„Lasst den Alten doch reden!“

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März 262009
 

Na bitte, es geht doch! Bei Frank Plasberg diskutierten die Männer fair, ehrlich und doch gegensätzlich. Gut! Sehr gut, obendrein sympathisch: Norbert Röttgen. „Bei mir hat sich was verändert: ich sehe jetzt das Wechselverhältnis von Markt, Moral und Staat.“ Überzeugender Schluss-Satz!

Schon eine erste Wirkung von Köhlers Berliner Rede? Hat der Bundespräsident etwas bewegt? Wohl nicht unbedingt, denn die Bundesregierung kann’s einfach nicht lassen, Geld nach dem Gießkannenprinzip an der falschen Stelle zu verschütten: in die Autos hinein. Das Motto dabei könnte lauten: „Lassen wir den Alten reden, Afrika ist Afrika, wir drücken noch mal schön aufs Gaspedal.“

Mein türkischer Krämer um die Ecke klagt über Umsatzeinbrüche unvorstellbaren Ausmaßes. Ist klar, die Leute kaufen Autos und fahren zum Lidl oder zum Aldi, damit sie sich den Neuwagen leisten können.  Die Leute halten das Geld anderswo zusammen, damit sie noch die 2.500 Euro mitnehmen können. Die Tante-Emma-und-Onkel-Mohammed-Läden schauen in den Auspuff. Reiches Deutschland!

Übrigens: diese 2.500 Euro, das sind 1250 Tagesverdienste von 2 Milliarden Menschen, die werden einfach mal so verschenkt. Es lebe die Erderwärmung! Wie sagte der Alte gestern? Lest selbst:

Die Berliner Rede 2009 von Bundespräsident Horst Köhler
Vor allem wir im Norden müssen umdenken. Auf unserer Erde leben derzeit etwa 6 1/2 Milliarden Menschen. Nur rund 15 Prozent von ihnen leben in Umständen wie wir. Weit über zwei Milliarden Menschen müssen mit zwei Dollar pro Tag auskommen, eine Milliarde sogar nur mit einem Dollar. Wir sollten uns nicht länger einreden, das sei gerecht so. […]
Begreifen wir den Kampf gegen Armut und Klimawandel als strategische Aufgaben für alle. Die Industriestaaten tragen als Hauptverursacher des Klimawandels die Verantwortung dafür, dass die Menschen in den Entwicklungsländern am härtesten davon getroffen sind. Der Kampf gegen die Armut und der Kampf gegen den Klimawandel müssen gemeinsam gekämpft werden.

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Feb. 212009
 

Mehr zufällig war ich gestern im Zusammenhang mit der Bismarckschen Sozialversicherung auf sein Wort „Staatssozialismus“ gestoßen. Das gestern angeführte Zitat fand ich in der vortrefflichen Gesamtdarstellung „Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte 1806-1933“, S. 250. Verfasser Heinrich August Winkler gelingt es in diesem meisterhaft komponierten Werk, alle gängigen Vorurteile und fromme Wahnvorstellungen, von denen unser gemeinhistorisches Bewusstsein lebt, sachte zu entstauben und eben auch die eine oder andere Tretmine sorgsam verpackt einzubauen.

Bismarck eignet sich hervorragend dazu, unsere Vorurteilsverhaftung anschaulich zu machen. Mein grob geschnitztes Bild von Bismarck war eigentlich: Eiserner Kanzler, genialer Diplomat, Machtpolitiker, schuf durch Kriege den deutschen Nationalstaat, Vertreter des Obrigkeitsstaates, alles andere als ein Demokrat, schuf sein bleibendes Verdienst mit dem System der Sozialversicherung, Unterdrücker der Sozialisten und der katholischen Zentrumspartei, wurde leider von dem törichten Kaiser Wilhelm II. ausgebootet.

Heute las ich in der Bismarck-Biographie von Lothar Gall und in Bismarcks eigenen „Gedanken und Erinnerungen“. Ergebnis: Die oben angeführten Urteile sind nicht völlig falsch, aber sie greifen zu kurz.

Gall vertritt die Ansicht, dass Bismarck aus machtpolitischem Kalkül heraus in Beratungen mit Vertretern der Industrie die Idee einer allgemeinen Versicherung unter staatlicher Obhut und staatlicher Beteiligung ersann. Ziel war, in Bismarcks Worten: „in der großen Masse der Besitzlosen die konservative Gesinnung zu erzeugen, welche das Gefühl der Pensionsberechtigung mit sich bringt.“ Denn: „Wer eine Pension hat für sein Alter, der ist viel zufriedener und viel leichter zu behandeln, als wer darauf keine Aussicht hat“ (Gall, a.a.O. S. 605).

Bismarcks Konzept stieß auf heftigsten Widerstand bei den Linskliberalen, dem Zentrum und der Sozialdemokratie. Sie fürchteten „einen auf staatssozialistische und pseudeoplebiszitäre Elemente gestützten Neoabsolutismus“ (Gall, a.a.O. S. 606).

Und was erwiderte Bismarck auf solche Anfeindungen? Er zeigte sich erneut als der geniale Politiker, der er war – er verbat sich solche Unterstellungen nicht, sondern unterlief sie durch Zustimmung. Bismarck führte aus: „Die sozial-politische Bedeutung einer allgemeinen Versicherung der Besitzlosen wäre unermeßlich.“ Erneut verwendet er den Begriff Staatssozialismus, der ihn in der Tat zu einem Ideengeber der heutigen Linken (etwa in den Personen eines Björn Böhning oder einer Halina Wawzyniak) werden lässt.

Bismarck sagt über seine Sozialversicherung:

„Ein staatssozialistischer Gedanke! Die Gesamtheit muß die Unterstützung der Besitzlosen unternehmen und sich Deckung durch Besteuerung des Auslandes und des Luxus zu verschaffen suchen.“

Das ist die Reichensteuer, das ist der Protektionismus durch Handelshemmnisse, wie sie gerade jetzt wieder als Gedanken im Schwange sind!

Wie bewertet Gall Bismarcks Leistung beim Aufbau des Sozialstaates? Niederschmetternd! Er deutet sie nicht als bleibendes Verdienst oder systematisches Aufbauwerk, sondern als einen politischen Verzweiflungskampf, der das Wesen der Politik dauerhaft entstellt habe. Letztlich habe Bismarcks Kampf um die eigene Machtposition dazu geführt, dass man sich nur noch am Machbaren orientiere und Perspektivlosigkeit zum Prinzip erhoben habe (Gall, a.a.O. S. 607). Das herrliche Wort Perspektivlosigkeit – ich glaube, etwa ab den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts hat es eine steile Karriere hingelegt, die bis zum heutigen Tage anhält! Es gibt heute kaum ein schlimmeres Urteil als eben dies: Perspektivlosigkeit.

In solchen Kommentaren schlägt das Politikverständnis des Historikers Gall deutlich durch. Politik hätte demnach sich nicht am Machbaren zu orientieren, sondern den großen Wurf durchzuführen. Es ginge laut Gall dann bei guter Politik darum, Verhältnisse, Strukturen und Verhaltensweisen bewusst zu gestalten.

Und hier gewinnen seine Ausführung beklemmende Aktualität. Denn das sind heute noch die Pole, zwischen denen sich Politik bewegt: Politik entweder als Kunst des Machbaren – oder als kühner Ausgriff, als bewusst angelegte Reform.

Wenn man Bismarck studiert, wird man erkennen: Die bewusst angelegten, raumgreifenden  Reformen sind sehr, sehr selten, die meisten gut gemeinten Reformen versanden oder bleiben auf halbem Wege stecken. Oder sie werden irgendwann zu einer Erblast.

