Parlamentarier aller Regierungsparteien! Kauft nicht alles von eurer Regierung!

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Mai 062009
 

Immer wieder beklage ich, dass die Parlamentarier den durch sie gestützten Regierungen nicht stärker auf die Finger sehen, sondern allzu viel abnicken und passieren lassen. Dies gilt für den Bundestag ebenso wie unser Berliner Abgeordnetenhaus.

Plötzliche Parteiaustritte, Fraktionswechsel und ähnliches halte ich für höchste Alarmsignale. Warum kann man nicht vorher seinen Dissens zu Protokoll geben? Warum macht man nicht vorher den Mund auf? Was steckt dahinter? Sind das Kurzschlusshandlungen? Wie stark muss der berüchtigte Fraktionszwang lasten, dass nur noch der Austritt als Protestsignal bleibt?

Die SPD Friedrichshain-Kreuzberg verlor mit Canan Bayram die Wahlkampfleiterin für unseren Bezirk 084. Die Abgeordnete verließ Knall auf Fall die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und wechselt zu den Grünen.

Schock am Nachmittag – Berliner Zeitung
In der Koalition und in der SPD-Fraktion gibt es Gesprächsbedarf, unter anderem zwischen denen, die Bayram verstehen, wie beispielsweise Evrim Baba von den Linken oder Thomas Kleineidam aus der SPD-Fraktion. Der Abgeordnete kennt Bayram unter anderem aus dem Innenausschuss. Da habe es immer mal Meinungsverschiedenheiten gegeben wie mit anderen Abgeordneten auch. „Aber ich stehe ratlos davor, dass sie ausgetreten ist“, sagt Kleineidam. Vielleicht habe es auch eine Rolle gespielt, dass Bayram bei einer Kandidatur für die Landesliste in Friedrichshain-Kreuzberg nicht zum Zuge gekommen sei, weil man dort Björn Böhning favorisiert, spekuliert er. Man werde aber darüber reden müssen, was in der Kommunikation in der SPD-Fraktion verbessert werden müsse, sagt Kleineidam.

Ich meine: Dass einzelne Abgeordnete ihrem Unmut über das Regierungshandeln Luft machen, ist gut! Selbstverständlich kann auch eine SPD-Abgeordnete ihre Kontrollfunktion dadurch ausüben, dass sie den amtierenden Senat kritisiert. Es ist ihr Recht, es ist ihre Pflicht. Jedoch meine ich, dass Kritik aus den eigenen Reihen wirksamer ist als aus den Reihen der Opposition. Canan Bayrams Stimme, die ja vor ihrem SPD-Austritt keineswegs ungehört verhallte, wird ab sofort weniger Gewicht haben.

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Braucht Berlin einen Bürgeraustausch?

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Apr. 282009
 

Ich meine: ja, wir brauchen mehr Austausch zwischen den verschiedenen Inseln, in die unsere Stadt zunehmend zerfällt. Man sollte mehr reden, Gedanken austauschen. Habt ihr etwa Anne Will am letzten Sonntag gesehen? Das Thema DDR diskutierten Wolfgang Schäuble, Wolfgang Thierse, Ulrich Maurer und Hubertus Knabe. Auch da war dasselbe zu beobachten: ein Gespräch zwischen Deutsch-Ost und Deutsch-West kam einfach nicht in Gang! Absolut sehenswert!  Jeder versuchte dem anderen zu beweisen, wie sehr er recht hat. Genau so läuft es oft, wenn Berlin Ost auf Berlin West trifft.

Hajo Schumacher stimmt in der heutigen Morgenpost mit den in diesem Blog angestellten Analysen überein: Berlins Bevölkerung driftet auseinander, die Unterschiede zwischen den Sozialmilieus verwischen sich nicht – im Gegenteil. Neue Teil-Inseln kommen hinzu. Völlig vergessen hat Schumacher auch die verschiedenen national geschiedenen Ausländergruppen, die ebenfalls zunehmend eigene Sondermilieus entwickeln: DIE Russen, DIE Polen, DIE Türken, DIE Araber.

Ich selber – fühle mich übrigens keinem dieser Milieus zugehörig, sondern bin längst ein dauernder Migrant zwischen ihnen. Weder Parteien noch Beruf noch ein Verband können mir zu einer verlässlichen „soziokulturellen Zugehörigkeit“ verhelfen. Wie oft habe ich das Gefühl: Ja wo bin ich denn hier gelandet? Geht’s noch?!

