Kreuzberg bleibt überregional interessant

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Juli 022008
 

Auch die überregionale Presse berichtet weiterhin über das, was in unserem heimatlichen Kreuzberg vor sich geht.  Lest diesen Artikel in der Welt, vergleicht ihn mit dem, was ich selbst am 27.06. berichtet habe. Macht euch ein Bild!

Wo in Kreuzberg die Toleranz aufhört – DIE WELT – WELT ONLINE

Auffallend: Auch hier bemängelt der Verfasser, dass die so heftig gescholtenen Bezirkspolitiker nicht zu Worte kamen.-

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Juni 302008
 

Der einzige direkt gewählte Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hans-Christian Ströbele, nimmt nun ebenfalls zum Kreuzberger Schulstreit Stellung. Er vertritt den Bundestagswahlkreis 084 Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost. Wahlergebnis 2005: Grüne: 21,8% , Ströbele: 43,3% . Das Interview im Tagesspiegel von heute zeigt, warum er in unserem Wahlkreis bei der letzten Bundestagswahl doppelt soviele Stimmen erhielt wie die Partei, die ihn aufgestellt hat: Er verbiegt sich einfach nicht, argumentiert immer wieder quer zu den Parteilinien – und er bleibt dadurch hochgradig erkennbar. Ströbele ist Ströbele. Das verleiht ihm eine hohe Glaubwürdigkeit. Zu Recht oder Unrecht? Die Mehrheit der Kommentare im Online-Tagesspiegel von heute meint offenbar: zu Unrecht. Wenn dem Bundestagsabgeordneten Ströbele die Politik der Grünen nicht passt, dann sagt er das vernehmlich und ohne die üblichen diplomatischen Klauseln. So war es damals bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr unter Außenminister Joschka Fischer, so ist es jetzt beim massiven Elternprotest gegen die grüne Bildungspolitik im Bezirk. So kritisiert er auch offen den Umgang der Grünen mit „mediaspree versenken“. Zitat Ströbele:

„Vieles von dem, was die Initiative „Mediaspree versenken“ will, ist richtig. Selbstkritisch muss ich eingestehen, dass viele von uns, die jetzt kritisch sind, sich lange leider um diese brachliegenden Flächen zu wenig gekümmert und auch gar nicht daran geglaubt haben, dass da mal was draus werden könnte.“

Die Wähler wollen das, sie wollen einfach keine braven Parteisoldaten mehr, sondern aufrechte Kämpen. Menschen, die hinhören können. Die es schaffen, Glaubwürdigkeit weit über die Grenzen der eigenen Partei auszustrahlen. Aber lest selbst den Ausschnitt aus dem Interview:

Frage: Einige Eltern sagen, sie würden bleiben, wenn sie eine evangelische Privatschule gründen könnten. Das wurde ihnen bislang von Ihrer Grünen-Kollegin, der Bildungsstadträtin, Monika Herrmann, verwehrt.

Ströbele: „Ich unterstütze die Gründung dieser Schule. Das kann für einige der Ausweg sein.“

Es ist, als wollte er sagen: „Ich kämpfe für meine politischen Überzeugungen. Am meisten davon glaube ich bei den Grünen durchsetzen zu können.“ Welche Eigenschaften müsste eine Direktkandidatin mitbringen, die gegen Ströbele im Bundestagswahlkreis 084 antreten wollte? Wie könnte sie – oder ein männlicher Direktkandidat – sich gegen die „Marke Ströbele“ durchsetzen? Antwort: Sie oder er müsste dieselbe klare Erkennbarkeit mitbringen. Einen Politikstil verkörpern, der die Leute anspricht. Nicht Ströbele kopieren. Aber Aussagen machen, in denen sich die Mehrheit der Wähler wiederfindet. Klar ausdrücken, dass man nicht aus Rücksicht auf die Parteilinie sich wieder und wieder verbiegt. Werden die anderen Parteien so jemanden finden? 2009 wird doch wieder der Bundestag gewählt, die Kandidatensuche ist wahrscheinlich schon im Gange. Tritt Ströbele wieder an?
Die Botschaft eines erfolgreichen Direktkandidaten muss sein: Erst kommt das, was gut ist für das Land. Danach schauen wir, mit welcher Partei wir das bewirken können. Nicht umgekehrt! Denn: Keine Partei hat immer recht.

Aber: Man muss nicht – wie Ströbele – auf einem über 10 Jahre alten Fahrrad durch den Wahlkreis ziehen. Es darf auch ein neueres Modell sein – sofern mit Muskelkraft betrieben.

Lies das ganze Interview:

„Wegziehen wäre falsch“

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Egoismus der Gene, oder: Das Kreuz mit den Kreuzberger Schulen

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Juni 272008
 

Bewegte Debatten kennzeichneten gestern das Treffen der Eltern in der Kreuzberger Passionskirche. Die Bänke waren gut gefüllt mit vielen Eltern, Lehrerinnen, Schulleiterinnen und Journalisten. Fehlanzeige: die Politik. Kein einziger Vertreter aus der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksverwaltung, der BVV oder aus dem Berliner Senat ergriff das Wort. Den Politikerinnen – das wurde gestern deutlich – wird gar nichts mehr zugetraut. Der Tagesspiegel meldete gestern: Kein einziger Politiker der BVV-Fraktionen schickt sein Kind auf eine Kreuzberger Grundschule. Das ist der Egoismus der Gene. Jeder will das beste für sich und seinen Nachwuchs. Wo waren gestern die Parteien, wo war das Bezirksamt, wo war die Opposition?

Anlass des Treffens: Hunderte von Eltern erhielten erst in diesen Tagen ihre Ablehnungsbescheide: die Kinder dürfen nicht auf die gewünschte Schule gehen. Gestern wieder einmal benannte Hauptprobleme der Kreuzberger Grundschulen: zu hoher Anteil von Kindern, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, deshalb Abwanderung von bildungsbewussten Familien. Daneben wurden gehäuft auftretende Vorfälle von Gewalt unter Kindern berichtet. Das Herkunftsland der Gewalttäter wurde offen ausgesprochen.

