihren Charakter als Milieupartei herausstreicht, desto weniger wird sie für andere Wählerschichten wählbar. Die Wahlergebnisse verharren mit geringen Ausschlägen auf einem Sockelniveau. Es ist schwer, vielleicht unmöglich, sich gleichzeitig als echte Milieupartei und als echte Volkspartei darzustellen. Eine solche Partei spräche beständig mit gespaltener Zunge. Die Wähler wüssten nicht, wofür sie eigentlich steht.

Eliteparteien hingegen richten sich an besser ausgebildete, wirtschaftlich besser abgesicherte Wähler. Bundesweit entspricht die FDP am ehesten diesem Typ, in Berlin sind es die Grünen und auch die FDP. Die Wählerschaft der Grünen in Berlin ist überdurchschnittlich gebildet, wirtschaftlich stärker als der Durchschnitt. Wir sprechen hier in Friedrichshain-Kreuzberg, im Bundestagswahlkreis 084,  von der „neuen bürgerlichen Mitte“, die ihren gemäßen Ausdruck in der Partei Die Grünen gefunden hat. Nicht zufällig konnten die Grünen hier auch ihr einziges Bundestags-Direktmandat erringen.

Echte Volksparteien können behaupten, für alle sozialen Schichten zu sprechen. Sie vertreten ein umfassendes Leitbild, dem im Grunde alle Bürger zustimmen könnten, wenn es denn gelänge, sie zu überzeugen. So hat sich die SPD etwa ab dem Godesberger Programm von 1959 von einer Milieupartei zu einer Volkspartei gewandelt. Um Volkspartei zu sein, sind Vertrauen und Glaubwürdigkeit unerlässlich. Glaubwürdigkeit entsteht, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg einprägsame, in sich stimmige Botschaften von klar erkennbaren Persönlichkeiten verkörpert werden und wenn die gesamte Partei mit denselben Botschaften an die Bevölkerung herantritt.

Ein solches Modell „Volkspartei“ vertritt in der Bundesrepublik beispielsweise die CDU auf Bundesebene mit dem Führungsduo Merkel/Pofalla. Man kann dies sehr klar auf den ersten Seiten des 2007 verabschiedeten neuen CDU-Grundsatzprogramms nachlesen. Bundeskanzlerin Merkel selbst verkörpert mit großem Geschick und mit größtem Erfolg den Politikertyp „Im Grunde wählbar für alle“. Ihre traumhaften Zustimmungswerte – sogar in anderen europäischen Ländern – bestätigen dies wieder und wieder. „Ich hab mein Leben lang SPD gewählt, aber das nächste Mal wähl ich Merkel.“ Solche typischen Aussagen kann man auf der Straße immer wieder hören. Merkel braucht freilich, um erfolgreich zu bleiben, eine Partei, die ebenfalls diesem Typ „im Grunde wählbar für alle“ entspricht. Sie bräuchte für sichere Mehrheiten im Bund eine starke Volkspartei in den Bundesländern als Widerpart und Unterstützerbasis. Denn direkt wählen kann man die Bundeskanzlerin nicht. Die Zusammensetzung des Bundestages wird schließlich über die Listen, die Parteien entschieden, nicht über einzelne Persönlichkeiten.

Die Partei Die Linke vertritt das Modell Volkspartei sehr erfolgreich in den östlichen Bundesländern und in der östlichen Hälfte Berlins.

Wie geht es weiter? Es bleibt spannend. Die Parteien wandeln sich. Es kommt darauf an, den Wandel aktiv voranzutreiben. Wer Wandel bewusst für sich gestaltet, statt ihn nur ohnmächtig zu erleiden, wird Vorteile herausarbeiten. Das gilt für den Arbeitsmarkt, es gilt aber auch für die Parteien.

Mach den Test! Geh durch eine Berliner Straße und entscheide: Welche Partei wählt wohl dieser oder jener Passant? Welche Partei würde sie oder er niemals wählen? Mach diese Übung ein paar Mal, und du weißt, welches Bild du von den Berliner Parteien hast. Vergleich dein Bild von den Parteien mit der Realität, indem du die Abgeordneten oder Mandatsträger der Parteien mit deinem Bild vergleichst. Über das Internet ist dies heute sehr leicht möglich. Stellst du Unterschiede fest? Welche? Bitte berichte uns von deinen Beobachtungen in diesem Blog! Wir wollen von dir lernen!