Nur die Familie könnte das schaffen. Als Familie sind wir jedoch Ost-West-Mischung in Reinkultur. Klare Milieuverankerung – Fehlanzeige! Ein  Leben ohne Milieuzugehörigkeit, wir sind Bürger zwischen den Fronten: spannend!

Nach Pro Reli – Berlin braucht einen Bürgeraustausch – Berlin – Berliner Morgenpost
Von außen als hipper Monolith wahrgenommen, zerfällt die Hauptstadt in drei Teile, die sich anhand der Wahlergebnisse nahezu mathematisch bestimmen lassen: in Ost und West siedelt jeweils ein gutes Viertel Mobilisierungsbereiter, die Resthälfte machen die Neuen aus. Die Menschen haben zwar denselben Bürgermeister, das gleiche Autokennzeichen und einen gemeinsamen Hauptbahnhof – doch ihr kulturelles, historisches und alltägliches Lebensgefühl ist auseinandergedriftet. Die Stadt besteht aus Inseln, jede mit ihrer eigenen Realität und ohne viel Bereitschaft, die Wirklichkeit der anderen wahrzunehmen. Der frühere Mauerstreifen bildet in jeder Wahlgrafik eine relativ verlässliche Trennlinie.

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Wie kann man die Spaltung Berlins überwinden?

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Apr. 242009
 

Guter Artikel zu Pro Reli in der heutigen Süddeutschen Zeitung auf S. 3, gutes Interview mit Frank Henkel in der Berliner Zeitung. Konstanze von Bullion stellt ihren wohlabgewogenen Bericht unter den Titel: „Die geteilte Stadt“. Sie fuhr nach Ost-Berlin wie nach West-Berlin, sie sprach mit muslimischen Jugendlichen, mit christlichen Gymnasiasten, mit linken Ethik-Befürwortern. Ihr Befund: Das Ringen um Pro Reli hat Indikatorwert für die ganze Republik. Na endlich eine auswärtige Journalistin, die sich über das Hickhack in der Berliner Landespolitik nicht nur lustig macht, sondern uns Berlinern zubilligt, dass wir bei aller Wuscheligkeit, bei aller teilweise komischen Aufgeregtheit eben doch wichtig sind, dass in dieser Stadt die entscheidenden Fragen aufgeworfen und dankenswerterweise nicht beantwortet werden. Befund: Der zum Scheitern bestimmte Volksentscheid Pro Reli hat Spaltungen in der Stadt sichtbar werden lassen und sie auch noch vertieft – zwischen Ost und West, zwischen Islam und Christentum, zwischen der säkular eingestellten Mehrheit und den konfessionell gebundenen Wagenburglern.

Frank Henkel kommt aus seiner Sicht zu einem ähnlichen Ergebnis. Er sagt:

„So aber wird die Stadt, wie schon im Fall Tempelhof, gespalten: in Gläubige und Ungläubige, Befürworter und Gegner.“

„Na, gehste wieder zu deinem Gott, beten“ – Berliner Zeitung

Gut gefällt mir auch, dass Henkel offen erzählt, dass er eine glückliche Kindheit in der DDR hatte. Das war überfällig, ich habe das bisher leider von kaum einem anderen CDU-Mann gehört.

Ganz wenige haben sich auf keine, sondern auf beide Seiten gestellt – so wie ich. Equidem sum pro religionibus et pro ethica! Ich bin dafür, dass in der Schule von Klasse 1 an zivilgesellschaftliche Werte und zusätzlich auch religiöse Inhalte gelehrt werden. Wie? Das wissen wir noch nicht.  Ein politisches Problem hat die Form: Wir kennen uns nicht aus, wie Gevatter Ludwig Wittgenstein sagen würde. Vielleicht ist die jetzige Lösung die beste erreichbare.

Pro Reli hat schwerste, ja unverzeihliche  strategische Fehler gemacht, ebenso die Berliner CDU in der vorbehaltlosen Unterstützung von Pro Reli.  Wie damals auch schon die Pro-Tempelhof-Recken. Wieder einmal hat man die Mehrheitsverhältnisse in der Stadt völlig falsch eingeschätzt und ein Thema zur Profilierung missbraucht, das viel zu wichtig ist, als dass es in einem Volksentscheid versemmelt werden dürfte. Jeder General weiß doch: Mustere deine Truppen, bevor du angreifst, wirb um Überläufer, sende Spione zum Gegner, sondiere das Terrain!