Weitverbreitet und selbst von den Behörden unter vier Augen empfohlen: Scheinummeldungen, also Täuschung der Behörden. Dadurch kommt man in den Einzugsbereich der gewünschten Grundschule. Die Abstimmung mit den Füßen läuft unvermindert weiter. Die weniger beliebten Restschulen werden in einen Abwärtsstrudel gerissen – Endstation: Schulschließung. So geschehen mit der Rosegger-Grundschule.

Was tun? Bezirksschulrätin Herrmann musste unter Druck ihre bisherige Ablehnung einer evangelischen Privatschule aufgeben. Laut Bericht auf gestriger Versammlung erklärte sie sich am Dienstag endlich einverstanden. Die evangelische Privatschule wird kommen, aber nicht zum kommenden Schuljahr. Hürden auf dem Weg zur Gründung einer neuen Schule: Lehrerknappheit und Mangel an geeigneten Gebäuden.

Den Politikern wurde gestern wiederholt und mit Bitterkeit vorgeworfen, das Problem nicht aktiv anzugehen, sondern auszusitzen. „Kreuzbergs Schulen werden vom Senat kaputtgespart. Wir brauchen mehr Lehrkräfte, mehr Sprachförderung im Grundschulbereich“, rief ein empörter Elternvertreter.

Es herrschte eine insgesamt zwischen Ratlosigkeit, Empörung, Zuversicht und Entschlossenheit schwankende Atmosphäre. Niemand ergriff wirklich beherzt das Wort: „Wir leben hier in diesem Bezirk, wir stehen in der Verantwortung. Gemeinsam schaffen wir es. Was können wir zusammen tun?“

In derselben Nacht stellte Altkanzler Schmidt im Fernsehen bei einer Preisverleihung den bemerkenswerten Satz an den Schluss seiner Rede: Salus publica suprema lex. Zu Deutsch: Das Gemeinwohl soll oberster Grundsatz unseres politischen Handelns sein. Der Mann gefällt mir, und ich halte ihn immer noch für einen der besten Redner unter den lebenden deutschen Politikern. Acta sequantur! Taten müssen folgen.

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Juni 262008
 

Mit meiner ADFC-Stadtteilgruppe unternahm ich am 21. Juni 2008 eine halbtägige Rundfahrt durch den Bezirksteil Friedrichshain.

Die Route führte von dem bunten Band der East Side Gallery längs dem äußerst suggestiven Osthafengelände zum verträumten Ortskern von Alt-Stralau. Ich konnte es nicht lassen, ich musste ein Bad in der Stralauer Bucht nehmen, am Übergang, da wo Schlick und Schlamm aus Jahrzehnten industrieller Fertigung sich mit dem anflutenden Spreewasser vermengen! Beim Herausklettern aus dem schlickgetränkten Gestade riss ich mir das Knie blutig – meine Taufe mit Stralauer Spreewasser! Das war die Stelle:

Tom, danke für die Fotoverwendungsrechte! „Wohnen am Wasser“, dieses Motto der neuen Bürgerlichkeit stand im Kontrast zu einer Demonstration unter dem kämpferischen Motto „Wir bleiben“ in der Nähe des Boxhagener Platzes. Sogar einen echten Bundestagsabgeordneten könnt ihr auf diesem Bild entdecken!


Die Karl-Marx-Allee wiederum verweist auf die Verflechtung von Architektur und Politik – eine echte Absage an die nur funktionale Moderne. Erfahrbar wurde: Die moderne, vorsorgende Kommunalpolitik entfaltet sich im 19. Jahrhundert im ehemaligen Arbeiterviertel Friedrichshain – etwa durch den Märchenbrunnen. Der ist Volksbelustigung pur!

Einen nachdenklichen Schlusspunkt setzte schließlich der Friedhof der Märzgefallenen im Volkspark. „Wissen wir eigentlich, was damals geschah?“, fragte eine Teilnehmerin. Ich finde: Die ganze Anlage mit den Gräbern der Aufständischen vom 18./19. März 1848 ist unserer modernen deutschen Demokratie unwürdig! Sie zählen zu den Ahnen unseres Grundgesetzes, sie forderten das, was erst 70 Jahre später Wirklichkeit wurde: eine parlamentarische Demokratie ohne feudales Oberhaupt! Sie haben Besseres verdient, als missachtet in irgendeinem Winkel hinzudämmern, zumal dies kein Mahnmal ist, sondern eine echte Gräberstätte. Sie bedarf einer sorgfältigen Pflege und Betreuung.

Ein Teilnehmer fasste so zusammen: „Vieles war neu für mich, manches war unbeschreiblich suggestiv, manches war einfach schön hässlich – aber alles immer lohnend, immer verlockend! Friedrichshain, das ist ja eine kleine Welt für sich. Hab ich so nicht gewusst. Danke für die hervorragende Vorbereitung und kundige Führung!“ Ich meine: Um mit der Realität einer Großstadt ins Gespräch zu kommen, gibt es kein besseres Mittel als eine Fahrradtour! Auf Dörfern oder im Gebirge sollte man zu Fuß wandern, aber unsere Berliner Bezirke sind zu groß, als dass man sie zu Fuß einigermaßen umfassend an einem halben Tag erwandern könnte. Fährt man aber mit dem Auto oder dem Bus, kriegt man einfach nichts mit und man kommt mit den Leuten nie und nimmer ins Gespräch.

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Kreuzberger Fluchtbewegung

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Juni 252008
 

Und wieder schlagen die Wogen hoch. Auch der Tagesspiegel greift jetzt das Thema auf, das unser Blog schon vor einigen Tagen auf die Tagesordnung setzte. Es geht um die Versammlung der entrüsteten Eltern am Donnerstag, morgen, in der Passionskirche. Sicher habe ich mich in die Nesseln gesetzt, als ich vergangene Woche in diesem Blog verlangte, auch das Bezirksschulamt solle eingeladen werden. Hallo Herr Mehr von der taz, bitte nicht böse sein! Ich vertrete die Meinung, wenn man Leute so heftig angreift, müssen sie im Saale sitzen. Zusammen mit Lehrern, Rektoren – und möglichst auch ein paar Schülern, die die Kreuzberger Schulen von innen her kennengelernt haben.

Gesprächsverweigerung und einseitige Vorwürfe bringen uns nicht weiter. Hepimiz insaniz!