Vergleicht man aber Bismarck mit dem durchaus geistesverwandten russischen Ministerpräsidenten Stolypin, so wird man sagen müssen: Der erste deutsche Kanzler hat – im Gegensatz zu vielen anderen Reformern – einen Teil seiner Neuerungen durchaus zu einem bleibenden Reformwerk gestaltet. Dass seine Motive eigennützig waren, letzlich auch der eigenen Machtsicherung dienten, verschlägt nichts daran, dass die Sozialversicheurng Elend und Leiden minderte, Bindekräfte zwischen Staat und Bürgern entfaltete und gewaltsame Revolutionen wie etwa in Russland verhinderte.

Dass wir heute noch quer durch alle Parteien am Erbe des Bismarckschen Obrigkeitsstaates leiden, ist nicht Bismarck anzulasten – sondern uns! Man muss dies durchschauen. Wenn es etwa heißt: „Wir dürfen keine systemische Bank in den Konkurs treiben“, „Wir dürfen Opel nicht pleite gehen lassen“, dann zeigt sich genau jenes paternalistisch-obrigkeitliche Denken eines Bismarck wieder, das ich für schwer vereinbar mit einer freiheitlichen Demokratie im Sinne unseres Grundgesetzes halte.

In den Reformdebatten unserer Zeit – etwa seit den Leipziger Reformbeschlüssen der CDU von 2005 – wird dieser Zusammenhang zwischen Machterhaltung und Reform meist gegeneinander ausgespielt. Es heißt grob vereinfacht: „Wir müssen unsere Reformvorstellungen dem Machterhalt opfern. Das große Ding können wir nicht drehen. Der Zeitpunkt ist vorüber.“

Ich halte dies für einen Irrtum. Machterhalt und Reform sollten einander gegenseitig bekräftigen. Dass dies möglich ist, hat Bismarck meines Erachtens glänzend vorgeführt. Ich teile deshalb die ernüchternd-entzaubernde Ansicht Lothar Galls, wonach Bismarck lauter verzweifelte Rückzugsgefechte gekämpft habe, nicht. Solche Tretminen, die das Denkmal Bismarck beschädigen, sind keine.

Schade, dass die großen Politiker wie etwa Bismarck oder Stolypin so vernachlässigt werden und statt dessen sehr viel mehr Fleiß auf politische Propheten wie Rosa Luxemburg, Dichter wie Karl Marx, Diktatoren oder politische Verbrecher wie Stalin und Hitler verwendet wird! Schade, dass unsere Politiker quer durch die Parteien offenkundig meinen, sie stünden vor komplett neuen Herausforderungen und Problemen! Rückbesinnung tut not!

Folgende Bücher empfehle ich heute nachdrücklich als Gegengift gegen diese Extremismus-Besessenheit und diese Geschichts-Vergessenheit:

Lothar Gall: Bismarck. Der weiße Revolutionär. Ullstein Verlag,  Frankfurt am Main, 1980

Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. Ungekürzte Ausgabe. Herbig Verlag, München, o.J.

Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte 1806-1933.  Sonderausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2002

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Jan. 202009
 

Freude, Freude, Freude allenthalben nach der Wahl in Hessen! Wir bescheinigten am 16.11.2008 in diesem Blog der jüngsten Generation von Grünen-Polikern, dass sie ihre Partei zielstrebig von einer Akademiker- und Elitepartei, die sie derzeit ist, zu einer kleinen, aber feinen Bürger- und Volkspartei umwandeln wollen. Das Bild der Bürgerschreck-Partei wird abgestreift, die Grünen werden erwachsen. Die gestrige Wahl in Hessen hat gezeigt: Ja, sie können es! Unter dem betont seriös, zugleich jungenhaft auftretenden Tarek Al-Wazir konnten sie ihren Stimmenanteil bei den Bürgern binnen eines Jahres nahezu verdoppeln. Al-Wazir finde ich ausgesprochen sympathisch, und er hat im Wahlkampf keine Fehler gemacht, sondern erfolgreich die grünen bürgerlichen Stammwähler mit den neubürgerlichen Wählern vereint. Deshalb: Freude bei den Grünen!

CDU und FDP freuen sich ausweislich der Stellungnahmen ihrer Spitzenleute wie die Schneekönige, dass die ersehnte „bürgerliche Mehrheit“ zustande kommt und träumen schon von ihrer bevorstehenden Hochzeit im Bund. Dass die CDU sogar binnen eines Jahres noch einmal 45.949 Bürgerstimmen verloren hat, trübt die Vorfreude nicht, denn es kann als sehr wahrscheinlich gelten, dass die CDU weiterhin stärker als die FDP bleibt und deshalb auch die Bundeskanzlerin stellen wird. Und „Merkel ist unser Angebot an die Wähler“, so hat es Herr Öttinger ja vor einigen Monaten gesagt. Da die FDP ja doch wohl in jedem Fall Frau Merkel mittragen wird, denkt sich der Wähler: „Wir müssen Frau Merkel ein wirksames Korrektiv und eine echte Unterstützung an die Seite stellen, zumal einige CDU-Landesfürsten schon öffentlich mit den Hufen scharren. Deshalb wählen wir FDP.“

Um 13 % weniger bürgerliche Stimmen vereinte die SPD auf sich. Dies zeigt die starken Beharrungskräfte der bürgerlichen Wähler, denn die SPD-Wähler in Hessen stehen als gute Bürger zu ihrer Partei, nur die Wechselwähler lassen sich durch erwiesene Unfähigkeit verprellen. Deshalb müsste auch in der SPD große Freude ob der Treue dieser 23% herrschen! Also, Bürgerinnen und Bürger: Freut euch doch ein bisschen!

Die Linkspartei darf sich ebenfalls freuen, denn sie konnte ihren Stimmenanteil ausbauen, obwohl es im Laden wegen interner Querelen und einiger Austritte kräftig gerummst hatte. Die anderen bürgerlichen Parteien werden – so steht zu erwarten –  sich weiterhin von der Linkspartei zum nächsten Schwächeanfall treiben lassen.

Was lernen wir daraus? Die Schwäche der CDU und der SPD  ermuntert die kleineren, also die notgedrungen lernfähigen Parteien, sich zu mausern und zu wandeln. Statt immer nur auf die eigene Klientel zu starren, haben es FDP, Grüne und Linkspartei geschafft, auch für neue Wählerschichten attraktiv zu werden. Das Parteiensystem steuert erkennbar auf ein 5-Volksparteien-System zu. Statt von einer Krise, von einem Herbst der Volksparteien zu sprechen – wie es etwa Franz Walter tut – spreche ich lieber von einem Wandel der Klientelparteien. Ich glaube, das Modell „Klientelparteien“ wird schwächer – Hessen lehrt dies. Was kommen wird, ist das Modell „Bürgerpartei“, das derzeit einen echten Frühling erlebt. Die Bürgerpartei ist offen für alle Bürger, die Bürgerpartei hört zu, in ihr mischen die Bürger kräftig mit, die mächtigen Parteiapparate werden gestutzt.

Der langfristige Trend wird – so meine ich – weitergehen: SPD und CDU schwächen sich selbst weiterhin, da bei abnehmenden Wählerstimmen die internen Ressourcenverteilungskämpfe an Härte noch zunehmen. Seitdem SPD und CDU immer weniger Posten und Mandate zu vergeben haben, werden sie immer stärker durch interne Machtkämpfe absorbiert. Es kracht sozusagen immer häufiger im Gebälk. Die Parteiapparate gewinnen dadurch paradoxerweise an innerparteilicher Macht, je schwächer sie beim Wähler dastehen. So deute ich jedenfalls die unerhört heftigen Binnenzwiste, die allein in den letzten 12 Monaten diese beiden Parteien immer wieder erschüttert haben und wohl auch weiter erschüttern werden – ich nenne nur die Namen Junghanns, Clement, Pflüger, Schmitt, Beck.