Aber Pro Reli kommt dennoch ein Verdienst zu: Die Stadt spricht über ein wichtiges Thema: die kulturprägende Kraft von Religionen, die Wichtigkeit von Werten, die im bürgerschaftlichen Diskurs außerhalb der religiösen Bindung gesucht werden müssen.

Volksentscheide über Pseudo-Alternativen sind der falsche Weg. Nach dem Scheitern von Pro Reli sollte in Berlin eine ernsthafte Wertedebatte begonnen werden. Ich freue mich darauf. Dieses Blog nimmt bereits seit längerem daran teil, versucht Anstöße zu geben.

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Apr. 202009
 

Leider mal wieder völlig abwesend: Hauptschüler, türkische und arabische Schüler – die sollten mal auspacken!

André Schindler, Vorsitzender des Landeselternausschusses Berlin; Cordula Heckmann, Schulleiterin der Heinrich-Heine-Realschule und Leiterin des Jahrgangs 7 an der Gemeinschaftsschule des neues „Rütli-Campus“ in Berlin; Hamburgs Bildungssenatorin Christa Goetsch; Günter Offermann, der Rektor des Schiller-Gymnasiums in Marbach: das waren die Teilnehmer des Forums auf dem taz-Kongress, zielstrebig und klug geleitet von Tazzlerin Anna Lehmann. Ich setzte mich ins Publikum, lauschte. Christa Goetsch stellte das neue Hamburger Modell vor: Das Gymnasium bleibt erhalten, wird nach 12 Jahren zum Abitur führen. Daneben tritt die Stadtteilschule, auf der es 13 Jahre bis zum Abitur dauert. Neue Schulstruktur – neue Lernkultur: das waren auch die Zauberwörter, um die die insgesamt hochanregenden Beiträge kreisten. Lehrer, Schüler und Fachleute diskutierten, tauschten Erfahrungen aus – sehr gut!

Das Gymnasium – ein Auslaufmodell at 30 Jahre taz – tazkongress vom 17. bis 19. April 2009

Die insgesamt sehr gute Diskussion kreiste wie üblich um zwei Pole. Zum einen die Strukturdebatte: „Welche Schulformen werden benötigt?“ und Unterrichtsqualität: „Wie soll gelehrt und gelernt werden?“

In der Debatte meldete ich mich zu Wort. Ich beklagte die ethnisch-religiöse Segregation der Schülerschaft in Kreuzberg, Neukölln und Wedding. Die deutschen Eltern wollen nichts mit den mehrheitlich muslimischen Klassen zu tun haben. Diese Abschottung ist eingetreten, unabhängig von allen Diskussionen um Schulstrukturen und Unterrichtsformen.

Völlig ausgespart blieb das gesamte Leben der Schüler außerhalb der Schule, also die Familien und die Freizeit. Dabei wissen wir in Neukölln und Kreuzberg längst: An die Eltern müssen wir heran. Denn in den Familien, nicht in den Schulen werden offenbar die Weichen für Bildungskarrieren gestellt. Medienberieselung mit türkischem oder arabischem Satellitenfernsehen, Abkapselung nach außen, ein Versagen der Väter, Verhätschelung einerseits, Prügelei andererseits, kein lebbares Männlichkeitsbild, kein Kontakt zur deutschsprachigen Umgebung, eine Unfähigkeit zur sinnvollen Freizeitgestaltung: das scheinen die echten Probleme zu sein. Diese traut man sich aber nur hinter vorgehaltener Hand zu benennen. Stattdessen schüttet man weiterhin Geld in das System und in Strukturreformen, die aber an den Ursachen der Probleme vorbeigehen. Die weitgehende Segregation (Apartheid) der türkischen/arabischen Schüler einerseits, der deutschen Schüler andererseits, ist traurige Realität – unabhängig von der Schulform und der Unterrichtsqualität. Not tun die drei L des Tariq Ramadan: LANGUAGE, das heißt Aufforderung zur Erstsprache Deutsch von frühester Kindheit an auch in den Familien (nach Möglichkeit mit einer Zusatzsprache, etwa Türkisch oder Arabisch), LAW, das heißt Respektierung der freien Persönlichkeit, Einhaltung des Prügelverbotes, Durchsetzung des Verbotes der Körperverletzung, LOYALTY, das heißt: wer in Deutschland geboren wird und aufwächst, ist Deutscher; diese Kinder sollen von Anfang an wissen, dass sie sich zuallererst in diesem Land eine Zukunft erarbeiten müssen. Sie müssen hier Pflichten und Verantwortung übernehmen.