Kreuzberger Fluchtbewegung

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Juni 212008
 

kberg_schule21062008044.jpg Die amtliche Ablehnung unseres Wunsches, unser Sohn möge auf der uns bekannten, in nächster Nähe gelegenen Grundschule aufgenommen werden, erreichte uns am 13. Juni 2008. Was sollen wir tun? Die Schule, auf die er gehen soll, liegt in einem türkisch-arabischen Sozialghetto, das wir von einigen Spielplatzbesuchen kennen. Es sind alles nette Kinder, die auch einigermaßen Deutsch sprechen können. Ich mag sie! Die Wohnblocks sind übersät mit Satellitenschüsseln. In einem Innenhof gibt es ein gescheitertes Ökoprojekt zur natürlichen Reinigung von Abwasser. Was sollen wir tun? Wegziehen, doch noch schnell eine andere Schule suchen, Widerspruch einlegen? Oder sollen wir uns bereiterklären, etwas zur besseren Durchmischung der Sozialmilieus zu tun, und unseren Sohn einer Schulpopulation mit über 40% Türken, 30% Libanesen und ein paar anderen Nationalitäten, darunter weniger als 10% mit Deutsch als Muttersprache,“zur Verfügung stellen“?
Doch so wie uns gibt es Hunderte! Beim Einkaufen am Samstag abend entdecke ich im Bioladen an der Ecke ein lustiges Plakat: „Sind Kreuzbergs Schulen noch zu retten?“ Beredt wird Klage geführt über Behördenwillkür und Elternfrust. „Es hagelt Ablehnungen von den wenigen Wunschschulen.“ Kreuzbergs Bürgermeister habe sein Kind auf eine freie Schule in einen anderen Bezirk geschickt, nur 5 von 12 Bezirksschulräten in Berlin hätten überhaupt eigene Kinder, keiner davon würde seine Kinder an eine Kreuzberger Schule schicken. Es gebe keine Elternwahl der Schule, die Familien würden auf unerträgliche Weise bevormundet, einem ideologischen Projekt würden die Kinder aus „bildungsinteressierten“, lernfördernden Familien geopfert usw. Schuleinzugsbereiche würden auf willkürliche Weise ohne Rücksicht auf gewachsene Sozialstrukturen und Nachbarschaften gezogen.
Als mögliche Auswege werden vorgeschlagen: aus dem Bezirk wegziehen, eine Scheinummeldung vornehmen, rasch doch noch eine freie Schule gründen, sowie Proteste einlegen gegen eine überforderte (oder unfähige?) Schulverwaltung.

kberg_schule_21062008043.jpg

Eine Versammlung wird hierzu stattfinden am 26. Juni 2008, 20 Uhr, in der Passionskirche am Marheinekeplatz. Ich würde da gerne hingehen! „Politiker und andere Ideologen“ sind dort laut dem Aufruf ausdrücklich unerwünscht. Letzteres halte ich für falsch! Wenn man den zuständigen Behörden und Politikerinnen derartig massiv Unfähigkeit und ideologische Verbohrtheit unterstellt, wie es die Autoren des Plakates tun, dann muss man den Angesprochenen auch die Möglichkeit geben sich zu rechtfertigen. Man sollte die Bezirksschulrätin Monika Herrmann einladen – ich werde dies selbst tun und nehme dafür gerne den geballten Unmut der Eltern auf mich!

Man sollte gemeinsam fragen: „Wie kann man die unhaltbare Situation noch retten? Was können wir gemeinsam tun?“ Ohne die Behörden, ohne die zuständige Bezirksstadträtin wird es kaum gehen.

Nach meinen Eindrücken sind die Frauen und Männer in der Bezirksschulverwaltung bemüht, die Lage nach Kräften zu bewältigen. Dass die Kreuzberger Bezirkspolitiker keine eigenen Kinder in Kreuzberger Schulen schicken, ist ihnen nicht zum Vorwurf zu machen. Alle Eltern suchen doch stets das Beste für den eigenen Nachwuchs! Nur wenige lieben die multikulturelle Welt so sehr, dass sie der Welt ihren eigenen Sohn opfern. Sollen die Kreuzberger Schulleiter denn die deutschen Kinder züchten?

Die Kreuzberger Lehrerinnen und Lehrer leisten aber nach allem, was ich höre, sehr engagiert und mit großem Geschick ihren Beitrag zum Heranwachsen einer neuen, multikulturell geprägten Gesellschaft, fühlen sich aber wohl oft alleingelassen; sie brauchen mehr konstruktive Mitarbeit von den Eltern, der Schulverwaltung und der Politik. Und wir wissen: Bereits jetzt stammt jedes zweite Kind unter drei in Berlin aus einem „Migrationshintergrund“ (z.B. auch mein zweiter Sohn), im Jahr 2020 werden in deutschen Großstädten zwei Drittel aller Kinder einen „Migrationshintergund“ haben, d.h. mindestens eines der Eltern wird Deutsch nicht als Muttersprache haben. Das ist ein Fakt. Wir haben in Kreuzberg die großartige Chance, hierfür brauchbare, überzeugende Modelle für den Rest des Landes mitzuentwickeln! So wie bisher kann es nicht weitergehen, das ist klar, die Politik konnte bisher kein gutes Modell entwickeln, um Eltern und Kinder aus allen Nationen auf den gemeinsamen Weg mitzunehmen. Müssen wir Eltern also die Politik mitnehmen? Wachrütteln? Erlösen?

Es geht aber doch! Wir haben erst kürzlich einen herrlichen Kindergeburtstag bei uns zuhause mit mehrheitlich türkischen Kindern, einem polnischen Kind, einem deutschen Kind und einem deutsch-russischen Kind gefeiert und dabei Lieder in diesen Sprachen gesungen!

Reinen Wein eingeschenkt hat uns das Schulamt allerdings nicht. Man hat uns viel zu lange hingehalten, so dass wir kaum mehr zeitgerecht reagieren können. Das war nicht OK.