Die drei kleineren Volksparteien können von dieser fortgesetzten Selbstbeschädigung der SPD und der CDU profitieren, indem sie das tun, was die beiden größeren Volksparteien verlernt haben: Sie erzählen ihre Geschichte, ihren Parteikern so um, dass sie auch für frische Wählerstimmen anziehend werden.

Die CDU-Spitze hat sich offenbar auf den tollen Slogan verständigt: „Eine bürgerliche Mehrheit ist möglich!“

Was für eine starke, was für eine treffende Analyse! Auch ich meine: Da unsere Bürger unter 5 Bürger- und Volksparteien auswählen können, werden sich immer 2 oder 3 bürgerliche Parteien finden, die dann die Mehrheit bilden. Das ist die berühmte bürgerliche Mehrheit.Voilà!

Personen werden in diesem Wettbewerb der Bürgerparteien wichtiger als die Lagerzugehörigkeit des vergangenen Jahrtausends. Proletarier, Protestler, Lumpenproletariat, Adlige, Sozialhilfeempfänger, Spießbürgerliche, Kleriker – sie alle werden ihre Kreuze bei derjenigen der 5 bürgerlichen Parteien machen, die sie am Wahltage am meisten überzeugt. Der Hausbesitzer, der von Hartz IV lebt in Pankow, wird eher die Linkspartei wählen, der Hausbesitzer in Kronberg/Taunus, der von satten Prämien lebt,  eher die FDP. Aber das sind historisch zu erklärende Zufälle.

Meine Prognose für das Superwahljahr 2009 lautet also: SPD und CDU werden weiter verlieren, wenn sie nicht erkennbar und deutlichst umsteuern. Die drei anderen Volksparteien werden jede für sich und auch insgesamt zulegen.

Heute wird Obama vereidigt. Was hat er gemacht? Wie konnte er einen so überwältigenden Wahlsieg holen, und zwar mit und in der ältesten amerikanischen Volkspartei? Eines ist klar: Er macht es völlig anders als unsere deutschen Parteien – von Anfang an sprach er alle an! Er ließ sich nicht auf eine Revierbeschränkung ein wie unsere mutlosen deutschen Parteistrategen. Er erzählte von seinen Werten, die die amerikanischen Werte sind. Er sprach zu allen und mit allen. Er hörte zu. Und dann – erzählte er dasselbe noch einmal, aber mit anderen Worten. Dann hörte er wieder zu. Dann erzählte er. Er erzählte seine Geschichte. Es ist eine Geschichte, die jede und jeder so erleben kann. Er erzählte seine Werte. Es sind Werte, denen jede und jeder zustimmen kann. Und irgendwann – hörten die Leute ihm zu. Und ganz zum Schluss – wählten sie ihn. Auch darüber – herrscht Freude.

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„Linksfront stoppen“ geht nicht mehr – CDU ist schon längst unterwandert

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Nov. 262008
 

Erneut einen harten Schlag erleidet das in Berlin immer noch weit verbreitete Lagerdenken: Demnach zerfällt die Welt in zwei Teile – einerseits die Linksfront, welche durch die SED, die „Partei der Mauerschützen“ (die heutige Linke), große Teile der SPD und große Teile der Grünen gebildet sein soll. Andererseits die „bürgerlichen Parteien“ CDU und FDP. Ich meine: Diese ganze Konstruktion war seit der deutschen Einigung 1990 nicht mehr zu halten. Jetzt kommen täglich neue Einsichten ans Tageslicht, die dieses sorgsam gepflegte Lagerdenken weiter der Unglaubwürdigkeit überführen. So berichtet die Welt heute:

Leitartikel: Sachsens CDU-Ministerpräsident Tillich verteidigt sich mit PDS-Methoden: Das Spiel der Blockflöten – DIE WELT – WELT ONLINE
Tillich trat in der Endphase der DDR in die SED-hörige CDU ein, um die Laufbahn eines Staatsfunktionärs einschlagen zu können. In seiner Position als Nomenklaturkader konnte er politisch Einfluss nehmen, erhielt ein gut doppelt so hohes Gehalt wie ein Facharbeiter und gehörte der Funktionselite an. Dass sich der Familienvater damals für Karriere entschieden hat, gehört zu seiner biografischen Realität. Entgegen der eigenen Wahrnehmung verfügt Tillich mit diesem Werdegang allerdings über keine typische „ostdeutsche Biografie“. Nicht zuletzt schloss seine Arbeit etwas ein, womit die Mehrheit der Bürger nichts zu tun haben wollte – eine ständige Kollaboration mit SED-Genossen und sogar Kontakte mit Stasi-Offizieren.

Diese Enthüllungen kommen nur für Blauäugige als Überraschung. Jeder, der in der DDR politisch etwas innerhalb der etablierten Institutionen bewegen wollte, musste sich dem System anpassen. Er wurde zur Stütze des Systems. Ob man dazu der SED oder einer der DDR-Blockparteien beitrat – dies war nach allem, was ich höre, nur ein gradueller Unterschied.

Die CDU wird nun sehr darauf bedacht sein müssen, ihre Glaubwürdigkeit zu retten. Immer nur auf die böse Linkspartei, die Partei der „Mauermörder“ zu schimpfen, wird nicht mehr verfangen. Damit verstrickt sich die CDU nur in einen ganzen Wald von Widersprüchen. Einen Lagerwahlkampf nach dem Motto „Linksblock stoppen“ wird die CDU in Berlin ebenso verlieren, wie sie ihn in Hessen verloren hat.

Eine erfolgreiche Partei kann sich nur über das definieren, was sie politisch bewegen will. Sie muss sagen, was sie vorhat, nicht was sie hinter sich hat! Moralische Überheblichkeit ist nicht angesagt. CDU-Ministerpäsidenten wie Dieter Althaus  oder Stanislaw Tillich, die bereits in der DDR der Ost-CDU beitraten, spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. Sie könnten aufklärend auf ihre Parteifreunde wirken. Dazu ist es nötig, darzulegen, dass man jene DDR mitgetragen hat wie die anderen Angehörigen der Funktionselite auch. Man war als Mitglied der DDR-Blockparteien kein Widerständler, man gehörte auch nicht zu jener DDR-Mehrheit, die das Ganze mehr oder minder duldsam über sich ergehen ließ und sich in einer Art gespaltenen Bewusstseinslage einrichtete, sondern man war ein Teil des Systems.

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Okt. 082008
 

… schrieb Johannes Hampel am 30. Juli 2008 in diesem Blog. Damals brach die jüngste Zuspitzung der Dauerkrise aus … nämlich in dem Totalverriss der Berliner CDU, den Gunnar Schupelius in die BZ setzte. Aus Gründen der historischen Nachprüfbarkeit sei auch dieser Beitrag, den ich später löschte, noch einmal unverändert hier veröffentlicht:

Beitrag aus Johannes Hampels Blog am 30. Juli 2008 (unverändert):

Wohin will die Berliner CDU des Jahres 2008  …

east-side-gallery-21062008001.jpg fragt Chefreporter Gunnar Schupelius in der heutigen BZ. Er weiß es nicht. Aber: Wie so oft, gibt der Fragende in seinem Kommentar bereits einige erste Antworten. Schupelius schreibt:

“Es irritiert mich, dass die Berliner, insbesondere im Westteil der Stadt, der CDU so wenig die Treue halten.”

