Nov 262008
 

Erneut einen harten Schlag erleidet das in Berlin immer noch weit verbreitete Lagerdenken: Demnach zerfällt die Welt in zwei Teile – einerseits die Linksfront, welche durch die SED, die „Partei der Mauerschützen“ (die heutige Linke), große Teile der SPD und große Teile der Grünen gebildet sein soll. Andererseits die „bürgerlichen Parteien“ CDU und FDP. Ich meine: Diese ganze Konstruktion war seit der deutschen Einigung 1990 nicht mehr zu halten. Jetzt kommen täglich neue Einsichten ans Tageslicht, die dieses sorgsam gepflegte Lagerdenken weiter der Unglaubwürdigkeit überführen. So berichtet die Welt heute:

Leitartikel: Sachsens CDU-Ministerpräsident Tillich verteidigt sich mit PDS-Methoden: Das Spiel der Blockflöten – DIE WELT – WELT ONLINE
Tillich trat in der Endphase der DDR in die SED-hörige CDU ein, um die Laufbahn eines Staatsfunktionärs einschlagen zu können. In seiner Position als Nomenklaturkader konnte er politisch Einfluss nehmen, erhielt ein gut doppelt so hohes Gehalt wie ein Facharbeiter und gehörte der Funktionselite an. Dass sich der Familienvater damals für Karriere entschieden hat, gehört zu seiner biografischen Realität. Entgegen der eigenen Wahrnehmung verfügt Tillich mit diesem Werdegang allerdings über keine typische „ostdeutsche Biografie“. Nicht zuletzt schloss seine Arbeit etwas ein, womit die Mehrheit der Bürger nichts zu tun haben wollte – eine ständige Kollaboration mit SED-Genossen und sogar Kontakte mit Stasi-Offizieren.

Diese Enthüllungen kommen nur für Blauäugige als Überraschung. Jeder, der in der DDR politisch etwas innerhalb der etablierten Institutionen bewegen wollte, musste sich dem System anpassen. Er wurde zur Stütze des Systems. Ob man dazu der SED oder einer der DDR-Blockparteien beitrat – dies war nach allem, was ich höre, nur ein gradueller Unterschied.

Die CDU wird nun sehr darauf bedacht sein müssen, ihre Glaubwürdigkeit zu retten. Immer nur auf die böse Linkspartei, die Partei der „Mauermörder“ zu schimpfen, wird nicht mehr verfangen. Damit verstrickt sich die CDU nur in einen ganzen Wald von Widersprüchen. Einen Lagerwahlkampf nach dem Motto „Linksblock stoppen“ wird die CDU in Berlin ebenso verlieren, wie sie ihn in Hessen verloren hat.

Eine erfolgreiche Partei kann sich nur über das definieren, was sie politisch bewegen will. Sie muss sagen, was sie vorhat, nicht was sie hinter sich hat! Moralische Überheblichkeit ist nicht angesagt. CDU-Ministerpäsidenten wie Dieter Althaus  oder Stanislaw Tillich, die bereits in der DDR der Ost-CDU beitraten, spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. Sie könnten aufklärend auf ihre Parteifreunde wirken. Dazu ist es nötig, darzulegen, dass man jene DDR mitgetragen hat wie die anderen Angehörigen der Funktionselite auch. Man war als Mitglied der DDR-Blockparteien kein Widerständler, man gehörte auch nicht zu jener DDR-Mehrheit, die das Ganze mehr oder minder duldsam über sich ergehen ließ und sich in einer Art gespaltenen Bewusstseinslage einrichtete, sondern man war ein Teil des Systems.

 Posted by at 10:05

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