 Posted by at 21:54

Kreuzberg mit dem Rad erfahren (1)

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Mai 142008
 

Die Kreuzberg-Tour hat es verdient, dass viele sie nacherlebend mitgenießen! Unsere ADFC-Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg machte sich am 26.04. frohgemut auf den Weg. Einige Mitglieder leben schon jahrzehntelang in Kreuzberg, kennen jeden Winkel. Andere sind neu hier, sind neugierig. Bei der Routenfindung und bei den Informationen entfaltet sich aufs allerschönste die Weisheit der Gruppe. Einen genauen Plan haben wir nicht im Kopf, aber einen ungefähren. Gut so! Von der Oberbaumbrücke aus fahren wir am Gröbenufer entlang.

subbotnik26042008.jpg Unser erstes Bild zeigt drei junge Litauer, die wir dort trafen. Sie hatten sich hier am Kreuzberger Ufer der Spree, mitten in Berlin, zu einem tatkräftig-fröhlichen Subbotnik zusammengefunden. Sie räumten den Müll und Unrat weg, den andere über Wochen hinweg achtlos weggeschmissen hatten. Im Hintergrund seht ihr die O2-Arena. Ab Herbst 2008 sollen dort Großereignisse aus Show, Sport und Musik für bis zu 17.000 Zuschauer steigen.

brommybrucke26042008001.jpg Dann erreichen wir die Brommystraße. Von hier führte früher die Brommybrücke hinüber nach Friedrichshain. Wir genießen den Blick die Spree hinauf zur Oberbaumbrücke, die heute die einzige Straßenverbindung zwischen den beiden Bezirksteilen darstellt. Soll man die Brommybrücke später auch für den Autoverkehr freigeben? Die meisten sind dagegen.

26042008006.jpg Vor der St.-Thomas-Kirche. Osman Kalin, der türkische Gärtner, hat hier für seine 16 Enkelkinder eine Bleibe samt üpppig sprießendem Gemüsegarten angelegt. Im Schutz der Berliner Mauer schuf er ein exterritoriales Gebiet. Geçekondu nennt man auf Türkisch illegal über Nacht gebaute Häuser am Rande der Stadt. Wer sich unter einem dieser selbst gefertigten Dächer am nächsten Morgen eine Tasse Tee kochte, durfte nach osmanischer Sitte nicht mehr verjagt werden. Ein kurzer Wortwechsel entspinnt sich zwischen uns und Osman: „Merhaba!“ „Merhaba, alles in Ordnung?“ „Ja, alles in Ordnung!“

freilichtkino.jpg Hinter dem Bethanien, einem ehemaligen Diakonissen-Krankenhaus, entfaltet sich schon die riesige Leinwand. Im Sommer gibt’s dort Freiluftkino. Entspannen und genießen ist dann angesagt. Das Bethanien ist heute ein Künstlerhaus. Auch die Kreuzberger Musikschule hat dort ihren Sitz und viele, viele Übezimmer!

(Rundfahrt wird fortgesetzt)

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Mai 092008
 

Wie weit ist Kreuzberg von Berlin entfernt? Mit dieser provokanten Frage eröffnete Thomas de Maizière am gestrigen Donnerstag sein Referat. Keine der üblichen Stammtischreden kündigte er an, sondern einen etwas abweichenden Einblick in die Praxis eines Politikers, der im engeren Sinne zum „Team Merkel“ gehört und als Leiter des Bundeskanzleramts gewissermaßen rechte Hand der Bundeskanzlerin ist. Ort: das Glashaus in der Kreuzberger Lindenstraße. Eingeladen hatten gemeinsam der CDU-Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg und dessen Ortsverband Oranienplatz. Wer aber geglaubt hatte, der Redner werde dem besonderen Flair, dem Sondercharakter unseres Bezirks achtungsvoll-mitleidig Tribut zollen und sich derart einschmeicheln, sah sich getäuscht: de Maizière stellte heraus und belegte durch Zahlen, dass Vielfalt, Unterschiede aller Art geradezu Kennzeichen der jetzigen Bundesrepublik seien. Im Klartext: Alle Gegenden sind irgendwie anders als die anderen – es gibt keine Sonderzonen, weder sind es die alternativen Spielwiesen noch die Hochburgen der Bürgerlichkeit. Kreuzberg, Dingolfing oder Dresden sind bei allen gewaltigen Unterschieden hinsichtlich Einkommen, Beschäftigungssituation und Lebensstil nichts anderes als Facetten eines unübersichtlicher, aber dadurch auch reicher gewordenen Landes.

Daraus ergeben sich aber auch Gefahren: der gesellschaftliche Zusammenhalt droht verlorenzugehen, wenn alle nur aus ihrer eigenen Sichtweise heraus urteilen und handeln. Die Bürger denken dann in Kategorien der Betroffenheit, die Politiker in solchen der Zuständigkeit. Dass ein Vater wegen eines schulischen Ärgers an die Bundeskanzlerin schreibt, zeigt, dass er sich betroffen fühlt, die Angeschriebene wird und darf aber darauf nicht selbst eingreifen: für Schule ist sie nicht zuständig. Aus dem Gegensatz von Betroffenheit und Zuständigkeit ergeben sich häufig Missverständnisse und Entfremdung zwischen der Politik und den Bürgern, zwischen „denen da oben“ und „denen hier unten“. Der Kanzleramtsminister warb leidenschaftlich für den „Blickwechsel“. Beide Seiten sind aufgerufen, sich jeweils in die andere hinzuversetzen. Gelingt dies nicht, drohen den Bürgern Politikerverdrossenheit, den Politikern der Verlust der Bodenhaftung, letztlich lauert gar Legitimitätsverlust.

Was heißt Politik? Geht es darum, bestimmte Vorstellungen davon, wie die Welt auszusehen habe, möglichst unverkürzt umzusetzen? Geht es darum, für das Gute zu kämpfen und des Schlechte zu besiegen? Oder ist es Kennzeichen guter Politik, unerschrocken große Reformvorhaben durchzusetzen und dem Land ein frisches Gesicht zu verleihen? De Maizière wies derartige Vorstellungen nicht rundheraus zurück, legte aber eindringlich dar, dass die Aufgabe der Politik meist darin bestehe, unterschiedliche, für sich genommen berechtigte Interessen in einen vertretbaren Ausgleich zu bringen. Dafür muss der Staat mit seinen Organen sorgen. Er hat das Gewaltmonopol, muss die Sicherheit der Bürger gewährleisten. In diesem Zusammenhang bekräftigte de Maizière, dass er die Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten für ebenso sinnvoll wie das Festhalten am BND, als einem geheim agierenden Nachrichtendienst, erachtet.