Ich meine: Herr Schupelius, das sollte niemanden irritieren. “Treue” oder “feste Parteienbindung” gibt es nicht mehr in dem Sinne, wie das noch bis in die 90er Jahre hinein galt. Wer auf “Treue” setzt, hat in der heutigen Wettbewerbsdemokratie schon verloren. Die Berliner CDU sollte also nicht mehr auf “Treue” setzen, sondern auf “Überzeugung”, “Wettbewerb” und “Werbung”. Sie muss über ihre schrumpfende, alternde Stammklientel einen mutigen Schritt hinausgehen. Etwa in der Kandidatenaufstellung. Frisches Blut muss heran. Die hochmobilen Großstädter, die Akademiker, die jungen Frauen, die Künstler, die nicht-linken Umweltbewegten, die sozial Schwachen, die konservativen Türken mit deutscher Staatsbürgerschaft, die enttäuschten Alt-Linken – diese Gruppen sind ein riesiges Reservoir an Wählerstimmen, das die Berliner CDU entdecken könnte. Sattelt die Fahrräder! Seht euch nicht länger als rückwärtsgewandte, konservative Bürgerblockpartei für Stadtrandgruppen, sondern werdet die dynamische Volkspartei der Mitte, der Stadtmitte und der Vermittlung, wie es das neue Parteiprogramm der Bundes-CDU verheißt.
Die Berliner CDU hätte große Chancen, wenn sie ein positives, in die Zukunft weisendes Leitbild für die Stadt Berlin entwickelt hätte – ähnlich der “wachsenden Stadt” eines Ole von Beust in der ehemaligen SPD-Bastion Hamburg. Die Berliner CDU hat jedoch kein positiv besetztes Leitbild für diese Stadt nach außen getragen. Positive Kommunikation – wie sie etwa vor wenigen Tagen Barack Obama so glanzvoll vorgeführt hat – ist ihr ein Fremdwort. Die Berliner CDU pflegt mit Inbrunst ihre unnachahmliche Variante der Negativpropaganda. Sie schimpft auf den unfähigen Senat, auf den ach so schwachen Regierenden Bürgermeister, der angeblich nichts zustande bringt. Warum tut sie das? Wem schadet sie damit?

Bitte bedenken Sie auch, lieber Herr Schupelius: In Berlin hat seit 1991 ein riesiger Bevölkerungsaustausch stattgefunden. Über 1,6 Millionen Menschen haben die Stadt verlassen, über 1,6 Millionen Menschen sind zugewandert. Diepgen, der 2001 abgewählt wurde, ist vielen von ihnen schon eine unbekannte Größe. Und mit der Tempelhof-Kampagne hat die Berliner CDU aufs falsche Pferd, auf ein nostalgisch besetztes Thema gesetzt, das die Wähler im Osten und auch die zugezogenen Neuberliner eher kalt lässt oder sogar gegen die CDU aufbringt.

Für einen groben Irrtum halte ich es, wenn die Schuld am derzeitigen Tiefstand der Berliner CDU hauptsächlich dem Bankenskandal oder einer einzelnen Person gegeben wird. Denn dann hätte es die SPD ähnlich hart treffen müssen, was aber nicht der Fall ist. Außerdem ist das Führungspersonal der Berliner CDU seit der Ära Diepgen/Landowsky fast komplett ausgetauscht, an den Sünden der Vergangenheit kann es also nicht im wesentlichen liegen, wenn die Wahlergebnisse der CDU nach unten gegangen sind. Der Bankenskandal hat der SPD und der CDU sicherlich in erheblichem Umfang geschadet, aber die Wählerschaft hat neuerdings ein erstaunlich kurzes Gedächtnis.

Schupelius schreibt:

“Es irritiert mich also, dass die Berliner ihre CDU im Stich lassen.”

Auch hier gilt, so meine ich: Keine Partei genießt Bestandsschutz! In Italien ist die christdemokratische Partei, die berühmte Democrazia Cristiana, vollständig von der Bildfläche verschwunden. Sie hat sich selbst aufgelöst. Dabei war sie noch ein Jahrzehnt zuvor die mächtigste Partei im westlichen Lager überhaupt. Sie erkannte die Schrift an der Wand nicht, zog keine Lehren aus Skandalen und Korruption. Andere sahnten ab. Eine Antipartei wurde über Nacht aus dem Boden gestampft und gewann die Wahlen.

“Im Stich lassen …” – die Wähler lässt so ein Vorwurf kalt. Verehrter Herr Schupelius: Ich glaube, so wird kein Schuh draus. Die Wähler wollen umworben, überzeugt, mitgerissen werden. Die Wähler fühlen sich offenbar von der CDU im Stich gelassen. So wird ein Schuh draus. Wer – wie die Berliner CDU – sich weiterhin im “bürgerlichen Lager” einigelt, der hat an den Wahlurnen schon verloren. Denn die Bürger sind längst weitergezogen. Und: Wir alle sind Bürger, und die Bürger wählen in Berlin in diesen Jahren eben nur zu einem kleinen Teil die CDU.

Schupelius schreibt:

“Fassungslos sehe ich, wie die CDU gegenüber einem Senat in der Bedeutungslosigkeit versinkt, der seinerseits einer der schwächsten ist, die hier jemals regiert haben. Senatoren wie von der Aue, Lompscher, Junge-Reyer, Wolff usw. unterlaufen ständig schwere Fehler. Und die Union merkt es gar nicht oder interessiert sich nicht. Wohin eigentlich will die Berliner CDU des Jahres 2008? Ich weiß es nicht.”

Unausgesetzt höre ich aus der CDU: “Rot-rot kann es nicht. Rot-Rot muss weg. Rot-rot macht arm.” Ich meine: Wenn der Senat handwerklich wirklich so schwach ist, wie Sie, Herr Schupelius, und die Berliner CDU dies gerne behaupten, dann müsste dies doch der Opposition zugute kommen, nicht wahr? Oder die Berliner CDU beherrscht das Handwerk der politischen Kommunikation nicht. Augenscheinlich profitiert nämlich vor allem die Partei “Die Linke” von den Fehlern der Berliner Landesregierung. Diese Partei hat es erfolgreich verstanden, sich zugleich als Regierung und Opposition darzustellen. Ein echtes Kabinettstückchen! Bitte studieren!

Was sollte die Berliner CDU tun? Ich meine: Not tut ihr jetzt, in diesem Augenblick, eine gründliche reformatio capite et membris unter folgenden Leitsätzen:

1) Eine gute Kommunikation pflegen. Die vorherrschende Negativpropaganda abstellen, verbal abrüsten. Gute Beispiele suchen und ihnen nacheifern.

2) Hilfe von außen suchen, insbesondere von der CDU-Spitze und der CDU anderer Bundesländer! Die Politikmodelle “Team Merkel” und “Team Ole von Beust” studieren, deren Grundkonzeption anpassen und auf Berlin übertragen. Boris Johnson in London, Gianni Alemanno in Rom haben beeindruckend vorgeführt, wie in europäischen Millionenstädten neue Mehrheiten für die politische Mitte zu gewinnen sind. Wie? Nun, man sollte vermittelnde, moderate Töne anschlagen, nicht immer gleich mit der Brechstange argumentieren, den Gegner nicht beschimpfen und kleinreden. Ich empfehle noch einmal nachzulesen, was Kanzleramtsminister de Maizière der CDU Friedrichshain-Kreuzberg ins Stammbuch geschrieben hat. Dieses Blog berichtete am 09.05.2008.