Unser heutiges Bild zeigt das Kreuzberger Volk in all seiner Buntheit. Aufgenommen am 28. Juni 2008 auf dem Bergmannstraßenfest. Dieses Volk will selbstverständlich von den Volksparteien umworben werden. Wie, mit welchen Mitteln? Was erkennst du auf dem Bild?

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Friedrichshain-Kreuzberg belegt Platz 1 bis 3 …

 Aus unserem Leben, Fahrrad, Friedrichshain-Kreuzberg, Gemeinschaft im Wort, Positive Kommunikation  Kommentare deaktiviert für Friedrichshain-Kreuzberg belegt Platz 1 bis 3 …
Juli 172008
 

… in der Statistik der gefährlichsten Kreuzungen Berlins. Der BZ kommt heute das Verdienst zu, die Liste der 100 gefährlichsten Kreuzungen abzudrucken, aufgeschlüsselt nach Unfall- und Verletztenzahlen. Auch die Unfallkosten werden bis auf den Euro genau ausgewiesen. Der flächenmäßig besonders kleine Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg führt diese Liste auf den Plätzen 1 bis 3 unangefochten an. Und unter den 12 unsichersten Knotenpunkten Berlins liegt immerhin ein sattes Drittel in unserem Bezirk.

Die 3 gefährlichsten Kreuzungen Berlins sind: Admiralstraße/Kottbusser Straße, Frankfurter Tor/Frankfurter Allee, Bevernstraße/Oberbaumstraße. Unfallkosten allein an diesen drei Stellen 2005-2007: 1515 Unfälle an diesen drei Kreuzungen kosteten 11.064.537 Euro – über 11 Millionen Euro!

Auch der gestern veröffentlichte Verkehrssicherheitsbericht 2008 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bietet keinen Anlass zur Entwarnung. Im Gegenteil: Die Zahl der Unfälle ist um 3,6% auf 124.919 gestiegen. In wünschenswerter Deutlichkeit liefert der Report eine Aufschlüsselung nach Unfallarten, Unfallbeteiligten, Schwer- und Leichtverletzten und Unfallverursachern.

Ergebnis: besonders gefährdet sind weiterhin Fußgänger und Radfahrer. Der Anteil der Radfahrer an den Schwerverletzten ist noch einmal auf nunmehr 27% gestiegen.

Als die beiden maßgeblichen Unfallursachen werden auf S. 10 wörtlich angegeben

bei Radfahrern „Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr“ und „Benutzen falscher Fahrbahnteile“ (häufig betrifft Letzteres das Befahren von Radwegen in falscher Richtung oder von nicht für Radfahrer frei gegebenen Gehwegen)

Auch dieser Befund ist nicht neu: Nicht im „Längsverkehr“, also nicht dann, wenn die Radfahrer ordnungsgemäß auf den Straßen oder den Radwegen fahren, sondern beim „Einfädeln“ und Abbiegen sowie auch beim Befahren von Gehwegen und Radwegen in falscher Richtung geraten Radfahrer in statistisch besonders relevante Gefährdungslagen. Hauptursachen: mangelnde Sichtbeziehung zwischen KFZ und Radfahrer, Unachtsamkeit, Falschfahren.

Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Die steigenden Unfallzahlen und die vielen Verletzten dürfen niemanden ruhen lassen. Der Verkehrssicherheitsbericht fordert eine stärkere Bündelung und eine Erhöhung der Anstrengungen. Auf S. 17 nennt er dazu 4 Schwerpunkte der Maßnahmen:

Mobilitäts- und Verkehrserziehung im (Vor-)Schulbereich, Aktionstage/-wochen, „Events“, Medien

Diese vier Handlungsfelder überlappen einander teilweise. Ich meine: Alle Akteure sind aufgerufen, Hand in Hand zu arbeiten. Mein Motto: Sicherer Straßenverkehr gelingt gemeinsam.
Am Schluss des Berichts ist die Berliner Charta für die Verkehrssicherheit abgedruckt. Ein vorbildliches Dokument, das der Umsetzung harrt! Es wird getragen von einem breiten Bündnis. Dazu zählen neben Berliner Behörden auch namhafte freie Träger, wie etwa der ACE, ADAC, BUND, FUSS e.V., BVG, Verkehrsclub Deutschland (VCD).