Politik besteht im Durcharbeiten verschiedener Sachprobleme, im vernünftigen Zusammenführen unterschiedlicher Perspektiven. Der berühmte große Wurf ist nur selten möglich. Als Beispiele dafür nannte de Maizière das Steuersystem und die Sozialversicherung. Ein grundlegender Systemwechsel oder auch nur eine durchgreifende Reform dieser Systeme sei derzeit nicht zu stemmen. Es gehe vielmehr um das Nachjustieren, um behutsame Eingriffe. Ziel sei es dabei, das Funktionieren des Ganzen zu sichern. Selbst vermeintlich einfache Fragen wie etwa Importerleichterungen für amerikanische Hühnchen scheiterten oft an unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie ein Hühnchen zu sein habe: das amerikanische Hühnchen scharrt in einer mikrobendurchsetzten Umwelt, um nach dem Keulen gründlich desinfiziert zu werden. Das europäische Federvieh wächst hygienischer auf, erfüllt aber nach dem Schlachten nicht die strengeren amerikanischen Vorschriften. Amerikaner und Europäer finden keine einvernehmliche Lösung, weil die Züchter sich gegen jeden Vorschlag wehren. Folge: Die Grenzen für Hühnchen werden dichtgemacht. Ist das richtig oder falsch? Wer hat nun recht? Wer ist das gute, wer das böse Hühnchen?

An diesen und anderen Beispielen machte de Maizière sehr anschaulich klar: Es geht in der Politik fast nie um Gut und Böse, ja nicht einmal um Recht und Unrecht, sondern um das beharrliche Zusammenbringen, das Vermitteln unterschiedlicher Seiten und Sichtweisen. Gute Politik besteht also darin, diesen Prozess der Mediation, der Vermittlung zu einem solchen Abschluss zu bringen, dass die Interessen aller Beteiligten auf vertretbare Weise gewahrt bleiben.

Alle diese Thesen unterlegte de Maizière mit einer Fülle an Beispielen aus unterschiedlichen Politikfeldern. Er lieferte eine beeindruckende tour d’horizon quer durch die verschiedenen Baustellen der Politik aus der Sicht eines zentralen Akteurs.

Kennzeichnend für den geschilderten Politikstil sind eine pragmatische, unideologische Grundhaltung sowie Einsicht in das derzeit Mehrheitsfähige und Machbare: „Man sollte nur für das kämpfen, wofür eine Erfolgsaussicht besteht.“ Ich bemerkte: Sprachlich schlägt sich dies in klaren, kurzen Sätzen, angereichert mit Beispielen aus der Praxis nieder. Ich dachte: Ja, wenn nur alle so redeten, wären wir schon weiter!

Der vollständige Verzicht auf gängige Modeworte fiel mir ebenso angenehm auf. Der Sprechzettel des Ministers glänzte durch das Fehlen einiger Hieb- und Stichworte, ohne die der übliche Stammtisch der verschiedensten Parteien meist nicht auskommt! Vier dieser auffallenden Lücken – also Worte, auf die er verzichtete – seien hier gleich angeführt:

„Partei“. Wenn ich mich nicht täusche, kamen politische Parteien in diesem doch grundsätzlich angelegten Referat nicht oder nur am Rande vor. Dies fand ich besonders verblüffend! Die Parteien spielen im Konzert der politischen Kräfte offenbar nicht mehr die dominierende Rolle, die ihnen häufig zugeschrieben wird. Es war, als wollte de Maizière uns sagen: „Denkt an die dringenden Aufgaben, denkt an mögliche Lösungen, denkt nicht zuerst an die Partei.“ Vielleicht meinte er stillschweigend sogar: „Öffnet die Partei für Gesprächsangebote nach draußen, dann wird sie schon größeren Einfluss bekommen. Macht sie zur Plattform für die Diskussionen der gesellschaftlichen Interessen, dann wird sich auch ein schärferes Profil ergeben.“

„Reform.“ Scheint zu stark verbraucht, belastet zu sein durch übertriebene Anspruchshaltung. Oft hört man: „Diese Regierung ist angetreten mit dem Versprechen, das und das und das zu reformieren. Was ist daraus geworden?“ Der Minister schien da eher den Begriff „Vorhaben“ zu bevorzugen. Er erwähnte durchaus die großen übergreifenden Vorhaben der jetzigen Regierung – etwa den Klimaschutz, aber er vergaß nie aus den Augen, dass derartig große Ansätze in das tägliche kleinteilige Arbeiten eingefügt werden müssen.

„Zwänge einer großen Koalition.“ Wird bekanntlich häufig als Erklärung für gescheiterte Reformversuche hergenommen. Zwar sprach de Maizière durchaus von Sachzwängen, aber in keinem Fall verwendete er die bequeme Ausflucht: „Die anderen, also die SPD, lassen uns nicht.“ Wenn es nicht weitergeht – so schien er sagen zu wollen – stecken dahinter einander widerstreitende Interessen, die eben derzeit nicht unter einen Hut zu bringen sind. Beispiel: die Steuerfreiheit für Nachtarbeitszuschläge; dieser als solcher unerwünschte Subventionstatbestand lässt sich derzeit nicht gegen die Interessen des sowieso gering verdienenden Pflegepersonals abschaffen.

„Konservativ“, „links“, „bürgerlich“. Scheinen in der Politiksicht des Kanzleramtsministers eine äußerst geringe oder gar keine Rolle zu spielen. Diese veralteten Begriffe des Blockdenkens werden ersetzt durch wertfreie Fragen wie: „Wie ist der jetzige Zustand? Wer profitiert davon? Was ist schlecht daran? Was spricht dafür, was dagegen, diesen jetzigen Zustand zu ändern? Können wir die angestrebte Änderung durchsetzen?“

Und damit kommen wir zum zweiten Teil des Abends – zur freien Aussprache. Die Fragen an den Minister zielten ohne Umschweife auf die Themen, die besonders auf den Nägeln brennen. Zwei davon seien herausgegriffen:

1) „Wie sieht konservative Politik heute aus?“ Ich hatte den Eindruck, dass Herr de Maizière das vielbeschworene „Konservative“ nicht als den bestimmenden Grundzug einer erfolgreichen CDU ansieht. Er vertrat vielmehr die Meinung, dass ein emphatischer Begriff der Freiheit eher als das eigentlich unterscheidende Merkmal der CDU tragfähig sei. Freiheit verstanden als Gegenbegriff zur größtmöglichen Verteilungsgerechtigkeit, die letztlich nur zu einem üppigeren Staat führen müsse. Und der Staat, somit auch die Politiker, werde derzeit hoffnungslos mit Ansprüchen und Erwartungen überfrachtet.