3) Fachleute von außerhalb der Partei einbinden, die den gesamten kommunikativen Auftritt unerbittlich auf den Prüfstand stellen. Aus einer “lärmenden Partei” sollte die Berliner CDU zu einer “lernenden Partei” werden.

4) Zukunft schlägt Vergangenheit! Nicht in die Vergangenheit starren. Die Mauer ist weg. Es gilt viele Mauern abzubauen. Die East Side Gallery – siehe Bild oben – stellt es in wünschenswerter Klarheit dar.

5) Realistische Mehrheiten in der Sache suchen, nicht auf mögliche Koalitionen starren. Ich halte es für falsch, irgendwelche Kampagnen loszutreten, die nur eine Art fiebrige Wahlkampfstimmung erzeugen, aber zu keinem messbaren Erfolg in der politischen Praxis führen. Die Wahlergebnisse sind in Deutschland schon seit Jahren schwer vorherzusehen. Jegliches systematische Arbeiten auf Koalitionen hin kann von den Wählern durchkreuzt werden. Deshalb rate ich – wie de Maizière auch – davon ab, allzu sehr über Jamaika oder andere Dreifach-Koalitionen zu spekulieren. Die Parteien müssen selbst ihre Schäfchen ins Trockene bringen, es herrscht Wettbewerbsdemokratie bei uns, nicht Hinterzimmerdemokratie.

6) Themen setzen – Themen besetzenein überzeugendes Leitbild für ganz Berlin erarbeiten. Es gibt so viele Politikfelder, auf denen es in Berlin an gangbaren Konzepten fehlt. Daran könnte sich die Berliner Opposition erproben, damit könnte sie Breitenwirkung entfachen und neue Wählerschichten ansprechen. Wenn sie denn wollte.

7) In jedem historischen Tiefstand stecken Chancen. Man muss hinhören, einen kurzen Augenblick innehalten und sich selbst gegenüber und auch nach außen ehrlich sein.

Lesen Sie auch einen Artikel samt Forum im Tagesspiegel:

Linke und CDU erstmals gleichauf

Lesen Sie jetzt noch die heutige Kolumne des BZ-Reportes im Wortlaut:

Schupelius-Kolumne – BZ-Berlin.de
“Eine Forsa-Umfrage hat die friedlich in der Sommerpause schlummernde Berliner CDU gestern wie ein Erdbeben erschüttert: Sie käme jetzt nur noch auf 20 Prozent der Stimmen und läge damit gleich auf mit der Linkspartei. Das wäre das schlechteste Ergebnis der Union in ihrer ganzen Geschichte, nur1948 stand sie schlechter da 19,4.Es irritiert mich, dass die Berliner, insbesondere im Westteil der Stadt, der CDU so wenig die Treue halten. Hier erreichte sie 1981 sagenhafte 48 Prozent. Aber auch in der wiedervereinten Stadt war sie lange Zeit die führende Kraft: 1990 kam sie mit Eberhard Diepgen auf 40,4 Prozent, 1999 unter seiner Führung sogar auf 40,8 Prozent. 53 Prozent der Berliner hätten Diepgen damals direkt gewählt, wenn das möglich gewesen wäre, 63 Prozent waren mit seiner Politik zufrieden.

So weit hat es nicht einmal Klaus Wowereit gebracht, der auch auf dem Höhepunkt seiner Popularität im Herbst 2006 zwei Punkte dahinter blieb 61 Prozent Zustimmung.

Es irritiert mich also, dass die Berliner ihre CDU im Stich lassen. Ich kann es aber verstehen. Denn die CDU nimmt in meinen Augen ihre Rolle als Opposition nicht wahr. Anfang dieser Woche beispielsweise, als SPD-Chef Müller die Zahl der Senatoren um 20 Prozent aufstocken wollte, in Zeiten, da der öffentliche Dienst abgebaut wird, da stimmte die CDU sofort zu, anstatt diese unpassende Idee in der Luft zu zerreißen. Ich könnte eine endlose Reihe solcher Beispiele zitieren.

Fassungslos sehe ich, wie die CDU gegenüber einem Senat in der Bedeutungslosigkeit versinkt, der seinerseits einer der schwächsten ist, die hier jemals regiert haben. Senatoren wie von der Aue, Lompscher, Junge-Reyer, Wolff usw. unterlaufen ständig schwere Fehler. Und die Union merkt es gar nicht oder interessiert sich nicht. Wohin eigentlich will die Berliner CDU des Jahres 2008? Ich weiß es nicht.”

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Union im Stimmungstief – Bürger suchen „Freie Wähler“

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Okt. 082008
 

So schnell kann es gehen! Innerhalb weniger Wochen hat sich der Abstand zwischen Union und SPD um satte 11 Prozent verringert. Das gemahnt an die Geschehnisse vor der letzten Bundestagswahl 2005, als die Union ebenfalls binnen weniger Wochen 10 Prozent verlor. Damit ist die Wiederwahl Merkels bereits jetzt in Gefahr.

Ohne die Umfrage im einzelnen zu kennen, wage ich folgende Deutung: Das zwischen „verheerend“, „zerstritten“, „nicht zu rechtfertigen“ und „katastrophal“ schwankende Erscheinungsbild der Union in den Bundesländern Berlin, Bayern und Brandenburg trägt einen Großteil zum Umfragen-Absturz bei. Ich glaube, langjährig verschleppte Krisen schwappen aus diesen drei Ländern stimmungsmäßig in andere Bundesländer über. Wenn Landesverbände über einen längeren Zeitraum, also etwa über sieben Jahre,  nur noch mit Personalfragen beschäftigt scheinen, dann wenden sich die Wähler endgültig ab: „Die streiten ja immer nur untereiander statt sich um die Probleme des Landes zu kümmern.“

Solche Parteien werden nach und nach unwählbar. Denn krisenhafte Abstürze werden in der Regel nicht zu einem echten Machtwechsel genutzt, sondern es werden innerhalb eines geschlossenen Tableaus ein paar Köpfe umgruppiert.

In dem Maße, wie die Linke sich als ganz normale Partei etabliert, verliert sie an Anziehungskraft für das Heer der Unzufriedenen. Deshalb erfolgt nun die Massenabwanderung von den früheren Volksparteien weg, vor allem der Union, zu den Anti-Parteien, also vor allem zu den Freien Wählern.

Umfrage: Union im Stimmungstief – Bürger suchen „Freie Wähler“ – Bund – Politik – FAZ.NET

Die Union steckt einer Forsa-Umfrage zufolge im Stimmungstief. CDU/CSU verloren im Vergleich zur Vorwoche vier Punkte und kommen derzeit nur noch auf 33 Prozent – das ist der niedrigste Wert, den das Institut seit Anfang 2007 für die Unionsparteien ermittelt hat. Die SPD kletterte um einen Punkt auf 27 Prozent, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für die Zeitschrift „Stern“ und den Fernsehsender RTL weiter hervorgeht.Damit verkürzte sich der Abstand der Sozialdemokraten zur Union von 17 Punkten im August auf nur noch sechs Punkte. Von der Schwäche der Union profitiert auch die FDP, die um zwei Punkte auf 13 Prozent stieg. Die Grünen kommen demnach auf 9 Prozent (plus eins). Die Linkspartei steht wie in der Vorwoche bei 13 Prozent.

 Posted by at 11:16

Typisch Berliner CDU: Back again … no matter what

 Horst Köhler, Konservativ  Kommentare deaktiviert für Typisch Berliner CDU: Back again … no matter what
Okt. 082008
 

Als Freunde der ewigen Wiederkehr beweisen sich erneut die Berliner Christdemokraten.  Oder, wie es Boyzone sagt: Back again … no matter what. Egal, was du gemacht hast, wenn du einmal in der Partei was geworden bist, stellen sie dich immer wieder vorne hin.