Sicherer Straßenverkehr gelingt gemeinsam.

Um etwas Erfreuliches zu zeigen: Das Foto zeigt unser Tandem, mit dem ich meinen Sohn täglich zur Kita bringe. Sicher. Gelassen. Fröhlich.

Das sind die 100 gefährlichsten Kreuzungen Berlins – BZ-Berlin.de

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Gebt Biermann eine Bleibe in Friedrichshain-Kreuzberg!

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Juli 122008
 

Wolf Biermann will wieder nach Berlin ziehen. Es ist eine gute Nachricht, die die Berliner Zeitung heute auf S. 21 bringt. Warum? Wie kaum ein Zweiter passt Biermann hierher. Er hat immer wieder bewiesen, dass er sich keinen Pfifferling um das schert, was andere ihm weismachen wollen. Er ist einer jener witzigen, unerschrockenen Ost-West-Querköpfe, deren unser Land wenige hat und mehr braucht. In welchen Berliner Bezirk passt er am besten? Hier muss die Antwort glasklar ausfallen. Es gibt nur einen einzigen echten Ost-West-Querschnittsbezirk in Berlin. Es ist Friedrichshain-Kreuzberg.

Leider haben Biermann und seine Frau Pamela ihre Suche auf die nicht so geeigneten Bezirke konzentriert:

„Am liebsten wäre mir ein Haus, bei dem vorne die Elbe und hinten die Spree vorbeifließt.“ Bislang haben die Biermanns in Charlottenburg, Wilmersdorf und Mitte ein solches Haus gesucht. Schmargendorf wäre auch nicht schlecht, findet Frau Biermann.

Aber das ist noch nicht alles. Wir haben in einigen Regionen in Kreuzberg schon jetzt soviele Migranten wie andere große Städte sie erst in 30 oder 40 Jahren haben werden. Der PKW-Bestand je tausend Einwohner liegt schon jetzt weit unter dem Bundesdurchschnitt. Die Weichen für eine sanftere, nachhaltige Mobilität werden also jetzt gestellt. Eine neue bürgerliche Mitte mit vielen Akademikern, vielen Kindern hat sich zu den alteingesessenen Türken und Arabern und den waschechten Urberlinern gesellt. Noch leben diese Gruppen irgendwie nebeneinander her. Aber wir kommen zunehmend miteinander ins Gespräch. Großstadt gelingt gemeinsam. Sie kann Heimat sein. Dafür stehen Künstler wie Biermann. Er hat immer wieder Berliner Symbole besungen, vom preußischen Adler bis zur Berliner Mauer. Er ist in diesem Sinne ein Dichter, der Heimat schafft. Nirgendwo passt er besser hin als nach Friedrichshain-Kreuzberg.

Aber nicht nur die Bezirke, die Berliner Parteien werden sich jetzt natürlich auch die Finger ablecken nach diesem so politisch denkenden Ehrenbürger der Stadt Berlin. So ein Mann zieht natürlich. Leider hat er es sich auf seine bekannt unverblümte Art mit einigen Parteien schon verdorben. Schade, oder: macht nichts. Es gibt ja noch andere. Es lohnt sich, in der heutigen Berliner Zeitung nachzulesen, was er für drahtharfige Töne gegenüber den ehemaligen Parteien der Arbeiterbewegung gefunden hat. 2001 schrieb er zur SPD-PDS-Koalition:

„Aus meiner Sicht ist der eigentliche Skandal dabei: Die bankrotten sozialdemokratischen Apparatschiks halten den Erben der DDR-Nomenklatura den Steigbügel, weil sie selber um jeden Preis Hoppe-Hoppe-Reiter spielen wollen. In welcher irrationalen Not sind also solche Parteierotiker, dass sie bei ihrem perversen Machtspiel sich mit totalitären Verwesern ins Koalitionsbett legen müssen, also mit SED- und MfS-Kadern, die das kaum getrocknete Blut ihrer Opfer noch am Ärmel haben.“

Also, verehrter Wolf Biermann: Ziehen Sie doch bitte nach Friedrichshain-Kreuzberg. Wir haben ein herrlich grünes Bezirksamt, herrlich grüne Häuser am Wasser in Stralau. Ein echtes Paradies uff Erden. Sie können die rot-rote Koalition vergessen. Der Bezirk braucht Sie.

Wohnung gesucht – Berliner Zeitung

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