2) „Wie können wir die nächsten Wahlen gewinnen?“ Hier legte de Maizière nahe: durch fleißige, glaubwürdige Arbeit an Sachproblemen. „Die Wahlkämpfe sind kurz“. Verunglimpfung des Gegners werde zwar mitunter von der Parteibasis gefordert, stoße aber die breiten Wählerschichten ab. Also verwende man besser keine Beleidigungen! Aber dem Wähler müsse klargemacht werden: Wenn ihr Merkel wollt, müsst ihr CDU wählen.

Und wieder einmal wurde die Frage aufgeworfen, warum die überragenden, eigentlich sensationellen Umfragewerte der Kanzlerin Merkel nicht der CDU zugute kämen. Nun, wir hatten genau diese Frage schon einmal in derselben Kneipe und auch in diesem Blog erörtert (siehe Eintrag am 23.11.2007). Hier hätte der Minister meiner Ansicht nach den von ihm vertretenen Politikstil durchaus als nachahmenswert empfehlen können. Er tat es nicht – aus Bescheidenheit?

Mein Versuch einer Bilanz: Wir hörten beeindruckende, mit Hintergrundwissen geradezu getränkte Analysen, vorgetragen mit großer Anschaulichkeit und auch erfrischendem Humor von einem der einflussreichsten Politiker dieser erfolgreichen Bundesregierung. Der von Minister de Maizière überzeugend vertretene Politikstil wird seit einigen Jahren vom Team um Kanzlerin Merkel mit großer Konsequenz in die Tat umgesetzt. In der Berliner Landespolitik hat dieser kooperative, über die alten Kämpfe hinausweisende Politikstil sicherlich an diesem Abend einige neue Freunde gewonnen. Ich selbst – war sowieso schon einer.

Nun gilt es nur noch, dem Minister de Maizière noch deutlicher all die schönen Seiten unseres Bezirks ebenso überzeugend vorzuführen. Es gibt auch bei uns noch viel Gutes zu entdecken, Herr Minister!

Unser Foto zeigt von links nach rechts: Dr. Wolfgang Wehrl, Kreisvorsitzender der CDU Friedrichshain-Kreuzberg, Kanzleramtsminister Dr. Thomas de Maizière, Kurt Wansner MdA. Foto veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Wehrl

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Von der Oberbaumbrücke zur Wolfsschlucht: durchs wilde Kreuzberg

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Apr. 252008
 

Ich fahre gerade im Geiste noch einmal die Punkte ab, auf die eine Radttour unsere ADFC-Stadtteilgruppe am Wochenende durch Kreuzberg führen soll. Gerade der Kreuzberg selbst steckt voller eingebetteter Geschichte: die Wolfsschlucht soll ja das schaurig-schöne Entsetzen wiederbeleben, dass man beim Anhören von Webers Freischütz empfinden mag. Und ich höre mir sogar noch einmal diese früher so beliebte Oper an. Heinrich Heine erwähnt, dass er überall die neuen Melodien hörte. Er klagt 1821 in seinem Zweyten Brief aus Berlin:

„Haben Sie noch nicht von Maria von Webers Freischütz gehört? Nein? Sie glücklicher! Wenn Sie vom Hallischen nach dem Oranienburger Thore und vom Brandenburger nach dem Königs-Thore, ja selbst wenn Sie vom Unterbaum nach dem Köpniker Tore gehen, hören Sie jetzt immer und ewig dieselbe Melodie, das Lied aller Lieder: den Jungfernkranz.“

Der Unterbaum, der lag ja meines Wissens in der Nähe der Charité. Riesige Baumstämme machten in früheren Jahrhunderten, als Berlin noch durch Festungsmauern umgeben war, die Spree an der Stadtgrenze nachts für Schiffe unpassierbar. Und der Oberbaum lag ungefähr an der Stelle der heutigen Oberbaumbrücke, die 1894-96 errichtet wurde. In den 90er Jahren, nach der Wiedervereinigung, wurde sie durch eine Stahlkonstruktion Santiago Calatravas ergänzt.

Grundgedanke der Radtour: Seit zwei Jahrhunderten ist der heute Kreuzberg genannte Stadtteil ganz wesentlich durch die „Randlage“, die Suche nach dem „Nicht-Etablierten“, dem „Nicht-Bürgerlichen“, eben dem „Anderen“ bestimmt. Alternative Kunst- und Lebensformen verleihen dem Bezirk somit ein ganz besonderes, anheimelnd-unheimliches Gepräge: von der Nacht- und Schauerromantik C.M. von Webers oder E.T.A. Hoffmanns über die Arbeiterbewegung der 20-er Jahre, die APO der 60/70er Jahre, die neuerdings in der „Rudi-Dutschke-Straße“ einen gemäßen Ausdruck finden soll, bis hin zu den jüngeren städtebaulichen IBA-Neuansätzen, etwa am Fränkelufer. Was ist draus geworden? Wie passt das alles zusammen? Es wird spannend! Und das Wetter wird auch mitspielen.

 Posted by at 00:04
Apr. 212008
 

filmaufnahmen_21042008.jpg 2 Wochen nachdem der weltweit gelesene Economist über unseren Bezirk berichtet hatte (dieses Blog war am 05.04.2008 dabei), richtet nun auch der aktuelle Spiegel (Nr. 17/21.04.2008) seinen Scheinwerfer auf unseren Ost-West-Bezirk. Auf S. 31 der gedruckten Ausgabe berichtet er von Eltern aus dem grün-alternativen Milieu, die derzeit versuchen, „eine private Schule zu gründen:

Die dafür zuständige Politikerin des Bezirks kommt ebenfalls von den Grünen, möchte die Kinder aber auf einer staatlichen Schule sehen, schon um den Ausländeranteil zu senken. Doch die Eltern sind nicht bereit, sich auf das Multikulti-Experiment einzulassen. Wenn ihnen der Bezirk keine eigene Schule erlaubt, werde man aus Kreuzberg wegziehen.“

Bereits letztes Jahr konnte man die Einzelheiten dieses Kulturkampfs um die Schule im Tagesspiegel nachlesen.