In wenigen Minuten möchten die Christdemokraten den neuen Landes-Chef der Presse vorstellen. Mutmaßlich wird es ein Mann sein, der – wie gestern bereits dargestellt – das  Erscheinungsbild der Berliner CDU in den letzten Jahren entscheidend mitgeprägt hat. Im Personalkarussell war er unter den ersten drei. In der siebenjährigen Führungs- und Kommunikationskrise der Berliner Union seit 2001 war er – und bleibt er offenbar – ein fest abonnierter Teilnehmer.

Wie wird er selbst eingeschätzt? Immer wieder rühmen alle, die ihn kennen, seine sympathische Art, sein nettes offenes Wesen. Ich stimme dem zu. Auch ich rühme seine sympathische Art. Ich würde gerne mal mit ihm in einer Rugby-Mannschaft spielen. Ich hätte auch nichts dagegen, in der gegnerischen Rugby-Mannschaft zu spielen. Denn „der Frank“ ist fair, der Frank grätscht nicht, der Frank meint, was er sagt. „Mensch, Frank …“ dieser Kommentar des Regierenden Wowereit, zusammen mit einem jovialen Schulterklaps, als der Frank zum ersten Mal im Sessel des Fraktionsvorsitzenden Platz nahm, sagt sehr viel über die Berliner Landespolitik. Man kennt sich, man weiß, man wird sich auf dem Rad der ewigen Wiederkehr immer wieder sehen. Aber warum haben Sie die Rede des Frank nicht aufmerksam angehört, Herr Regierender Bürgermeister? Meinten Sie nichts Neues zu hören?

Als zweiter wesentlicher Vorzug des mutmaßlichen Landesvorsitzenden wird gepriesen, dass er seine Berliner CDU sehr gut kennt, dass seine Partei ihn kennt und schätzt. Auch hier stimme ich aus ganzem Herzen zu: Er scheint geradezu verschmolzen mit dem unverkennbaren Ton der Berliner CDU. Man kann solche Sätze beliebig aufzählen, sie bleiben im Gedächtnis haften. Wie etwa der, als er die Linke in eine Traditionslinie mit der RAF-Bande stellte. Oder diese schroffe Entgegensetzung von „uns“, den Guten, und „denen“, den Bösen, also den Terroristen, den Linken, der rot-roten Koalition, die es bekanntlich nicht können, die immer und stets versagen, die mit den Verbrechern unter einer Decke stecken. Nein, nein, „mit solchen Strolchen wollen wir nichts zu tun haben“. So ist er, so redet er.

Frank Henkel kennt seine CDU. Seine CDU kennt und schätzt ihn. Die große Frage ist: Wieviel Außenwelt lässt er zu? Welt – außerhalb der Innenansicht der CDU? Außerhalb einer Innenansicht, die die Menschen außerhalb der Berliner Union schon längst nicht mehr teilen?

Und hier taucht erneut die Frage auf, weshalb immer und überall als Voraussetzung für hohe politische Ämter eine jahre-, besser jahrzehntelange Parteikarriere angesehen wird. Findet denn überhaupt kein Austausch zwischen der Sonderwelt der Politik und der Welt draußen statt? Wie oft habe ich schon gehört: „Ich bin seit meinem 17. Lebensjahr Mitglied!“ „Sie blickt auf jahrzehntelange Erfahrung innerhalb der Partei zurück – deshalb ist sie eine Gute.“ Tja, da werde ich immer ganz kleinlaut. Da kann ich nie und nimmer mithalten. Meine Erfahrungen speisen sich aus sehr vielen unterschiedlichen Lagern und Lebensbereichen. Die omertà, diese verschwörerische Grundhaltung, welche einen Teil der Parteien kennzeichnet, wird mir nicht gelingen.

Wenn ein Konzern wie etwa Siemens ins Strudeln gerät, wird man dann als Sanierer ein Mitglied des amtierenden Vorstands rufen? Muss denn der Sanierer nicht von draußen kommen? Doch! Und ich meine: So sollte es auch in politischen Parteien sein. Aber es ist offenbar nicht so.

Die meisten Parteien handeln nach dem uralten Motto: „Der Speer, der dich verletzt hat, wird dir Heilung bringen.“ In der Parzival-Sage klingt dieses antike Motiv immer wieder an. Ganz selten schaffen es Quereinsteiger, die sich bereits über längere Zeit in einem bürgerlichen Beruf bewährt haben, in den umhegten Sonderbezirk, in die Boyzone der Politik hinein. Wo Jungs und Mädels ihre Rugby-Spiele austragen. Das Volk liebt diese absonderlichen Quereinsteiger ganz besonders, so etwa Angela Merkel und Horst Köhler.

Gehen wir doch einfach davon aus, dass Menschen – und folglich auch Politiker – sich ändern können, dass sie sich neu erfinden können. Frank Henkel hat schon damit angefangen. Er stellt neuerdings den Leitbegriff „Freiheit“ in den Mittelpunkt. Ganz anders als früher, wo er hinter jedem Laternenpfahl die Bösen lauern sah. Er folgt damit dem Ratschlag von Thomas de Maizière, über den wir in diesem Blog am 09.05.2008 berichteten.

Und er wird versuchen, die Union nicht mehr als Westberliner Milieupartei weiterzuführen, sondern sie zu einer Volkspartei weiterzuentwickeln, die vielleicht sogar irgendwann – in einigen Jahren oder Jahrzehnten – auch außerhalb der engen eigenen Klientel wählbar wird.

Für diesen Griff nach draußen werden weiterhin in der zweiten Reihe Politiker wie Christoph Stölzl, Monika Grütters, Friedbert Pflüger, Peter Kurth  – und wie sie alle hießen, heißen und heißen werden – gebraucht.

Berliner Union – Die CDU will ihren neuen Chef präsentieren – Berlin – Berliner Morgenpost

Die Krise der Berliner CDU war Anfang September im Streit um die Parteiführung zwischen dem damaligen Fraktionschef Friedbert Pflüger und Parteichef Ingo Schmitt ausgebrochen. Pflüger wollte Schmitt auf dem nächsten Parteitag im Mai 2009 ablösen. Er verlor den Machtkampf und wurde auch als Fraktionschef abgewählt. Auch Schmitt trat vorzeitig zurück.

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ES GILT VIELE MAUERN ABZU BAUEN

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Okt. 032008
 

east-side-gallery-21062008001.jpg Tag der deutschen Einheit. Für mich, für uns, ein besonderer Tag. In dieser Schreibung finde ich diesen Spruch „Es gilt viele Mauern abzu bauen“ wieder und wieder einprägsam. Das alte Denken, die Einigelung in „Blöcke“ und „Lager“ möge ein kräftiger, belebender Wind hinauswehen! Möge der Geist der Einheit, der Geist der freundschaftlichen, fairen Auseinandersetzung, das Ringen um das Gemeinwohl an die Stelle der Zerrüttung und der Spaltung treten! Lasst uns zusammen lernen statt gegeneinander zu lärmen! Das ist mein sehnlichster Wunsch für die Berliner Landespolitik.

Dies trifft besonders auf mein Heimatdorf Friedrichshain-Kreuzberg zu. Wo sonst in unserer Republik finden sich noch so kräftige Reste des alten verkrusteten Denkens – auf beiden Seiten der Mauer? Wo sonst diese geballte Kommunikationsverweigerung, dieses unerschütterliche Festhalten an althergebrachten linken und rechten Überzeugungen? Wahrhaftig, hier in Kreuzberg kann man noch die alten Haudegen und Kämpen aus dem „linken“ und dem „bürgerlichen“ Lager antreffen.