Keines der Ls ist bis jetzt auch nur annähernd erreicht. Im Gegenteil: Man erweckt durch die angestrebten Reformen noch stärker den Eindruck, der Staat werde sich schon um alles kümmern. Das unselige Etikett „Kind mit Migrationshintergrund“ verstetigt die Probleme, statt sie zu lösen, schafft die Zwei-Klassen-Schülerschaft, an der auch die geplanten Reformen nichts ändern werden. Der Staat wird es so nicht schaffen. Die Familien müssen zur Erziehung der Kinder für dieses Land, auf diese Gesellschaft hin ermuntert und genötigt werden.

Nachher sprechen mich verschiedene Teilnehmer an: „Sie haben natürlich recht“, wird mir bedeutet. Nur sagen darf man es nicht so laut. Das stört die einträchtige Harmonie.  Es muss ja noch Stoff zum Diskutieren geben.

 Posted by at 22:59

Clement tritt aus und verlässt SPD!

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Nov. 252008
 

Soeben wird mir Wolfgang Clements Erklärung zugereicht, mit der er seinen Austritt aus der SPD bekanntgibt:

„Hiermit erkläre ich mit Wirkung vom heutigen Tag meinen Austritt aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Die Gründe dafür sind

  • erstens die Entscheidung der Bundesschiedskommission, die meint, die Wahrnehmung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit mit einer öffentlichen Rüge drangsalieren zu sollen,
  • zweitens die Tatsache, dass die SPD-Parteiführung zugleich keinen klaren Trennungsstrich zur PDS/Linken zieht, sondern sogar – in den Ländern – zu einer Zusammenarbeit mit dieser Partei ermuntert, obgleich deren Stasi-Verstrickung offenkundig ist, und
  • drittens eine Wirtschaftspolitik treiben lässt, die – wie der IGBCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt soeben wieder warnend hervorgehoben hat – auf eine De-Industrialisierung unseres Landes hinausläuft.

Ich bedauere sehr, diesen Schritt, zu dem ich mich nach gründlicher Abwägung entschlossen habe, tun zu müssen.

An den weiteren Diskussionen und Auseinandersetzungen um die hier angesprochenen Fragen werde ich mich – nunmehr als Sozialdemokrat ohne Parteibuch – nach Kräften beteiligen.“

Dies ist ein schwerer Schlag für die SPD! Ich halte Clements Schritt für zwar für nachvollziehbar. Dennoch meine ich, dass auch nach schweren Zerwürfnissen ein Ausgleich innerhalb der Parteien gesucht werden sollte. Und für einen bekennenden Sozialdemokraten muss die Sozialdemokratische Partei die Hauspartei sein, oder doch eine andere? Die SPD wiederum war schlecht beraten, als sie Wolfgang Clement eine Rüge aussprach. Ich glaube, Parteien müssen Widerspruch aus den Reihen ihrer Mitglieder aushalten, auch wenn dieser öffentlich geäußert wird, auch wenn dieser im Wahlkampf geäußert wird! Denn genau dann, wenn innerhalb einer Partei eine Haltung des offenen Gesprächs herrscht, wird dieser Partei auch zugetraut, mit anderen Parteien und mit den gesellschaftlichen Kräften draußen im Lande überhaupt in ein offenes Gespräch einzutreten.

Am Umgang mit den öffentlichen Abweichlern erweist sich, wie ernst es einer Partei mit den Grundsätzen der Demokratie ist.

Es lebe der innerparteiliche Wettbewerb! Es lebe die Wettbewerbsdemokratie!

Clements Erklärung im Wortlaut: „Ich bedauere sehr, diesen Schritt tun zu müssen“

 Posted by at 11:44