Wer aber ist die dafür zuständige „Politikerin des Bezirks“? Hierzu schlage ich eine vortreffliche Publikation auf, die ich mir heute kostenlos aus dem Bürgeramt im Rathaus Kreuzberg geholt habe: die Bezirksbroschüre „Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Bezirk mit vielen Gesichtern. 2007/2008“. Ein Brevier über unseren Bezirk, das alle wichtigen Adressen enthält, ein buntes Panorama all der Gruppen und Vereine bietet, die unserem Bezirk seinen unvergleichlichen Charme verleihen. Daneben wird unser Bezirksamt sehr übersichlich und nachvollziehbar dargestellt. Sehr gut aufgemacht, das Heft sollte in keiner Friedrichshain-Kreuzberger Privatbibliothek fehlen! Die im Spiegel leider nicht namentlich erwähnte Bezirkspolitikerin heißt – so lese ich auf S. 70 der Broschüre – Monika Herrmann, sie hat Politische Wissenschaften studiert und ihr Hobby ist – Kommunalpolitik. Sie amtiert als „Bezirksstadträtin für Jugend, Familie und Schule“. Sind diese Ämter für Bezirksstadträtinnen also nebenamtlich, oder ist das ein falscher Schluss?

Das Wandkartenproblem habe ich heute ebenfalls zum Teil gelöst: In der Buchhandlung Anagramm am Mehringdamm erstand ich für 10.70 Euro die „Karte von Berlin. Friedrichshain-Kreuzberg“, herausgegeben vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin. Ein vortreffliches Werk im Maßstab 1:10 000, das unter anderem auch Bundesstraßen, Hauptverkehrsstraßen und Nebenstraßen gesondert ausweist – beste Grundlage also für Gespräche mit Behörden! Als ich den Plan entfaltete, fiel mir gleich das Wort des Aristoteles über seine Heimatstadt Athen ein – er sagte nämlich, nur in einer Polis, die der Größe nach „eusynoptos“, also übersichtlich sei, könne sich echte Demokratie im Sinne eines fraglosen Zugehörigkeitsgefühls und im Geiste der Freundschaft entfalten. Die Großreiche waren ihm verdächtig – sein Schüler Alexander hat den Meister in vollem Umfang bestätigt, denn in seinem Weltreich konnte von Demokratie nicht einmal im Ansatz mehr die Rede sein. Und unser Bezirk ist kartographisch wahrhaftig überschaubar – beste Voraussetzungen für gelebte Demokratie! Nebenbei: mit rund 263.00 Einwohnern ist er etwa so volkreich wie der Stadtstaat Athen zur Zeit des Aristoteles.

Mehr Demokratie mahnt auch die Initiative ICAT zum Erhalt des Flughafens Tempelhof in der heutigen Wurfsendung in einer unsterblichen Formulierung an:

„Die Politik hat sich in eine Argumentation verrannt, aus der sie jetzt keinen Ausweg mehr weiß“.

Berlins erster Volksentscheid soll also „die Politik“ aus ihrer Unfähigkeit erlösen! Ein kluger Schachzug, so zu argumentieren. Denn politikverdrossen sind wir irgendwie ja alle, da tut es nur gut, es denen da oben mal so richtig zu zeigen. Auch der Spiegel bringt diese Woche auf S. 50 ein paar interessante Betrachtungen zur Blüte des Volksentscheids. Ich selbst vermute deshalb, dass der Volksentscheid am Sonntag zu einem Erfolg, einem numerisch knappen Erfolg der Befürworter der Offenhaltung führen wird, und zwar aus dem Grunde, weil die ICAT gerade in diesen Tagen kommunikativ geschickter, unübersehbar weit besser agiert als die Gegner, deren dröge Anti-Haltung kaum einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken kann. Die ICAT spielt in diesen Tagen die Karte der direkten, partizipativen, aufsässigen „Wir-sind-die -Bürger-Haltung“ aus, wählt frische, starke Farben, und vor allem: sie formuliert ihre Aussagen stets positiv, nach vorwärts gerichtet. Klug auch: Sie haut nicht mehr auf den Regierenden Bürgermeister Wowereit ein, sondern auf „die Politik“; das sind rote Teppiche für noch alle unentschlossenen SPD-Wähler. Das sind die Trümpfe, die bei einer derart diffusen Mal-hü-mal-hott-Argumentationslage, wie sie sich jahrzehntelang und parteiübergreifend über dem Flughafen Tempelhof zusammengebraut hat, vermutlich den Ausschlag geben.

Unser heute geschossenes Bild zeigt Filmaufnahmen am Potsdamer Platz, und zwar an einer Stelle, die leider gerade nicht mehr zum Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gehört, aber nur50 Meter von da beginnt schon unser Gebiet. Auch bei uns werden oft Filme gedreht – meist vom Leben selbst!

 

 

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März 142008
 

 

Kam gestern spät nachhause von der Gründungsversammlung der ADFC-Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg. Lebhafte Beteiligung, einige sehr angenehme Menschen lernte ich neu kennen. Jede und jeder hatte etwas Wesentliches beizusteuern. Besonders gefreut hat mich, dass auch ADFC-Mitglieder aus anderen Stadtteilen kamen. Und Friedrichshain war so gut vertreten wie Kreuzberg. So wachsen die Bezirkshälften zusammen.

„Wir wollen größtmögliche Offenheit und Teilhabe, ein gutes, freundschaftliches Auskommen aller Verkehrsteilnehmer, und nicht zuletzt wollen wir auch Freude am Fahrradfahren vermitteln. Facharbeit mit den Bezirksbehörden und Präsenz vor Ort bei den Menschen ergänzen einander. Das eine kommt ohne das andere nicht aus“, äußerte ich mich. Tja, dagegen war kaum etwas einzuwenden. Deshalb wurde der hier schreibende Johannes Hampel einstimmig zum Sprecher gewählt. Als stellvertretenden Sprecher wählte die Versammlung Lars Schäfer.