Also, Altertumsforscher und Ethnologen, besucht uns, erforscht das alte Denken, konserviert es für die Nachwelt, ehe die unerschrockenen Recken des Lagerdenkens aussterben.

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Juni 212008
 

Gerechtigkeit, Freundschaft, Sicherheit – das sind alles schlichte, uralte Tugenden. Der Koran, die Bibel, Platon, Aristoteles, der Talmud und Immanuel Kant sind voll von Erwägungen darüber! Wer Gerechtigkeit und Freundschaft fordert, liegt eigentlich nie falsch. Zunehmend erkennen das auch Bürgerbewegungen und politische Gruppierungen. Sie sagen nicht mehr: „Weg mit den umweltschädigenden erdölgestützten Verkehrsmitteln!“, sondern schreiben sich bewährte Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit oder Freundschaft auf die Fahnen – oder auch buchstäblich auf den nackten Leib. Eins der vielen Beipiele für diese neue Schlichtheit in der Kommunikation entnehme ich der Berliner Morgenpost aus dem Hause Axel Springer, und zwar der Ausgabe vom 08.06.2008:

Splitternackt sind gestern Hunderte Menschen durch das Zentrum von Madrid geradelt, um für mehr Sicherheit für Radfahrer im Straßenverkehr zu demonstrieren. Die Demonstranten fuhren am Morgen von der Plaza de Cibeles in Richtung Plaza de España los. Die Kundgebung stand unter dem Motto „Nackt im Angesicht des Verkehrs, Gerechtigkeit auf der Straße“. Autos verstopften die Straßen und machten sie zu „feindlichen und gefährlichen Orten“, erklärten die Organisatoren.

Bemerkenswert: Erneut wird der Begriff „feindlich“ gewählt, um den Ist-Zustand zu beschreiben. Dies dürfte bestätigen, was wir im vorherigen Eintrag schrieben: Letztlich hat sich die Art Mensch nicht von der Einteilung der Welt gemäß dem Freund-Feund-Schema entfernt. Diese Unterscheidung scheint biologisch verankert zu sein wie Lachen und Weinen.

An dieser Grunddisposition können wir kaum etwas ändern. Es gilt also für uns, bewusst Freundschaft zu säen, wo bisher Feindschaft erfahren wird, z.B. durch eine bessere, freundschaftliche Art des Miteinander-Umgehens im Straßenverkehr. Man muss sich ja nicht immer gleich ausziehen.

Hunderte Radler protestieren nackt in Madrid – Panorama – Printarchiv – Berliner Morgenpost

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Mai 092008
 

Wie weit ist Kreuzberg von Berlin entfernt? Mit dieser provokanten Frage eröffnete Thomas de Maizière am gestrigen Donnerstag sein Referat. Keine der üblichen Stammtischreden kündigte er an, sondern einen etwas abweichenden Einblick in die Praxis eines Politikers, der im engeren Sinne zum „Team Merkel“ gehört und als Leiter des Bundeskanzleramts gewissermaßen rechte Hand der Bundeskanzlerin ist. Ort: das Glashaus in der Kreuzberger Lindenstraße. Eingeladen hatten gemeinsam der CDU-Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg und dessen Ortsverband Oranienplatz. Wer aber geglaubt hatte, der Redner werde dem besonderen Flair, dem Sondercharakter unseres Bezirks achtungsvoll-mitleidig Tribut zollen und sich derart einschmeicheln, sah sich getäuscht: de Maizière stellte heraus und belegte durch Zahlen, dass Vielfalt, Unterschiede aller Art geradezu Kennzeichen der jetzigen Bundesrepublik seien. Im Klartext: Alle Gegenden sind irgendwie anders als die anderen – es gibt keine Sonderzonen, weder sind es die alternativen Spielwiesen noch die Hochburgen der Bürgerlichkeit. Kreuzberg, Dingolfing oder Dresden sind bei allen gewaltigen Unterschieden hinsichtlich Einkommen, Beschäftigungssituation und Lebensstil nichts anderes als Facetten eines unübersichtlicher, aber dadurch auch reicher gewordenen Landes.

Daraus ergeben sich aber auch Gefahren: der gesellschaftliche Zusammenhalt droht verlorenzugehen, wenn alle nur aus ihrer eigenen Sichtweise heraus urteilen und handeln. Die Bürger denken dann in Kategorien der Betroffenheit, die Politiker in solchen der Zuständigkeit. Dass ein Vater wegen eines schulischen Ärgers an die Bundeskanzlerin schreibt, zeigt, dass er sich betroffen fühlt, die Angeschriebene wird und darf aber darauf nicht selbst eingreifen: für Schule ist sie nicht zuständig. Aus dem Gegensatz von Betroffenheit und Zuständigkeit ergeben sich häufig Missverständnisse und Entfremdung zwischen der Politik und den Bürgern, zwischen „denen da oben“ und „denen hier unten“. Der Kanzleramtsminister warb leidenschaftlich für den „Blickwechsel“. Beide Seiten sind aufgerufen, sich jeweils in die andere hinzuversetzen. Gelingt dies nicht, drohen den Bürgern Politikerverdrossenheit, den Politikern der Verlust der Bodenhaftung, letztlich lauert gar Legitimitätsverlust.

Was heißt Politik? Geht es darum, bestimmte Vorstellungen davon, wie die Welt auszusehen habe, möglichst unverkürzt umzusetzen? Geht es darum, für das Gute zu kämpfen und des Schlechte zu besiegen? Oder ist es Kennzeichen guter Politik, unerschrocken große Reformvorhaben durchzusetzen und dem Land ein frisches Gesicht zu verleihen? De Maizière wies derartige Vorstellungen nicht rundheraus zurück, legte aber eindringlich dar, dass die Aufgabe der Politik meist darin bestehe, unterschiedliche, für sich genommen berechtigte Interessen in einen vertretbaren Ausgleich zu bringen. Dafür muss der Staat mit seinen Organen sorgen. Er hat das Gewaltmonopol, muss die Sicherheit der Bürger gewährleisten. In diesem Zusammenhang bekräftigte de Maizière, dass er die Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten für ebenso sinnvoll wie das Festhalten am BND, als einem geheim agierenden Nachrichtendienst, erachtet.

Politik besteht im Durcharbeiten verschiedener Sachprobleme, im vernünftigen Zusammenführen unterschiedlicher Perspektiven. Der berühmte große Wurf ist nur selten möglich. Als Beispiele dafür nannte de Maizière das Steuersystem und die Sozialversicherung. Ein grundlegender Systemwechsel oder auch nur eine durchgreifende Reform dieser Systeme sei derzeit nicht zu stemmen. Es gehe vielmehr um das Nachjustieren, um behutsame Eingriffe. Ziel sei es dabei, das Funktionieren des Ganzen zu sichern. Selbst vermeintlich einfache Fragen wie etwa Importerleichterungen für amerikanische Hühnchen scheiterten oft an unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie ein Hühnchen zu sein habe: das amerikanische Hühnchen scharrt in einer mikrobendurchsetzten Umwelt, um nach dem Keulen gründlich desinfiziert zu werden. Das europäische Federvieh wächst hygienischer auf, erfüllt aber nach dem Schlachten nicht die strengeren amerikanischen Vorschriften. Amerikaner und Europäer finden keine einvernehmliche Lösung, weil die Züchter sich gegen jeden Vorschlag wehren. Folge: Die Grenzen für Hühnchen werden dichtgemacht. Ist das richtig oder falsch? Wer hat nun recht? Wer ist das gute, wer das böse Hühnchen?