Der ADFC hat im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg etwa eintausend Mitglieder. Aufgabe der Stadtteilgruppe ist es, als kompetenter Ansprechpartner für Politik und Verwaltung im Bezirk aufzutreten, ein fahrradfreundliches Klima zu fördern und vor Ort in Friedrichshain-Kreuzberg ganz allgemein die Interessen der Fahrradfahrer im Sinne des Gesamtverbandes ADFC zu vertreten.

Der ebenfalls neu gewählte stellvertretende Sprecher, Lars Schäfer, führte aus: „Der BVG-Streik in diesen Tagen ist ein willkommener Anlass, noch einmal die unübertroffenen Vorteile des Verkehrsmittels Fahrrad herauszustellen und die Streikfolgen für die Betroffenen erträglicher zu machen.“ Neuralgische Punkte in der Verkehrsführung stehen auf dem Aufgabenzettel der Stadtteilgruppe ebenso wie historisch-kulturelle Bezirkserkundungen per Rad. Das Motto dabei lautet: Fahrrad + mehr. Auch die bekannten Attraktionen unseres Ost-West-Bezirks wollen wir ansteuern, nicht zuletzt auch für Neuzugezogene er-fahrbar machen.

Erstes Projekt ist die Bearbeitung einer für den Fahrradverkehr kritischen Zone, nämlich der Gegend Dresdener Straße/Oranienplatz/NKZ. Hier verläuft eine wichtige Radverbindung für den Südost-Nordwest-Verkehr. ADFC-Mitglied Tom Albrecht legte dazu Problembeschreibung und Lösungsvorschläge vor, die er bereits beim Bezirksamt eingereicht hat. Die Stadtteilgruppe beschloss, dieses Thema weiter zu bearbeiten und gemeinsam mit dem Bezirksamt Lösungen anzustreben.

Es herrschte Einigkeit, dass alle Zeichen der Zeit im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg auf eine noch bessere Förderung des Fahrradverkehrs hinweisen. Der Fahrradfrühling kommt!

Das nächste Treffen der ADFC-Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg findet am 17. April 2008, 20 bis 22 Uhr statt. Der Versammlungsort steht noch nicht fest. Kennt jemand von euch einen Ort, der möglichst in der Mitte des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg liegt, z.B. eine Kneipe mit abgetrenntem Nebenzimmer, ein Nachbarschaftsheim oder etwas ähnliches? Danke für eure Tipps!

 

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Muss das sein – die arme Felge!

 Fahrrad, Friedrichshain-Kreuzberg, Mieten  Kommentare deaktiviert für Muss das sein – die arme Felge!
März 102008
 

10032008_felgenkiller.jpg Jeden Tag laufe ich in meinem Hof an einer Installation der Vergänglichkeit vorbei, die nachgerade ein bewegender Aufruf für bessere Fahrradabstellanlagen ist. Das Fahrrad eines Mieters, dessen Vorderrad erbärmlich zugerichtet ist. Grund: Nur mit dem Vorderrad ist das Fahrzeug eingestellt. „Wenn das Fahrrad nur mit dem Vorderrad eingestellt wird, ist es an der empfindlichsten Stelle stabilisiert. Das hat zur Folge, dass die Felge leicht verbiegt“, warnt Roland Huth vom Bundesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Geht es auch besser? Aber ja! Für die Aufstellung in Höfen empfiehlt Wilhelm Hörmann vom ADFC zwei Modelle: den Beta Focus XXL von Orion Bausysteme in Biebenheim und den Genius L15 vom Hersteller Langer in Langelsheim. „Bei den Modellen sind die Kriterien Diebstahlschutz, Standsicherheit und gute Zugänglichkeit erfüllt.“ Und als echter Kreuzberger bin ich natürlich besonders stolz auf den „Kreuzberger Bügel“, der sich mittlerweile bestens bewährt hat und den Ruf unseres zunehmend fahrradfreundlichen Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg in die Welt hinausträgt! Zu besichtigen vielerorten, etwa vor dem Gebäude der AGB oder dem Rathaus in der Yorckstraße. Wir Mieter haben wegen der „Felgenkiller“ bereits an die Hausverwaltung geschrieben – einen Brief mit 45 Unterschriften. Die Antwort war abschlägig: Der Denkmalschutz lasse die Montage besserer Abstellvorrichtungen nicht zu.

Zitate aus: „Der Felgenkiller muss nicht sein.“ Von Michaela Maria Müller, in: MieterMagazin Heft 3/2008, S. 21

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Jan. 312008
 

Das Einladungsschreiben zur Gründungsversammlung ist fertig. Alle ADFC-Mitglieder sind eingeladen, ebenso aber auch Neugierige und Interessenten!

 

Einladung zur Gründungsversammlung einer ADFC-Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg

Liebe ADFC-Mitglieder,

wir, Boris, Johannes und Tom haben uns als begeisterte Radler in Kreuzberg getroffen und unseren gemeinsamen Wunsch, eine „ADFC-Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg“ zu gründen, bekräftigt. Wir wollen mit vereinten Kräften ein besseres Fahrradklima im Bezirk schaffen und auch vielleicht mal gemütlich zusammen eine Tour radeln.

Themen, die uns beschäftigen, sind zum Beispiel: Wunsch nach einer Querung durch das Gleisdreieckgelände, Verbessern der Radführung im Bereich Kottbusser Tor, Bergmannstraße als Fahrradstraße, mehr Abstellanlagen schaffen, Baustellen für Radler entschärfen. Uns ist es wichtig, vor Ort als Radler Präsenz zu zeigen und kompetente Ansprechpartnerin im Bezirk zu sein.

Ihr seht: Wir haben Ideen und Engagement. Dafür suchen wir Mitstreiter/innen!

Wir treffen uns regelmäßig jeden dritten Donnerstag im Monat um 19 Uhr im „Max und Moritz“ und laden Euch herzlich zur

Gründungsversammlung der ADFC-Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg

am 13.03.2008, 19 Uhr im „Max- und Moritz“, Oranienstr. 162 (zwischen Oranien- und Moritzplatz)

Vorschläge zur Tagesordnung: Kennenlernen, Bestimmung eines/er Versammlungsleiters/in, Wahl eines/er Ortsgruppensprechers/in, Mailingliste, Vorhaben.

Mit den besten Grüßen

Johannes

 Posted by at 14:48