An diesen und anderen Beispielen machte de Maizière sehr anschaulich klar: Es geht in der Politik fast nie um Gut und Böse, ja nicht einmal um Recht und Unrecht, sondern um das beharrliche Zusammenbringen, das Vermitteln unterschiedlicher Seiten und Sichtweisen. Gute Politik besteht also darin, diesen Prozess der Mediation, der Vermittlung zu einem solchen Abschluss zu bringen, dass die Interessen aller Beteiligten auf vertretbare Weise gewahrt bleiben.

Alle diese Thesen unterlegte de Maizière mit einer Fülle an Beispielen aus unterschiedlichen Politikfeldern. Er lieferte eine beeindruckende tour d’horizon quer durch die verschiedenen Baustellen der Politik aus der Sicht eines zentralen Akteurs.

Kennzeichnend für den geschilderten Politikstil sind eine pragmatische, unideologische Grundhaltung sowie Einsicht in das derzeit Mehrheitsfähige und Machbare: „Man sollte nur für das kämpfen, wofür eine Erfolgsaussicht besteht.“ Ich bemerkte: Sprachlich schlägt sich dies in klaren, kurzen Sätzen, angereichert mit Beispielen aus der Praxis nieder. Ich dachte: Ja, wenn nur alle so redeten, wären wir schon weiter!

Der vollständige Verzicht auf gängige Modeworte fiel mir ebenso angenehm auf. Der Sprechzettel des Ministers glänzte durch das Fehlen einiger Hieb- und Stichworte, ohne die der übliche Stammtisch der verschiedensten Parteien meist nicht auskommt! Vier dieser auffallenden Lücken – also Worte, auf die er verzichtete – seien hier gleich angeführt:

„Partei“. Wenn ich mich nicht täusche, kamen politische Parteien in diesem doch grundsätzlich angelegten Referat nicht oder nur am Rande vor. Dies fand ich besonders verblüffend! Die Parteien spielen im Konzert der politischen Kräfte offenbar nicht mehr die dominierende Rolle, die ihnen häufig zugeschrieben wird. Es war, als wollte de Maizière uns sagen: „Denkt an die dringenden Aufgaben, denkt an mögliche Lösungen, denkt nicht zuerst an die Partei.“ Vielleicht meinte er stillschweigend sogar: „Öffnet die Partei für Gesprächsangebote nach draußen, dann wird sie schon größeren Einfluss bekommen. Macht sie zur Plattform für die Diskussionen der gesellschaftlichen Interessen, dann wird sich auch ein schärferes Profil ergeben.“

„Reform.“ Scheint zu stark verbraucht, belastet zu sein durch übertriebene Anspruchshaltung. Oft hört man: „Diese Regierung ist angetreten mit dem Versprechen, das und das und das zu reformieren. Was ist daraus geworden?“ Der Minister schien da eher den Begriff „Vorhaben“ zu bevorzugen. Er erwähnte durchaus die großen übergreifenden Vorhaben der jetzigen Regierung – etwa den Klimaschutz, aber er vergaß nie aus den Augen, dass derartig große Ansätze in das tägliche kleinteilige Arbeiten eingefügt werden müssen.

„Zwänge einer großen Koalition.“ Wird bekanntlich häufig als Erklärung für gescheiterte Reformversuche hergenommen. Zwar sprach de Maizière durchaus von Sachzwängen, aber in keinem Fall verwendete er die bequeme Ausflucht: „Die anderen, also die SPD, lassen uns nicht.“ Wenn es nicht weitergeht – so schien er sagen zu wollen – stecken dahinter einander widerstreitende Interessen, die eben derzeit nicht unter einen Hut zu bringen sind. Beispiel: die Steuerfreiheit für Nachtarbeitszuschläge; dieser als solcher unerwünschte Subventionstatbestand lässt sich derzeit nicht gegen die Interessen des sowieso gering verdienenden Pflegepersonals abschaffen.

„Konservativ“, „links“, „bürgerlich“. Scheinen in der Politiksicht des Kanzleramtsministers eine äußerst geringe oder gar keine Rolle zu spielen. Diese veralteten Begriffe des Blockdenkens werden ersetzt durch wertfreie Fragen wie: „Wie ist der jetzige Zustand? Wer profitiert davon? Was ist schlecht daran? Was spricht dafür, was dagegen, diesen jetzigen Zustand zu ändern? Können wir die angestrebte Änderung durchsetzen?“

Und damit kommen wir zum zweiten Teil des Abends – zur freien Aussprache. Die Fragen an den Minister zielten ohne Umschweife auf die Themen, die besonders auf den Nägeln brennen. Zwei davon seien herausgegriffen:

1) „Wie sieht konservative Politik heute aus?“ Ich hatte den Eindruck, dass Herr de Maizière das vielbeschworene „Konservative“ nicht als den bestimmenden Grundzug einer erfolgreichen CDU ansieht. Er vertrat vielmehr die Meinung, dass ein emphatischer Begriff der Freiheit eher als das eigentlich unterscheidende Merkmal der CDU tragfähig sei. Freiheit verstanden als Gegenbegriff zur größtmöglichen Verteilungsgerechtigkeit, die letztlich nur zu einem üppigeren Staat führen müsse. Und der Staat, somit auch die Politiker, werde derzeit hoffnungslos mit Ansprüchen und Erwartungen überfrachtet.

2) „Wie können wir die nächsten Wahlen gewinnen?“ Hier legte de Maizière nahe: durch fleißige, glaubwürdige Arbeit an Sachproblemen. „Die Wahlkämpfe sind kurz“. Verunglimpfung des Gegners werde zwar mitunter von der Parteibasis gefordert, stoße aber die breiten Wählerschichten ab. Also verwende man besser keine Beleidigungen! Aber dem Wähler müsse klargemacht werden: Wenn ihr Merkel wollt, müsst ihr CDU wählen.

Und wieder einmal wurde die Frage aufgeworfen, warum die überragenden, eigentlich sensationellen Umfragewerte der Kanzlerin Merkel nicht der CDU zugute kämen. Nun, wir hatten genau diese Frage schon einmal in derselben Kneipe und auch in diesem Blog erörtert (siehe Eintrag am 23.11.2007). Hier hätte der Minister meiner Ansicht nach den von ihm vertretenen Politikstil durchaus als nachahmenswert empfehlen können. Er tat es nicht – aus Bescheidenheit?

Mein Versuch einer Bilanz: Wir hörten beeindruckende, mit Hintergrundwissen geradezu getränkte Analysen, vorgetragen mit großer Anschaulichkeit und auch erfrischendem Humor von einem der einflussreichsten Politiker dieser erfolgreichen Bundesregierung. Der von Minister de Maizière überzeugend vertretene Politikstil wird seit einigen Jahren vom Team um Kanzlerin Merkel mit großer Konsequenz in die Tat umgesetzt. In der Berliner Landespolitik hat dieser kooperative, über die alten Kämpfe hinausweisende Politikstil sicherlich an diesem Abend einige neue Freunde gewonnen. Ich selbst – war sowieso schon einer.

Nun gilt es nur noch, dem Minister de Maizière noch deutlicher all die schönen Seiten unseres Bezirks ebenso überzeugend vorzuführen. Es gibt auch bei uns noch viel Gutes zu entdecken, Herr Minister!

Unser Foto zeigt von links nach rechts: Dr. Wolfgang Wehrl, Kreisvorsitzender der CDU Friedrichshain-Kreuzberg, Kanzleramtsminister Dr. Thomas de Maizière, Kurt Wansner MdA. Foto veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Wehrl

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